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BGH - Entscheidung vom 08.10.2019

XI ZR 632/18

Normen:
BGB a.F. § 355 Abs. 2 S. 2-3
BGB § 495 Abs. 1

BGH, Urteil vom 08.10.2019 - Aktenzeichen XI ZR 632/18

DRsp Nr. 2020/130

Widerruf der auf den Abschluss eines Verbraucherdarlehensvertrages gerichteten Willenserklärung bzgl. Belehrung über das Widerrufsrecht

Ein Darlehensgeber bildet mittels der Wendung, sofern der Verbraucher "nicht taggleich mit dem Vertragsabschluss" über sein Widerrufsrecht "belehrt worden" sei, betrage "die Frist einen Monat", den Anwendungsbereich des § 355 Abs. 2 Satz 2 BGB aF im Jahr 2004 zum Nachteil des Darlehensnehmers unzutreffend ab. Aufgrund dieser Formulierung grenzte die Widerrufsbelehrung die vor oder bei Vertragsschluss erteilte Belehrung unzutreffend von der Nachbelehrung ab. Dies entsprach nicht der damaligen Gesetzeslage.

Tenor

Auf die Revision des Klägers und unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen wird der Beschluss des 17. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 25. April 2018 mit Ausnahme der Entscheidung über die Erstattung vorgerichtlich verauslagter Anwaltskosten aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Normenkette:

BGB a.F. § 355 Abs. 2 S. 2-3; BGB § 495 Abs. 1 ;

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit des Widerrufs der auf den Abschluss eines Verbraucherdarlehensvertrages gerichteten Willenserklärung des Klägers.

Die Parteien schlossen am 4. Juni 2004 zur Finanzierung der Errichtung eines Zweifamilienhauses einen Darlehensvertrag über 215.000 € mit einem bis zum 30. Juni 2012 festen Nominalzinssatz von 4,55% p.a. Zur Sicherung der Ansprüche der Beklagten diente u.a. ein Grundpfandrecht. Bei Abschluss des Darlehensvertrages belehrte die Beklagte den Kläger über sein Widerrufsrecht wie folgt:

Der Kläger erbrachte Zins- und Tilgungsleistungen. Vor Ablauf der Zinsbindungsfrist vereinbarten die Parteien am 7. Mai 2012 eine Prolongation des Darlehens zu einem bis zum 30. Juni 2022 festen Nominalzinssatz von 3% p.a. Mit Schreiben vom 31. Mai 2016 widerrief der Kläger seine auf den Abschluss des Darlehensvertrages gerichtete Willenserklärung.

Seine Klage auf Feststellung, dass der Darlehensvertrag durch den Widerruf in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt worden sei, so dass der Kläger der Beklagten aus diesem Schuldverhältnis nur noch 73.021,67 € abzüglich weiterer, seit dem 30. März 2017 erbrachter Zahlungen schulde, sowie auf die Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten hat das Landgericht abgewiesen. Die dagegen gerichtete Berufung, mit der der Kläger sein erstinstanzliches Klagebegehren vollumfänglich weiterverfolgt sowie um den Hilfsantrag erweitert hat, festzustellen, dass der Beklagten aus dem Darlehensvertrag seit dem Zugang des Widerrufs kein Anspruch auf Vertragszins und Tilgung mehr zustehe, so dass der Kläger der Beklagten aus diesem Schuldverhältnis nur noch 73.021,67 € abzüglich weiterer, seit dem 30. März 2017 erbrachter Zahlungen schulde, hat das Berufungsgericht durch einstimmigen Beschluss gem. § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die vom Senat zugelassene Revision, mit der der Kläger seine Klageanträge in der zuletzt gestellten Form weiterverfolgt.

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers hat überwiegend Erfolg. Soweit der Kläger die Erstattung vorgerichtlich verauslagter Anwaltskosten begehrt, hat die Revision hingegen keinen Erfolg und ist durch Endurteil zurückzuweisen.

I.

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung - soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung - ausgeführt:

Dem Kläger habe nach § 495 Abs. 1 BGB i.V.m. § 355 BGB in der bis zum 7. Dezember 2004 geltenden Fassung (künftig: aF) ein Widerrufsrecht zugestanden, über das er gemäß § 355 BGB aF zu belehren gewesen sei. Die im Darlehensvertrag enthaltene Widerrufsbelehrung sei ordnungsgemäß erfolgt, so dass die Widerrufsfrist bei Ausübung des Widerrufs im Jahre 2016 bereits abgelaufen gewesen sei. Insbesondere habe die Beklagte den Kläger hinreichend deutlich über die Länge der Widerrufsfrist belehrt. Mit dem Abstellen auf eine bezogen auf den Vertragsschluss taggleiche Belehrung habe die Beklagte ausreichend klargestellt, von welchen Voraussetzungen die im Text der Belehrung alternativ genannten Fristlängen abhängen würden. Hierbei habe die Beklagte sich zulässig am Wortlaut des § 355 Abs. 2 Satz 2 BGB aF orientiert.

II.

Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Das Berufungsgericht ist rechtsfehlerhaft zu dem Ergebnis gelangt, die Beklagte habe den Kläger bei Vertragsschluss hinreichend deutlich über sein Widerrufsrecht belehrt, so dass er seine auf den Abschluss des Darlehensvertrags gerichtete Willenserklärung im Mai 2016 nicht mehr habe widerrufen können.

1. Das Berufungsgericht ist allerdings auf der Grundlage des nach Art. 229 § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 22 Abs. 2 , § 32 Abs. 1 , § 38 Abs. 1 EGBGB maßgeblichen Rechts zutreffend davon ausgegangen, dass dem Kläger ursprünglich das Recht zugestanden hat, seine auf Abschluss des Darlehensvertrages gerichtete Willenserklärung nach § 495 Abs. 1 BGB zu widerrufen.

2. Allerdings hat das Berufungsgericht zu Unrecht angenommen, die Beklagte habe den Kläger nach Maßgabe des § 355 BGB aF hinreichend deutlich über die Länge der Widerrufsfrist unterrichtet.

a) Zwar ist das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass die Erschwerung der Bedingungen für das Anlaufen der Widerrufsfrist gegenüber § 355 Abs. 2 Satz 3 BGB aF ("Aushändigung der Ausfertigung der Vertragsurkunde") ausschließlich zulasten der Beklagten wirkte und daher wirksam war (Senatsurteile vom 22. November 2016 - XI ZR 434/15, BGHZ 213, 52 Rn. 23 ff. und vom 16. Oktober 2018 - XI ZR 370/17, WM 2018, 2185 Rn. 8). Richtig ist auch die Annahme des Berufungsgerichts, dass die - ersichtlich aufgrund eines Schreibversehens erfolgte - Verwendung des Begriffs "Widerspruchsrecht" statt "Widerrufsrecht" in der zweiten Zeile der Belehrung deren Deutlichkeit nicht tangierte (Senatsurteil vom 16. Oktober 2018, aaO Rn. 8 mwN).

b) Allerdings bildete die Beklagte mittels der Wendung, sofern der Verbraucher "nicht taggleich mit dem Vertragsabschluss" über sein Widerrufsrecht "belehrt worden" sei, betrage "die Frist einen Monat", entgegen der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts den Anwendungsbereich des § 355 Abs. 2 Satz 2 BGB aF - dem Darlehensnehmer nachteilig - unzutreffend ab, wie der Senat nach Erlass der Entscheidung des Berufungsgerichts für eine gleichlautende Widerrufsbelehrung entschieden und näher begründet hat. Denn aufgrund dieser Formulierung grenzte die Widerrufsbelehrung der Beklagten die vor oder bei Vertragsschluss erteilte Belehrung unzutreffend von der Nachbelehrung ab. Sie subsumierte den Fall, in dem die Widerrufsbelehrung am Tag des Vertragsschlusses, aber nach einer Unterbrechung des Geschehensablaufes erteilt wurde, damit unter § 355 Abs. 1 Satz 2 BGB aF statt unter § 355 Abs. 2 Satz 2 BGB aF. Dies entsprach nicht der Gesetzeslage (Senatsurteile vom 16. Oktober 2018 - XI ZR 370/17, WM 2018, 2185 Rn. 9 ff. und vom 9. April 2019 - XI ZR 70/18, juris Rn. 13 f.).

III.

Das Berufungsurteil ist nur insoweit aus anderen Gründen richtig, als das Berufungsgericht der Berufung des Klägers betreffend die Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten den Erfolg versagt hat (§ 561 ZPO ). Ein solcher Anspruch besteht unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt (vgl. Senatsurteile vom 21. Februar 2017 - XI ZR 467/15, WM 2017, 906 Rn. 23 ff., 34 f., vom 19. September 2017 - XI ZR 523/15, juris Rn. 22, vom 10. Oktober 2017 - XI ZR 443/16, WM 2017, 2248 Rn. 27, vom 7. November 2017 - XI ZR 369/16, WM 2018, 45 Rn. 19, vom 21. November 2017 - XI ZR 106/16, WM 2018, 51 Rn. 16 und vom 27. November 2018 - XI ZR 174/17, BKR 2019, 243 Rn. 18). In diesem Umfang weist der Senat die Revision zurück.

IV.

Im Übrigen unterliegt das Berufungsurteil der Aufhebung (§ 562 ZPO ) und ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO ).

Von Rechts wegen

Verkündet am: 8. Oktober 2019

Vorinstanz: LG Mannheim, vom 19.09.2017 - Vorinstanzaktenzeichen 11 O 180/16
Vorinstanz: OLG Karlsruhe, vom 25.04.2018 - Vorinstanzaktenzeichen 17 U 140/17