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BSG - Entscheidung vom 03.03.2020

B 8 SO 51/19 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 3

BSG, Beschluss vom 03.03.2020 - Aktenzeichen B 8 SO 51/19 B

DRsp Nr. 2020/5369

Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem SGB XII Verfahrensrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Rheinlands-Pfalz vom 16. Mai 2019 wird als unzulässig verworfen.

Der Antrag des Klägers, ihm für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen und Rechtsanwalt K. beizuordnen, wird abgelehnt.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 3 ;

Gründe

I

Der 1961 geborene Kläger bezieht Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des Sozialgesetzbuchs Zwölftes Buch - Sozialhilfe - ( SGB XII ). Das Sozialgericht ( SG ) Mainz hat seine Klage, mit der er ua die Anerkennung etwaiger Herstellungsansprüche, die Verurteilung zu Beratung, das Unterbinden von Nachteilen, die Erfassung des ihm entstandenen Schadens und einen sachgerechten Schadensausgleich sowie die Überprüfung von Befangenheitssorgen beantragt hat, als unzulässig abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 30.12.2016; den Antrag des Klägers auf Urteilsergänzung ablehnender weiterer Gerichtsbescheid vom 24.2.2017). Das Landessozialgericht (LSG) Rheinland-Pfalz hat Rechtsanwalt K. zum besonderen Vertreter bestellt (Beschluss vom 19.12.2018) und die Berufungen des Klägers zurückgewiesen (Urteil vom 16.5.2019). Auch unter Zugrundelegung des Meistbegünstigungsgrundsatzes seien die Anträge des Klägers unzulässig bzw unbegründet.

Dagegen wendet sich der Kläger mit der Nichtzulassungsbeschwerde und macht die grundsätzliche Bedeutung der Sache 160 Abs 2 Nr 1 Sozialgerichtsgesetz <SGG>) und als Verfahrensmängel einen Verstoß gegen den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs und einen Verstoß gegen den Amtsermittlungsgrundsatz geltend 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 1 SGG ).

II

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil weder der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung 160 Abs 2 Nr 1 SGG ) noch ein Verfahrensmangel 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 1 SGG ) in der gebotenen Weise bezeichnet worden ist. Der Senat konnte deshalb über die Beschwerde ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter nach § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 3 SGG entscheiden.

Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Um der Darlegungspflicht zu genügen, muss eine konkrete Rechtsfrage formuliert, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihr angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) dargelegt werden (vgl nur Bundessozialgericht <BSG> vom 25.9.2002 - B 7 AL 142/02 B - SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN). Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. Der Kläger formuliert schon keine aus sich heraus verständliche Frage grundsätzlicher Bedeutung. Er behauptet lediglich, dass entgegen der Ausführungen des LSG "die Untätigkeitssituation nach § 88 SGG gegeben" gewesen sei. Wenn das LSG der Auffassung gewesen sei, dass alle Anträge unzulässig oder unbegründet gewesen seien, habe es auf zulässige Anträge hinwirken müssen, dies "aber nicht bewerkstelligt". Damit rügt er in der Sache aber nur die inhaltliche Unrichtigkeit der Entscheidung des LSG. Die Frage der inhaltlichen Richtigkeit der Entscheidung kann jedoch nicht zur Zulassung der Revision führen (vgl nur BSG vom 29.1.2019 - B 8 SO 39/18 B - juris RdNr 7).

Soweit der Kläger mit seinem Vortrag, dass "die Untätigkeitssituation nach § 88 SGG gegeben" gewesen sei, als Verfahrensfehler geltend machen will, dass das LSG den Streitgegenstand verkannt und deshalb zu Unrecht die Klageanträge als unzulässig bzw unbegründet angesehen habe, genügt sein Vortrag nicht den Anforderungen an die Bezeichnung des Verfahrensmangels. Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne, müssen zur Bezeichnung des Verfahrensmangels 160a Abs 2 Satz 3 SGG ) die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG - ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht - auf dem Mangel beruhen kann, dass also die Möglichkeit einer Beeinflussung der Entscheidung besteht ( BSG vom 15.4.2019 - B 13 R 233/17 B - juris RdNr 15). Hieran fehlt es. Der Beschwerdebegründung lässt sich schon nicht entnehmen, um welchen Antrag bzw welche Anträge es dem Kläger überhaupt geht. Es hätte ihm oblegen, konkrete und nicht verbeschiedene Anträge zu bezeichnen. Mit der Beschwerdebegründung hätte er zumindest aufzeigen müssen, welches Begehren er ursprünglich verfolgt hat. Insoweit wirft er dem LSG aber nur vor, nicht auf eine sachdienliche Antragstellung hingewirkt zu haben. Ohne weitere Erläuterungen ist dieser Vortrag nicht schlüssig.

Der Kläger, dessen Prozessbevollmächtigten die Verwaltungs- und Gerichtsakten vom LSG zur Einsichtnahme in dessen Kanzlei übersandt worden sind, macht auch nicht schlüssig geltend, ihm sei das rechtliche Gehör verletzt worden. Hierzu hätte er zunächst aufzeigen müssen, dass er alles getan hat, um sich rechtliches Gehör zu verschaffen (Bundesverfassungsgericht <BVerfG> vom 18.8.2010 - 1 BvR 3268/07 - BVerfGK 17, 479 - juris RdNr 28 f; BSG vom 19.3.1991 - 2 RU 33/90 - BSGE 68, 205 = SozR 3-2200 § 667 Nr 1; BSG vom 20.1.1998 - B 13 RJ 207/97 B - SozR 3-1500 § 160 Nr 22 S 35). Dass er in der mündlichen Verhandlung eine noch nicht durchgeführte Akteneinsicht eingefordert und ggf Vertagung beantragt hat, behauptet er aber nicht einmal. Er legt auch nicht dar, weshalb die Entscheidung des LSG auf der unterlassenen Beiziehung von Akten eines anderen Gerichtsverfahrens beim SG beruhen soll.

Auch eine Verletzung der Verpflichtung des LSG zur Sachaufklärung 103 SGG ) hat der Kläger nicht formgerecht bezeichnet.Wer sich auf eine Verletzung der Amtsermittlungspflicht nach § 103 SGG stützt, muss ua einen für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren Beweisantrag bezeichnen, die Rechtsauffassung des LSG wiedergeben, aufgrund der bestimmte Tatsachen als klärungsbedürftig hätten erscheinen müssen und die von dem betreffenden Beweisantrag berührten Tatumstände darlegen, die zu weiterer Sachaufklärung Anlass gegeben hätten (vgl zB BSG vom 12.12.2003 - B 13 RJ 179/03 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 3 mwN). Hierzu gehört nach ständiger Rechtsprechung des BSG die Darlegung, dass ein anwaltlich vertretener Beteiligter - wie hier der Kläger - einen Beweisantrag bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung gestellt und noch zumindest hilfsweise aufrechterhalten hat (vgl dazu BSG vom 20.9.2013 - B 8 SO 15/13 B; BSG vom 29.3.2007 - B 9a VJ 5/06 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 13 RdNr 11 mwN) oder einen im schriftlichen Verfahren gestellten Beweisantrag aufrechterhalten hat ( BSG vom 18.12.2000 - B 2 U 336/00 B - SozR 3-1500 § 160 Nr 31 S 52; BSG vom 18.2.2003 - B 11 AL 273/02 B - juris RdNr 3). Ein solcher Vortrag fehlt gänzlich; einen Beweisantrag gestellt zu haben, behauptet der Kläger noch nicht einmal.

Prozesskostenhilfe (PKH) gemäß § 73a SGG iVm § 114 Zivilprozessordnung ( ZPO ) ist dem Kläger nicht zu bewilligen, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung nach den vorstehenden Ausführungen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Mit der Ablehnung von PKH entfällt zugleich die Beiordnung von Rechtsanwalt Krings im Rahmen der PKH 73a Abs 1 SGG iVm § 121 Abs 1 ZPO ).

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 SGG .

Vorinstanz: LSG Rheinland-Pfalz, vom 16.05.2019 - Vorinstanzaktenzeichen L 1 SO 3/17
Vorinstanz: SG Mainz, vom 24.02.2017 - Vorinstanzaktenzeichen S 12 SO 8/08