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BSG - Entscheidung vom 03.04.2017

B 12 KR 92/16 B

Normen:
SGG § 62
SGG § 73 Abs. 4 S. 1
SGG § 103 Abs. 1
SGG § 128 Abs. 1 S. 1
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 3 Hs. 2
SGG § 160a Abs. 2 S. 3
SGG § 164 Abs. 2 S. 1
SGB IV § 76 Abs. 2 Nr. 2-3
SGB V § 1 S. 1
SGB V §§ 5 ff.
SGB V § 9
SGB XII § 27a
ZPO §§ 850 ff.
GG Art. 1 Abs. 1
GG Art. 20 Abs. 1
GG Art. 103 Abs. 1

BSG, Beschluss vom 03.04.2017 - Aktenzeichen B 12 KR 92/16 B

DRsp Nr. 2017/13745

Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde im sozialgerichtlichen Verfahren Bezeichnung des Verfahrensmangels einer Verletzung der Amtsermittlungspflicht Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache Anspruch auf Erstattung der Beiträge einer freiwillig versicherten "Werkstudentin" zur Vermeidung des Unterschreitens des Existenzminimums

1. Nach § 160 Abs. 2 Nr. 3 Halbs. 2 SGG kann die Geltendmachung eines Verfahrensmangels auf eine Verletzung des § 103 SGG (Amtsermittlungspflicht) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Prüfungsmaßstab ist die materiell-rechtliche Rechtsauffassung des LSG. Neben der Geltendmachung des Vorliegens eines Verstoßes gegen das Verfahrensrecht ist mit der Beschwerdebegründung darzulegen, dass die angefochtene Entscheidung auf diesem Verstoß beruhen kann. Ein entscheidungserheblicher Mangel des Berufungsverfahrens wird nur dann substantiiert bezeichnet, wenn der Beschwerdeführer diesen hinsichtlich aller ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen darlegt, sodass das Beschwerdegericht allein anhand dieser Begründung darüber befinden kann, ob die angegriffene Entscheidung des LSG möglicherweise auf dem geltend gemachten Verfahrensmangel beruht. 2. Zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache muss die Beschwerdebegründung ausführen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und deren Klärung durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist. Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll. Zur Darlegung verfassungsrechtlicher Bedenken gegen Regelungen, auf die das Berufungsgericht seine Entscheidung stützt, genügt die bloße Behauptung der Verfassungswidrigkeit nicht. Vielmehr muss unter Einbeziehung der einschlägigen Literatur und Rechtsprechung, insbesondere des BVerfG, aber auch des BSG , im Einzelnen aufgezeigt werden, woraus sich im konkreten Fall die Verfassungswidrigkeit ergeben soll (hier verneint für Rechtsfragen zur Zulässigkeit der Annahme einer wirksamen Delegation der Zuständigkeit des Vorstands einer gesetzlichen Krankenkasse, zu bestimmten Folgen einer nicht erfolgten Delegation für die sachliche Zuständigkeit der Widerspruchsstelle, zu Rechtsnatur und Wirksamkeit der "Beitragserhebungsgrundsätze des GKV-Spitzenverbands" und zur Bedeutung der Wahl einer Berufsausbildung in Form eines Studiums sowie der zivilrechtlichen Pfändungsfreigrenzen bei einer Entscheidung nach § 76 Abs. 2 SGB IV , auch unter dem Gesichtspunkt der Selbstschädigung).

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 17. März 2016 wird als unzulässig verworfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Normenkette:

SGG § 62 ; SGG § 73 Abs. 4 S. 1; SGG § 103 Abs. 1 ; SGG § 128 Abs. 1 S. 1; SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 3 Hs. 2; SGG § 160a Abs. 2 S. 3; SGG § 164 Abs. 2 S. 1; SGB IV § 76 Abs. 2 Nr. 2 -3; SGB V § 1 S. 1; SGB V §§ 5 ff.; SGB V § 9 ; SGB XII § 27a; ZPO §§ 850 ff.; GG Art. 1 Abs. 1 ; GG Art. 20 Abs. 1 ; GG Art. 103 Abs. 1 ;

Gründe:

I

In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit begehrt die Klägerin die Erstattung von ihr zur gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) entrichteter Beiträge sowie den Erlass, hilfsweise die Niederschlagung, zukünftiger Beiträge.

Die 1969 geborene Klägerin legte 1990 das Abitur ab, nahm 1993 ein Studium der Medizin auf, welches sie nicht abschloss, und studiert seit 2006 Rechtswissenschaften. Sie ist seit 1994 Mitglied der beklagten Krankenkasse, die sie seit 1.10.1999 als freiwillig Versicherte führt. Seit Oktober 2014 bezieht sie aus einer Tätigkeit als "Werkstudentin" ein Bruttoentgelt von 886 Euro monatlich. Bereits 2013 beantragte sie den Erlass der Krankenversicherungsbeiträge, hilfsweise deren Niederschlagung, sowie die Rückzahlung der seit August 2013 bereits geleisteten Beiträge, weil die Einziehung der Beiträge aufgrund ihrer prekären wirtschaftlichen Situation existenzbedrohend wirke. Die Beklagte lehnte den Erlass, die Niederschlagung und die Erstattung von Beiträgen ab und verwies darauf, dass diese ohnehin nach der Mindestbemessungsgrundlage festgesetzt worden seien (Bescheide vom 18.11.2013, 20.1.2014 und 13.3.2014; Widerspruchsbescheid vom 22.5.2014).

Die nach erfolglosem Widerspruch erhobene Klage hat das SG abgewiesen (Urteil vom 20.4.2015). Die Berufung der Klägerin hat das LSG zurückgewiesen. Mit ihrer Beschwerde wendet sich die Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 17.3.2016.

II

Die Beschwerde der Klägerin ist in entsprechender Anwendung von § 169 S 2 und 3 SGG als unzulässig zu verwerfen. Die Klägerin hat in der Begründung des Rechtsmittels entgegen § 160a Abs 2 S 3 SGG keinen Zulassungsgrund hinreichend dargelegt oder bezeichnet.

Das BSG darf gemäß § 160 Abs 2 SGG die Revision gegen eine Entscheidung des LSG nur dann zulassen, wenn

- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1) oder

- das angefochtene Urteil von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht (Nr 2) oder

- bestimmte Verfahrensmängel geltend gemacht werden (Nr 3).

Die Behauptung, das Berufungsurteil sei inhaltlich unrichtig, kann demgegenüber nicht zur Zulassung der Revision führen (vgl BSG Beschluss vom 26.6.1975 - 12 BJ 12/75 - SozR 1500 § 160a Nr 7).

1. Es kann dahinstehen, ob die Beschwerde bereits deshalb unzulässig ist, weil deren Begründung entgegen § 73 Abs 4 S 1 SGG nicht von einem zur Vertretung vor dem BSG befugten Bevollmächtigten stammt. Hierauf deuten Form und Inhalt der Beschwerdebegründung vom 10.11.2016 hin, die eher einer studentischen Arbeit als einem anwaltlichen Schriftsatz entsprechen. Dem Begründungserfordernis ist jedoch nicht genügt, wenn ein Prozessbevollmächtigter ein von einem Beteiligten - hier der Klägerin - selbst verfasstes Schreiben unterzeichnet und - uU versehen mit Kanzleistempel oder dem Kanzleibriefkopf - beim BSG einreicht und erkennbar ist, dass der Bevollmächtigte selbst keine eigenständige Prüfung, Sichtung und rechtliche Durchdringung des Streitstoffs vorgenommen hat (vgl Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG , 11. Aufl 2014, § 164 RdNr 9a mwN). Jedenfalls unzulässig ist die Beschwerde aber, weil deren Begründung insgesamt nicht den Anforderungen des § 160a Abs 2 S 3 SGG an die Darlegung bzw Bezeichnung eines Revisionszulassungsgrundes genügt.

2. Dies gilt zunächst, soweit sich die Klägerin in ihrer Beschwerdebegründung vom 10.11.2016 als erstes auf Verfahrensmängel des LSG (Zulassungsgrund nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ) beruft.

Ein Verfahrensmangel iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist der Verstoß des Gerichts im Rahmen des prozessualen Vorgehens, regelmäßig im unmittelbar vorangehenden Rechtszug (vgl Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG , 11. Aufl 2014, § 160 RdNr 16a mwN). Nach § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG kann sich der geltend gemachte Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung von § 109 SGG und § 128 Abs 1 S 1 SGG stützen. Ferner kann die Geltendmachung eines Verfahrensmangels auf eine Verletzung des § 103 SGG (Amtsermittlungspflicht) gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Prüfungsmaßstab ist die materiell-rechtliche Rechtsauffassung des LSG ( BSG Urteil vom 28.5.1957 - 3 RJ 219/56 - SozR Nr 79 zu § 162 SGG ; BSG Beschluss vom 31.1.1979 - 11 BA 166/78 - SozR 1500 § 160 Nr 33). Neben der Geltendmachung des Vorliegens eines Verstoßes gegen das Verfahrensrecht ist mit der Beschwerdebegründung darzulegen, dass die angefochtene Entscheidung auf diesem Verstoß beruhen kann. Ein entscheidungserheblicher Mangel des Berufungsverfahrens wird nur dann substantiiert bezeichnet, wenn der Beschwerdeführer diesen hinsichtlich aller ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen darlegt, sodass das Beschwerdegericht allein anhand dieser Begründung darüber befinden kann, ob die angegriffene Entscheidung des LSG möglicherweise auf dem geltend gemachten Verfahrensmangel beruht.

a) Die Klägerin verfehlt diese Anforderungen im Hinblick auf den gerügten Verstoß gegen die Amtsermittlungspflicht schon deshalb, weil sie es versäumt, einen konkreten Beweisantrag zu benennen, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Soweit sich die Klägerin auf einen schriftsätzlichen "Beweisantritt" durch "Augenscheineinnahme der Satzung" der Beklagten bezieht, genügt dies nicht. Ein solches Angebot kann nicht mit einem - erforderlichen formellen - Beweisantrag gleichgesetzt werden.

b) Zugleich führen auch die sinngemäßen Rügen einer Verletzung des § 128 Abs 1 S 1 SGG nicht zur Zulässigkeit der Beschwerde. Denn mit ihrem Vorbringen, das LSG habe zu Unrecht gefolgert, dass eine "sichere Prognose" über den Erfolg von Vollstreckungsmaßnahmen nicht vorliege, weil "die Klägerin die Beiträge bislang immer gezahlt habe", wendet sich die Klägerin einzig gegen die freie richterliche Überzeugungsbildung aufgrund des Gesamtergebnisses des Verfahrens. Hierauf kann jedoch - wie bereits dargelegt - die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision ebenso wenig gestützt werden, wie auf die Behauptung einer vermeintlichen inhaltlichen Unrichtigkeit des Berufungsurteils. Dies gilt gleichermaßen auch in Bezug auf die unter RdNr 22 bis 31 der Beschwerdebegründung geltend gemachten vermeintlichen Denkfehler und Verstöße gegen Erfahrungswerte sowie vermeintlich vorweggenommenen Beweiswürdigungen. Wollte man letzteres nicht allein als Rüge eines Verstoßes gegen § 128 Abs 1 S 1 SGG , sondern auch als Rüge einer Verletzung der Amtsermittlungspflicht ansehen (vgl Kummer, Die Nichtzulassungsbeschwerde, 2. Aufl 2010, RdNr 538), so scheiterte die Zulässigkeit der Beschwerde wiederum am Fehlen der nach § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG erforderlichen Benennung eines Beweisantrags.

c) Den Zulässigkeitsanforderungen an die Bezeichnung eines Verfahrensmangels iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG genügt die Begründung der Klägerin auch nicht, soweit sie eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör (§ 62 SGG , Art 103 Abs 1 GG ) rügt. Wie bereits ausgeführt, müssen dazu alle den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen dargelegt werden. Hierzu wäre jedenfalls auch eine geraffte Wiedergabe des Inhalts des angegriffenen Urteils erforderlich, sodass für das Beschwerdegericht erkennbar wird, dass die Argumentation der Klägerin tatsächlich ignoriert worden ist. Dabei hätte die Klägerin insbesondere darlegen müssen, weshalb das LSG ihr unter den RdNr 37 bis 62 der Beschwerdebegründung wiedergegebenes Vorbringen nicht zur Kenntnis genommen haben könnte, obwohl sie selbst einräumt, dass das LSG im angegriffenen Urteil ausführt, für das von der Klägerin gerügte Fehlen der Delegationsbefugnis (des Vorstands bezüglich einer Entscheidung nach § 76 SGB IV ) fehlten "jegliche Anhaltspunkte".

Entsprechender Darlegungen hätte es auch bedurft, soweit sich die Klägerin darauf beruft, das LSG habe sich nicht mit ihrem Vortrag zu einer vermeintlichen Pflichtversicherung auseinandergesetzt, den Vortrag zur vermeintlichen "Beitragsfreiheit" ihres "Werkstudentenlohns" sowie den tatbestandlichen Voraussetzungen des § 76 Abs 2 Nr 2 und 3 SGB IV übergangen und weiteren Vortrag verdreht. Im Hinblick darauf, dass sich das LSG - wie sich auch aus der Beschwerdebegründung ergibt - mit allen diesen Punkten befasst hat, wenn es dem Vortrag der Klägerin auch jeweils nicht gefolgt ist, hätte die Klägerin eingehend herausarbeiten müssen, wieso ihr rechtliches Gehör durch die angegriffene Entscheidung verletzt sein könnte. Denn der Anspruch auf rechtliches Gehör gewährleistet nur, dass ein Kläger "gehört", nicht jedoch "erhört" wird ( BSG Beschluss vom 18.12.2012 - B 13 R 305/11 B - Juris RdNr 7; BSG Beschluss vom 9.5.2011 - B 13 R 112/11 B - BeckRS 2011, 73125 RdNr 9).

Soweit die Klägerin darüber hinaus unter Bezug auf zwei vermeintlich fehlerhafte Zitate die Unwissenschaftlichkeit des LSG-Urteils rügt, hätte es einer näheren Erläuterung bedurft, wieso ein solcher Fehler überhaupt geeignet sein könnte, eine Verletzung des rechtlichen Gehörs oder einen anderen entscheidungserheblichen Verfahrensfehler zu begründen. Auch dies wird von der Klägerin nicht dargelegt.

3. Die Beschwerdebegründung der Klägerin erfüllt auch nicht die Zulässigkeitsanforderungen der Nichtzulassungsbeschwerde bezüglich des darüber hinaus geltend gemachten Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG ).

a) Zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG ) muss die Beschwerdebegründung ausführen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und deren Klärung durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (stRspr, zB BSG Beschluss vom 16.12.1993 - 7 BAr 126/93 - SozR 3-1500 § 160a Nr 16 mwN; vgl auch BVerfG Kammerbeschluss vom 18.12.1991 - 1 BvR 1411/91 - SozR 3-1500 § 160a Nr 7). Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll ( BSG Beschluss vom 25.10.1978 - 8/3 RK 28/77 - SozR 1500 § 160a Nr 31). Zur Darlegung verfassungsrechtlicher Bedenken gegen Regelungen, auf die das Berufungsgericht seine Entscheidung stützt, genügt die bloße Behauptung der Verfassungswidrigkeit nicht. Vielmehr muss unter Einbeziehung der einschlägigen Literatur und Rechtsprechung, insbesondere des BVerfG, aber auch des BSG , im Einzelnen aufgezeigt werden, woraus sich im konkreten Fall die Verfassungswidrigkeit ergeben soll (vgl BSG Beschluss vom 22.8.1975 - 11 BA 8/75 - BSGE 40, 158 = SozR 1500 § 160a Nr 11; vgl auch BSG Beschluss vom 2.6.2009 - B 12 KR 65/08 B). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.

b) Die Klägerin formuliert unter den RdNr 65, 69 bis 71, 77, 78, 85, 86 und 101 der Beschwerdebegründung "Rechtsfragen" zur Zulässigkeit der Annahme einer wirksamen Delegation der Zuständigkeit des Vorstands der Beklagten für die Entscheidung über ihren Antrag durch das LSG, zu bestimmten Folgen einer nicht erfolgten Delegation für die sachliche Zuständigkeit der Widerspruchsstelle, zu Rechtsnatur und Wirksamkeit der "Beitragserhebungsgrundsätze des GKV-Spitzenverbands" und zur Bedeutung der Wahl einer Berufsausbildung in Form eines Studiums sowie der zivilrechtlichen Pfändungsfreigrenzen bei einer Entscheidung nach § 76 Abs 2 SGB IV , auch unter dem Gesichtspunkt der Selbstschädigung.

c) Es kann unerörtert bleiben, ob die Klägerin damit hinreichend konkrete Rechtsfragen zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer konkreten revisiblen Norm des Bundesrechts (vgl § 162 SGG ) mit höherrangigem Recht aufgeworfen und in den folgenden Ausführungen den vom Revisionsgericht erwarteten klärenden Schritt ausreichend konkret dargelegt hat. Hieran bestehen erhebliche Zweifel, da die formulierten Fragen zahlreiche einzelfallbezogene Prämissen enthalten. Daher scheinen sie eher auf die - die Revisionszulassung nicht gestattende - Richtigkeit der Entscheidung des LSG im Einzelfall bezogen zu sein, als auf die Klärung einer über den Einzelfall hinausweisenden abstrakten Rechtsauslegungsfrage. Jedenfalls aber hat die Klägerin - die Qualität als Rechtsfragen unterstellt - die Klärungsbedürftigkeit und/oder Klärungsfähigkeit dieser Fragen nicht den nach § 160a Abs 2 S 3 SGG hierfür geltenden Anforderungen genügend dargelegt.

Im Hinblick auf die Klärungsbedürftigkeit der formulierten Fragen versäumt es die Klägerin durchgängig, die Rechtsprechung des BSG daraufhin zu untersuchen, ob diese nicht bereits zur Beantwortung der Fragen ausreichende Rückschlüsse zulässt. Denn auch wenn das BSG eine Frage - worauf sich die Klägerin vorliegend beruft - noch nicht ausdrücklich entschieden hat, so ist eine Rechtsfrage doch auch dann als höchstrichterlich geklärt anzusehen, wenn schon eine oder mehrere höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte zur Beurteilung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage geben (vgl BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 8 S 17 sowie BSG SozR 3-1500 § 146 Nr 2 S 6). Dass die von ihr formulierten Fragen tatsächlich ungeklärt sind, hätte die Klägerin beispielsweise in Bezug auf das Urteil des BSG vom 19.12.2012 - B 12 KR 20/11 R - (BSGE 113, 1 = SozR 4-2500 § 240 Nr 17) darlegen müssen, wonach die "Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler" des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen als untergesetzliche Normen für sich genommen ab 1.1.2009 eine hinreichende Rechtsgrundlage für die Beitragsfestsetzung gegenüber freiwillig Versicherten der GKV sind. Zur Bedeutung des grundgesetzlich garantierten Existenzminimums sowie der zivilrechtlichen Pfändungsfreibeträge für den Beitragseinzug hätte sie sich zB mit dem Urteil des BSG vom 7.2.2012 auseinandersetzen müssen, wonach der Gesetzgeber den Sozialleistungsträgern mit den Vorschriften der §§ 52 , 51 Abs 2 SGB I die Möglichkeit eröffnet hat, zur Durchsetzung ihrer Beitrags- und Erstattungsforderungen, ohne Bindung an die Pfändungsfreigrenzen der ZPO auch mit dem unpfändbaren Teil einer laufenden Geldleistung bis zu deren Hälfte und bis zur Grenze der Hilfebedürftigkeit im Sinne der Vorschriften des SGB XII über die Hilfe zum Lebensunterhalt aufzurechnen (B 13 R 85/09 R - SozR 4-1200 § 52 Nr 5 RdNr 58 f). Zudem führt die Klägerin in Bezug auf eine mögliche Divergenz der angefochtenen Entscheidung zum Urteil des BSG vom 29.10.1991 ( 13/5 RJ 36/90 - BSGE 69, 301 = SozR 3-2400 § 76 Nr 1) aus, das BSG habe "darin die Ansicht vertreten, dass durch die Anwendung des § 76 Abs. 2 SGB-IV die Sicherung des Existenzminimums des individuellen Beitragsschuldners zu verwirklichen" sei. Somit hätte für die Klägerin auch konkret in Bezug auf dieses Urteil Anlass zu ausführlichen Darlegungen bestanden, warum die von ihr formulierte Frage durch diese dem BSG zugeschriebene Aussage noch nicht beantwortet sein könnte und sich ihr Vorbringen - jedenfalls im Kern - nicht wiederum allein gegen die vermeintliche inhaltliche Unrichtigkeit des LSG-Urteils richtet.

Auch die Darlegungen zur Klärungsfähigkeit der formulierten Fragen genügen nicht den diesbezüglichen Anforderungen. So hätte die Klägerin zu den ersten beiden Fragen anhand der Satzung der Beklagten - einer veröffentlichten Rechtsquelle - darlegen müssen, dass sich die fragliche Delegationsbefugnis nicht schon hieraus ergibt, was in einem Revisionsverfahren auch den Senat binden würde. In diesem Fall käme es nämlich in dem angestrebten Revisionsverfahren nicht darauf an, ob das LSG in der gerügten Weise eine solche Delegationsbefugnis annehmen durfte. Auch zu den übrigen Fragen fehlen - anders als erforderlich - zB jegliche Ausführungen der Klägerin dazu, ob der Senat auf Grundlage der vom LSG festgestellten Tatsachen überhaupt die Möglichkeit hätte, im Revisionsverfahren über diese Fragen zu entscheiden.

Soweit die Klägerin in diesem Zusammenhang auch eine vermeintliche Abweichung des LSG von Urteilen des BVerwG geltend macht, ist dieses Vorbringen nicht geeignet, die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache unabhängig von den vorstehend erörterten Gesichtspunkten darzulegen. Zugleich kann aber auch ein Zulassungsbegehren wegen Divergenz nicht auf eine Abweichung eines LSG von der Rechtsprechung des BVerwG gestützt werden, da dies nicht zu den in § 160 Abs 2 Nr 2 SGG genannten Gerichten bzw Spruchkörpern gehört.

4. Abschließend beruft sich die Klägerin auch auf das Vorliegen von Divergenzen (Zulassungsgrund nach § 160 Abs 2 Nr 2 SGG ). Die Beschwerdebegründung genügt jedoch auch nicht den Anforderungen an die Darlegung dieses Zulassungsgrundes.

a) Divergenz bedeutet Widerspruch im Rechtssatz, nämlich das Nichtübereinstimmen tragender abstrakter Rechtssätze, die zwei Urteilen zugrunde gelegt sind. Eine Abweichung liegt nicht schon dann vor, wenn das LSG eine höchstrichterliche Entscheidung nur unrichtig ausgelegt oder das Recht unrichtig angewandt hat, sondern erst, wenn das LSG Kriterien, die ein in der Norm genanntes Gericht aufgestellt hat, widersprochen, also andere Maßstäbe entwickelt hat. Das LSG weicht damit nur dann iS von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG von einer Entscheidung ua des BSG ab, wenn es einen abstrakten Rechtssatz aufstellt, der einer zu demselben Gegenstand gemachten und fortbestehenden aktuellen abstrakten Aussage des BSG entgegensteht und dem Berufungsurteil tragend zugrunde liegt. Die Beschwerdebegründung muss deshalb aufzeigen, welcher abstrakte Rechtssatz in den genannten höchstrichterlichen Urteilen enthalten ist, und welcher in der instanzabschließenden Entscheidung des LSG enthaltene Rechtssatz dazu im Widerspruch steht, und darlegen, dass die Entscheidung hierauf beruhen kann ( BSG Beschluss vom 27.1.1999 - B 4 RA 131/98 B - SozR 3-1500 § 160 Nr 26 mwN).

b) Die Beschwerdebegründung der Klägerin verfehlt diese Anforderungen zunächst, soweit sie eine Abweichung des LSG-Urteils vom Urteil des BSG vom 29.10.1991 ( 13/5 RJ 36/90 - BSGE 69, 301 , 304 f = SozR 3-2400 § 76 Nr 1 S 4 f) geltend macht. Dort habe das BSG die Ansicht vertreten, "durch die Anwendung des § 76 Abs. 2 SGB-IV [sei] die Sicherung des Existenzminimums des individuellen Beitragsschuldners zu verwirklichen". Demgegenüber sei das LSG der Ansicht, dass "ein Antragsteller nach § 76 Abs. 2 SGB-IV keinen Anspruch auf die Sicherung des Existenzminimums hat. Ein Versicherter, dessen Versorgungssituation unterhalb des Existenzminimums liege, habe diese Gefährdungslage 'frei entschieden' und damit zugleich vorwerfbar herbeigeführt".

Es ist schon zweifelhaft, ob sich die den Gerichten jeweils zugeschriebenen Aussagen überhaupt widersprechen. Auch die für das BSG formulierte Aussage steht der Berücksichtigung einer möglichen Selbsthilfe (hier durch die Grundsicherungsansprüche nach dem SGB II ermöglichende Aufgabe des Studiums) im Rahmen der Entscheidung nach § 76 Abs 2 SGB IV nicht entgegen. Diese Zweifel mit ihrer Begründung auszuräumen, hätte der Klägerin oblegen, wurde aber versäumt.

Gleichzeitig versäumt es die Klägerin - entgegen den obigen Anforderungen - darzulegen, dass der vermeintliche Widerspruch entscheidungserheblich ist. Hierzu hätte sie auf Grundlage der vom LSG mit Bindungswirkung für den Senat (§ 163 SGG ) festgestellten Tatsachen ausführen müssen, dass durch die Ablehnung des beantragten Beitragserlasses Sozialhilfebedürftigkeit einträte. Denn das BSG führt im Urteil vom 29.10.1991 ( 13/5 RJ 36/90 - BSGE 69, 301 , 304 f = SozR 3-2400 § 76 Nr 1 S 4 f) zwar unter Bezugnahme auf Rechtsprechung des BVerfG aus, aus dem Sozialstaatsgebot und Art 1 Abs 1 GG folge, dass der Staat dem Bürger das Existenzminimum gewährleisten müsse und ihm dieses nicht durch Erhebung von Abgaben (wieder) entziehen dürfe und dass in diesem Zusammenhang zur Vermeidung des Unterschreitens des Existenzminimums auch § 76 Abs 2 SGB IV herangezogen werden könne. Zugleich wird aber deutlich gemacht, dass dabei als Bemessungsgrundlage für die Höhe des Existenzminimums die Regelsätze der Sozialhilfe zugrunde gelegt werden können. Demgegenüber bezieht sich die Klägerin stets auf eine Unterschreitung eines durch §§ 850 ff ZPO iVm der Pfändungsfreigrenzenbekanntmachung definierten Existenzminimums.

c) Auch die von der Klägerin darüber hinaus gerügte Divergenz des angegriffenen Urteils zu einem Rechtssatz aus dem Beschluss des BVerfG vom 18.7.2005 ( 2 BvF 2/01 - BVerfGE 113, 167 = SozR 4-2500 § 266 Nr 8) wird nicht anforderungsgerecht dargelegt. Diesem Beschluss entnimmt die Klägerin den Rechtssatz (zitiert nach Juris RdNr 144 = SozR 4-2500 § 266 Nr 8 RdNr 101): "Wer Solidarität zu üben hat, aber auch in Anspruch nehmen darf, legt der Gesetzgeber durch die Regelungen über die Versicherungspflicht und die Versicherungsberechtigung (§§ 5 ff SGB V ) fest."

"Dementgegen" sei das LSG der Ansicht, "dass Versicherte mit Ausnahme der Mitversicherten die festgesetzten Beiträge ausnahmslos zu entrichten haben". Einkommen unterhalb der Pfändungsfreigrenzen sei selbstverschuldet und einem Antragsteller im Rahmen des § 76 Abs 2 SGB IV entgegenzuhalten. Damit werde sowohl der Wille des Gesetzgebers (Hinweis auf BT-Drucks 11/2237, 158) als auch das Solidaritätsprinzip in der Auslegung des BVerfG nicht anerkannt.

Die Klägerin formuliert damit bereits keinen Rechtssatz, der dem Zitat aus dem Beschluss des BVerfG vom 18.7.2005 (aaO) entgegensteht. Denn nach der zitierten Aussage obliegt es ausdrücklich dem Gesetzgeber, den Kreis derjenigen zu bestimmen, die in die Solidargemeinschaft der GKV einbezogen werden. Jedoch enthält das Zitat keine Aussage zu den hieraus ggf folgenden Beitragspflichten oder zu Möglichkeiten eines Beitragserlasses nach § 76 Abs 2 SGB IV . Demgegenüber betrifft der dem LSG zugeschriebene "Rechtssatz" auch nach den diesbezüglichen Erläuterungen ausschließlich die Frage, ob in die GKV einbezogene Personen Beiträge zu entrichten haben und ob im Rahmen der Entscheidung nach § 76 Abs 2 SGB IV auch Selbsthilfemöglichkeiten zu berücksichtigen sind. Aber selbst wenn dies entgegen der von der Klägerin dem LSG zugeschriebenen Rechtsauffassung nicht der Fall wäre, widerspräche diese nicht dem zitierten Satz des BVerfG-Beschlusses. Denn selbst wenn man die Aussage - wie von der Klägerin offensichtlich beabsichtigt - von ihrem eigentlichen Gegenstand lösen wollte, verbliebe es im Kern dabei, dass es gerade dem Gesetzgeber obliegt, Umfang und Grenzen der Solidarität auch innerhalb der GKV zu bestimmen. Indem das LSG sein Ergebnis gerade aus der Auslegung des § 76 Abs 2 SGB IV gewinnt, mag es - so die Rechtsauffassung der Klägerin zuträfe - über den Regelungsgehalt dieser Norm irren, der vom BVerfG ausgesprochenen Regelungskompetenz des Gesetzgebers tritt es damit jedoch nicht entgegen. Vor diesem Hintergrund hätte die Klägerin nicht nur den "Rechtssatz" des LSG präziser fassen, sondern auch näher darlegen müssen, worin der Widerspruch beider "Rechtssätze" besteht. Tatsächlich richtet sich das Vorbringen der Klägerin allein gegen eine vermeintlich fehlerhafte Auslegung des § 76 Abs 2 SGB IV durch das LSG und somit auf eine inhaltliche Unrichtigkeit des angegriffenen Urteils. Hierauf kann aber - wie oben bereits dargelegt - die Beschwerde nicht zulässig gestützt werden.

5. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG ).

6. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG .

Vorinstanz: LSG Nordrhein-Westfalen, vom 17.03.2016 - Vorinstanzaktenzeichen L 16 KR 301/15
Vorinstanz: SG Köln, - Vorinstanzaktenzeichen S 37 KR 510/14