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BGH - Entscheidung vom 03.03.2020

XI ZR 468/18

Normen:
ZPO § 561

BGH, Urteil vom 03.03.2020 - Aktenzeichen XI ZR 468/18

DRsp Nr. 2020/5614

Widerruf der auf den Abschluss eines Verbraucherdarlehensvertrags gerichteten Willenserklärung; Umwandlung der Darlehensverträge in Rückgewährschuldverhältnisse

Für den Antrag festzustellen, der Darlehensvertrag habe sich aufgrund des Widerrufs in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt, fehlt grundsätzlich das Feststellungsinteresse.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 4. Zivilsenats des Kammergerichts in Berlin-Schöneberg vom 19. Juli 2018 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als das Berufungsgericht die Feststellungsklage für zulässig erachtet hat.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Normenkette:

ZPO § 561 ;

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit des Widerrufs der auf den Abschluss eines Verbraucherdarlehensvertrags gerichteten Willenserklärung des Klägers.

Die Parteien schlossen im August 2009 einen Darlehensvertrag über 308.000 € mit einem bis zum 11. Mai 2019 festen Nominalzinssatz von 4,10% p.a. Bei Abschluss des Darlehensvertrags belehrte die Beklagte den Kläger, einen Rechtsanwalt, über sein Widerrufsrecht wie folgt:

Der Kläger erbrachte Zins- und Tilgungsleistungen. Unter dem 18. Juni 2014 widerrief er seine auf Abschluss des Darlehensvertrags gerichtete Willenserklärung.

Der Klage auf Feststellung, auf "Verpflichtung" zur "Übertragung" sicherungshalber abgetretener Forderungen und auf ein "Zusprechen" von Zinsen hat das Landgericht insoweit entsprochen, als es festgestellt hat, dass der Darlehensvertrag durch den Widerruf des Klägers "in ein Abwicklungsverhältnis umgewandelt" worden sei. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht, das lediglich die Kostenentscheidung erster Instanz geringfügig zugunsten der Beklagten korrigiert hat, zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die vom Senat beschränkt auf die Frage der Zulässigkeit der Feststellungsklage (Senatsurteile vom 12. April 2011 - XI ZR 341/08, WM 2011, 1437 Rn. 10 und vom 8. Oktober 2019 - XI ZR 717/17, WM 2019, 2350 Rn. 4) zugelassene Revision der Beklagten.

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten hat Erfolg.

I.

Das Berufungsgericht, das zunächst auf Bedenken gegen die Zulässigkeit der Feststellungsklage hingewiesen, diese Bedenken indessen zuletzt mit schriftlichem Hinweis vom 3. Juli 2018 ausdrücklich aufgegeben hat, hat zur Begründung seiner Entscheidung - soweit für die Revision der Beklagten von Bedeutung - ausgeführt:

Die Feststellungsklage sei zulässig, weil der Kläger sein Begehren nach der mit der Klageerwiderung erklärten Aufrechnung der Beklagten und einem verbleibenden Saldo zu deren Gunsten in Höhe von zunächst 205.000 € und "zuletzt ca." 125.000 € nicht mehr im Wege der Leistungsklage verfolgen könne. Für die Zulässigkeit der Feststellungsklage sei es auch ohne Belang, dass mittels der Feststellung der Umwandlung des Darlehensvertrags in ein Rückgewährschuldverhältnis nicht alle Streitpunkte zwischen den Parteien erledigt seien. Die Frage, ob der Feststellungsantrag den Streit der Parteien endgültig beilege, stelle sich nur, sofern "die erste Ausnahme vom Vorrang der Leistungsklage, nämlich" dass sie "nach Aufrechnung aufgrund eines Negativsaldos für den Kläger nicht möglich" sei, nicht vorliege.

Im Übrigen sei die Feststellungsklage auch begründet. Die Beklagte habe den Kläger über die Bedingungen für das Anlaufen der Widerrufsfrist unzureichend deutlich belehrt. Der Kläger sei mit der Ausübung des Widerrufsrechts nicht nach Treu und Glauben ausgeschlossen gewesen.

II.

Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.

Die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts, die die Umwandlung der Darlehensverträge in Rückgewährschuldverhältnisse betreffende Feststellungsklage sei zulässig, steht in Widerspruch zur Rechtsprechung des Senats. Für den Antrag festzustellen, der Darlehensvertrag habe sich aufgrund des Widerrufs in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt, fehlt, wie der Senat wiederholt näher ausgeführt hat (vgl. zuletzt nur Senatsurteile vom 27. November 2018 - XI ZR 174/17, BKR 2019, 243 Rn. 11, vom 26. März 2019 - XI ZR 321/17, juris Rn. 14 und vom 8. Oktober 2019 - XI ZR 717/17, WM 2019, 2350 Rn. 8 f.), das Feststellungsinteresse. Die Feststellungsklage ist auch nicht nach den Maßgaben des Senatsurteils vom 24. Januar 2017 ( XI ZR 183/15, WM 2017, 766 Rn. 16) ausnahmsweise zulässig. Im konkreten Fall steht nicht fest, dass der Rechtsstreit die Meinungsverschiedenheiten der Parteien endgültig bereinigen wird (vgl. Senatsurteile vom 10. Oktober 2017 - XI ZR 456/16, WM 2017, 2254 Rn. 13 und - XI ZR 457/16, WM 2017, 2256 Rn. 21 sowie vom 15. Mai 2018 - XI ZR 199/16, juris Rn. 12).

Darauf, ob eine der Parteien mit der Folge, dass dem Kläger eigene Ansprüche aus einem Rückgewährschuldverhältnis nicht mehr zustehen, wirksam aufgerechnet hat, kommt es nicht an. Die positive Feststellungsklage wäre im Lichte dieses Umstands nicht nur unzulässig, sondern auch unschlüssig (Senatsurteile vom 27. November 2018 - XI ZR 174/17, BKR 2019, 243 Rn. 11 und vom 26. März 2019 - XI ZR 321/17, juris Rn. 14 sowie - XI ZR 341/17, juris Rn. 14; Senatsbeschluss vom 10. Juli 2018 - XI ZR 674/16, juris Rn. 2). Die dagegen gerichteten Einwände der Revisionserwiderung geben zu einer Änderung der Rechtsprechung keinen Anlass.

III.

Das Berufungsurteil, das sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt (§ 561 ZPO ), unterliegt mithin der Aufhebung (§ 562 ZPO ).

Der Senat kann nicht in der Sache selbst entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO ) und der Berufung mit der Maßgabe stattgeben, dass der Feststellungsantrag des Klägers als unzulässig abgewiesen wird. Dem Kläger muss vorab Gelegenheit gegeben werden, im Wege der Anschlussberufung einen zulässigen und nach den Feststellungen des Berufungsgerichts zu den Voraussetzungen des Widerrufsrechts (vgl. Senatsurteile vom 21. Februar 2017 - XI ZR 381/16, WM 2017, 806 Rn. 13, vom 14. März 2017 - XI ZR 442/16, WM 2017, 849 Rn. 24 und vom 16. Mai 2017 - XI ZR 586/15, WM 2017, 1258 Rn. 21) sachlich begründeten Antrag zu stellen. Das ist weiterhin möglich, weil dem Kläger, worauf die Revisionserwiderung zu Recht hinweist, im Berufungsverfahren eine den Fristlauf des § 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO auslösende Frist zur Berufungserwiderung mangels eines Hinweises auf § 277 Abs. 2 Halbsatz 1 ZPO nicht gesetzt worden ist (dazu Senatsurteil vom 3. Juli 2018 - XI ZR 572/16, WM 2018, 1599 Rn. 19; vgl. BGH, Urteil vom 16. Mai 2017 - X ZR 120/15, BGHZ 215, 89 Rn. 45, 48 f.). Die Belehrungspflicht nach § 277 Abs. 2 ZPO galt ohne Rücksicht auf den Umstand, dass der Kläger bei Zustellung der Fristbestimmung bereits durch einen Rechtsanwalt vertreten war (vgl. BGH, Urteil vom 14. Juli 1983 - VII ZR 328/82, BGHZ 88, 180 , 183 f.).

Die Gelegenheit zur Anpassung des Antrags im Wege der Anschlussberufung muss hier aus verfahrensrechtlichen Gründen eröffnet werden, weil das Berufungsgericht den Kläger mit richterlichem Hinweis vom 3. Juli 2018 unter Aufgabe seiner früher verlautbarten Ansicht ausdrücklich darin bestärkt hat, die Feststellungsklage sei zulässig (vgl. Senatsurteil vom 17. Januar 2012 - XI ZR 457/10, WM 2012, 312 Rn. 29). Der Senat verweist die Sache daher zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurück (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO ).

Von Rechts wegen

Verkündet am: 3. März 2020

Vorinstanz: LG Berlin, vom 03.02.2016 - Vorinstanzaktenzeichen 38 O 359/14
Vorinstanz: KG, vom 19.07.2018 - Vorinstanzaktenzeichen 4 U 43/16