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BSG - Entscheidung vom 25.03.2021

B 13 R 267/20 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1
SGB VI § 56 Abs. 1

BSG, Beschluss vom 25.03.2021 - Aktenzeichen B 13 R 267/20 B

DRsp Nr. 2021/7627

Anspruch auf höhere Rente unter Anerkennung von Kindererziehungszeiten und Kinderberücksichtigungszeiten Grundsatzrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 13. Oktober 2020 wird als unzulässig verworfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1 ; SGB VI § 56 Abs. 1 ;

Gründe

I

Mit Urteil vom 13.10.2020 hat das LSG Baden-Württemberg einen im Zugunstenverfahren geltend gemachten Anspruch der Klägerin auf höhere Rente unter Anerkennung weiterer Kindererziehungs- und -berücksichtigungszeiten sowie eines weiteren Zuschlags nach § 307d SGB VI verneint.

Gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung hat die Klägerin Beschwerde beim BSG eingelegt. Sie beruft sich ausschließlich auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (Zulassungsgrund nach § 160 Abs 2 Nr 1 SGG ).

II

Die Beschwerde der Klägerin ist als unzulässig zu verwerfen. Die Klägerin hat den von ihr ausschließlich geltend gemachten Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache 160 Abs 2 Nr 1 SGG ) entgegen § 160a Abs 2 Satz 3 SGG nicht hinreichend dargelegt.

Zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung muss die Beschwerdebegründung ausführen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und deren Klärung durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist. Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll (stRspr; zB BSG Beschluss vom 19.10.2011 - B 13 R 241/11 B - SozR 4-4200 § 25 Nr 1 RdNr 9 mwN; vgl auch BVerfG <Kammer> Beschluss vom 18.12.1991 - 1 BvR 1411/91 - SozR 3-1500 § 160a Nr 7; jüngst BSG Beschluss vom 22.9.2020 - B 13 R 45/20 B - juris RdNr 5).

Die Klägerin hält die Frage für zu klären,

"ob die in § 56 Abs. 1 SGB VI geregelte Anrechnung von Kindererziehungszeiten in verfassungskonformer Auslegung auch dann für Zeiten einer Erziehung im Ausland vorgenommen werden kann, wenn ein (bedeutsamer) Teil der Gesamterziehung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland erfolgt ist".

Hierzu führt sie aus, dass LSG sei davon ausgegangen, die Erziehung ihrer beiden 1976 bzw 1978 geborenen Söhne in der Zeit vom 1.1.1977 bis zum 31.1.1979 sei in der Schweiz und Großbritannien, also außerhalb des Gebiets der Bundesrepublik Deutschland erfolgt und stehe einer Erziehung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland nicht gleich, weil die gesetzlich normierten Gleichstellungstatbestände nicht vorlägen. Auch eine vor der Geburt oder während der Kindererziehungszeit hinreichend enge Beziehung der Klägerin zum Arbeits- und Erwerbsleben (der Bundesrepublik Deutschland), die zu einer verfassungskonformen Ausdehnung einer Pflichtbeitragszeit wegen Kindererziehung im Ausland führen könne, habe das LSG nicht angenommen. Der Auslandsaufenthalt ihres Ehemannes in Großbritannien sei im Rahmen eines Stipendiums erfolgt und er habe hierbei, ebenso wie zuvor bei seinem Aufenthalt in der Schweiz, nicht in einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis, auch nicht in einem Rumpfarbeitsverhältnis, zu einem inländischen Arbeitgeber gestanden. Eine über die Auslegung des BSG hinausgehende Gleichstellung sei auch durch Art 3 bzw Art 6 GG nicht geboten, da die rechtliche Einordnung von Erziehungszeiten im Ausland eine spezifische Ausprägung des Territorialprinzips und durch die Rechtsprechung des BVerfG gebilligt sei. Die Klägerin hält die aufgeworfene Rechtsfrage dennoch für klärungsbedürftig, da sie in dieser Konstellation bisher weder vom BSG noch von den Tatsachengerichten entschieden worden sei. Auch sei dem Wortlaut des § 56 SGB VI nicht zu entnehmen, dass die gesamte Erziehung während der ersten drei Lebensjahre in der Bundesrepublik Deutschland erfolgen müsse. Dem stehe der Nichtannahmebeschluss des BVerfG vom 6.3.2017 - 1 BvR 2740/16 - (FamRZ 2017, 841 ) nicht entgegen, der eine Konstellation mit ausschließlicher Erziehung im Ausland betroffen habe. Vielmehr sei - auch mit Rücksicht auf den Gesetzeszweck - eine verfassungskonforme Auslegung geboten, die dem aus Art 3 Abs 1 GG abgeleiteten Anspruch des Rentenempfängers auf eine seiner Kindererziehungsleistung entsprechende Sozialleistung vollständig und nicht nur zum Teil zur Geltung bringe.

Es kann dahinstehen, ob die Klägerin damit eine hinreichend konkrete Rechtsfrage zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer bestimmten revisiblen Norm des Bundesrechts (vgl § 162 SGG ) mit höherrangigem Recht aufgeworfen und in den folgenden Ausführungen den vom Revisionsgericht erwarteten klärenden Schritt ausreichend konkret dargelegt hat, oder ob sie vielmehr im Kern eine Frage zur Rechtsanwendung im Einzelfall ("in dieser Konstellation") gestellt hat. Jedenfalls hat sie - die Qualität als Rechtsfrage unterstellt - die Klärungsbedürftigkeit und Klärungsfähigkeit dieser Frage nicht den nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG diesbezüglich geltenden Anforderungen genügend dargelegt.

Vor allem versäumt es die Klägerin, die einschlägige Rechtsprechung des BSG darauf zu untersuchen, ob diese ggf ausreichende Hinweise für die Beantwortung der von ihr formulierten und als klärungsbedürftig angesehenen Fragen enthält. Denn auch wenn das BSG eine Frage noch nicht ausdrücklich entschieden hat, so ist eine Rechtsfrage doch auch dann als höchstrichterlich geklärt anzusehen, wenn schon eine oder mehrere höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte auch zur Beurteilung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage geben (vgl BSG Beschluss vom 21.1.1993 - 13 BJ 207/92 - SozR 3-1500 § 160 Nr 8 - juris RdNr 7; BSG Beschluss vom 31.3.1993 - 13 BJ 215/92 - SozR 3-1500 § 146 Nr 2 - juris RdNr 6; BSG Beschluss vom 3.4.2017 - B 12 KR 92/16 B - juris RdNr 19). Entgegen diesen Anforderungen fehlen in der Beschwerdebegründung konkrete Ausführungen zur einschlägigen Rechtsprechung des BSG . Hierzu hätte aber Anlass bestanden, denn das BSG hat in der Vergangenheit auch schon über die Anerkennung von Kindererziehungs- und -berücksichtigungszeiten in Fällen zu entscheiden gehabt, in denen nur ein Teil der Erziehung in den ersten drei Lebensjahren (und darüber hinaus) im Ausland erfolgt ist. Dennoch hat das BSG hierin keinen Anlass zu einer Auslegung der einschlägigen gesetzlichen Regelungen im Sinne der Klägerin gesehen (vgl zB BSG Urteil vom 23.10.2003 - B 4 RA 15/03 R - BSGE 91, 245 = SozR 4-2600 § 56 Nr 1). Zudem weist die Klägerin selbst darauf hin, dass auch nach der Rechtsprechung des BVerfG grundsätzlich nur die Kindererziehung im Inland rentenrechtlich relevant ist und der gewöhnliche Aufenthalt einer Person im jeweiligen Staatsgebiet systemgerechter Anknüpfungspunkt für die Einbeziehung in nationale Sozialversicherungssysteme ist (BVerfG Beschluss vom 6.3.2017 - 1 BvR 2740/16 - FamRZ 2017, 841 , juris RdNr 3; vgl zuvor bereits BVerfG Beschluss vom 2.7.1998 - 1 BvR 810/90 - NZS 1998, 518 ). Inwiefern es einen verfassungsrechtlich relevanten Unterschied darstellen könnte, ob - wie in den vom BVerfG entschiedenen Fällen - die Erziehung während der ersten drei Lebensjahre eines Kindes vollständig im Ausland erfolgte oder - wie im Falle der Söhne der Klägerin - nur während eines Teils dieser Zeit, weshalb für den zweiten Sohn einige Monate als Kindererziehungszeit und ein Kinderzuschlag berücksichtigt wurden, hat die Klägerin nicht hinreichend dargelegt.

Darüber hinaus legt die Klägerin nicht anforderungsgerecht dar, dass die durch die vorstehend zitierte Rechtsprechung des BVerfG und BSG geklärte Rechtsfrage zur Auslegung des § 56 Abs 1 Nr 2 , Abs 3 SGB VI erneut klärungsbedürftig geworden wäre. Zwar kann auch eine bereits höchstrichterlich entschiedene Rechtsfrage erneut klärungsbedürftig werden, hierfür ist jedoch darzulegen, dass und mit welchen Gründen der höchstrichterlichen Rechtsauffassung in der Rechtsprechung oder in der Literatur widersprochen worden ist, oder dass sich völlig neue, nicht erwogene Gesichtspunkte ergeben haben, die eine andere Beurteilung nahelegen könnten (vgl BSG Beschluss vom 25.9.1975 - 12 BJ 94/75 - SozR 1500 § 160a Nr 13 - juris RdNr 6; BSG Beschluss vom 2.8.2018 - B 10 ÜG 7/18 B - juris RdNr 8 mwN). Die Klägerin stellt hier jedoch lediglich ihre rechtliche Bewertung dieser Frage gegen die zitierte Rechtsprechung, ohne gewichtige andere Auffassungen in Literatur oder Rechtsprechung oder bisher nicht berücksichtigte, eine andere Bewertung ermöglichende Gesichtspunkte darzulegen. Dass die Klägerin das Berufungsurteil inhaltlich für unrichtig hält, kann jedoch nicht zur Zulassung der Revision führen (stRspr; vgl zB BSG Beschluss vom 25.7.2011 - B 12 KR 114/10 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 22 RdNr 4; BVerfG Beschluss vom 6.5.2010 - 1 BvR 96/10 - SozR 4-1500 § 178a Nr 11 RdNr 28 mwN).

Schließlich sind auch die Ausführungen der Klägerin zur Klärungsfähigkeit der formulierten Frage unzureichend. Die Beschwerdebegründung enthält kein Vorbringen dazu, dass die Voraussetzungen einer Zuordnung von Erziehungszeiten zur Klägerin nach § 56 Abs 1 Nr 1 SGB VI gegeben sind. Dies wäre erforderlich, damit der Senat im angestrebten Revisionsverfahren über die aufgeworfene Frage entscheiden könnte (vgl BSG Urteil vom 11.5.2011 - B 5 R 22/10 R - juris RdNr 12 ff). Ebenso fehlt es an Ausführungen zu der Frage, ob die für eine Sachentscheidung im Revisionsverfahren notwendige Beiladung ihres Ehemannes durch die Instanzgerichte erfolgt ist (vgl BSG Urteil vom 11.5.2011 - B 5 R 22/10 R - juris RdNr 17).

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG ).

Die Verwerfung der unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG .

Vorinstanz: LSG Baden-Württemberg, vom 13.10.2020 - Vorinstanzaktenzeichen 13 R 1486/18
Vorinstanz: SG Freiburg, vom 22.03.2018 - Vorinstanzaktenzeichen 16 R 4491/16