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BSG - Entscheidung vom 19.05.2021

B 9 V 6/21 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 3
SGG § 103

BSG, Beschluss vom 19.05.2021 - Aktenzeichen B 9 V 6/21 B

DRsp Nr. 2021/10468

Beschädigtenrente nach dem OEG Verfahrensrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren Verletzung des rechtlichen Gehörs

Tenor

Der Antrag der Klägerin, ihr für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 26. November 2020 Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt R A aus O zu bewilligen, wird abgelehnt.

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im oben genannten Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 3 ; SGG § 103 ;

Gründe

I

Die Klägerin begehrt in der Hauptsache eine Beschädigtenversorgung in Form einer Beschädigtenrente nach dem Opferentschädigungsgesetz ( OEG ). Sie beruft sich auf einen Vorfall am 24.8.2014, bei dem sie in einem Waldstück an einen Baum gefesselt aufgefunden worden war. Wie zuvor bereits der Beklagte und das SG hat auch das LSG den geltend gemachten Anspruch verneint. Es könne nicht festgestellt werden, dass die Klägerin an diesem Tag Opfer eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs iS des § 1 Abs 1 OEG geworden sei (Urteil vom 26.11.2020).

Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat die Klägerin Beschwerde beim BSG eingelegt und Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung ihres Prozessbevollmächtigten Rechtsanwalt A aus O beantragt. Sie rügt als Verfahrensmangel die unzureichende Sachaufklärung des LSG.

II

1. Der Antrag der Klägerin auf PKH ist abzulehnen.

Gemäß § 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 114 Abs 1 Satz 1 ZPO kann einem Beteiligten, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, für das Verfahren vor dem BSG nur dann PKH bewilligt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Das ist hier nicht der Fall (s dazu unter 2.). Aus diesem Grund kommt die Beiordnung ihres Prozessbevollmächtigten nicht in Betracht 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 121 Abs 1 ZPO ).

2. Die Beschwerde der Klägerin ist unzulässig. Ihre Beschwerdebegründung genügt nicht der vorgeschriebenen Form, denn sie hat den von ihr geltend gemachten Verfahrensmangel 160 Abs 2 Nr 3 SGG ) der unzureichenden Sachaufklärung 103 SGG ) nicht hinreichend bezeichnet 160a Abs 2 Satz 3 SGG ).

Die Klägerin trägt vor, das Urteil des LSG beruhe auf einer Verletzung des § 103 SGG . Das LSG habe "den Sachverhalt falsch ermittelt". Es sei zu Unrecht ihren in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisanträgen nicht nachgegangen. Sie habe beantragt, "zum Beweis der Tatsache, dass sich in der Auffindesituation der Klägerin … die Fesselung im Bereich der Hände so dargestellt hat, dass die Handgelenke mit der Form einer 8, von oben auf die Fingerspitzen betrachtet gebunden waren und die aneinander gelegten Finger, Daumen ausgenommen, in der Weise miteinander verknotet waren, dass außer den Daumen kein Finger bewegt werden konnte", 1. Frau F sowie 2. Frau S als Zeugen zu laden und zu vernehmen, und "zum Beweis der Tatsache, dass die Fesselung … an den Handgelenken (mit der Form einer 8, von oben auf die Fingerspitzen betrachtet) sowie einer Verknotung der aneinander gelegten Finger, Daumen ausgenommen, so dass außer den Daumen kein Finger bewegt werden konnte, nicht von der Klägerin herrühren kann, ein Sachverständigengutachten einzuholen".

Die Klägerin hat jedoch einen Verstoß gegen die tatrichterliche Sachaufklärungspflicht nicht hinreichend dargetan. Eine Verletzung des § 103 SGG führt nur dann zur Zulassung der Revision, wenn der geltend gemachte Verfahrensmangel sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Jeden anderen Verfahrensmangel, der einen Verstoß gegen § 103 SGG zum Inhalt hat, schließt das Gesetz als Grund für eine Zulassung der Revision aus 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG ). Eine ordnungsgemäße Rüge der Verletzung des § 103 SGG setzt daher zunächst voraus, dass der bis zur mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergeht, aufrechterhaltene und angeblich übergangene ordnungsgemäß gestellte Beweisantrag genau bezeichnet wird. Weiter muss der Beschwerdeführer angeben, weshalb das LSG seine Amtsermittlungspflicht verletzt hat, wenn es den angebotenen Beweis nicht erhoben hat, weshalb sich das LSG also nach seiner materiell-rechtlichen Rechtsauffassung und dem bisherigen Sachstand hätte gedrängt fühlen müssen, den beantragten Beweis zu erheben. Denn nur in einem solchen Fall ist das LSG einem Beweisantrag "ohne hinreichende Begründung" nicht gefolgt (vgl stRspr; zB Senatsbeschluss vom 1.4.2021 - B 9 V 60/20 B - juris RdNr 17 mwN). Ob sich das LSG - ausgehend von seiner zur Beurteilung des behaupteten Verfahrensmangels allein maßgeblichen Rechtsauffassung - zu einer weiteren Sachaufklärung hätte gedrängt fühlen müssen, hängt hier entscheidend davon ab, welche rechtlichen Anforderungen es an die Feststellung eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs iS des § 1 Abs 1 OEG , wie es diese Rechtsbegriffe im Einzelnen auslegt und von welchen Beweismaßstäben es ausgeht. Hierauf geht die Beschwerdebegründung jedoch nicht ein.

Es fehlt schon an einer substantiierten Darlegung der Entscheidungserheblichkeit der beantragten Beweiserhebung. Die Klägerin hat nicht aufgezeigt, weshalb sich das LSG ausgehend von seiner Rechtsauffassung und den bisherigen aktenkundigen Ermittlungsergebnissen veranlasst sehen musste, weiteren Beweis zur Auffindesituation der Klägerin am 24.8.2014 zu erheben. Denn das LSG hat in seinen Entscheidungsgründen tragend auch ausgeführt, dass selbst bei Unterstellung der von der Klägerin unter Beweis gestellten Tatsachen - also Fesselung auch der Finger sowie Unmöglichkeit der Selbstfesselung - unter Würdigung des Akteninhalts nicht auf einen tätlichen Angriff iS des § 1 Abs 1 OEG geschlossen werden könne. Ein plausibler Tatablauf sei nämlich selbst bei unterstellter Fremdfesselung nicht ersichtlich. In Ermangelung objektiver Belege für eine gewaltsame Fremdeinwirkung auf die Klägerin könne nicht einmal eine einvernehmliche Fremdfesselung ausgeschlossen werden.

Hierzu verhält sich die Beschwerdebegründung jedoch nicht. Die Klägerin legt nicht dar, aus welchen Gründen sich das LSG ausgehend von seiner hier allein maßgeblichen Rechtsauffassung sowie den von ihm festgestellten und gewürdigten aktenkundigen polizeilichen, staatsanwaltlichen und medizinischen Ermittlungsergebnissen dennoch zu der von ihr beantragten (weiteren) Beweiserhebung zu der Auffindesituation vom 24.8.2014 hätte gedrängt fühlen müssen. Sofern die Klägerin im Kern ihres Vorbringens mit der Würdigung der aktenkundigen Ermittlungsergebnisse durch das LSG nicht einverstanden ist, wendet sie sich gegen dessen Beweiswürdigung. Eine solche Rüge kann aber nicht zur Zulassung der Revision führen. Denn eine Rüge der fehlerhaften Beweiswürdigung nach § 128 Abs 1 Satz 1 SGG ist im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde nach § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG ausdrücklich ausgeschlossen.

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG ).

Die Verwerfung der danach nicht formgerecht begründeten und somit unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG .

Vorinstanz: LSG Niedersachsen-Bremen, vom 26.11.2020 - Vorinstanzaktenzeichen L 10 VE 60/17
Vorinstanz: SG Osnabrück, vom 20.07.2017 - Vorinstanzaktenzeichen S 2 VE 14/15