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BGH - Entscheidung vom 22.05.2007

VI ZR 233/06

Normen:
ZPO § 397 § 402 § 411 Abs. 3 § 493

Fundstellen:
BGHReport 2007, 941
BauR 2007, 1610
DAR 2008, 141
FamRZ 2007, 1642
MDR 2007, 1091
NJW-RR 2007, 1294
NZBau 2007, 641
VersR 2007, 1713

BGH, Beschluß vom 22.05.2007 - Aktenzeichen VI ZR 233/06

DRsp Nr. 2007/13260

Ladung des Sachverständigen zur Erläuterung eines in dem dem Klageverfahren vorausgegangenen selbständigen Beweisverfahren erstatteten Gutachtens

»Dem Antrag einer Partei auf Ladung eines Sachverständigen zur Erläuterung seines schriftlichen Gutachtens ist grundsätzlich auch dann zu entsprechen, wenn der Sachverständige das Gutachten in einem vorausgegangenen selbständigen Beweisverfahren erstattet hat.«

Normenkette:

ZPO § 397 § 402 § 411 Abs. 3 § 493 ;

Gründe:

I. 1. Die Nichtzulassungsbeschwerde hat Erfolg und führt gemäß § 544 Abs. 7 ZPO zur Aufhebung des angegriffenen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht. Die angefochtene Entscheidung verletzt den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG .

2. Mit Erfolg macht die Nichtzulassungsbeschwerde geltend, dass das Berufungsgericht verfahrensfehlerhaft dem Antrag des Klägers, neben dem gerichtlichen Sachverständigen Prof. Dr. F. auch den Sachverständigen J. zur Erläuterung seines schriftlichen Gutachtens zu laden, nicht entsprochen hat. Dem mit Schriftsatz vom 24. Februar 2006 gestellten Antrag des Klägers hätte das Berufungsgericht stattgeben müssen. Dem steht nicht entgegen, dass der Sachverständige J. sein Gutachten im vorausgegangenen selbständigen Beweisverfahren erstattet hat. Bei Identität der Beteiligten steht die selbständige Beweiserhebung unter der - im Streitfall gegebenen - Voraussetzung von § 493 Abs. 1 ZPO einer Beweisaufnahme vor dem Prozessgericht gleich (Senatsbeschluss BGHZ 164, 94 , 97). Deshalb hätte das Berufungsgericht zur Klärung der zwischen den beiden Gutachten bestehenden Widersprüche nicht nur den in zweiter Instanz beauftragten Sachverständigen Prof. Dr. F. laden, sondern auch dem Antrag des Klägers auf Ladung des Sachverständigen J. stattgeben müssen.

Die beantragte Ladung eines Sachverständigen ist grundsätzlich auch dann erforderlich, wenn das Gericht selbst das schriftliche Gutachten für überzeugend hält und keinen weiteren Erläuterungsbedarf sieht. Es ist auch nicht notwendig, dass ein solcher von einer Partei nachvollziehbar dargetan worden ist. Nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats hat die Partei zur Gewährleistung des rechtlichen Gehörs nach §§ 397 , 402 ZPO einen Anspruch darauf, dass sie dem Sachverständigen die Fragen, die sie zur Aufklärung der Sache für erforderlich hält, zur mündlichen Beantwortung vorlegen kann (vgl. u.a. Senatsurteile vom 17. Dezember 1996 - VI ZR 50/96 - VersR 1997, 509; vom 7. Oktober 1997 - VI ZR 252/96 - VersR 1998, 342 , 343 und vom 22. Mai 2001 - VI ZR 268/00 - VersR 2002, 120 , 121 f.). Dieses Antragsrecht besteht unabhängig von § 411 Abs. 3 ZPO (st. Rspr., vgl. BGHZ 6, 398, 400 f.; 24, 9, 14; Senatsurteile vom 24. Oktober 1995 - VI ZR 13/95 - VersR 1996, 211 , 212; vom 17. Dezember 1996 - VI ZR 50/96 - aaO.; vom 7. Oktober 1997 - VI ZR 252/96 - aaO. und vom 29. Oktober 2002 - VI ZR 353/01 - VersR 2003, 926 , 927; Senatsbeschlüsse vom 10. Mai 2005 - VI ZR 245/04 - VersR 2005, 1555 , vom 8. November 2005 - VI ZR 121/05 - NJW-RR 2006, 1503 , 1504 und vom 5. September 2006 - VI ZR 176/05 - NJW-RR 2007, 212 ). Es kann von der Partei, die einen Antrag auf Ladung des Sachverständigen stellt, nicht verlangt werden, dass sie die Fragen, die sie an den Sachverständigen zu richten beabsichtigt, im Voraus konkret formuliert. Es genügt, wenn sie allgemein angibt, in welcher Richtung sie durch ihre Fragen eine weitere Aufklärung herbeizuführen wünscht (BGHZ 24, 9 , 14 f.). Dies gilt grundsätzlich auch dann, wenn der Sachverständige nicht nur ein Erstgutachten, sondern - wie im Streitfall - ein Ergänzungsgutachten erstattet hat. Beschränkungen des Antragsrechts - wie etwa aus dem Gesichtspunkt des Rechtsmissbrauchs oder der Prozessverschleppung (vgl. Senatsurteil vom 29. Oktober 2002 - VI ZR 353/01 - aaO.) - sind nicht ersichtlich. Das Vorliegen eines solchen Ausnahmefalles nimmt auch das Berufungsgericht nicht an.

Da nicht ausgeschlossen werden kann, dass das Berufungsgericht bei der gebotenen Klärung zu einer anderen Beurteilung des Falles gekommen wäre, war das Urteil aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Dieses wird bei der neuen Verhandlung und Entscheidung auch das weitere Vorbringen des Klägers im Revisionsrechtszug zu berücksichtigen haben.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO .

Vorinstanz: OLG Koblenz, vom 24.10.2006 - Vorinstanzaktenzeichen 4 U 742/04
Vorinstanz: LG Koblenz, vom 14.05.2004 - Vorinstanzaktenzeichen 15 O 408/03
Fundstellen
BGHReport 2007, 941
BauR 2007, 1610
DAR 2008, 141
FamRZ 2007, 1642
MDR 2007, 1091
NJW-RR 2007, 1294
NZBau 2007, 641
VersR 2007, 1713