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BGH - Entscheidung vom 26.03.2019

XI ZR 341/17

Normen:
BGB § 242
BGB § 495 Abs. 1

BGH, Urteil vom 26.03.2019 - Aktenzeichen XI ZR 341/17

DRsp Nr. 2019/7677

Widerruf der auf den Abschluss zweier Verbraucherdarlehensverträge gerichteten Willenserklärungen i.R.d. Widerrufsbelehrung

Für das Umstandsmoment der Verwirkung kommt es weder auf die Kenntnis des Darlehensnehmers vom Fortbestand seines Widerrufsrechts noch auf das Vertrauen des Darlehensgebers an, der Darlehensnehmer habe in sonstiger Weise Kenntnis vom Fortbestand seines Widerrufsrechts erlangt. Dass der Darlehensgeber davon ausgeht oder ausgehen muss, der Darlehensnehmer habe von seinem Widerrufsrecht keine Kenntnis, schließt vielmehr eine Verwirkung nicht aus.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 18. April 2017 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als das Berufungsgericht betreffend die Klage zum Nachteil der Beklagten erkannt hat.

Im Übrigen werden die Revision der Beklagten und die Anschlussrevision der Kläger gegen das vorbezeichnete Urteil zurückgewiesen.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Normenkette:

BGB § 242 ; BGB § 495 Abs. 1 ;

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit des Widerrufs der auf den Abschluss zweier Verbraucherdarlehensverträge gerichteten Willenserklärungen der Kläger.

Die Parteien schlossen am 5. März 2008 einen Darlehensvertrag zur Nr. XXX375 über 60.000 € mit einem bis zum 30. März 2018 festen Nominalzinssatz von 4,8% p.a. und am 17. März 2008 einen weiteren Darlehensvertrag zur Nr. XXX935 über 130.000 € mit einem ebenfalls bis zum 31. März 2018 festen Nominalzinssatz von 4,61% p.a. Zur Sicherung der Ansprüche der Beklagten diente ein Grundpfandrecht über insgesamt 190.000 €. Bei Abschluss der Darlehensverträge belehrte die Beklagte die Kläger über ihr Widerrufsrecht zum einen und zum anderen wie folgt:

Die Kläger erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen. Im Jahr 2012 kündigten die Kläger das Darlehen mit der Endnummer -935. Da die Beklagte die Kündigung nicht anerkannte, schlossen die Kläger mit der Beklagten eine Aufhebungsvereinbarung, die eine vorzeitige Beendigung dieses Darlehensvertrags gegen Zahlung eines Aufhebungsentgelts in Höhe von 13.962,94 € zum Gegenstand hatte. Die Kläger erfüllten sämtliche Forderungen der Beklagten aus diesem Darlehensvertrag.

Unter dem 29. August 2014 machte der vorinstanzliche Prozessbevollmächtigte der Kläger gegenüber der Beklagten geltend, die auf Abschluss der beiden Darlehensverträge gerichteten Willenserklärungen der Kläger seien mangels einer ordnungsgemäßen Belehrung der Kläger noch widerruflich. Zugleich erklärte er für die Kläger den Widerruf der auf Abschluss des Darlehensvertrags mit der Endnummer -935 gerichteten Willenserklärungen und forderte die Beklagte zur Rückgewähr des Aufhebungsentgelts bis zum 12. September 2014 auf. Zu dem Darlehensvertrag mit der Endnummer -375 unterbreitete der vorinstanzliche Prozessbevollmächtigte der Kläger ein Vergleichsangebot. Die Beklagte lehnte mit Schreiben vom 8. September 2014 eine außergerichtliche Einigung ab. Die Kläger holten bis Januar 2015 eine Deckungszusage ihres Rechtsschutzversicherers für eine gerichtliche Auseinandersetzung mit der Beklagten ein. Unter dem 15. Januar 2015 erklärten sie den Widerruf ihrer auf Abschluss des noch laufenden Darlehensvertrags mit der Endnummer -375 gerichteten Willenserklärungen. Sie forderten die Beklagte auf, bis zum 29. Januar 2015 eine Löschungsbewilligung für die Grundschuld zu erteilen und schriftlich anzuerkennen, dass ihr über die Restdarlehensvaluta hinaus keine weiteren Ansprüche aus dem Darlehensvertrag mit der Endnummer -375 zustünden. Die Kläger boten Zug um Zug die Zahlung der Restdarlehensvaluta in Höhe von 56.244,88 € an. Weitere Zahlungen erbrachten sie unter dem ausdrücklichen Vorbehalt der Rückforderung.

Ihrer Klage zuletzt auf Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 13.962,94 € nebst Zinsen (Erstattung des Aufhebungsentgelts) und von 1.406,20 € (Herausgabe der auf das Aufhebungsentgelt bis zum Widerruf mutmaßlich gezogenen Nutzungen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz), auf Feststellung, dass der Darlehensvertrag mit der Endnummer -375 "wirksam widerrufen" worden sei und sich die Beklagte "mit der Annahme des nach dem Widerruf des Darlehensvertrags […] seitens der Kläger geschuldeten Rückabwicklungssaldos in Annahmeverzug" befinde, hat das Landgericht in der Form entsprochen, dass es die Beklagte zur Zahlung von 13.962,94 € und weiterer 656,83 € (Herausgabe der auf das Aufhebungsentgelt bis zum Widerruf mutmaßlich gezogenen Nutzungen in Höhe von zweieinhalb Prozentpunkten über dem Basiszinssatz) verurteilt und festgestellt hat, der Darlehensvertrag mit der Endnummer -375 sei durch den Widerruf der Kläger "in ein Rückgewährschuldverhältnis übergegangen". Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Auf die Hilfswiderklage der Beklagten hat es die Kläger zur Zahlung von 54.871,02 € (Saldo aus dem Rückgewährschuldverhältnis zugunsten der Beklagten) nebst Zinsen verurteilt. Die weitergehende Zinsforderung der Beklagten hat das Landgericht abgewiesen.

Auf die Berufung der Kläger, mit der sie ihre Verurteilung auf die Hilfswiderklage bekämpft und ihren Antrag auf Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten weiterverfolgt haben, hat das Berufungsgericht den Ausspruch zur Hilfswiderklage dergestalt abgeändert, dass es die Kläger (nur noch) zur Zahlung von 52.428,04 € ohne Zinsen Zug um Zug gegen Bewilligung der Löschung des Grundpfandrechts verurteilt und die weitergehende Hilfswiderklage abgewiesen hat. Im Übrigen hat es die Berufungen der Kläger und der Beklagten - diese die Klage und die Hilfswiderklage betreffend - zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Beklagten, mit der sie ihre zweitinstanzlichen Anträge auf vollständige Abweisung der Klage und hilfsweise auf Verurteilung der Kläger zur Zahlung von Zinsen weiterverfolgt. Die Kläger begehren mit der Anschlussrevision eine Abweisung der Hilfswiderklage, soweit sie zur Zahlung von mehr als 46.973,72 € verurteilt worden sind.

Entscheidungsgründe

A. Revision der Beklagten

Die Revision hat die Klage betreffend Erfolg. Insoweit führt sie zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Soweit die Beklagte eine weitergehende Verurteilung der Kläger zur Zahlung von Zinsen erstrebt, ist die Revision dagegen unbegründet.

I.

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung (OLG Stuttgart, Urteil vom 18. April 2017 - 6 U 36/16, juris) - soweit für die Revision der Beklagten von Bedeutung - im Wesentlichen ausgeführt:

Die Kläger hätten ihre auf Abschluss des Darlehensvertrags mit der Endnummer -935 gerichteten Willenserklärungen wirksam widerrufen. Die Widerrufsbelehrung, die im Zusammenhang mit der Umschreibung der Voraussetzungen für das Anlaufen der Widerrufsfrist das Wort "frühestens" verwandt habe, sei inhaltlich unzureichend deutlich gewesen. Auf die Gesetzlichkeitsfiktion des Musters für die Widerrufsbelehrung könne sich die Beklagte nicht berufen. Die Kläger hätten das Widerrufsrecht auch nicht verwirkt. Diese Wertung hat das Berufungsgericht im Wesentlichen wortgleich so wie in früheren Urteilen (OLG Stuttgart, Urteile vom 24. Januar 2017 - 6 U 96/16, juris Rn. 59 ff. und - 6 U 121/16, juris Rn. 71 ff.) damit begründet, mangels Kenntnis der Kläger vom Fortbestand ihres Widerrufsrechts habe die Beklagte kein Vertrauen in das künftige Unterbleiben des Widerrufs bilden können. Aufgrund des Widerrufs stünden den Klägern ein Anspruch auf Rückzahlung des Aufhebungsentgelts nebst Herausgabe mutmaßlich gezogener Nutzungen und Verzugszinsen in gesetzlicher Höhe seit dem 13. September 2014 zu.

Der in dem Sinne ausgelegte Antrag der Kläger, sie begehrten die Feststellung der Umwandlung des Darlehensvertrags mit der Endnummer -375 in ein Rückgewährschuldverhältnis, sei zulässig. Gegenstand der Feststellungsklage sei das Vertragsverhältnis selbst und seien nicht die daraus resultierenden Einzelansprüche. Eine Klage auf Leistung im Sinne einer Rückgewähr der von den Klägern getätigten Zahlungen sei hier jedenfalls deshalb nicht vorrangig, weil nach der wechselseitigen Aufrechnung der aus dem Rückgewährschuldverhältnis resultierenden Forderungen keine Ansprüche der Kläger verblieben seien. Die Feststellungsklage sei begründet. Die Beklagte habe die Kläger auch insoweit fehlerhaft über das ihnen zukommende Widerrufsrecht belehrt. Der von den Klägern erklärte Widerruf sei nicht wegen eines widersprüchlichen Verhaltens treuwidrig. Eine rechtsmissbräuchliche Ausübung komme in Betracht, wenn der Darlehensnehmer in Kenntnis seines Widerrufsrechts und trotz der aus seiner Sicht bestehenden Lösungsmöglichkeit den Vertrag zunächst vorbehaltlos weiter bedient habe, um dann in Widerspruch dazu aus der Widerruflichkeit doch noch Rechtsfolgen abzuleiten, wenn nicht besondere Umstände vorlägen, die das Zuwarten mit dem Widerruf und die vorbehaltlose Weiterzahlung im Rahmen der erforderlichen Gesamtabwägung vernünftig und nachvollziehbar erscheinen ließen. Dass die Kläger seit August 2014 Kenntnis von der Widerruflichkeit ihrer auf Abschluss des laufenden Darlehensvertrags gerichteten Willenserklärungen gehabt hätten und zum 30. September 2014 und 30. Dezember 2014 ihren vertraglichen Leistungspflichten nachgekommen seien, obwohl die Beklagte eine vergleichsweise Einigung abgelehnt habe, bevor sie am 15. Januar 2015 schließlich den Widerruf erklärt hätten, stelle angesichts der weiteren Umstände kein widersprüchliches Verhalten dar. Auf der Grundlage der gebotenen objektiven Betrachtung hätten besondere Umstände bestanden, die das Zuwarten mit dem Widerruf und die vorbehaltlose Weiterzahlung im Rahmen der erforderlichen Gesamtabwägung vernünftig und nachvollziehbar hätten erscheinen lassen. Nachdem die Beklagte eine außergerichtliche Einigung endgültig abgelehnt habe, sei der Widerruf aus der Sicht der Kläger nur unter der Prämisse sinnvoll gewesen, dass das Widerrufsrecht und seine Folgen auch gerichtlich hätten durchgesetzt werden können. Angesichts der damit verbundenen Kostenfolge sei es deshalb nachvollziehbar, dass sie ihre Entscheidung über die Ausübung des Widerrufsrechts aufgeschoben hätten, bis die Kostenübernahme durch den Rechtsschutzversicherer geklärt gewesen sei. Hinzu komme, dass die Kläger bis zum Widerruf lediglich zwei weitere Raten gezahlt hätten.

Die Hilfswiderklage sei in Höhe von 52.428,04 € begründet, allerdings nur Zug um Zug gegen Freigabe der Sicherheit. Auf diesen Saldo aus dem Rückgewährschuldverhältnis schuldeten die Kläger weder Verzugs- noch Prozesszinsen. Der aus dem Rückgewährschuldverhältnis resultierende Anspruch der Beklagten auf den Wertersatz der Gebrauchsvorteile der Kläger gleiche den Nachteil aus, der sich aus der Vorenthaltung des geschuldeten Geldbetrags ergebe. Da die Beklagte Verzugszinsen ohnehin nur in Höhe von zweieinhalb Prozentpunkten über dem Basiszinssatz verlangen könne, decke der Vertragszins den Verzugszins vollständig ab. Im Übrigen seien die Kläger zur Zahlung des Restsaldos nur Zug um Zug gegen Bewilligung der Löschung der als Sicherheit bestellten Grundschuld verpflichtet, da ihnen insoweit ein Zurückbehaltungsrecht zustehe.

II.

Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht in allen Punkten stand:

1. Das Berufungsgericht, das auf der Grundlage des nach Art. 229 § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 22 Abs. 2 , § 32 Abs. 1 , § 38 Abs. 1 EGBGB maßgeblichen Rechts zutreffend davon ausgegangen ist, die Beklagte habe die Kläger unrichtig über das ihnen zustehende Widerrufsrecht nach § 495 Abs. 1 BGB belehrt (Senatsurteile vom 12. Juli 2016 - XI ZR 564/15, BGHZ 211, 123 Rn. 17 f., 20 ff., vom 7. November 2017 - XI ZR 369/16, WM 2018, 45 Rn. 15, vom 16. Oktober 2018 - XI ZR 69/18, WM 2018, 2275 Rn. 10 und vom 27. November 2018 - XI ZR 111/17, juris Rn. 10), hat bei der Prüfung einer Verwirkung des den Darlehensvertrag mit der Endnummer -935 betreffenden Widerrufsrechts die höchstrichterliche Rechtsprechung, der zufolge die Unkenntnis des Darlehensnehmers vom Fortbestand des Widerrufsrechts eine Verwirkung nicht hindert, verkannt. Es hat unterstellt, solange der Darlehensgeber davon ausgehen müsse, der Darlehensnehmer habe vom Fortbestehen des Widerrufsrechts keine Kenntnis, könne der Darlehensgeber schutzwürdiges Vertrauen im Sinne des Umstandsmoments nicht bilden. Damit hat das Berufungsgericht, was die Revision der Sache nach zu Recht beanstandet, einen Rechtssatz formuliert, der - so bereits die Senatsurteile vom 11. September 2018 ( XI ZR 125/17, juris Rn. 33) und vom 27. November 2018 (aaO, Rn. 11) zu den fast wortgleich formulierten Parallelentscheidungen des Berufungsgerichts - zu der höchstrichterlichen Rechtsprechung in Widerspruch steht. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kommt es für das Umstandsmoment der Verwirkung weder auf die Kenntnis des Darlehensnehmers vom Fortbestand seines Widerrufsrechts noch auf das Vertrauen des Darlehensgebers an, der Darlehensnehmer habe in sonstiger Weise Kenntnis vom Fortbestand seines Widerrufsrechts erlangt. Dass der Darlehensgeber davon ausgeht oder ausgehen muss, der Darlehensnehmer habe von seinem Widerrufsrecht keine Kenntnis, schließt vielmehr eine Verwirkung nicht aus (st. Rspr., vgl. zusammenfassend Senatsbeschluss vom 23. Januar 2018 - XI ZR 298/17, WM 2018, 614 Rn. 17 mwN).

2. Weiter stehen die Ausführungen des Berufungsgerichts, die den Darlehensvertrag mit der Endnummer -375 betreffende Feststellungsklage sei zulässig, in Widerspruch zur Rechtsprechung des Senats. Für den Antrag festzustellen, der Darlehensvertrag habe sich aufgrund des Widerrufs in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt, fehlt, wie der Senat wiederholt näher ausgeführt hat (vgl. zuletzt nur Senatsurteil vom 27. November 2018 - XI ZR 174/17, juris Rn. 11 mwN), das Feststellungsinteresse. Die Feststellungsklage ist auch nicht nach den Maßgaben des Senatsurteils vom 24. Januar 2017 ( XI ZR 183/15, WM 2017, 766 Rn. 16) ausnahmsweise zulässig. Im konkreten Fall steht nicht fest, dass der Rechtsstreit die Meinungsverschiedenheiten der Parteien endgültig bereinigen wird (vgl. Senatsurteile vom 10. Oktober 2017 - XI ZR 456/16, WM 2017, 2254 Rn. 13 und - XI ZR 457/16, WM 2017, 2256 Rn. 21 sowie vom 15. Mai 2018 - XI ZR 199/16, juris Rn. 12). Im Gegenteil streiten die Parteien noch in dritter Instanz über die aus dem Rückgewährschuldverhältnis resultierenden Rechtsfolgen und haben die Kläger in zweiter Instanz ausdrücklich vorgetragen, gegenüber ihrem Rechtsschutzversicherer auf "das Risiko von Folgerechtsstreitigkeiten" hingewiesen zu haben. Darauf, ob die Kläger mit der Folge, dass ihnen eigene Ansprüche aus einem Rückgewährschuldverhältnis nicht mehr zustehen, wirksam aufgerechnet haben, kommt es nicht an. Die positive Feststellungsklage wäre im Lichte dieser Behauptung nicht nur unzulässig, sondern auch unschlüssig (Senatsurteil vom 27. November 2018, aaO; Senatsbeschluss vom 10. Juli 2018 - XI ZR 674/16, juris Rn. 2).

3. Dagegen wendet sich die Revision vergeblich gegen die Auffassung des Berufungsgerichts, die Kläger hätten das auf den (laufenden) Darlehensvertrag mit der Endnummer -375 bezogene Widerrufsrecht nicht entgegen den Grundsätzen des § 242 BGB treuwidrig ausgeübt.

Die Ausübung eines Verbraucherwiderrufsrechts kann in Widerspruch zu § 242 BGB stehen. Das in § 242 BGB verankerte Prinzip von Treu und Glauben bildet eine allen Rechten immanente Inhaltsbegrenzung. Welche Anforderungen sich daraus im Einzelfall ergeben, ob insbesondere die Berufung auf eine Rechtsposition rechtsmissbräuchlich erscheint, kann regelmäßig nur mit Hilfe einer umfassenden Bewertung der gesamten Fallumstände entschieden werden, wobei die Interessen aller an einem bestimmten Rechtsverhältnis Beteiligten zu berücksichtigen sind. Diese Bewertung vorzunehmen ist Sache des Tatrichters und demgemäß in der Revisionsinstanz nur daraufhin zu überprüfen, ob sie auf einer tragfähigen Tatsachengrundlage beruht, alle erheblichen Gesichtspunkte berücksichtigt und nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt oder von einem falschen Wertungsmaßstab ausgeht (Senatsurteile vom 12. Juli 2016 - XI ZR 501/15, BGHZ 211, 105 Rn. 18 und - XI ZR 564/15, BGHZ 211, 123 Rn. 43 mwN).

Solche revisionsrechtlich erheblichen Rechtsfehler zeigt die Revision, die lediglich unter Verweis auf das Institut der Verwirkung, in der Sache aber gestützt auf den allgemeinen Vorwurf des Rechtsmissbrauchs ihre Rechtsauffassung an die Stelle der des Berufungsgerichts setzt, nicht auf.

4. Keinen Erfolg hat die Revision überdies, soweit sie sich dagegen wendet, dass das Berufungsgericht der Beklagten einen Anspruch auf Verzugs- und Rechtshängigkeitszinsen versagt hat. Der Anspruch der Beklagten ist erst mit dem - hier unterstellten - Wirksamwerden des Widerrufs am 15. Januar 2015 - die Widerrufserklärung vom 29. August 2014 bezog sich nur auf den Darlehensvertrag mit der Endnummer -935 - entstanden, so dass zuvor Verzugszinsen nicht anfallen konnten. Da die Kläger nach den Feststellungen des Berufungsgerichts zugleich mit dem Widerruf ihr Zurückbehaltungsrecht nach § 273 BGB wegen ihres durch den Wegfall des Sicherungszwecks aufschiebend bedingten Anspruchs auf Freigabe der Grundschuld geltend gemacht haben (Senatsbeschlüsse vom 19. Januar 2016 - XI ZR 200/15, juris Rn. 12 und vom 17. Januar 2017 - XI ZR 170/16, BKR 2017, 152 Rn. 7) und zu diesem Zeitpunkt noch nicht selbst mit ihrer Leistung aus einem - wiederum unterstellten Rückgewährschuldverhältnis in Verzug waren (vgl. BGH, Urteil vom 26. September 2013 - VII ZR 2/13, NJW 2014, 55 Rn. 46), schulden sie weder Verzugs- noch Prozesszinsen (Palandt/Grüneberg, BGB , 78. Aufl., § 273 Rn. 20).

III.

Das Berufungsurteil unterliegt mithin, soweit das Berufungsgericht die Berufung der Beklagten gegen ihre Verurteilung zurückgewiesen hat, der Aufhebung (§ 562 ZPO ), weil es sich nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt (§ 561 ZPO ). Soweit das Berufungsgericht die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung aufrechterhalten hat, kann der Senat der dem Tatrichter obliegenden Würdigung der konkreten Umstände nach § 242 BGB nicht vorgreifen (st. Rspr., vgl. zuletzt nur Senatsurteil vom 27. November 2018 - XI ZR 111/17, juris Rn. 12 mwN). Zum Feststellungsantrag kann der Senat nicht durchentscheiden, weil er nach den Feststellungen des Berufungsgerichts begründet wäre und eine Abweisung als unzulässig nicht in Betracht kommt, solange die Kläger nicht Gelegenheit hatten, zu einem zulässigen Antrag überzugehen.

In dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang verweist der Senat die Sache daher an das Berufungsgericht zurück (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO ), das den Klägern, die selbst Berufung eingelegt haben und ihren Rechtsmittelangriff noch erweitern können (Senatsurteile vom 3. Juli 2018 - XI ZR 572/16, ZIP 2018, 1684 Rn. 17 und - XI ZR 736/16, juris Rn. 13; vgl. auch BGH, Urteil vom 28. September 2000 - IX ZR 6/99, WM 2000, 2439 , 2440, insoweit nicht abgedruckt in BGHZ 145, 256 ), Gelegenheit zu geben haben wird, entweder die vom Berufungsgericht richtig ermittelten Rechtsfolgen - dazu sogleich unter B. - unstreitig zu stellen, so dass die Feststellungsklage zulässig wird (Senatsurteil vom 24. Januar 2017 - XI ZR 183/15, WM 2017, 766 Rn. 16), oder zu einem zulässigen Antrag überzugehen. Bei der Entscheidung über die Zahlungsanträge wird das Berufungsgericht, sofern es nicht zur Verwirkung des Widerrufsrechts gelangt, die Rechtsprechung des Senats zu den Voraussetzungen des Verzugs des Rückgewährschuldners (Senatsurteil vom 21. Februar 2017 - XI ZR 467/15, WM 2017, 906 Rn. 23 ff.) zu beachten haben.

B. Anschlussrevision der Kläger

Die statthafte und auch im Übrigen zulässige (vgl. Senatsurteil vom 27. Februar 2018 - XI ZR 480/16, juris Rn. 20) Anschlussrevision der Kläger hat keinen Erfolg.

I.

Über die Anschlussrevision der Kläger ist zu entscheiden, obwohl sie allein den Hilfsantrag der Beklagten betrifft, der unter einer innerprozessualen Bedingung steht, deren Eintritt noch ungewiss ist.

Die Beklagte hat die Verurteilung der Kläger hilfsweise "für den Fall" beantragt, "dass das Gericht den Widerruf der Kläger zu dem Darlehensverhältnis Konto-Nr. XXX375 für wirksam hält" und einem entsprechenden Feststellungsantrag stattgibt. Diese Bedingung ist noch nicht endgültig ausgefallen, weil über den Feststellungsantrag aus den oben genannten Gründen nicht abschließend entschieden werden kann. Weil noch die Möglichkeit besteht, dass die Kläger mit der Folge der Zulässigkeit und Begründetheit ihres Feststellungsbegehrens in einer wiedereröffneten Berufungsverhandlung die Abrechnung der Beklagten unstreitig stellen, kann die Bedingung noch eintreten. Sollte dies geschehen und das Berufungsgericht dem Feststellungsantrag stattgeben, würde der Ausspruch des Berufungsgerichts zum Hilfsantrag der Beklagten wirksam. Er unterliegt daher der revisionsrechtlichen Nachprüfung (vgl. BGH, Urteile vom 14. Dezember 1988 - IVa ZR 209/87, BGHZ 106, 219 , 220 f. und vom 26. Januar 2016 - KZR 41/14, NJW 2016, 2504 Rn. 38). Entsprechendes gälte, wenn die Bedingung, unter die die Hilfswiderklage gestellt ist und die in erster Linie auf ein Erkenntnis zugunsten der Wirksamkeit des Widerrufs lautet, so zu verstehen wäre, über die Hilfswiderklage solle ohne Rücksicht auf die prozessuale Einkleidung immer dann entschieden werden, wenn die Kläger mit einem Begehren aus dem Rückgewährschuldverhältnis Erfolg haben.

II.

Die Anschlussrevision ist unbegründet.

1. Das Berufungsgericht hat - soweit für die Anschlussrevision von Bedeutung - ausgeführt, die Kläger schuldeten auch über den Widerruf hinaus für die zuvor überlassene Darlehensvaluta den Wertersatz von Gebrauchsvorteilen nach den Vorschriften des Rücktrittsrechts, weil sie die Beklagte nicht in Annahmeverzug gesetzt hätten.

2. Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand. Entgegen den Einwänden der Anschlussrevision hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei gesehen, dass sich der Anspruch der Beklagten auf Herausgabe der Gebrauchsvorteile für die vor dem Wirksamwerden des Widerrufs zur Verfügung gestellte Darlehensvaluta auch für die Zeit nach dem Wirksamwerden des Widerrufs nach § 357 Abs. 1 Satz 1 BGB aF in Verbindung mit § 346 Abs. 1 Halbsatz 2, Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 BGB (und nicht nach § 818 BGB ) richtet (vgl. Senatsurteil vom 12. März 2019 - XI ZR 9/17, n.n.v., Rn. 18; Senatsbeschluss vom 19. Februar 2019 - XI ZR 362/17, ZIP 2019, 512 Rn. 6). Insoweit gilt im Ergebnis nichts anderes, als § 357a Abs. 3 BGB im Falle des Widerrufs von Verbraucherdarlehensverträgen für das geltende Recht bestimmt.

Aus dem Senatsurteil vom 22. November 2016 ( XI ZR 187/14, WM 2017, 97 Rn. 16) und dem Urteil des III. Zivilsenats vom 28. April 1988 ( III ZR 57/87, BGHZ 104, 337 , 338 f.), die ganz andere Fallgestaltungen zum Gegenstand hatten, lässt sich nichts Abweichendes schlussfolgern. Gleiches gilt für die Senatsbeschlüsse vom 10. Januar 2017 ( XI ZB 17/16, juris) und vom 21. Februar 2017 ( XI ZR 398/16, juris Rn. 3), die die Anwendung des Bereicherungsrechts ausdrücklich auf die nach dem Wirksamwerden des Widerrufs erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen beschränken.

Von Rechts wegen

Verkündet am: 26. März 2019

Vorinstanz: LG Stuttgart, vom 28.01.2016 - Vorinstanzaktenzeichen 6 O 77/15
Vorinstanz: OLG Stuttgart, vom 18.04.2017 - Vorinstanzaktenzeichen 6 U 36/16