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BGH - Entscheidung vom 04.02.2021

I ZR 169/20

Normen:
GG Art. 103 Abs. 1

BGH, Beschluss vom 04.02.2021 - Aktenzeichen I ZR 169/20

DRsp Nr. 2021/4858

Wiedereinsetzung in die Frisn zur Einlegung und Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde; Erfolgreiche Nichtzulassungsbeschwerde wegen Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör; Anforderungen an die Substantiierung des Parteivortrags

1. Das Gebot des rechtlichen Gehörs soll als Prozessgrundrecht sicherstellen, dass die Entscheidung frei von Verfahrensfehlern ergeht, welche ihren Grund in unterlassener Kenntnisnahme und Nichtberücksichtigung des Sachvortrags der Parteien haben. Dabei darf das Gericht die Anforderungen an die Substantiierung des Parteivortrags nicht überspannen. Da die Handhabung der Substantiierungsanforderungen dieselben einschneidenden Folgen hat wie die Anwendung von Präklusionsvorschriften, verstößt sie gegen Art. 103 Abs. 1 GG , wenn sie offenkundig unrichtig ist.2. Das Tatgericht hat die Höhe des Schadensersatzes gemäß § 287 Abs. 1 Satz 1 ZPO unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls nach seiner freien Überzeugung zu bemessen. Dabei sind an Art und Umfang der von dem Geschädigten beizubringenden Schätzgrundlagen nur geringe Anforderungen zu stellen; dem Tatgericht kommt zudem in den Grenzen eines freien Ermessens ein großer Spielraum zu.

Tenor

Der Klägerin wird gegen die Versäumung der Fristen zur Einlegung und Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde gegen den Beschluss des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 24. März 2020 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt, soweit das Berufungsgericht hinsichtlich des Schadensersatzanspruchs in Höhe von 38.000 €, der Lagerkosten in Höhe von 1.353 € und vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 923,38 €, jeweils nebst Zinsen, zum Nachteil der Klägerin erkannt hat.

Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin wird unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen der Beschluss des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 24. März 2020 im Kostenpunkt und im Umfang der gewährten Wiedereinsetzung - hinsichtlich der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten jedoch nur in Höhe von 807,36 € nebst Zinsen - aufgehoben und die Sache insoweit zur Verhandlung und neuen Entscheidung, auch über die außergerichtlichen Kosten des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Die Gerichtskosten des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens trägt die Klägerin.

Der Streitwert wird für den erfolgreichen Teil des Beschwerdeverfahrens auf 38.000 € festgesetzt, der Streitwert für den zurückgewiesenen Teil des Beschwerdeverfahrens auf 116,02 €.

Normenkette:

GG Art. 103 Abs. 1 ;

Gründe

I. Der Beklagte ist gewerblich mit dem Transport und der Einlagerung von Gegenständen befasst. Am 16. Oktober 2008 beauftragte ihn die Klägerin mit der Abholung von Möbeln, Hausrat und Umzugskartons aus ihrer damaligen Wohnung. Das Gut sollte bis auf Weiteres bei dem Beklagten auf dessen Betriebsgelände eingelagert werden. Auf dem Umzugsvertrag vom 16. Oktober 2008 hatte die Klägerin handschriftlich vermerkt: "Die eingelagerten Möbel sollen mit einer Summe in Höhe von 18.000 € (Neuwertversicherung) für die gesamte Lagerzeit versichert werden."

Am 29. Oktober 2008 erfolgte der Transport der Gegenstände in das Lager des Beklagten. Sie wurden in einen in der Lagerhalle des Beklagten befindlichen Container geräumt. Die Parteien erstellten am selben Tag ein Lagerverzeichnis und schlossen einen Lagervertrag, der die Zahlung monatlicher Einlagerungskosten in Höhe von 119 € vorsah. Zu einer Versicherung der eingelagerten Gegenstände enthält der Vertrag keine Angaben. Er nimmt Bezug auf die Allgemeinen Lagerbedingungen des Deutschen Möbeltransports, deren Nr. 10.1 wie folgt lautet:

10.1.1 Der Lagerhalter haftet für den Schaden, der durch Verlust oder Beschädigung des Gutes in der Zeit von der Übernahme zur Lagerung bis zur Auslieferung entsteht, es sei denn, dass der Schaden durch die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht abgewendet werden konnte. ...

10.1.2 Hat der Lagerhalter für gänzlichen oder teilweisen Verlust des Gutes Schadenersatz zu leisten, so ist der Wert an Ort und zur Zeit der Übernahme zur Lagerung zu ersetzen.

10.1.3 Bei Beschädigung des Gutes ist der Unterschied zwischen dem Wert des unbeschädigten Gutes am Ort und zur Zeit der Übernahme zur Lagerung und dem Wert zu ersetzen, den das beschädigte Gut am Ort und zur Zeit der Übernahme gehabt hätte. Es wird vermutet, dass die zur Schadensminderung und Schadensbehebung aufzuwendenden Kosten dem nach Satz 1 zu ermittelnden Unterschiedsbetrag gleichstehen.

10.1.4 Der Wert des Gutes bestimmt sich nach dem Marktpreis, sonst nach dem gemeinen Wert von Gütern gleicher Art und Beschaffenheit. ...

Bei einer Besichtigung der eingelagerten Gegenstände im Jahr 2014 stellte die Klägerin fest, dass diese sich nicht mehr in dem ursprünglichen Lagercontainer in der Lagerhalle des Beklagten, sondern in einem anderen Container auf dem Außengelände befanden. Bei einer weiteren Besichtigung des Lagerguts im Sommer 2016 stellte die Klägerin fest, dass die ursprünglich verwendeten Umzugskartons nicht mehr vorhanden waren und deren Inhalt in andere Kartons umgepackt worden war. Am 8. Februar 2017 ließ die Klägerin ihre Gegenstände durch eine Spedition bei dem Beklagten abholen und andernorts einlagern.

Die Klägerin hat behauptet, der Beklagte habe ihr am 29. Oktober 2008 zugesichert, das Lagergut über die gesamte Dauer der Einlagerung in dem ursprünglichen Container zu belassen. Die eingelagerten Gegenstände seien in erheblichem Umfang beschädigt worden, weil der im Außenbereich abgestellte Lagercontainer undicht gewesen sei. Die eingelagerten Gegenstände wiesen Stockflecken, Schimmel, Rost und Korrosionsschäden sowie Lackschäden auf. Einige Gegenstände seien durch Mäusefraß und Mäusekot beschädigt und verunreinigt. Einige Gegenstände seien verloren gegangen. Der ihr dadurch entstandene Schaden betrage 38.000 €. Dies sei der Betrag, den sie für die Anschaffung neuer Ersatzgegenstände aufwenden müsse. Sie hat - soweit noch von Bedeutung - den Beklagten auf Schadensersatz in Höhe dieses Betrags, auf Ersatz der Kosten der weiteren Einlagerung des Gutes in Höhe von 1.353 € sowie von vorgerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 923,38 €, jeweils nebst Zinsen, in Anspruch genommen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die dagegen gerichtete Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen.

Der Senat hat der Klägerin Prozesskostenhilfe für das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde und ein anschließendes Revisionsverfahren für die noch streitgegenständlichen Ansprüche bewilligt. Die Klägerin hat in diesem Umfang Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Fristen zu deren Einlegung und Begründung beantragt.

II. Der Klägerin war gemäß § 233 Satz 1 ZPO antragsgemäß Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Fristen zur Einlegung und Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde in dem Umfang zu bewilligen, in dem ihr der Senat Prozesskostenhilfe bewilligt hat.

Die zulässige Nichtzulassungsbeschwerde hat - von einem geringen Teil der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten abgesehen - im eingelegten Umfang Erfolg und führt insoweit gemäß § 544 Abs. 9 ZPO zur Aufhebung des die Berufung der Klägerin zurückweisenden Beschlusses des Berufungsgerichts und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Die angefochtene Entscheidung verletzt im Umfang der Aufhebung in entscheidungserheblicher Weise den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG .

1. Das Berufungsgericht hat angenommen, es sei nicht erforderlich, die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Haftung des Beklagten gemäß § 467 und § 475 HGB zu prüfen und Beweis zu erheben. Selbst wenn man zugunsten der Klägerin unterstelle, dass der Beklagte seine Sorgfaltspflichten als Lagerhalter in grober Weise verletzt und er vorsätzlich gegen eine der Klägerin gegenüber gegebene Zusicherung verstoßen hätte, führte dies nicht zum Erfolg der Klage. Die Klägerin habe ihrer Darlegungslast zum Umfang und zur Höhe des ihr infolge der Beschädigung oder des Verlusts ihres Hausrats entstandenen Schadens in beiden Instanzen nicht genügt. Es fehle sowohl an schlüssigem Vortrag der Klägerin zu Ziffer 10 der Allgemeinen Lagerbedingungen als auch zu § 249 BGB .

Für die Berechnung des Güterschadens gemäß Nr. 10 der Allgemeinen Lagerbedingungen hätte es zunächst der schlüssigen Darlegung bedurft, welchen Zeitwert die zu diesem Zeitpunkt nicht mehr neuen, sondern gebrauchten Güter am 29. Oktober 2008 jeweils gehabt hätten. Hierzu könne weder dem schriftsätzlichen Vortrag der Klägerin noch den klägerseits vorgelegten Tabellen wechselnden Inhalts eine Behauptung der Klägerin entnommen werden. Die Klägerin hätte vortragen müssen, welche der eingelagerten Güter ganz oder teilweise in Verlust geraten seien. Hinsichtlich dieser Güter wäre der Zeitwert zum Stichtag als Schaden anzusetzen gewesen. Außerdem hätte die Klägerin ergänzend vortragen müssen, welche Beschädigungen diese Gegenstände konkret aufgewiesen hätten und welchen hypothetischen Restwert sie in beschädigtem Zustand zum Stichtag gehabt hätten. Angesichts der in Ziffer 10.1.3 der Allgemeinen Lagerbedingungen getroffenen Regelung hätte es auch eines Vortrags dazu bedurft, ob und mit welchem Kostenaufwand der Schaden beseitigt werden könne. Dies sei insbesondere bei den von der Klägerin behaupteten Rost-, Oxidations-, Stockflecken- und Schimmelschäden relevant. Die Klägerin habe sich demgegenüber in beiden Instanzen darauf beschränkt, das Anschaffungsjahr, den für die Anschaffung aufgewendeten Kaufpreis und den für die Neuanschaffung zum Zeitpunkt der Abholung der Güter beim Beklagten am 8. Februar 2017 aufzuwendenden Wiederbeschaffungswert vorzutragen.

Auch für die Schadensberechnung gemäß § 249 BGB seien die von der Klägerin vorgetragenen Zahlen nicht ausreichend. Der Schaden der Klägerin habe nicht darin bestanden, dass sie am 8. Februar 2017 keine neuen Gegenstände zurückerhalten habe, sondern lediglich die von ihr am 29. Oktober 2008 bereits in gebrauchtem Zustand eingelagerten Gegenstände, die darüber hinaus noch um weitere achteinhalb Jahre gealtert seien. Der nach § 249 BGB ersatzfähige Schaden bestehe daher im Verlustfall in denjenigen Kosten, die für die Wiederbeschaffung einer gebrauchten Sache gleichen Alters und gleichen Zustands aufzuwenden gewesen wären. Hierzu hätte es eines dezidierten Vortrags zu Art und Umfang der Beschädigung jedes einzelnen Gegenstands und den Kosten einer Schadensbeseitigung einerseits und zu dem Wiederbeschaffungswert für gebrauchte Sachen gleichen Alters und gleichen Zustands andererseits bedurft. In keinem Fall erscheine es denkbar, dass der Schaden in den Anschaffungskosten für neue Sachen oder in einer die Anschaffungskosten sogar noch übersteigenden Höhe bestehe.

Wegen des unzureichenden Vortrags der Klägerin sei es nicht möglich, den Schaden im Wege der Schätzung eines Mindestschadens zu ermitteln. Eine Schadensschätzung hinge wegen des Fehlens hinreichender konkreter Anknüpfungspunkte gänzlich in der Luft. Es sei nicht Aufgabe des Gerichts, sich die entscheidungserheblichen Tatsachen und Umstände aus umfänglichen zu den Akten gereichten Anlagen selbst herauszusuchen.

Die mit der Klage geltend gemachten vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 923,38 € sowie die Kosten der weiteren Einlagerung des Umzugsguts in Höhe von 1.353 € unter dem Gesichtspunkt der Beweissicherung seien als Kosten der Rechtsverfolgung Nebenforderungen, die das rechtliche Schicksal der Hauptforderung teilten.

2. Mit dieser Beurteilung hat das Berufungsgericht den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt.

a) Art. 103 Abs. 1 GG vermittelt allen an einem gerichtlichen Verfahren Beteiligten einen Anspruch darauf, sich zu dem in Rede stehenden Sachverhalt und zur Rechtslage zu äußern. Dem entspricht die Pflicht des Gerichts, tatsächliche und rechtliche Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen (st. Rspr., vgl. BGH, Beschluss vom 29. Mai 2018 - VI ZR 370/17, VersR 2018, 1001 Rn. 8; Beschluss vom 27. August 2020 - III ZR 105/19, juris Rn. 8 mwN; BVerfG, NJW 2017, 3218 Rn. 47). Das Gebot des rechtlichen Gehörs soll als Prozessgrundrecht sicherstellen, dass die Entscheidung frei von Verfahrensfehlern ergeht, welche ihren Grund in unterlassener Kenntnisnahme und Nichtberücksichtigung des Sachvortrags der Parteien haben. Dabei darf das Gericht die Anforderungen an die Substantiierung des Parteivortrags nicht überspannen. Da die Handhabung der Substantiierungsanforderungen dieselben einschneidenden Folgen hat wie die Anwendung von Präklusionsvorschriften, verstößt sie gegen Art. 103 Abs. 1 GG , wenn sie offenkundig unrichtig ist (BGH, Beschluss vom 2. Juli 2019 - VI ZR 42/18, NJW-RR 2019, 1530 Rn. 5 mwN; Beschluss vom 7. Juli 2020 - VI ZR 212/19, juris Rn. 10).

b) So verhält es sich im Streitfall. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, die auf Schadensersatz gerichtete Klage in Höhe von 38.000 € sei selbst dann unbegründet, wenn unterstellt werde, dass die Voraussetzungen für eine unbegrenzte Haftung des Beklagten gemäß § 475 HGB vorliegen, weil die Klägerin ihrer Darlegungslast für einen ihr durch das Verhalten des Beklagten entstandenen Schaden dem Umfang und der Höhe nach in beiden Instanzen nicht genügt habe, beruht auf einer offenkundigen Überspannung der Substantiierungsanforderungen. Die Nichtzulassungsbeschwerde macht mit Recht geltend, dass der Vortrag der Klägerin zum Schadensumfang und zur Schadenshöhe ausreichend war, um in eine Schadensschätzung gemäß § 287 ZPO einzutreten.

aa) Das Tatgericht hat die Höhe des Schadensersatzes gemäß § 287 Abs. 1 Satz 1 ZPO unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls nach seiner freien Überzeugung zu bemessen. Dabei sind an Art und Umfang der von dem Geschädigten beizubringenden Schätzgrundlagen nur geringe Anforderungen zu stellen; dem Tatgericht kommt zudem in den Grenzen eines freien Ermessens ein großer Spielraum zu (BGH, Urteil vom 18. Juni 2020 - I ZR 93/19, GRUR 2020, 990 Rn. 37 = WRP 2020, 1189 - Nachlizenzierung).

bb) Die Nichtzulassungsbeschwerde macht mit Recht geltend, dass die Klägerin zum Schadensumfang hinreichend vorgetragen hat.

(1) Die Klägerin hat nach vorangegangenem Prozesskostenhilfeverfahren eine von ihr als endgültig bezeichnete Klageschrift vom 26. Februar 2019 eingereicht, die eine Aufstellung der beim Beklagten eingelagerten und nach ihrer Behauptung bei Auslagerung beschädigten oder verlorenen Gegenstände in Tabellenform enthält. In der Tabelle ist angegeben, dass der jeweilige Gegenstand entweder bei Abholung beim Beklagten gefehlt habe oder dass er beschädigt gewesen sei. Bei beschädigten Gegenständen hat die Klägerin auch die jeweilige Art der Beschädigung angegeben. Außerdem hat sie auf die bereits im Prozesskostenhilfeverfahren vorgelegte DVD Bezug genommen, auf denen Dateien gespeichert sind, die die Schäden dokumentieren. Damit hat sie in einer für eine Schadensschätzung ausreichenden Weise vorgetragen, für welche Gegenstände sie Schadensersatz verlangt und welche Gegenstände beschädigt und welche verloren gegangen sein sollen. Die vorgelegte DVD mit Lichtbildern von Teilen des Umzugsguts sind geeignet, einen Eindruck von der Art der Beschädigungen zu vermitteln, so dass zumindest ein Mindestschaden geschätzt werden kann.

(2) Dass die Klägerin im vorangegangenen Prozesskostenhilfeverfahren und nach Bewilligung von Prozesskostenhilfe durch das Landgericht Schriftsätze mit hiervon inhaltlich teilweise abweichende Tabellen vorgelegt hat, ist entgegen der Ansicht der Vorinstanzen unschädlich. Die Klägerin hat unter dem 26. Februar 2019 mitgeteilt, dass infolge eines Versehens ihres Prozessbevollmächtigten ein früherer Entwurf der Klageschrift mit einer inhaltlich abweichenden Aufstellung der beschädigten oder in Verlust geratenen Gegenstände bei Gericht eingereicht worden sei, und hat eine Neufassung der Klageschrift vorgelegt. Sie hat außerdem erklärt, dass die Klageschrift in der Fassung vom 26. Februar 2019 und die darin enthaltene Auflistung maßgeblich für ihr Rechtsschutzbegehren sein solle.

cc) Die Nichtzulassungsbeschwerde rügt des Weiteren mit Erfolg, dass das Berufungsgericht die Anforderungen an den Vortrag der Klägerin zur Höhe ihres Schadens überspannt hat.

Die Klageschrift enthält eine Auflistung von 139 Positionen von Gegenständen, die nach Behauptung der Klägerin beschädigt oder verloren gegangen sein sollen. Die Klägerin hat diese Hausratsgegenstände im Einzelnen bezeichnet und jeweils das Herstellungs- oder Anschaffungsjahr und die Anschaffungskosten angegeben. Außerdem hat die Klägerin die Kosten der Wiederbeschaffung angegeben und sich zum Beweis für die Angemessenheit der von ihr angesetzten Beträge auf ein Sachverständigengutachten berufen. Diese Daten versetzen das Berufungsgericht in die Lage, die Höhe des Schadens der Klägerin unter Zuhilfenahme des von der Klägerin in digitaler Form vorgelegten Bildmaterials entweder aus eigener Sachkunde oder unter Zuhilfenahme sachverständiger Hilfe zu schätzen.

dd) Soweit das Berufungsgericht die von der Klägerin geforderten Beträge für überhöht gehalten hat, mag dies nach erfolgter Schadensschätzung dazu führen, der Klage den Erfolg zu versagen, soweit die beanspruchten Beträge nicht gerechtfertigt sind. Die Geltendmachung überhöhter Forderungen ist jedoch im Streitfall kein Grund, die Klage wegen nicht ausreichendem Vortrags der Klägerin zur Schadenshöhe in vollem Umfang abzuweisen.

c) Danach kann auch die Entscheidung des Berufungsgerichts hinsichtlich der von ihm als Nebenforderungen angesehenen Beträge keinen Bestand haben. Dabei war hinsichtlich der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten die Nichtzulassungsbeschwerde teilweise zurückzuweisen, soweit diese Kosten durch die vorgerichtliche Geltendmachung von Forderungen ausgelöst worden sind, die über den noch streitgegenständlichen Schadensersatzanspruch in Höhe von 38.000 € hinausgehen.

d) Die Gehörsverletzung durch das Berufungsgericht ist auch entscheidungserheblich, weil nicht auszuschließen ist, dass dieses bei Berücksichtigung des übergangenen Vorbringens der Klägerin anders entschieden hätte (BGH, Beschluss vom 17. Dezember 2020 - I ZR 88/20, juris Rn. 17 mwN). Reichte der Vortrag der Klägerin für eine Schätzung von Umfang und Höhe des nach ihrer Behauptung entstandenen Schadens aus, konnte das Berufungsgericht die Frage nicht offen lassen, ob der geltend gemachte Schadensersatzanspruch dem Grunde nach besteht.

3. Gemäß § 544 Abs. 9 ZPO ist danach der angefochtene Beschluss des Berufungsgerichts teilweise aufzuheben und die Sache im Umfang der Aufhebung zur Verhandlung und neuen Entscheidung, auch über die außergerichtlichen Kosten des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

4. Der Senat hat neben dem (Gesamt-)Streitwert des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens den (Teil-)Streitwert der erfolglos gebliebenen Beschwerde der Klägerin festzusetzen. Die Klägerin hat die Gerichtskosten ihrer in geringem Umfang erfolglosen Nichtzulassungsbeschwerde zu tragen, weil nach Nr. 1242 des Kostenverzeichnisses (Anlage 1 zum Gerichtskostengesetz ) Gerichtskosten für das Verfahren anfallen, soweit die Beschwerde verworfen oder zurückgewiesen wird.

Der Streitwert der erfolgreichen Beschwerde beträgt 38.000 €. Soweit vorprozessual aufgewendete Kosten zur Durchsetzung der Hauptforderung in dieser Höhe entstanden sind wie der auf die Verfahrensgebühr nicht anrechenbare Teil der vorprozessualen Geschäftsgebühr des Prozessbevollmächtigten der Klägerin einschließlich Auslagen und Mehrwertsteuer, handelt es sich dabei um Nebenforderungen im Sinne des § 43 Abs. 1 GKG , die sich nicht werterhöhend auswirken (zu § 4 Abs. 1 ZPO vgl. BGH, Beschluss vom 30. Januar 2007 - X ZB 7/06, VersR 2007, 1102 Rn. 7; Beschluss vom 15. Mai 2007 - VI ZB 18/06, VersR 2007, 1713 Rn. 6; Beschluss vom 11. März 2008 - VI ZB 9/06, NJW-RR 2008, 898 Rn. 5). Dies gilt auch für die Kosten der weiteren Einlagerung des Umzugsguts, die die Klägerin aus Gründen der Beweissicherung aufgewendet hat und die damit der Vorbereitung des konkret bevorstehenden Rechtsstreits gedient haben.

Der Streitwert der erfolglosen Beschwerde beträgt 116,02 €. Dabei handelt es sich um den Teil der außergerichtlichen Kosten, die durch die vorprozessuale Geltendmachung von über den Schadensersatzanspruch in Höhe von 38.000 € hinausgehenden Beträgen entstanden sind. Da hinsichtlich dieser Beträge die Hauptforderung nicht mehr Gegenstand des Rechtsstreits ist, stellen diese Kosten im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde keine Nebenforderungen, sondern Hauptforderungen dar (zu § 4 Abs. 1 ZPO vgl. BGH, Beschluss vom 20. Mai 2014 - VI ZB 49/12, NJW 2014, 3100 Rn. 5 mwN), so dass für sie ein gesonderter Streitwert festzusetzen ist.

Vorinstanz: LG Köln, vom 26.06.2019 - Vorinstanzaktenzeichen 16 O 327/18
Vorinstanz: OLG Köln, vom 24.03.2020 - Vorinstanzaktenzeichen 3 U 143/19