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BGH - Entscheidung vom 14.01.2020

X ZR 144/17

Normen:
EPÜ Art. 52 Abs. 2 Buchst. d
EPÜ Art. 52 Abs. 2 Buchst. d)
EPÜ Art. 52 Abs. 2 Buchst. d)
EPÜ Art. 52 Abs. 3

Fundstellen:
GRUR 2020, 599
MDR 2020, 682

BGH, Urteil vom 14.01.2020 - Aktenzeichen X ZR 144/17

DRsp Nr. 2020/6054

Anweisung zur Wahl einer Darstellungsart für ein Auswahlmenü auf einem Bildschirm zum Zweck der besonders anschaulichen Präsentation der angezeigten Menüpunkte bzgl. eines technischen Lösungsmittels und Berücksichtigung bei der Prüfung auf erfinderische Tätigkeit; Patentfähigkeit des Streitpatents mit der Bezeichnung "Benutzerschnittstelle für eine elektronische Vorrichtung mit einem Bildschirm" als Erfindung

Die Anweisung, für ein Auswahlmenü auf einem Bildschirm eine Darstellungsart zu wählen, die lediglich dem Zweck dient, die angezeigten Menüpunkte und den Umstand, dass möglicherweise noch weitere Punkte verfügbar sind, besonders anschaulich zu präsentieren, betrifft kein technisches Lösungsmittel und ist deshalb bei der Prüfung auf erfinderische Tätigkeit nicht zu berücksichtigen (Bestätigung von BGH, Urteil vom 26. Februar 2015 - X ZR 37/13, GRUR 2015, 660 - Bildstrom; Urteil vom 25. August 2015 - X ZR 110/13, GRUR 2015, 1184 Entsperrbild).

Tenor

Die Berufung gegen das Urteil des 2. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts vom 26. Juli 2017 wird zurückgewiesen.

Unter Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung trägt von den Kosten des Rechtsstreits die Beklagte 3 der Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten der Klägerinnen zu 1 bis 3, die Klägerin zu 4 trägt 1/4 der Gerichtskosten.

Normenkette:

EPÜ Art. 52 Abs. 2 Buchst. d); EPÜ Art. 52 Abs. 3 ;

Tatbestand

Die Beklagte ist Inhaberin des mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 888 687 (Streitpatents), das am 10. November 1997 unter Inanspruchnahme der Priorität einer USamerikanischen Anmeldung vom 20. Dezember 1996 angemeldet wurde und mittlerweile durch Zeitablauf erloschen ist. Das Streitpatent betrifft eine Benutzerschnittstelle für eine elektronische Vorrichtung mit einem Bildschirm. Patentanspruch 1, auf den zwölf weitere Ansprüche zurückbezogen sind, lautet in der Verfahrenssprache:

"1. An electronic device comprising

- at least one display;

- a controller arranged to cause the display to show a rotating menu comprising a plurality of menu options,

which menu is disposed off centre in the display so that at least one option is rotatable off the display at any one time, whereby an arbitrary number of options may be added to the menu without changing its format."

Die Klägerinnen haben das Streitpatent in unterschiedlichem Umfang wegen fehlender Patentfähigkeit angegriffen. Die Beklagte hat das Schutzrecht in der erteilten Fassung und hilfsweise in einer geänderten Fassung verteidigt.

Das Patentgericht hat das Streitpatent in vollem Umfang für nichtig erklärt. Dagegen wendet sich die Beklagte mit der Berufung, mit der sie ihre erstinstanzlichen Anträge uneingeschränkt weiterverfolgt. Im Verlauf des Berufungsverfahrens hat die Klägerin zu 4 die Klage zurückgenommen. Die übrigen Klägerinnen treten dem Rechtsmittel entgegen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung ist unbegründet; das Patentgericht hat den Gegenstand des Streitpatents zutreffend für nicht patentfähig erachtet.

I. Das Streitpatent betrifft eine Benutzerschnittstelle für eine elektronische Vorrichtung mit mindestens einer Anzeige.

1. In der Beschreibung des Streitpatents wird ausgeführt, das von Time Warner Corporation getestete System mit der Bezeichnung FSN (Full Service Network, ein System für interaktives Fernsehen) weise ein umlaufendes Menü mit Schaltflächen auf, die sich am Cursor entlang bewegten (rotatingmenu with buttons that moved past the cursor).

Das Streitpatent betrifft das technische Problem, eine verbesserte Benutzerschnittstelle zur Verfügung zu stellen.

2. Um dies zu erreichen, sieht Anspruch 1 eine Vorrichtung mit folgenden Merkmalen vor (die abweichende Gliederung des Patentgerichts ist in eckigen Klammern hinzugefügt):

1.

Die Elektronische Vorrichtung umfasst

1.1

wenigstens eine Anzeige und

1.2

einen Controller.

2.

Der Controller ist dazu vorgesehen, dafür zu sorgen, dass die Anzeige ein Menü darstellt [1.2].

3.

Das Menü

3.1

ist rotierend [1.2.1],

3.2

umfasst eine Anzahl von Menüpunkten [1.2.1] und

3.3

ist auf der Anzeige außerhalb der Mitte vorgesehen [1.2.2],

3.3.1

so dass wenigstens ein Menüpunkt zu jeder Zeit von der Anzeige weggedreht werden kann [1.2.3],

3.3.2

wodurch ohne Änderung des Formats eine beliebige Anzahl von Punkten zu dem Menü hinzugefügt werden kann [1.2.4].

Von zentraler Bedeutung für die Benutzerfreundlichkeit sind das in den Merkmalen 3.1 und 3.2 [1.2.1] vorgesehene rotierende Menü und die in Merkmal 3.3 [1.2.2] vorgesehene dezentrale Anordnung desselben. Letztere eröffnet die in Merkmal 3.3.1 [1.2.3] vorgesehene Möglichkeit, jederzeit mindestens einen Menüpunkt von der Anzeige wegzudrehen. Dies wiederum schafft die in Merkmal 3.3.2 [1.2.4] vorgesehene Möglichkeit, eine beliebige Anzahl von Menüpunkten hinzuzufügen, ohne dass das Format der angezeigten Punkte verändert werden muss. Erreicht werden kann dies insbesondere dadurch, dass die Anzahl der auf der Anzeige dargestellten Menüpunkte stets gleichbleibt, unabhängig davon, wie viele Menüpunkte insgesamt zur Verfügung stehen.

3. Einige Merkmale bedürfen näherer Betrachtung.

a) Aus der Sicht des Fachmanns, den das Patentgericht von den Parteien unbeanstandet als Diplom-Ingenieur der Fachrichtung Datenverarbeitung oder Diplom-Informatiker mit mehrjähriger Berufserfahrung im Bereich der Entwicklung von Mensch-Maschine-Schnittstellen, insbesondere Benutzeroberflächen charakterisiert hat, erfordert ein rotierendes Menü im Sinne von Merkmal 3.1 [1.2.1], dass die einzelnen Menüpunkte bei einer Änderung der auf dem Bildschirm zur Auswahl angezeigten Liste eine rotierende Bewegung ausführen, also sich auf einer gekrümmten Bahn von einer Position zur nächsten bewegen (Abs. 8 und Abs. 14).

Ein Ausführungsbeispiel dafür ist in Figur 2 des Streitpatents dargestellt.

Diese Anordnung wird in der Beschreibung als eine Art Karussell bezeichnet, das sich auf dem Bildschirm dreht. Die als Quader dargestellten Menüpunkte sind entlang einer elliptischen Bahn angeordnet. Dadurch wird eine räumliche Perspektive erzeugt, die den Eindruck vermittelt, das Menü drehe sich auf einer Kreisbahn, deren Ebene von der Ebene des Bildschirms verschieden ist (Abs. 8).

Entgegen der von einzelnen Parteien geäußerten Auffassung enthält Patentanspruch 1 keine näheren Festlegungen dazu, welche Form die gekrümmte Bahn aufweisen muss. Aus dem in Figur 2 dargestellten Ausführungsbeispiel ergibt sich, dass die Bahn kreisförmig, aber auch elliptisch sein kann. Da es sich nur um ein Ausführungsbeispiel handelt, kommen aber auch andere Formen in Betracht. Erforderlich, aber auch ausreichend ist, dass sich der auf dem Bildschirm gezeigte Kurvenverlauf so deuten lässt, als bilde er einen Teil einer Bahn, die sich außerhalb des Bildschirms fortsetzt.

An einem rotierenden Menü im Sinne des Streitpatents fehlt es hingegen, wenn die Menüpunkte in einer rein linearen Abfolge dargestellt werden.

b) Die in Merkmal 3.3 [1.2.2] vorgesehene Anordnung des Menüs außerhalb der Mitte der Anzeige erfordert, dass das Menü so auf dem Bildschirm positioniert ist, dass sich der Mittelpunkt der durch die Umlaufbahn der Menüpunkte einschließlich der imaginären Rotationsbahn umschlossenen Fläche außerhalb der Mitte der Anzeige befindet, die Rotationsbahn also bezogen auf die Mitte der Anzeige einen asymmetrischen Verlauf aufweist.

Entgegen der Auffassung des Patentgerichts schließt dies nicht zwangsläufig aus, dass die (virtuelle) Rotationsachse des Menüs den Mittelpunkt der Bildschirmebene schneidet. Bei dem in Figur 2 dargestellten Ausführungsbeispiel, bei dem sich die Menüpunkte um das Zentrum eines virtuellen Kreises drehen, ist diese Schlussfolgerung zwar zwingend. Wie bereits dargelegt ergeben sich aus Patentanspruch 1 aber keine näheren Festlegungen in Bezug auf den Verlauf der Rotationsbahn. Angesichts dessen ist denkbar, dass die Bahn einen Verlauf hat, der die genaue Bestimmung einer Drehachse nicht ermöglicht. Jedenfalls in dieser Konstellation ist der Verlauf der Drehachse unerheblich.

c) Die Merkmale 3.3.1 und 3.3.2 [1.2.3 und 1.2.4] erfordern nur die Möglichkeit, einzelne Menüpunkte wegzudrehen bzw. beliebig viele Menüpunkte hinzuzufügen. Sie lassen danach die Möglichkeit offen, dass in bestimmten Anzeigesituationen alle verfügbaren Menüpunkte auf dem Bildschirm sichtbar sind. Es genügt, wenn einzelne Menüpunkte weggedreht werden können, sobald die Gesamtzahl der verfügbaren Menüpunkte die Zahl der auf dem Bildschirm darstellbaren Punkte überschritten hat.

II. Das Patentgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:

Der Gegenstand der erteilten Fassung des Streitpatents sei durch die europäische Patentanmeldung 626 635 (E1) nahegelegt. Der in E1 offenbarte Prozessor (CPU) entspreche einem Controller im Sinne des Streitpatents. E1 offenbare ferner die Darstellung eines rotierenden Menüs mit einer Vielzahl von Menü-Optionen in einer kreisförmigen Anordnung (object wheel), das außerhalb der Bildschirmmitte positioniert sei. In E1 sei ferner angegeben, dass nur einige Menüpunkte sichtbar seien und weitere Punkte hinzugefügt werden könnten. Hierbei habe es sich für den Fachmann angeboten, die Darstellung der Menüpunkte, d.h. deren Format im sichtbaren Teil der Anzeige nicht zu ändern.

Der mit dem Hilfsantrag verteidigte Gegenstand sei nicht anders zu beurteilen. Die danach zusätzlich vorgesehenen Merkmale seien bei der Prüfung auf erfinderische Tätigkeit nicht zu berücksichtigen, weil sie lediglich die zweckmäßige Darstellung einer Information beträfen.

III. Diese Beurteilung hält der Überprüfung im Berufungsverfahrenstand.

1. Bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit sind die Merkmale 2, 3.2, 3.3 und 3.3.2 [1.2, 1.2.1, 1.2.2 und 1.2.4] zu berücksichtigen, nicht aber das Merkmal 3.1 [1.2.1].

a) Bei der Prüfung einer Erfindung auf erfinderische Tätigkeit sind nur diejenigen Anweisungen zu berücksichtigen, die die Lösung des technischen Problems mit technischen Mitteln bestimmen oder zumindest beeinflussen (BGH, Urteil vom 26. Oktober 2010 - X ZR 47/07, GRUR 2011, 125 Rn. 31 - Wiedergabe topographischer Informationen; BGH, Urteil vom 25. August 2015 - X ZR 110/13, GRUR 2015, 1184 Rn. 18 - Entsperrbild).

Die Wiedergabe von Informationen ist als solche dem Patentschutz nicht zugänglich (Art. 52 Abs. 2 Buchst. d, Abs. 3 EPÜ ). Deshalb haben bei der Prüfung der Patentfähigkeit solche Anweisungen als nicht technisch außer Betracht zu bleiben, die gerade die Vermittlung bestimmter Inhalte betreffen und damit darauf abzielen, auf die menschliche Vorstellung oder Verstandesfähigkeit einzuwirken (BGH, Urteil vom 26. Februar 2015 - X ZR 37/13, GRUR 2015, 660 Rn. 32 - Bildstrom). Bei der Prüfung der erfinderischen Tätigkeit sind ferner solche Anweisungen nicht zu berücksichtigen, nach denen bestimmte Inhalte durch Abweichungen in der Farbe, der Helligkeit oder dergleichen hervorgehoben werden (BGH, GRUR 2015, 660 Rn. 33 - Bildstrom).

Anweisungen, die zwar die (visuelle) Informationswiedergabe betreffen, bei denen aber nicht die Vermittlung bestimmter Inhalte oder deren Vermittlung in besonderer Aufmachung im Blickpunkt steht, sondern die Präsentation von Bildinhalten in einer Weise, die auf die physischen Gegebenheiten der menschlichen Wahrnehmung und Aufnahme von Informationen Rücksicht nimmt und dabei darauf gerichtet ist, die Wahrnehmung der gezeigten Information durch den Menschen in bestimmter Weise erst zu ermöglichen, zu verbessern oder zweckmäßig zu gestalten, dienen dagegen der Lösung eines technischen Problems mit technischen Mitteln und sind bei der Prüfung auf erfinderische Tätigkeit zu berücksichtigen (BGH, GRUR 2015, 660 Rn. 35 - Bildstrom). Zu berücksichtigen ist ein auf die Wiedergabe von Informationen bezogenes Merkmal ferner, wenn und soweit es ein Mittel darstellt, um eine bestimmte technische Wirkung zu erzielen (BGH, GRUR 2015, 1184 Rn. 18 - Entsperrbild).

b) Die zuletzt genannten Voraussetzungen sind bei den Merkmalen 2, 3.2, 3.3 und 3.3.2 [1.2, 1.2.1, 1.2.2 und 1.2.4] erfüllt.

Im Streitfall haben die Merkmale 2, 3.2, 3.3 und 3.3.2 [1.2, 1.2.1, 1.2.2 und 1.2.4] die Funktion, einen räumlich begrenzten Anzeigebereich für die Anzeige von Informationen zu nutzen, die aufgrund ihres Umfangs und ihrer Formatierung nicht auf einmal dargestellt werden können. Dieses technische Problem wird nach den genannten Merkmalen durch eine bestimmte räumliche Anordnung der angezeigten Informationen gelöst. Hierin liegt nicht nur eine zweckmäßige und leicht verständliche Darstellung der Informationen, sondern ein technisches Lösungsmittel, nämlich eine zweckmäßige Ausnutzung der zur Verfügung stehenden Bildschirmfläche.

c) Die in Merkmal 3.1 [1.2.1] vorgesehene Darstellung des Menüs als rotierend erschöpft sich hingegen in der bloßen Wiedergabe einer Information als solcher.

Die genannte Darstellungsart ermöglicht es nicht, die zur Verfügung stehende Anzeigefläche effizienter zu nutzen. Sie dient lediglich dem Zweck, die angezeigten Menüpunkte und den Umstand, dass möglicherweise noch weitere Punkte verfügbar sind, besonders anschaulich zu präsentieren. Damit wird allein dem menschlichen Vorstellungsvermögen Rechnung getragen. Darin liegt nach der Rechtsprechung des Senats kein technisches Lösungsmittel (BGH, GRUR 2015, 1184 Rn. 21 - Entsperrbild; BGH, Urteil vom 26. Februar 2015 - X ZR 37/13, GRUR 2015, 660 Rn. 31 ff. - Bildstrom).

2. Das Patentgericht hat den mit dem Hauptantrag verteidigten Gegenstand - einschließlich des Merkmals 3.1 [1.2.1] - zu Recht als durch E1 nahegelegt angesehen.

a) E1 offenbart eine Fernbedienung, die die Ansteuerung mehrerer unterschiedlicher Geräte ermöglicht.

Die offenbarte Vorrichtung umfasst unter anderem einen Prozessor (CPU) und einen Bildschirm, der vorzugsweise als Touchscreen ausgeführt ist. Bestimmte Informationen können mit Hilfe so genannter Objekträder (object wheels) dargestellt werden, die jeweils nur einen Teil der insgesamt zur Auswahl stehenden Punkte anzeigen.

aa) Als Ausführungsbeispiel ist in Figur 9 ein Verzeichnis von Fernsehsendern und deren Programm dargestellt.

Nach der Beschreibung von E1 können Objekträder eingesetzt werden, um eine Auswahl aus einer beliebig großen Zahl von Fernsehsendern zu ermöglichen (E1 Sp. 20 Z. 11-15). Wenn 500 Sender verfügbar seien, könnten nicht alle gleichzeitig auf dem Bildschirm dargestellt werden (E1 Sp. 20 Z. 1824). Um dennoch auf alle Einträge zugreifen zu können, werden die Liste der Sender und die Liste der zugehörigen Programme auf zwei miteinander verbundenen Objekträdern angeordnet. Wenn der Benutzer eines dieser Räder in Drehung versetzt, wird das andere in entsprechendem Sinne bewegt, so dass die Listen der Fernsehsender und Programme stets aufeinander abgestimmt sind (E1 Sp. 31 Z. 35-48).

Das Funktionsprinzip dieser beiden Räder ist in Figur 11 dargestellt:

bb) Zum allgemeinen Funktionsprinzip der Objekträder wird in E1 ferner ausgeführt, diese ermöglichten die Auswahl aus einer großen Gruppe von Objekten, indem jeweils nur einige unmittelbar zugängliche Objekte dargestellt würden. Um zu den nicht angezeigten Objekten zu gelangen, drehe (spins) der Benutzer das Rad (E1 Sp. 20 Z. 26-36). Diese Funktionsweise wird anhand einer Auswahl von Früchten verdeutlicht.

Die Ausgangslage wird durch die Darstellung in Figur 12 skizziert, bei der insgesamt sieben Früchte zur Auswahl stehen, aber jeweils nur vier gemeinsam auf dem Bildschirm dargestellt werden können (E1 Sp. 20 Z. 37-40).

Um dem Benutzer Zugang zu allen Auswahlmöglichkeiten zu geben, werden die Früchte auf einem Objektrad angeordnet, wie es in den Figuren 13 und 14 skizziert ist (E1 Sp. 20 Z. 40-55).

Um dem Benutzer einen möglichst authentischen Eindruck zu vermitteln, sollen die Objekträder den Gesetzen der Physik folgen, zum Beispiel eine Masse und die daraus resultierende Trägheit aufweisen. Dies soll sich darin äußern, dass die Räder sich umso schneller drehen, je mehr "Kraft" der Benutzer beim Anstoß einsetzt, und dann langsam auslaufen (E1 Sp. 20 Z. 56 bis Sp. 21 Z. 5). Während der Drehbewegung soll zudem ein Klickgeräusch erzeugt werden, wie es Rasten erzeugten, die bei einem Geldspielautomaten (slot machine) dazu eingesetzt würden, um das Rad anzuhalten und in einer eindeutigen Position auszurichten. Der Benutzer soll ferner die Möglichkeit haben, die Drehbewegung durch Berühren des Rads anzuhalten (E1 Sp. 21 Z. 6-17).

b) Damit sind, wie auch die Berufung nicht in Zweifel zieht, die Merkmale 1, 1.1, 3.2, 3.3 und 3.3.1 [1, 1.1, 1.2.1, 1.2.2 und 1.2.3] offenbart.

c) Ebenfalls offenbart sind die Merkmale 2 und 3.1 [1.2 und 1.2.1].

Dass der in E1 offenbarte Prozessor (CPU) zur Darstellung von Menüs eingesetzt wird und damit die Funktion eines Controllers im Sinne von Merkmal 2 [1.2] hat, zieht auch die Berufung nicht in Zweifel. Entgegen ihrer Auffassung dient dieser Controller in E1 auch dazu, ein rotierendes Menü im Sinne von Merkmal 3.1 [1.2.1] darzustellen.

Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die in Figur 9 offenbarte Darstellung, die aus sich heraus keine gekrümmte Bahn erkennen lässt, auf der sich die Einträge mit Sendern und Programmen bewegen, schon dann als rotierendes Menü anzusehen ist, wenn der Benutzer die in Zusammenhang mit den Figuren 13 und 14 beschriebene Bewegung nebst den dazu gehörenden Geräuschen hervorrufen kann. Ein rotierendes Menü im Sinne von Merkmal 3.1 [1.2.1] ist jedenfalls in den Figuren 13 und 14 sowie den darauf bezogenen Passagen der Beschreibung offenbart.

Entgegen der Auffassung der Berufung steht dem nicht entgegen, dass in Figur 12 eine rein lineare Anordnung dargestellt ist. Diese Anordnung gibt lediglich die Ausgangssituation wieder, deren Probleme mit den in E1 vorgeschlagenen Mitteln überwunden werden sollen. Als Lösung wird in den Figuren 13 und 14 eine Anordnung offenbart, bei der die angezeigten Objekte entlang einer gekrümmten Bahn positioniert sind. Dies entspricht einer Anordnung, wie sie in Figur 2 der Streitpatentschrift dargestellt ist.

Entgegen der Auffassung der Berufung fehlt es an einer Offenbarung von Merkmal 3.1 [1.2.1] auch nicht deshalb, weil in den Figuren 13 und 14 lediglich ein allgemeines Funktionsprinzip dargestellt wird. Das in diesen Figuren gezeigte Beispiel einer Auswahl von Früchten wird zwar in den in E1 nachfolgend dargestellten konkreten Ausführungsbeispielen nicht mehr aufgegriffen. Aus der eingehenden Darstellung des Funktionsprinzips einschließlich einzelner Details wie der Nachbildung von Masseträgheit, Reibung und mechanischen Sperrelementen, die Klickgeräusche verursachen, ergibt sich aber hinreichend deutlich, dass das dargestellte allgemeine Funktionsprinzip auch bei konkreten Ausführungsbeispielen zum Einsatz kommen soll. Dies umfasst die Anordnung der sichtbaren Menüpunkte auf einer gekrümmten Bahn, wie sie in den Figuren 13 und 14 dargestellt ist.

Eine zusätzliche Bestätigung dafür bildet der Umstand, dass die Aufgabe, eine Liste von 500 Fernsehsendern auf einfache Weise zugänglich zu machen, in E1 schon in den einleitenden Bemerkungen zu der Darstellung der allgemeinen Funktionsweise erwähnt wird (E1 Sp. 20 Z. 11-25). Dieses Beispiel wird in E1 zwar erst an anderer Stelle wieder aufgenommen. Der Umstand, dass dort als Lösungsmittel wiederum auf Objekträder zurückgegriffen wird, belegt aber, dass damit das Funktionsprinzip eingesetzt werden soll, das zuvor schon eingehend beschrieben worden ist.

Es kann dahinstehen, ob der in E1 formulierte Anspruch 11, der ein Verfahren betrifft, bei dem die angezeigten Objekte entlang einer langen ersten Achse wiedergegeben sind (said graphic objects rendered on said displayscreen aligned a first axis), im Sinne des Verständnisses der Beklagten lediglich eine lineare Abfolge der angezeigten Objekte erfasst oder ob vor dem Hintergrund des weitergehenden Offenbarungsgehalts der Entgegenhaltung zur Verwirklichung dieses Merkmals auch die Anordnung der sichtbaren Objekte auf einer gekrümmten Bahn ausreicht. Der Offenbarungsgehalt einer Entgegenhaltung ist nicht auf den Gegenstand der darin formulierten Patentansprüche beschränkt (vgl. BGH, Urteil vom 16. Dezember 2008 - X ZR 89/08, BGHZ 179, 168 Rn. 16 - Olanzapin; Urteil vom 27. Mai 2014 - X ZR 2/13, GRUR 2014, 1026 Rn. 19 - Analog-Digital-Wandler). Im Streitfall ist der Beschreibung von E1 aus den oben aufgezeigten Gründen zu entnehmen, dass der Offenbarungsgehalt dieser Entgegenhaltung die Merkmale 2 und 3.1 umfasst.

d) Zu Recht hat das Patentgericht Merkmal 3.3.2 [1.2.4] als durch E1 nahegelegt angesehen.

aa) Im Ergebnis zu Recht hat das Patentgericht angenommen, dass E1 die Möglichkeit offenbart, ein mittels eines Objektrads dargestelltes Menü um eine beliebige Anzahl von Punkten zu erweitern.

Diese Möglichkeit wird in E1 zwar nicht ausdrücklich erwähnt. Aus der bereits erwähnten Angabe, Objekträder ermöglichten es, eine beliebige Anzahl von Fernsehsendern zur Auswahl zu stellen, ergibt sich für den Fachmann aber unmittelbar und eindeutig, dass die Anzahl der Menüpunkte beliebig erhöht werden kann und dass dies in Abhängigkeit vom jeweiligen Einsatzzweck erfolgen kann, etwa in Abhängigkeit von der Zahl der im Einzelfall verfügbaren Fernsehsender.

Ob eine vergleichbare Möglichkeit auch in Bezug auf die Installation und Auswahl von Gerätetreibern besteht, bedarf vor diesem Hintergrund keiner Entscheidung.

bb) Ob der Fachmann aus diesen Ausführungen gleichsam mitliest, dass das Format für die Anzeige der am Bildschirm sichtbaren Menüpunkte unabhängig von der Anzahl der insgesamt verfügbaren Punkte ist, kann dahingestellt bleiben.

Für den Fachmann lag eine solche Ausgestaltung jedenfalls nahe, weil E1 keine näheren Angaben zur Formatierung in solchen Situationen enthält und weil es bei dem offenbarten Beispiel mit 500 verfügbaren und vier angezeigten Fernsehsendern auf der Hand lag, dass eine Formatänderung im Falle einer Erhöhung oder Verringerung der Gesamtzahl an Menüpunkten weder notwendig noch sinnvoll ist.

Dem steht nicht entgegen, dass eine Formatänderung ausgehend von dem im Streitpatent als Ausgangspunkt offenbarten System FSN jedenfalls in bestimmten Situationen unumgänglich war, weil dort stets alle verfügbaren Menüpunkte angezeigt werden und der zur Verfügung stehende Platz beschränkt ist. Der mit der Verbesserung solcher Systeme befasste Fachmann hatte Anlass, auch das in E1 offenbarte System in seine Überlegungen einzubeziehen. Von diesem Ausgangspunkt aus lag es aus den genannten Gründen jedenfalls nahe, von einer Formatänderung abzusehen. Damit beruht der Gegenstand des Streitpatents nicht auf erfinderischer Tätigkeit.

3. Das Streitpatent erweist sich auch in der Fassung des Hilfsantrags nicht als rechtsbeständig.

a) Nach dem Hilfsantrag soll Patentanspruch 1 folgende zusätzliche Merkmale erhalten:

4.

Das Menü wird mit einer Perspektive wiedergegeben,

4.1

in der es wie in einer sichtbaren Ebene erscheint, die sich nicht parallel zu dem Schirm erstreckt [1.2.5],

4.2

wobei die Perspektive durch Änderung entweder der Form oder der Größe wenigstens einer der Menüpunkte erreicht wird [1.2.6].

b) Zu Recht hat das Patentgericht angenommen, dass diese Merkmale bei der Prüfung der erfinderischen Tätigkeit nicht zu berücksichtigen sind.

Wie bereits oben dargelegt wurde, sind bei der Prüfung einer Erfindung auf erfinderische Tätigkeit nur diejenigen Anweisungen zu berücksichtigen, die die Lösung des technischen Problems mit technischen Mitteln bestimmen oder zumindest beeinflussen.

Die Anweisung, das Menü in einer bestimmten Perspektive wiederzugeben und hierzu Form oder Größe eines Menüpunkts zu ändern, betrifft lediglich die grafische Darstellung der zur Verfügung gestellten Informationen. Eine solche Darstellung ermöglicht zwar eine benutzerfreundlichere Wahrnehmung. Sie leistet jedoch keinen technischen Beitrag zur Ermöglichung der Wahrnehmung selbst, ihrer Verbesserung oder ihrer zweckmäßigen Gestaltung (vgl. BGH, GRUR 2011, 125 Rn. 48 - Wiedergabe topographischer Informationen). Der beanspruchten Wiedergabe der Menüinhalte liegen keine technischen Überlegungen zugrunde. Sie dient vielmehr dem Zweck, die Information für den Benutzer leichter verständlich und damit besser zugänglich zu machen.

c) Unabhängig davon war die Ausgestaltung des Menüs entsprechend der Merkmalsgruppe 4 dem Fachmann ausgehend von E1 nahegelegt.

aa) Wie bereits oben dargelegt wurde, schlägt E1 in den Figuren 13 und 14 vor, die zur Auswahl stehenden Objekte auf einer gekrümmten Bahn anzuordnen, so dass der Eindruck entsteht, als seien sie auf einem drehbaren Rad positioniert. Die Ebene dieses Rades ist schräg zur Bildschirmebene ausgerichtet, wie dies auch in Merkmal 4.1 offenbart ist.

bb) Nicht ausdrücklich offenbart ist in E1 eine Hervorhebung einzelner Menüpunkte durch Änderung von Form oder Größe.

Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die beiden links und rechts des Bildschirms angeordneten Früchte in Figur 13 im Vergleich zu den auf dem Bildschirm sichtbaren Früchten eine perspektivische Verzerrung aufweisen. Zur Verwirklichung von Merkmal 4.2 wäre erforderlich, dass solche Unterschiede zwischen den auf dem Bildschirm sichtbaren Früchten erkennbar sind. Letzteres ist E1 nicht unmittelbar und eindeutig zu entnehmen.

cc) Ausgehend von dem in E1 offenbarten Vorschlag, die Menüpunkte auf einem Objektrad darzustellen und hierzu eine perspektivische Darstellung zu wählen, ergab sich für den Fachmann die Anregung, auf Gestaltungsmittel zurückzugreifen, die für eine solche Darstellung gebräuchlich sind. Hierzu gehört es, Objekte, die im Vordergrund stehen, größer darzustellen als Objekte, die (scheinbar) weiter vom Benutzer entfernt sind.

IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 PatG und §§ 97 Abs. 1 , 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO .

1. Eine Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu 4 ist nicht veranlasst.

Gemäß § 269 Abs. 4 ZPO ist über die Kostenverpflichtung nach § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO nur auf Antrag zu entscheiden. Einen solchen Antrag hat die Beklagte - wie von der Klägerin zu 4 angekündigt - nicht gestellt.

2. Hinsichtlich der Gerichtskosten war hingegen gemäß § 308 Abs. 2 ZPO auch ohne Antrag der Beklagten eine einheitliche Entscheidung im Urteil zu treffen, weil die Klagerücknahme nicht den gesamten Streitgegenstand betrifft (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Januar 1999 - III ZB 39/98, NJW-RR 1999, 1741 ). Der Klägerin zu 4 ist der auf sie entfallende Anteil der Gerichtskosten gemäß § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO aufzuerlegen.

Eine abweichende Kostenregelung, die nach dem letzten Halbsatz der genannten Vorschrift auch im vorliegenden Zusammenhang relevant wäre, ist nicht ersichtlich. Die von der Klägerin zu 4 vorgetragene Einigung mit der Beklagten, wonach Kostenanträge nicht gestellt werden sollen, bildet keinen anderen Grund im Sinne von § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO . Sie kann in der vorliegenden Konstellation allenfalls dazu führen, dass die Beklagte daran gehindert ist, gegen die Klägerin zu 4 einen Antrag auf Kostenfestsetzung zu stellen.

Von Rechts wegen

Verkündet am: 14. Januar 2020

Vorinstanz: BPatG, vom 26.07.2017 - Vorinstanzaktenzeichen 2 Ni 28/16
Fundstellen
GRUR 2020, 599
MDR 2020, 682