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BGH - Entscheidung vom 24.06.2020

XIII ZB 6/19

Normen:
AufenthG a.F. § 2 Abs. 14 Nr. 6
AufenthG § 62 Abs. 3 S. 1 Nr. 5

BGH, Beschluss vom 24.06.2020 - Aktenzeichen XIII ZB 6/19

DRsp Nr. 2020/12101

Anordnung der Haft zur Sicherung der Abschiebung eines Betroffenen wegen Fluchtgefahr; Anforderungen an die Begründung des Haftantrags

In einem Antrag auf Anordnung von Sicherungshaft ist eine nähere Erläuterung des für die Buchung eines Fluges mit Sicherheitsbegleitung erforderlichen Zeitaufwandes in aller Regel dann nicht geboten, wenn sich die Behörde auf eigene Erfahrungen oder eine Auskunft der zuständigen Stelle beruft, wonach dieser Zeitraum bis zu sechs Wochen beträgt. Ist ein längerer Zeitraum für die Organisation der Rückführung des Betroffenen erforderlich, bedarf es einer auf den konkreten Fall bezogenen Begründung, die dies unter Ausführungen etwa zu Art des Fluges, Buchungslage der in Betracht kommenden Luftverkehrsunternehmen, Anzahl der Begleitpersonen, Personalsituation usw. nachvollziehbar erklärt.

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 5. Zivilkammer des Landgerichts Paderborn vom 2. Oktober 2017 wird auf Kosten des Betroffenen zurückgewiesen.

Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 5.000 €.

Normenkette:

AufenthG a.F. § 2 Abs. 14 Nr. 6 ; AufenthG § 62 Abs. 3 S. 1 Nr. 5 ;

Gründe

I. Der Betroffene, ein Staatsangehöriger der Republik Elfenbeinküste, reiste am 4. Januar 2013 ohne Einreiseerlaubnis nach Deutschland ein. Sein erster Asylantrag wurde mit Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (fortan: Bundesamt) vom 13. September 2014 unter Androhung der Abschiebung in die Republik Elfenbeinküste abgelehnt. Der im Ausländerzentralregister seit dem 6. August 2015 als "nach unbekannt verzogen" registrierte Betroffene stellte am 12. September 2016 einen weiteren Asylantrag. Bei der Anhörung zu diesem Antrag am 26. Oktober 2016 gab sich der Betroffene zunächst als guineischer Staatsangehöriger aus, später dann als Staatsangehöriger der Republik Elfenbeinküste. Dieser Folgeantrag wurde mit Bescheid des Bundesamts vom 14. Februar 2017 unter Bestimmung einer Ausreisefrist von einer Woche, Androhung der Abschiebung bei Nichteinhaltung der Frist und unter Anordnung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots für 36 Monate als unzulässig abgelehnt.

Am 30. April 2017 wurde der Betroffene bei der Einreise aus den Niederlanden als Fahrgast eines Fernreisebusses im Rahmen einer grenzpolizeilichen Kontrolle mit einem gültigen Reisepass der Republik Elfenbeinküste und einer abgelaufenen italienischen Aufenthaltserlaubnis, jedoch ohne Einreise- und Aufenthaltserlaubnis angetroffen und festgenommen. Mit Bescheid vom 1. Mai 2017 stellte die beteiligte Behörde unter Nichtgewährung einer Ausreisefrist, unter erneuter Androhung der Abschiebung in die Republik Elfenbeinküste und unter Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit die Ausreisepflicht des Betroffenen fest. Sie erwirkte am gleichen Tag einen Beschluss des Amtsgerichts, durch den gegen den Betroffenen im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufige Haft zur Sicherung seiner Abschiebung bis zum 12. Juni 2017 angeordnet wurde.

Nachdem die Staatsanwaltschaften Dortmund, Kleve und Traunstein der Abschiebung des Betroffenen zugestimmt hatten, versuchte die beteiligte Behörde, den Betroffenen am 8. Juni 2017 im Wege der Flugabschiebung in die Republik Elfenbeinküste abzuschieben. Der Versuch scheiterte daran, dass der Flugzeugführer die Mitnahme des Betroffenen ablehnte. Grund dafür war nach dem Bericht der Bundespolizeiinspektion Flughafen Düsseldorf, dass der Betroffene nach dem Boarding eine Diskussion mit den Begleitbeamten begann, diesen im Verlaufe der Diskussion mit dem Tod drohte und äußerte, alle würden auf dem Flug sterben. Noch am gleichen Tage beantragte die beteiligte Behörde gegen den Betroffenen im Hauptsacheverfahren Haft zur Sicherung seiner Abschiebung bis zum 31. Juli 2017, die das Amtsgericht mit Beschluss vom 12. Juni 2017 anordnete.

Mit einem am gleichen Tage bei dem Amtsgericht eingegangenen Schreiben vom 20. Juli 2017 hat der Betroffene die Aufhebung der Haft und für den Fall der Entlassung aus der Haft die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Haftanordnung beantragt. Den - nach seiner Abschiebung in die Republik Elfenbeinküste am 27. Juli 2017 - als Feststellungsantrag nach § 62 FamFG fortgeführten Antrag hat das Amtsgericht zurückgewiesen. Die Beschwerde ist bei dem Landgericht ohne Erfolg geblieben. Mit der Rechtsbeschwerde, deren Zurückweisung die beteiligte Behörde beantragt, verfolgt der Betroffene seinen Feststellungsantrag weiter.

II. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

1. Das Beschwerdegericht hält die Haftanordnung des Amtsgerichts für rechtmäßig. Der Haft liege ein zulässiger Haftantrag zu Grunde. Die beteiligte Behörde habe, was das Beschwerdegericht im Einzelnen ausführt, die in § 417 Abs. 2 Satz 2 FamFG angeführten Gesichtspunkte sämtlich im erforderlichen Umfang behandelt. Die Haftanordnung sei auch in der Sache rechtmäßig. Der Betroffene sei vollziehbar ausreisepflichtig. Es hätten die Haftgründe der unerlaubten Einreise und der Fluchtgefahr vorgelegen. Der Betroffene sei ohne Aufenthaltserlaubnis und unter Verstoß gegen das Einreise- und Aufenthaltsverbot am 30. April 2017 nach Deutschland eingereist. Zudem lägen konkrete Anhaltspunkte für eine Fluchtgefahr in der Benutzung falscher Identitäten, insbesondere auch bei der Anhörung zu seinem Asylfolgeantrag, in der unterlassenen Meldung seines Aufenthalts bei den Ausländerbehörden, in dem Verhalten im Flugzeug, das zum Scheitern des Abschiebungsversuchs am 8. Juni 2017 geführt habe und darin, dass er immer wieder erklärt habe, er wolle nicht ausreisen. Auch die angeordnete Haftdauer sei nicht zu beanstanden. Es sei im Blick auf den Aufwand für die Organisation einer Begleitung der Abschiebung des Betroffenen durch vier Bundespolizeibeamte nicht zu beanstanden, dass die beteiligte Behörde den Flug für den zweiten Versuch der Abschiebung des Betroffenen in die Republik Elfenbeinküste für den 27. Juli 2017 gebucht habe. Auch im Übrigen sei die Haftanordnung nicht zu beanstanden.

2. Dies hält rechtlicher Nachprüfung stand. Die auch nach Erledigung eines Haftaufhebungsverfahrens nach § 426 Abs. 2 FamFG mit einem Antrag nach § 62 FamFG ohne Zulassung statthafte (BGH, Beschluss vom 20. September 2017 - V ZB 180/16, InfAuslR 2018, 63 Rn. 4 f.) und auch sonst zulässige Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Die Haftanordnung war rechtmäßig und hat den Betroffenen nicht in seinen Rechten verletzt.

a) Der Haftanordnung hat ein zulässiger Haftantrag zu Grunde gelegen.

aa) Das Vorliegen eines zulässigen Haftantrags ist eine in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfende Verfahrensvoraussetzung. Zulässig ist der Haftantrag der beteiligten Behörde nur, wenn er den gesetzlichen Anforderungen an die Begründung entspricht. Erforderlich sind Darlegungen zu der zweifelsfreien Ausreisepflicht, zu den Abschiebungsvoraussetzungen, zu der Erforderlichkeit der Haft, zu der Durchführbarkeit der Abschiebung und zur notwendigen Haftdauer (§ 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 5 FamFG ). Zwar dürfen die Ausführungen zur Begründung des Haftantrags knapp gehalten sein, sie müssen aber die für die richterliche Prüfung wesentlichen Punkte ansprechen. Sind diese Anforderungen nicht erfüllt, darf die beantragte Sicherungshaft nicht angeordnet werden (st. Rspr.; s. nur BGH, Beschlüsse vom 30. März 2017 - V ZB 128/16, FGPrax 2017, 185 Rn. 6, vom 20. September 2018 - V ZB 4/17, InfAuslR 2019, 23 Rn. 6, und vom 12. Februar 2020 - XIII ZB 16/19, InfAuslR 2020, 241 Rn. 7).

bb) Diesen Anforderungen genügt der Haftantrag der beteiligten Behörde.

(1) In einem Antrag auf Anordnung von Sicherungshaft ist eine nähere Erläuterung des für die Buchung eines Fluges mit Sicherheitsbegleitung erforderlichen Zeitaufwandes in aller Regel dann nicht geboten, wenn sich die Behörde auf eigene Erfahrungen oder eine Auskunft der zuständigen Stelle beruft, wonach dieser Zeitraum bis zu sechs Wochen beträgt. In diesen Fällen erschließt sich grundsätzlich ohne weiteres, dass der organisatorische Aufwand eine solche Zeit in Anspruch nimmt, da erst die für die Begleitung in Betracht kommenden Personen ermittelt und innerhalb der zur Verfügung stehenden Zeitfenster die Flüge für den Betroffenen und die Begleitpersonen gebucht werden müssen. Im Hinblick auf die beschränkten Personalressourcen wird zwangsläufig ein zeitlicher Vorlauf benötigt, der bis zu sechs Wochen in Anspruch nehmen und als angemessen angesehen werden kann, sofern nicht besondere Umstände eine andere Beurteilung rechtfertigen. Ist ein längerer Zeitraum für die Organisation der Rückführung des Betroffenen erforderlich, bedarf es einer auf den konkreten Fall bezogenen Begründung, die dies unter Ausführungen etwa zu Art des Fluges, Buchungslage der in Betracht kommenden Luftverkehrsunternehmen, Anzahl der Begleitpersonen, Personalsituation usw. nachvollziehbar erklärt (BGH, Beschlüsse vom 20. September 2018 - V ZB 4/17, InfAuslR 2019, 23 Rn. 11, und vom 12. Februar 2020 - XIII ZB 26/19, juris Rn. 9). Diese Grundsätze gelten nicht nur, wenn die Ausländerbehörden der Länder eine Abschiebung unter Begleitung von Sicherheitsbeamten der Bundespolizei durchführen, sondern auch, wenn begleitete Abschiebungen auf Veranlassung der Bundespolizeiinspektionen durch die entsprechenden Stellen der Bundespolizei durchgeführt werden. Der hier entstehende organisatorische Aufwand ist nicht geringer.

Die beteiligte Behörde hat die hier zur Überprüfung stehende Haftverlängerung um 7,5 Wochen mit dem Aufwand für die Organisation einer begleiteten Abschiebung und einem zusätzlichen Zeitpuffer begründet, um im Fall des neuerlichen Scheiterns der Abschiebung rechtzeitig einen Verlängerungsantrag stellen zu können. Die Überschreitung des eine nähere Darlegung nicht erfordernden Zeitraums von sechs Wochen um eine Woche hat sie, wie geboten, nachvollziehbar erklärt. Nach den Ausführungen im Haftantrag war zunächst eine Sicherheitsbegleitung des Betroffenen auf dem gesamten Flug mit vier Beamten vorgesehen. Die für die Bewertung der Sicherheitsanforderungen zuständige Arbeitseinheit hat dann aber angesichts des zu erwartenden Gewaltpotenzials des Betroffenen eine Sicherheitsbegleitung mit mindestens fünf bis sechs Beamten für erforderlich gehalten, was zusätzlichen organisatorischen Aufwand verursachte. Das reicht auch unter Berücksichtigung des Hinweises des Betroffenen, nach den Ausländerakten ließen sich Visa für Begleitbeamte in der Republik Elfenbeinküste in kurzer Frist beschaffen, aus. Denn der organisatorische Aufwand erschöpft sich nicht in der Beschaffung der Visa. Die in dem Haftantrag angesprochene "namentliche Stellung der Begleitbeamten" umfasst darüber hinaus Absprachen über den sonstigen technischen Vollzug, etwa über die zulässige Bewaffnung der Begleitbeamten und das Verfahren an den Flughäfen, auf denen Zwischenlandungen vorgesehen sind. Auch der zusätzliche Ansatz von vier Kalendertagen wird in dem Haftantrag hinreichend mit der Notwendigkeit erklärt, bei einem Scheitern auch dieses Versuchs einer Abschiebung des Betroffenen Zeit für die Vorbereitung eines Verlängerungsantrags zu haben. Denn hierfür standen nur zwei Werktage zur Verfügung, Freitag, der 28. Juli 2017, und Montag, der 31. Juli 2017. Ein solcher zeitlicher Puffer ist auch in der Sache nicht zu beanstanden (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Oktober 2016 - V ZB 167/14, NVwZ 2017, 733 [Ls.] = juris Rn. 13)

(2) Entgegen der Auffassung des Betroffenen genügt der Haftantrag auch im Hinblick auf das erforderliche Einvernehmen der Staatsanwaltschaft den Anforderungen.

Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, die die Rechtsbeschwerde allerdings noch nicht berücksichtigen konnte, führt allein das Fehlen eines nach § 72 Abs. 4 Satz 1 AufenthG erforderlichen Einvernehmens der Staatsanwaltschaft nicht zur Rechtswidrigkeit einer Haftanordnung (BGH, Beschluss vom 12. Februar 2020 - XIII ZB 15/19, InfAuslR 2020, 242 Rn. 12, unter Aufgabe von BGH, Beschluss vom 17. Juni 2010 - V ZB 93/10, NVwZ 2010, 1574 ). Ergibt sich aus dem Haftantrag oder den ihm beigefügten Unterlagen ein laufendes und nicht offensichtlich zustimmungsfreies Ermittlungsverfahren, ist der Haftantrag im Hinblick auf § 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 FamFG allerdings nur zulässig, wenn die Behörde dieses mögliche Abschiebungshindernis ausräumt. Dafür genügt es in der Regel, wenn die Behörde darlegt, das Einvernehmen liege vor, sei entbehrlich oder werde bis zum vorgesehenen Abschiebungstermin voraussichtlich vorliegen oder entbehrlich geworden sein (BGH, Beschluss vom 12. Februar 2020 - XIII ZB 15/19, InfAuslR 2020, 242 Rn. 19, unter teilweiser Aufgabe von BGH, Beschluss vom 20. Januar 2011 - V ZB 226/10, FGPrax 2011, 144 ). Diesen Anforderungen entsprach der Haftantrag. Die beteiligte Behörde hat in ihrem Haftantrag ausgeführt, dass die Staatsanwaltschaften, bei denen nach dem Haftantrag Verfahren anhängig waren, der Abschiebung des Betroffenen zugestimmt hätten.

b) Entgegen der Auffassung des Betroffenen war die Haftanordnung auch durch den Haftgrund der Fluchtgefahr nach den hier noch maßgeblichen § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 , § 2 Abs. 14 Nr. 6 AufenthG in der bis zum Ablauf des 20. August 2019 geltenden Fassung (fortan: aF) gerechtfertigt.

aa) Nach § 2 Abs. 14 Nr. 6 AufenthG aF kann ein konkreter Anhaltspunkt für (erhebliche) Fluchtgefahr im Sinne von § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 AufenthG aF auch darin liegen, dass der Ausländer, um sich der bevorstehenden Abschiebung zu entziehen, sonstige konkrete Vorbereitungshandlungen von vergleichbarem Gewicht vorgenommen hat, die nicht durch Anwendung unmittelbaren Zwangs überwunden werden können. Eine solche Vorbereitungshandlung setzt nicht voraus, dass der Ausländer gegen seine Abschiebung physischen Widerstand leistet oder androht. Es genügt jedes Verhalten des Ausländers, das darauf zielt, von der Beförderung durch den Luftfahrzeugführer ausgeschlossen zu werden. Ein sonstiger konkreter Anhaltspunkt für das Vorliegen erheblicher Fluchtgefahr gemäß § 2 Abs. 14 Nr. 6 AufenthG aF kann deshalb auch ein Verhalten des Betroffenen an Bord eines Luftfahrzeugs sein, das den Ausschluss von der Beförderung in den Zielstaat der Rückführung durch den verantwortlichen Luftfahrzeugführer zur Folge hat (BT-Drucks. 18/4097, S. 34; BGH, Beschluss vom 15. September 2016 - V ZB 69/16, FGPrax 2016, 279 Rn. 6).

bb) Auf diesen konkreten Anhaltspunkt für Fluchtgefahr hat sich das Amtsgericht auch gestützt. Es hat in seiner - wenn auch recht knapp begründeten - Haftanordnung den konkreten Anhaltspunkt für Fluchtgefahr nach § 2 Abs. 14 Nr. 6 AufenthG ausdrücklich genannt. Dabei hat es sich erkennbar auf die Angaben der beteiligten Behörde in dem Antrag auf Verlängerung der Haft vom 8. Juni 2017 und den darin in Bezug genommenen Bericht der Polizeiinspektion Flughafen Düsseldorf vom 8. Juni 2017 über das Scheitern des an diesem Tage vorgenommenen ersten Versuchs gestützt, den Betroffenen in die Republik Elfenbeinküste abzuschieben. Das ergibt sich daraus, dass sich der Betroffene bei seiner persönlichen Anhörung durch das Amtsgericht im Haftverlängerungsverfahren gerade zu diesem Vorfall geäußert und dabei hervorgehoben hat, dass er keine Gewalt angewendet habe. Auf das Fehlen von Gewaltanwendung kommt es aber, wie ausgeführt, bei diesem konkreten Anhaltspunkt für Fluchtgefahr nicht an. Das Amtsgericht durfte, wie das Beschwerdegericht im vorliegenden Haftaufhebungsverfahren zutreffend ausgeführt hat, gestützt auf diesen konkreten Anhaltspunkt erhebliche Fluchtgefahr annehmen.

cc) Es kommt deshalb nicht darauf an, ob die von dem Amtsgericht im Haftverlängerungsverfahren angenommenen anderen Haftgründe vorlagen.

c) Die Anordnung der Haftverlängerung ist auch nicht deshalb rechtswidrig, weil dem Amtsgericht die von dem Betroffenen gerügten Verfahrensfehler unterlaufen wären. Diese liegen schon nicht vor, wirken sich aber jedenfalls auf die Rechtmäßigkeit der Haftanordnung nicht aus.

aa) Der Haftverlängerungsantrag der beteiligten Behörde ist dem Betroffenen vor Beginn seiner persönlichen Anhörung zu diesem Antrag ausweislich des Protokolls über diese Anhörung vollständig übersetzt worden. Das war nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ausreichend, weil der Sachverhalt einfach und überschaubar war (vgl. BGH, Beschluss vom 4. März 2010 - V ZB 222/09, BGHZ 184, 323 Rn. 16). Der Betroffene war mit dem Sachverhalt aus dem vorausgegangenen Haftantrag vertraut und kannte den wesentlichen neuen Gesichtspunkt, nämlich, dass er durch sein Verhalten im Flugzeug am 8. Juni 2017 den ersten Versuch seiner Abschiebung in die Republik Elfenbeinküste vereitelt hatte, aus eigenem Erleben. Deshalb war er bei seiner persönlichen Anhörung auch in der Lage, sich sofort und eingehend zu diesem Vorfall zu äußern. Der Rechtmäßigkeit der Verlängerungsanordnung vom 8. Juni 2017 stünde es - angesichts der hier im Protokoll festgehaltenen vollständigen Übersetzung des Haftantrags vor der persönlichen Anhörung - nicht entgegen, wenn ihm eine Kopie des Haftantrags nicht ausgehändigt worden wäre (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Februar 2016 - V ZB 23/15, InfAuslR 2016, 235 Rn. 26). Tatsächlich ist dem Betroffenen aber nach dem Inhalt der Begleitverfügung des Amtsgerichts zu dem Protokoll eine Kopie des Haftantrags ausgehändigt worden.

bb) Der Verlängerungsanordnung stand auch nicht entgegen, dass der Betroffene zu dem relevanten Haftgrund nach § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 , § 2 Abs. 14 Nr. 6 AufenthG aF nicht persönlich angehört worden wäre. Die beteiligte Behörde hat sich in ihrem Verlängerungsantrag darauf gestützt, dass der Betroffene durch sein Verhalten im Flugzeug am 8. Juni 2017 den ersten Versuch seiner Abschiebung in die Republik Elfenbeinküste vereitelt hat. Der Haftantrag ist dem Betroffenen vor der persönlichen Anhörung übersetzt worden. Zu diesem entscheidenden neuen Gesichtspunkt hat sich der Betroffene in seiner persönlichen Anhörung durch das Amtsgericht eingehend geäußert.

3. Von einer weiteren Begründung wird nach § 74 Abs. 7 FamFG abgesehen.

Vorinstanz: AG Paderborn, vom 09.08.2017 - Vorinstanzaktenzeichen 11 XIV(B) 96/17
Vorinstanz: LG Paderborn, vom 02.10.2017 - Vorinstanzaktenzeichen 5 T 260/17