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BSG - Entscheidung vom 21.12.2017

B 9 V 46/17 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1

BSG, Beschluss vom 21.12.2017 - Aktenzeichen B 9 V 46/17 B

DRsp Nr. 2018/2209

Versorgung nach dem OEG Grundsatzrüge Klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage Genügen der Darlegungspflicht Vorliegen einer Breitenwirkung

1. Grundsätzliche Bedeutung i.S. von § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. 2. Ein Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts sowie unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung und des Schrifttums angeben, welche Rechtsfragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. 3. Um seiner Darlegungspflicht zu genügen, muss der Beschwerdeführer mithin Folgendes aufzeigen: (1.) eine bestimmte Rechtsfrage, (2.) ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, (3.) ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit sowie (4.) die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung, also eine Breitenwirkung.

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 26. Mai 2017 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1 ;

Gründe:

I

Mit Urteil vom 26.5.2017 hat das LSG einen Anspruch des Klägers auf Gewährung von Versorgung nach dem Opferentschädigungsgesetz ( OEG ) iVm dem Bundesversorgungsgesetz wegen angeblicher Schädigungshandlungen vor dem 16.5.1976 verneint, weil nicht erwiesen sei, dass die beim Kläger bestehenden Erkrankungen wahrscheinlich wesentlich ursächlich im Sinne der Entstehung oder der Verschlimmerung auf tätliche Angriffe iS von § 1 Abs 1 S 1 OEG zurückzuführen seien. Soweit sich die Klage auf Schädigungshandlungen beziehe, die nicht Gegenstand der angefochtenen Bescheide seien, sei sie unzulässig. Die gehörten Sachverständigen seien sich darin einig, dass eine Differenzierung zwischen den Folgen solcher Schädigungshandlungen, die vom Tatbestand erfasst seien, von solchen, die nicht vom Tatbestand erfasst seien, wozu insbesondere emotionale Vernachlässigung gehöre, im vorliegenden Fall nicht möglich sei. Auch eine Differenzierung zwischen den Folgen von tatbestandlichen Schädigungshandlungen vor und nach dem Inkrafttreten des OEG sei nicht möglich. Soweit Dr. F. in ihrer ergänzenden Stellungnahme einen Grad der Schädigungsfolgen (GdS) von 50 wegen körperlicher Übergriffe in der Familie und wegen frühem sexuellen Missbrauch für möglich halte, sei dies nicht ausreichend, da es sich insoweit lediglich um eine Mutmaßung handele. Die Annahme einer bloßen Möglichkeit sei unter Berücksichtigung der Beweisanforderungen nicht ausreichend. Da einem Leistungsanspruch hier nicht nur die fehlende Differenzierbarkeit zwischen den Folgen von Schädigungshandlungen vor und nach 1976, sondern auch die fehlende Differenzierbarkeit zwischen Folgen von Gewalttaten iS des OEG und anderweitigen Belastungen entgegenstehe, komme auch ein Härteausgleich nicht in Betracht. Der Umstand, dass der Anwendungsbereich des OEG über seinen eigentlichen zeitlichen und räumlichen Anwendungsbereich hinaus (nur) im Rahmen von § 10a OEG erweitert werde, begegne ebenfalls keinen Bedenken. Insgesamt könne nicht festgestellt werden, dass Folgen der in Streit stehenden Schädigungshandlungen, die vor dem 16.5.1976 stattgefunden haben sollen, den erforderlichen GdS von 50 iS von § 10a Abs 1 S 1 OEG bedingten.

Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat der Kläger beim BSG Beschwerde eingelegt und diese mit dem Bestehen einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG ) begründet.

II

Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig. Ihre Begründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen. Keiner der in § 160 Abs 2 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe ist ordnungsgemäß dargetan worden (§ 160a Abs 2 S 3 SGG ). Insbesondere ist die Rechtssache nicht von grundsätzlicher Bedeutung.

1. Grundsätzliche Bedeutung iS von § 160 Abs 2 Nr 1 SGG hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Ein Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts sowie unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung und des Schrifttums angeben, welche Rechtsfragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Um seiner Darlegungspflicht zu genügen, muss der Beschwerdeführer mithin Folgendes aufzeigen: (1.) eine bestimmte Rechtsfrage, (2.) ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, (3.) ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit sowie (4.) die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung, also eine Breitenwirkung (vgl BSG SozR 1500 § 160 Nr 17; BSGE 40, 158 = SozR 1500 § 160a Nr 11; BSG SozR 1500 § 160a Nr 7, 13 , 31, 59, 65). Diesen Anforderungen genügt die vorliegende Beschwerdebegründung nicht.

Der Kläger hält folgende Frage für eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung:

"... ob dann, wenn für die Verursachung einer schweren Erkrankung neben Gewalthandlungen, die bereits alleine und für sich geeignet sind, die in Rede stehende schwere Erkrankung herbeizuführen, auch weitere Ursachen hiervon abzugrenzen sind und der Geschädigte dann sozusagen beweisfällig bleibt, wenn sich nicht aufklären lässt, ob und in welchem Umfang die tätlichen Angriffe die Schädigung verursacht haben ...".

Ob der Kläger damit eine Rechtsfrage hinreichend bezeichnet hat, die auf die Auslegung eines gesetzlichen Tatbestandsmerkmals abzielt (vgl Becker, SGb 2007, 261 , 265 zu Fn 42 mwN), kann hier dahinstehen. Er hat bereits die höchstrichterliche Klärungsbedürftigkeit dieser von ihm aufgestellten Frage nicht dargetan. Weder setzt er sich mit den Vorschriften der §§ 1 Abs 1 und 10a Abs 1 OEG auseinander noch benennt er die hierzu ergangene Rechtsprechung des BSG und wertet diese aus, um zu begründen, dass sich daraus nicht bereits hinreichende Anhaltspunkte für die Beantwortung der Frage ergeben (vgl dazu BSG SozR 3-1500 § 146 Nr 2). So hat das BSG zB mit Urteil vom 18.11.2015 ( B 9 V 1/14 R - BSGE 120, 89 = SozR 4-3800 § 1 Nr 22, RdNr 30 ff) ausgeführt, dass das Tatbestandsmerkmal "allein infolge dieser Schädigung schwerbeschädigt" dann erfüllt ist, wenn sich die zu einer Schwerbeschädigung führende Schädigung im zeitlichen und räumlichen Erstreckungsbereich des OEG für sich betrachtet einen GdS von mindestens 50 und damit die "Schwerbeschädigteneigenschaft" erreichen. Mit dieser vom LSG in der angefochtenen Entscheidung benannten Rechtsprechung setzt sich der Kläger ebenso wenig auseinander wie mit der weiteren Rechtsprechung des BSG zur gesetzgeberischen Beschränkung der Opferentschädigung auf Folgen körperlicher Gewalt sowie zum Anwendungsbereich des OEG im Rahmen von § 10a OEG (s S 6 und 7 der angefochtenen Entscheidung).

Unabhängig davon hat der Kläger auch die Entscheidungserheblichkeit seiner vermeintlichen Rechtsfrage nicht dargelegt, da auch nach dem Gutachten von Dr. F. nebst ihrer ergänzenden Stellungnahme im Berufungsverfahren ein GdS von 50 iS von § 10a Abs 1 OEG nicht nachweisbar ist. Tatsächlich zielt der Kläger mit seiner Kritik an dem angefochtenen Urteil des LSG auf die Feststellung und Würdigung von Tatsachen sowie ihre Subsumtion unter die Anspruchsvoraussetzungen der §§ 1 und 10a OEG ab, wenn er die jeweiligen körperlichen Angriffe und Gewalterfahrungen schon für sich gesehen als Ursache der bei ihm bestehenden Erkrankungen festgestellt wissen will. Eine solche Beweiswürdigung insbesondere bei der Beurteilung der Kausalität ist aber grundsätzlich den Tatsachengerichten aufgegeben; diese eignet sich nicht für eine grundsätzliche revisionsgerichtliche Klärung. In der Sache kritisiert der Kläger letztlich die Rechtsanwendung des LSG, die er für unzutreffend hält. Damit kann er allerdings keine Revisionszulassung erreichen (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 7 S 10).

2. Von einer weitergehenden Begründung sieht der Senat ab (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG ).

3. Die Verwerfung der Beschwerde erfolgt ohne Hinzuziehung ehrenamtlicher Richter (§ 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 SGG ).

4. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG .

Vorinstanz: LSG Nordrhein-Westfalen, vom 26.05.2017 - Vorinstanzaktenzeichen L 13 VG 66/15
Vorinstanz: SG Düsseldorf, vom 11.08.2015 - Vorinstanzaktenzeichen S 6 VG 40/11