Kontakt : 0221 / 93 70 18 - 0
Wir durchsuchen unsere Datenbank

BGH - Entscheidung vom 12.02.2020

XIII ZB 26/19

Normen:
FamFG § 417 Abs. 2 S. 2 Nr. 3

BGH, Beschluss vom 12.02.2020 - Aktenzeichen XIII ZB 26/19

DRsp Nr. 2020/4100

Voraussetzungen für die Anordnung von Haft zur Sicherung der Abschiebung; Erforderlichkeit eines zulässigen Haftantrags; Begründung der Dauer der beantragten Haft

Tenor

Es wird festgestellt, dass die Beschlüsse des Amtsgerichts Düsseldorf vom 14. März 2018 und der 25. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 14. Mai 2018 den Betroffenen in seinen Rechten verletzt haben.

Gerichtskosten werden in allen Instanzen nicht erhoben. Die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen des Betroffenen in allen Instanzen werden der Städteregion Aachen auferlegt.

Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 5.000 €.

Normenkette:

FamFG § 417 Abs. 2 S. 2 Nr. 3 ;

Gründe

I. Dem Betroffenen, einem algerischen Staatsangehörigen, wurde nach einem erfolglosen Asylverfahren am 17. Februar 2017 die Abschiebung angedroht. Eine erteilte Duldung lief am 12. September 2017 ab. Am 13. März 2018 wurde der Betroffene wegen eines Ladendiebstahls von der Polizei vorläufig festgenommen.

Auf Antrag der beteiligten Behörde hat das Amtsgericht am 14. März 2018 Haft zur Sicherung der Abschiebung bis längstens 6. Juni 2018 angeordnet. Das Landgericht hat die dagegen gerichtete Beschwerde mit Beschluss vom 14. Mai 2018 zurückgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde will der Betroffene die Feststellung erreichen, dass er durch die Haftanordnung in seinen Rechten verletzt worden ist.

II. Nach Ansicht des Beschwerdegerichts ist die Haftanordnung rechtmäßig. Der Antrag lege die Voraussetzungen, Durchführbarkeit und Dauer der beabsichtigten Abschiebung nach Algerien im konkreten Fall hinreichend dar. Das Verfahren sei auch mit der größtmöglichen Beschleunigung betrieben worden und die Haftdauer angemessen.

III. Die gemäß § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 FamFG mit dem Feststellungsantrag nach § 62 FamFG statthafte und auch im Übrigen (§ 71 FamFG ) zulässige Rechtsbeschwerde hat Erfolg.

1. Der Betroffene ist durch die Haftanordnung in seinen Rechten verletzt worden, weil es an einem zulässigen Haftantrag fehlte.

a) Das Vorliegen eines zulässigen Haftantrags ist - wovon auch das Beschwerdegericht ausgeht - eine in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfende Verfahrensvoraussetzung. Zulässig ist der Haftantrag der beteiligten Behörde nur, wenn er den gesetzlichen Anforderungen an die Begründung entspricht. Erforderlich sind Darlegungen zu der zweifelsfreien Ausreisepflicht, zu den Abschiebungsvoraussetzungen, zu der Erforderlichkeit der Haft, zu der Durchführbarkeit der Abschiebung und zu der notwendigen Haftdauer (§ 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 5 FamFG ). Zwar dürfen die Ausführungen zur Begründung des Haftantrags knapp gehalten sein, sie müssen aber die für die richterliche Prüfung des Falles wesentlichen Punkte ansprechen. Fehlt es daran, darf die beantragte Sicherungshaft nicht angeordnet werden (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 7. März 2019 - V ZB 130/17, juris Rn. 4; Beschluss vom 20. September 2018 - V ZB 4/17, InfAuslR 2019, 23 Rn. 6 mwN.).

b) Entgegen der Ansicht des Beschwerdegerichts genügte der Haftantrag vom 14. März 2018 diesen Anforderungen nicht.

aa) Die Dauer der beantragten Haft von 12 Wochen wird in dem Antrag damit begründet, dass sie für die Vorbereitung und Durchführung der Abschiebung erforderlich und angemessen sei. Es gebe laut Mitteilung des Regierungspräsidiums Gießen vom 1. September 2016 eine Zustimmung der algerischen Behörden zur Ausstellung eines Passersatzpapiers zwecks Rückübernahme des Betroffenen nach durchgeführtem Personenfeststellungsverfahren. Die Passersatzpapierbeschaffung erfolge über die zentrale Ausländerbehörde (ZAB) Köln. Damit ein Passersatzpapier ausgestellt werden könne, benötige die ZAB Köln nach Information der Zentralstelle für Flugabschiebungen (ZFA) Bielefeld eine Vorlaufzeit von drei Wochen. Die Aussage beruhe auf Erfahrung aus einer Vielzahl von Praxisfällen, die dort bereits koordiniert worden seien. Hinsichtlich der ZFA Bielefeld sei zu berichten, dass dort kurzfristig eine Fluganmeldung durch die hiesige Ausländerbehörde veranlasst werde. Aufgrund der Tatsache, dass der Betroffene Widerstand im Rahmen der Festnahme geleistet habe, werde eine sicherheitsbegleitende Abschiebung geplant. Zur Vorbereitung der Abschiebung benötige die ZFA Bielefeld nach eigener Auskunft 10 bis 12 Wochen. Die Dauer der Vorbereitungszeit sei dadurch begründet, dass die Organisation der Flugbegleitung einschließlich Visaeinholung und Abstellung von Begleitpersonal aufgrund der bundespolizeilichen Auslastung keine frühere Abschiebung ermögliche. Die Dauer der Haft sei in Anlehnung an den Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 20. Oktober 2016 ( V ZB 167/14, juris) drei Tage über den vorgesehenen Rückführungstermin hinaus beantragt. Demnach könne einer beantragenden Behörde ein angemessener Zeitraum zur weiteren Bearbeitung der Rückführungsmaßnahme eingeräumt werden, sollte die vorrangig geplante Rückführung aus Gründen, die durch den Betroffenen zu vertreten sind, scheitern.

bb) Diese Angaben sind vor dem Hintergrund, dass die Haft auf die kürzest mögliche Dauer zu beschränken ist, unzureichend (§ 62 Abs. 1 Satz 2 AufenthG , näher BGH, Beschluss vom 10. Mai 2012 - V ZB 246/11, FGPrax 2012, 225 Rn. 10). Zwar ist eine nähere Erläuterung des für die Buchung eines Fluges mit Sicherheitsbegleitung erforderlichen Zeitaufwandes in aller Regel dann nicht geboten, wenn sich die Behörde auf eine Auskunft der zuständigen Stelle beruft, wonach dieser Zeitraum bis zu sechs Wochen beträgt. Ist aber ein längerer Zeitraum für die Organisation der Rückführung des Betroffenen erforderlich, bedarf es einer auf den konkreten Fall bezogenen Begründung, die dies nachvollziehbar erklärt (etwa Art des Fluges, Buchungslage der in Betracht kommenden Luftverkehrsunternehmen, Anzahl der Begleitpersonen, Personalsituation; vgl. BGH, Beschluss vom 20. September 2018 - V ZB 4/17, InfAuslR 2019, 23 Rn.11; Beschluss vom 7. März 2019 - V ZB 130/17, juris Rn. 7). Daran gemessen fehlt es hier an einer aussagekräftigen, auf den Einzelfall bezogenen Begründung dafür, warum die Rücküberstellung nach Algerien 10 bis 12 Wochen erfordert. Der pauschale Hinweis auf die "bundespolizeiliche Auslastung" genügt insoweit nicht. Den beschränkten Personalressourcen wird regelmäßig durch eine angemessene Vorlaufzeit von 6 Wochen Rechnung getragen, sofern nicht besondere Umstände eine andere Beurteilung rechtfertigen (vgl. BGH, Beschluss vom 23. Mai 2019 - V ZB 236/17, juris Rn. 10).

2. Der Fehler ist nicht geheilt worden.

a) Mängel des Haftantrags können behoben werden, indem die Behörde von sich aus oder auf richterlichen Hinweis ihre Darlegungen ergänzt und dadurch die Lücken in ihrem Haftantrag schließt oder indem der Haftrichter selbst die Voraussetzungen zur Durchführbarkeit der Ab- und Zurückschiebung des Ausländers und zu der dafür erforderlichen Haftdauer in seiner Entscheidung feststellt (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Juli 2014 - V ZB 80/13, InfAuslR 2014, 384 Rn. 21 ff.; Beschluss vom 7. März 2019 - V ZB 130/17, juris Rn. 9). Zwingende weitere Voraussetzung für eine Heilung ist in einem solchen Fall, dass der Betroffene zu den ergänzenden Angaben persönlich angehört wird (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 20. September 2018 - V ZB 4/17, InfAuslR 2019, 23 Rn. 14; Beschluss vom 7. März 2019 - V ZB 130/17, juris Rn. 9).

b) Die beteiligte Behörde hat im Beschwerdeverfahren die Angaben im Haftantrag lediglich wiederholt. Ferner ist eine persönliche Anhörung des Betroffenen unterblieben.

3. Im Übrigen wird von einer Begründung abgesehen (§ 74 Abs. 7 FamFG ).

Vorinstanz: AG Düsseldorf, vom 14.03.2018 - Vorinstanzaktenzeichen 151A XIV (B) 49/18
Vorinstanz: LG Düsseldorf, vom 14.05.2018 - Vorinstanzaktenzeichen 25 T 304/18