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BSG - Entscheidung vom 06.04.2020

B 1 KR 45/19 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1

BSG, Beschluss vom 06.04.2020 - Aktenzeichen B 1 KR 45/19 B

DRsp Nr. 2020/7636

Parallelentscheidung zu BSG B 1 KR 44/19 B v. 06.04.2020

Tenor

Der Antrag des Klägers, ihm für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Sächsischen Landessozialgerichts vom 25. Juni 2019 Prozesskostenhilfe unter Beiordnung eines Rechtsanwalts zu bewilligen, wird abgelehnt.

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Sächsischen Landessozialgerichts vom 25. Juni 2019 wird als unzulässig verworfen.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1 ;

Gründe

I

Der bei der beklagten Krankenkasse (KK) versicherte Kläger, der zunächst fortlaufend Leistungen nach dem SGB II bezog und mittlerweile fortlaufend Leistungen nach dem SGB XII bezieht, ist mit seinem Begehren einer zahnprothetischen Versorgung im Unterkiefer mittels Edelmetalllegierung (Gold) bei der Beklagten erfolglos geblieben. Die Beklagte bewilligte dem Kläger aufgrund des vertragszahnärztlichen Heil- und Kostenplans (<HKP>, 6.2.2018) für die prothetische Versorgung als Härtefall den doppelten Festzuschuss (Bescheid vom 13.3.2018). Er deckte die Kosten des die Regelversorgung überschreitenden Leistungsbegehrens nicht (Brücke in Goldlegierung für die Zähne 35 - 38, vom Kläger bei doppeltem Festzuschuss voraussichtlich zu tragende Kosten: 1260,88 Euro). Hiergegen hat der Kläger Klage erhoben. Während des Klageverfahrens hob die Beklagte "die durch Fiktion eingetretene Bewilligung der Brückenversorgung einschließlich die der Goldlegierung im Unterkiefer" auf, ebenso den Bescheid vom 13.3.2018, soweit er die Versorgung mit einer mit Brücke mit Goldlegierung ablehnte. Zugleich lehnte die Beklagte diese Art der Versorgung ab (Bescheid vom 26.3.2018). Der Widerspruch des Klägers blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 13.6.2018). Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 26.10.2018). Das LSG hat - auch unter Bezugnahme auf die Gründe der erstinstanzlichen Entscheidung - die Berufung zurückgewiesen: Die Berufung sei unbegründet. Nach § 55 Abs 2 Satz 1 Halbsatz 2 SGB V hätten KKn maximal den doppelten Festzuschuss zu leisten, wenn Versicherte, die unzumutbar belastet würden, nach § 55 Abs 4 oder 5 SGB V einen über die Regelversorgung hinausgehenden gleich- oder andersartigen Zahnersatz wählten. Der Kläger habe jedoch kraft Genehmigungsfiktion Anspruch auf die zahnprothetische Versorgung mit einer Brücke in Goldlegierung für die Zähne 35 - 38. Deshalb sei die Ablehnung dieser Versorgung durch den Bescheid vom 26.3.2018 rechtswidrig gewesen. Die Genehmigungsfiktion reiche aber nicht weiter als die ausdrückliche Bewilligung. Daher sei der Anspruch des Klägers nach § 87 Abs 1a Satz 2 ff SGB V iVm Nr 5 Anlage 3 Bundesmantelvertrag-Zahnärzte (in der vor dem 1.7.2018 geltenden Fassung) ausgeschlossen. Hiernach sei die Genehmigung des HKP auf sechs Monate befristet. In diesem Zeitraum sei der Zahnersatz einzugliedern. Beim Kläger sei dies nicht geschehen. Im Übrigen habe der Kläger die beantragte Versorgung nicht für erforderlich halten dürfen. Ihm sei aus zahlreichen früheren Verwaltungs- und Klageverfahren bekannt gewesen, dass er nur einen Anspruch auf Bewilligung eines maximal doppelten Festzuschusses habe (Beschluss vom 25.6.2019).

Der Kläger wendet sich mit seiner privatschriftlich eingelegten Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im LSG-Beschluss und beantragt Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung eines Rechtsanwalts.

II

Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von PKH und Beiordnung eines Rechtsanwalts ist abzulehnen (dazu 1.), seine Beschwerde ist zu verwerfen (dazu 2.).

1. Nach § 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm §§ 114 , 121 ZPO kann einem bedürftigen Beteiligten für das Beschwerdeverfahren vor dem BSG nur dann PKH bewilligt und ein Rechtsanwalt beigeordnet werden, wenn - ua - die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Daran fehlt es.

Der Kläger kann aller Voraussicht nach mit seinem Begehren auf Zulassung der Revision nicht durchdringen, weil es keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Nach Durchsicht der Akten fehlen - auch unter Würdigung des Klägervorbringens - Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger einen der in § 160 Abs 2 Nr 1 bis 3 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe darlegen könnte.

a) Die Sache bietet keine Hinweise für eine über den Einzelfall des Klägers hinausgehende grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache 160 Abs 2 Nr 1 SGG ). Eine klärungsbedürftige Rechtsfrage zur Rechtmäßigkeit der gesetzlichen Regelungen über den Festzuschuss zum Zahnersatz und einen möglichen Anspruch auf über die zahnprothetische Regelversorgung hinausgehende Leistungen ist mit Blick auf die Rspr des erkennenden Senats im vorliegenden Zusammenhang nicht ersichtlich (dazu aa). Gleiches gilt für die Anwendbarkeit der Genehmigungsfiktionsregeln nach § 13 Abs 3a SGB V auf einen Antrag, gerichtet auf eine über die Regelversorgung hinausgehende Versorgung mit zahnprothetischen Leistungen (dazu bb).

aa) Der erkennende Senat hat mit Urteil vom 7.5.2013 ( B 1 KR 5/12 R - SozR 4-2500 § 55 Nr 2) die gesetzliche Härtefallregelung als verfassungsgemäß angesehen. Er hat dort ua ausgeführt (aaO RdNr 44 f): Welche Behandlungsmaßnahmen in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) einbezogen und welche davon ausgenommen und damit der Eigenverantwortung des Versicherten (vgl § 2 Abs 1 Satz 1 SGB V ) zugeordnet werden, unterliegt aus verfassungsrechtlicher Sicht einem weiten gesetzgeberischen Ermessen. Mit dem BVerfG geht der erkennende Senat davon aus, dass es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist, dass die GKV den Versicherten Leistungen nur nach Maßgabe eines allgemeinen Leistungskatalogs unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots zur Verfügung stellt, soweit diese Leistungen nicht der Eigenverantwortung der Versicherten zugerechnet werden 2 Abs 1 Satz 1 SGB V ). Nur das, was in diesen Leistungskatalog fällt, hat die GKV ihren Versicherten zu leisten. Versicherte können dagegen nicht alles von der GKV beanspruchen, was ihrer Ansicht nach oder objektiv der Behandlung einer Krankheit dient. Die gesetzlichen KKn sind auch nicht von Verfassungs wegen gehalten, alles zu leisten, was an Mitteln zur Erhaltung oder Wiederherstellung der Gesundheit verfügbar ist. Der Gesetzgeber erkennt den Versicherten bei der Gewährung von Zahnersatz durch die GKV eine nach zahnmedizinischen Erkenntnissen ausreichende und wirtschaftliche Regelversorgung zu, überantwortet dagegen Mehrleistungen ihrer Eigenvorsorge. Er überlässt es im Rahmen eines dichten Normprogramms dem sachkundigen Gemeinsamen Bundesausschuss, mit der Festzuschuss-Richtlinie die in § 56 Abs 1 SGB V vorgesehene Konkretisierung der Regelversorgung im Rahmen seines Normgebungsspielraums in allen in Betracht kommenden Fallgruppen korrekt zu konkretisieren. Es besteht ausgehend von der gesetzgeberischen Entscheidung, keine umfassenden GKV-Leistungen bei Zahnersatz vorzusehen, ein sachlicher Grund, nicht auf das Alter oder die medizinischen Gründe für die Behandlungsnotwendigkeit abzustellen, sondern allein auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit. Verweist der Gesetzgeber - wie hier - die Versicherten grundsätzlich auf eine partielle Eigenverantwortung, ist es sachgerecht, nur dort zu differenzieren, wo die Eigenverantwortung an der wirtschaftlichen Leistungsunfähigkeit scheitert, ohne dass der Gesetzgeber jedoch von Verfassungs wegen gezwungen ist, die wirtschaftliche Leistungsunfähigkeit innerhalb des SGB V aufzufangen. Hier hat sich der Gesetzgeber für diesen Weg entschieden. § 55 Abs 2 Satz 1 Halbsatz 1 SGB V sieht vollständig kostendeckende Leistungen sogar über den doppelten Festzuschuss iS von § 55 Abs 1 Satz 2 SGB V hinaus vor, wenn der Versicherte wirtschaftlich nicht leistungsfähig ist und nur die Regelversorgung in Anspruch nimmt. Zwingende verfassungsrechtliche Gründe für eine darüber hinausgehende Härtefallregelung sind nicht ersichtlich.

bb) Ferner hat der erkennende Senat mit Urteil vom 27.8.2019 ( B 1 KR 9/19 R - juris) entschieden, dass der Antrag auf Versorgung mit einem die Regelversorgung übersteigenden Zahnersatz offensichtlich außerhalb des GKV-Leistungskatalogs liegt. Entscheidet eine KK nicht fristgerecht über einen Antrag auf Versorgung mit einem die Regelversorgung übersteigenden Zahnersatz, gilt die Leistung dennoch nicht als genehmigt. Die Bewilligung von Zahnersatz aufgrund eines Heil- und Kostenplans erlischt auch dann mangels Eingliederung des Zahnersatzes nach Ablauf von sechs Monaten, wenn sie fingiert war.

cc) Nur ergänzend weist der erkennende Senat darauf hin, dass es hiernach keinen Bedenken begegnet, dass die Beklagte die über die Regelversorgung hinausgehende Versorgung erneut abgelehnt und zudem zur Klarstellung die - vermeintlich eingetretene - Genehmigungsfiktion aufgehoben hat.

b) Es ist auch nichts dafür ersichtlich, dass das LSG entscheidungstragend von Rspr des BSG , des GmSOGB oder des BVerfG abgewichen sein könnte (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 2 SGG ).

c) Der Kläger dürfte auch keinen Verfahrensfehler des LSG dartun können, auf dem die Entscheidung des LSG beruhen kann (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ). Nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist eine Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung von § 109 und § 128 Abs 1 Satz 1 SGG (Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des § 103 SGG (Amtsermittlungsgrundsatz) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Anhaltspunkte für einen Verfahrensmangel liegen nicht vor.

d) Da PKH nicht bewilligt werden kann, entfällt auch die Beiordnung eines Rechtsanwalts gemäß § 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 121 Abs 1 ZPO .

2. Die Beschwerde des Klägers ist unzulässig und daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 SGG iVm § 169 Satz 3 SGG zu verwerfen. Vor dem BSG müssen sich die Beteiligten, außer im PKH-Verfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen 73 Abs 4 Satz 1 SGG ). Der Kläger, der nicht zu dem Kreis der zugelassenen Prozessbevollmächtigten gehört, hat die Beschwerde jedoch selbst eingelegt.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG .

Vorinstanz: LSG Sachsen, vom 25.06.2019 - Vorinstanzaktenzeichen L 9 KR 444/18
Vorinstanz: SG Chemnitz, vom 26.10.2018 - Vorinstanzaktenzeichen S 11 KR 192/18