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BGH - Entscheidung vom 15.01.2019

II ZR 393/17

Normen:
AktG § 112 S. 1

BGH, Urteil vom 15.01.2019 - Aktenzeichen II ZR 393/17

DRsp Nr. 2019/4147

Nichtigkeit eines Geschäftsanteilskaufvertrag wegen Verstoßes gegen § 112 S. 1 AktG ; Anwendbarkeit des § 112 S. 1 AktG bei Rechtsgeschäften mit einer Ein-Personen-Gesellschaft eines Vorstandsmitglieds; Vorstandsmitglied als alleiniger Gesellschafter einer Gesellschaft

§ 112 Satz 1 AktG ist jedenfalls dann in erweiternder Auslegung anwendbar, wenn die Gesellschaft ein Rechtsgeschäft mit einer Gesellschaft abschließt, deren Alleingesellschafter ein Vorstandsmitglied ist. Für eine Erweiterung des Anwendungsbereichs auf Verträge mit einer Ein-Personen-Gesellschaft eines Vorstandsmitglieds spricht, dass sich auch in zahlreichen anderen Bereichen des Gesellschaftsrechts die Gleichstellung einer besonderen gesellschaftsrechtlichen Bindung unterliegenden Person mit einem Unternehmen, an dem sie maßgeblich beteiligt ist, findet, so z.B. im Rahmen des § 62 AktG .

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 22. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 20. April 2017 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Normenkette:

AktG § 112 S. 1;

Tatbestand

Die Beklagte, eine Aktiengesellschaft, schloss am 18. September 2013 mit der Klägerin und der Da. GmbH einen "Geschäftsanteilskauf- und Übertragungsvertrag" über deren Geschäftsanteile an der d. GmbH. Der von der Beklagten zu leistende Kaufpreis setzte sich jeweils aus einem Basiskaufpreis von 200.000 € sowie weiteren, u.a. von betrieblichen Kennzahlen abhängigen Kaufpreiskomponenten I bis III zusammen. Nach der Präambel des Vertrages sollten der Geschäftsführer und Alleingesellschafter der Klägerin T. und der Geschäftsführer und Alleingesellschafter der Da. GmbH D. eine Führungsposition bei der Beklagten oder einem mit ihr verbundenem Unternehmen übernehmen. Die Abtretung der Geschäftsanteile war nach den vertraglichen Vereinbarungen u.a. durch den Abschluss von Vorstandsdienstverträgen der Beklagten mit D. und T. aufschiebend bedingt, die ihrerseits wiederum nur bei fristgemäßer Zahlung des Basiskaufpreises in Kraft treten sollten. Bei Abschluss des Geschäftsanteilskaufvertrages wurde die Beklagte durch einen Bevollmächtigten ihres Vorstands vertreten.

Ebenfalls am 18. September 2013 wurde in einer Aufsichtsratssitzung der Beklagten die Bestellung von D. und T. zu Vorständen der Beklagten beschlossen und der Aufsichtsratsvorsitzende Dr. L. ermächtigt, die Vorstandsdienstverträge zu den in vorgelegten Vertragsentwürfen festgehaltenen Konditionen abzuschließen. Die Unterzeichnung der Vorstandsdienstverträge fand noch am selben Tag statt.

Die Klägerin nimmt die Beklagte im Wege des Urkundenprozesses auf Zahlung der Kaufpreiskomponente I in Höhe von 42.500 € in Anspruch. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin hatte keinen Erfolg.

Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Zahlungsanspruch weiter.

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin hat keinen Erfolg.

I.

Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung - soweit für das Revisionsverfahren von Interesse - im Wesentlichen wie folgt begründet:

Unabhängig davon, ob die Klägerin die zur Begründung ihres Anspruchs erforderlichen Tatsachen hinreichend im Sinne von § 592 ZPO nachgewiesen habe, sei die Klage jedenfalls deshalb unbegründet, weil der Geschäftsanteilskaufvertrag vom 18. September 2013 unter Verstoß gegen § 112 Satz 1 AktG zustande gekommen sei. § 112 Satz 1 AktG sei anwendbar, weil ein Rechtsgeschäft der Gesellschaft mit einer juristischen Person, die wirtschaftlich mit einem Vorstandsmitglied identisch sei, einem Geschäft mit dem Vorstandsmitglied selbst wegen der Parallelität der Interessenlage gleichstehe. Eine solche wirtschaftliche Identität bestehe im vorliegenden Fall, in dem das Vorstandsmitglied Alleingesellschafter und Geschäftsführer der juristischen Person sei. Unstreitig sei der Alleingesellschafter und einzelvertretungsberechtigte Geschäftsführer der Klägerin T. am 18. September 2013 wirksam zum Vorstandsmitglied der Beklagten bestellt worden. Ob diese Bestellung zeitlich vor oder nach der Beurkundung des Geschäftsanteilskaufvertrages am 18. September 2013 erfolgt sei, sei unerheblich, weil ein "werdendes Vorstandsmitglied", dessen Bestellung zeitlich so nah an dem zu beurteilenden Rechtsgeschäft liege, einem bereits bestellten Vorstandsmitglied gleichzustellen sei. Unerheblich sei auch, ob der Vorstandsdienstvertrag mangels Eintritts der darin vereinbarten aufschiebenden Bedingungen keine Wirksamkeit erlangt habe, weil es allein auf die Wirksamkeit der Bestellung ankomme. Keiner Entscheidung bedürfe zudem, ob der Verstoß gegen § 112 AktG die Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts gemäß § 134 BGB zur Folge habe, oder das Rechtsgeschäft gemäß §§ 177 ff. BGB schwebend unwirksam und genehmigungsfähig sei, weil es jedenfalls an einer Genehmigung des Geschäftsanteilskaufvertrages durch den Aufsichtsrat fehle.

II.

Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher Nachprüfung stand.

1. Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, dass § 112 Satz 1 AktG im vorliegenden Fall anwendbar ist.

a) Entgegen der Ansicht der Revision ist § 112 Satz 1 AktG nicht nur bei Rechtsgeschäften der Gesellschaft anwendbar, die mit dem Vorstandsmitglied selbst geschlossen werden, sondern auch bei Rechtsgeschäften mit einer Gesellschaft, deren alleiniger Gesellschafter ein Vorstandsmitglied ist.

aa) Der Bundesgerichtshof hat die Frage, ob § 112 Satz 1 AktG erweiternd dahingehend auszulegen ist, dass der Aufsichtsrat die Gesellschaft auch gegenüber Gesellschaften vertritt, in denen ein Vorstandsmitglied maßgeblichen Einfluss hat, bislang offengelassen (vgl. BGH, Urteil vom 12. März 2013 - II ZR 179/12, BGHZ 196, 312 Rn. 9; Urteil vom 28. April 2015 - II ZR 63/14, ZIP 2015, 1220 Rn. 32).

bb) In Literatur und obergerichtlicher Rechtsprechung werden hierzu unterschiedliche Auffassungen vertreten.

Eine Ansicht hält § 112 Satz 1 AktG im Hinblick auf den Schutzzweck der Regelung, eine unbefangene Interessenwahrnehmung der Gesellschaft sicherzustellen, bereits bei einer maßgeblichen Beteiligung oder beherrschendem Einfluss eines Vorstandsmitglieds in der anderen Gesellschaft für anwendbar (Spindler in Spindler/Stilz, AktG , 2. Aufl., § 112 Rn. 8, anders aber in der 3. Aufl.; Rupietta, NZG 2007, 801 , 802 ff.; Baetzgen, RNotZ 2005, 193, 216; weitergehend E. Vetter, Festschrift Günter H. Roth, 2011, S. 855, 860 ff.).

Nach anderer Meinung ist § 112 Satz 1 AktG dagegen aus Gründen der Klarheit im Rechtsverkehr und der Kompetenzverteilung zwischen Geschäftsführungs- und Kontrollorgan grundsätzlich eng auszulegen und selbst eine maßgebliche Beteiligung oder ein beherrschender Einfluss eines Vorstandsmitglieds an der anderen Gesellschaft für eine Anwendung der Vorschrift nicht ausreichend. Eine Ausnahme soll jedoch nach Sinn und Zweck der Regelung und zur Verhinderung von Umgehungsgeschäften bei einer (restriktiv zu verstehenden) wirtschaftlichen Identität eines Vorstandsmitglieds mit dem Vertragspartner (bzw. vertretenen Dritten) gelten, die insbesondere oder aber jedenfalls bei einer Ein-Personen-Gesellschaft des Vorstandsmitglieds gegeben sei (OLG Saarbrücken, ZIP 2012, 2205 , 2206 und ZIP 2014, 822 , 824; OLG Brandenburg, AG 2015, 428 Rn. 36; OLG Celle, AG 2012, 41 , 42; Grigoleit/Tomasic in Grigoleit, AktG , § 112 Rn. 6; Henssler in Henssler/Strohn, GesR, 3. Aufl., § 112 Rn. 3; Hüffer/Koch, AktG , 13. Aufl., § 112 Rn. 4; Mertens/Cahn in KK- AktG , 3. Aufl., § 112 Rn. 18; MünchKomm AktG/Habersack, 4. Aufl., § 112 Rn. 9; Drygala in K. Schmidt/Lutter, AktG , 3. Aufl., § 112 Rn. 11 f.; Spindler in Spindler/Stilz, AktG , 3. Aufl., § 112 Rn. 9; Werner, ZGR 1989, 369 , 373; Palzer, JZ 2013, 691 ; Bayer/Scholz, ZIP 2015, 1853 , 1856).

Eine dritte Auffassung lehnt hingegen jede Ausweitung von § 112 Satz 1 AktG über den Gesetzeswortlaut hinaus insbesondere aus Gründen der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit sowie unter Hinweis auf die gesetzliche Kompetenzverteilung ab (OLG München, ZIP 2012, 1024 , 1025 f.; Hopt/Roth in Großkomm. AktG , 4. Aufl., § 112 Rn. 43; Fischer, ZNotP 2002, 297 , 300 ff., aA aber "aus pragmatischen Gründen" in Gedächtnisschrift Gruson 2009, 131, 154; Witt, ZGR 2013, 668 , 679 ff.; Eßwein, AG 2015, 151 , 153).

cc) Der letztgenannten Ansicht ist nicht zu folgen. § 112 Satz 1 AktG ist jedenfalls dann in erweiternder Auslegung anwendbar, wenn die Gesellschaft ein Rechtsgeschäft mit einer Gesellschaft abschließt, deren Alleingesellschafter ein Vorstandsmitglied ist. Ob die Vorschrift darüber hinaus auch dann eingreift, wenn das Vorstandsmitglied nicht Alleingesellschafter der anderen Gesellschaft ist, sondern nur maßgeblichen Einfluss in ihr hat, bedarf hier keiner Entscheidung.

(1) Seinem Wortlaut nach gilt § 112 Satz 1 AktG allerdings nur für die Vertretung der Gesellschaft gegenüber dem Vorstandsmitglied selbst.

Den Gesetzesmaterialien lassen sich weder Anhaltspunkte für noch gegen eine erweiternde Auslegung des Begriffs des "Vorstandsmitglieds" im Sinne von § 112 AktG entnehmen. Nach der Begründung des Regierungsentwurfs (abgedruckt bei Kropff, Aktiengesetz 1965, S. 156) sollten mit der Neuregelung des § 112 AktG Zweifel und Auslegungsschwierigkeiten der bisherigen Regelung in § 37 AktG beseitigt werden, nach der bei Rechtsgeschäften mit Vorstandsmitgliedern auch der Vorstand neben dem Aufsichtsrat vertretungsbefugt war und die Gesellschaft bei Passivprozessen mit einem Vorstandsmitglied ebenfalls nicht ausschließlich durch den Aufsichtsrat vertreten wurde. Die Frage, wie weit der Begriff des Vorstandsmitglieds in § 112 Satz 1 AktG zu verstehen sei, war damit nicht Gegenstand der Neuregelung.

(2) Dass es sich in systematischer Hinsicht bei § 112 Satz 1 AktG um eine von wenigen gesetzlichen Ausnahmen von der ausschließlichen Vertretungsmacht des Vorstands (§ 78 Abs. 1 AktG ) handelt, mag zwar für eine enge Auslegung der Vorschrift sprechen, schließt ihre Erweiterung über den Wortlaut hinaus auf Fälle, die in ihren Schutzbereich fallen, aber nicht grundsätzlich aus (vgl. Rupietta, NZG 2007, 801 , 803).

Gegen eine erweiterte Anwendung der Vorschrift auf Ein-Personen-Gesellschaften eines Vorstandsmitglieds spricht auch nicht, dass § 112 Satz 1 AktG im Unterschied zu §§ 89 , 115 AktG , die eine ausdrückliche Erweiterung des Zustimmungsvorbehalts des Aufsichtsrats auf verschiedene Umgehungssachverhalte enthalten, keine gesonderte Regelung für Umgehungstatbestände enthält. Das allein lässt nicht den Schluss zu, der Gesetzgeber habe bei § 112 AktG bewusst von der Einbeziehung von Umgehungstatbeständen absehen und diesbezüglich mit §§ 89 , 115 AktG abschließende Regelungen für mögliche Interessenkollisionen bei Vorstandsmitgliedern treffen wollen. Ein bewusstes Absehen des Gesetzgebers von einem Umgehungsschutz kann regelmäßig nicht angenommen werden (vgl. BGH, Urteil vom 15. Januar 1990 - II ZR 164/88, BGHZ 110, 47 , 55 f.; Urteil vom 3. Juli 2006 - II ZR 151/04, BGHZ 168, 188 Rn. 11 zu § 114 ZPO ). Gegenteiliges ist auch hier weder der Begründung des Regierungsentwurfs zu § 112 AktG , noch zu § 89 und § 115 AktG (abgedruckt bei Kropff, Aktiengesetz 1965, S. 112 ff., 156, 159 f.) zu entnehmen.

Für eine Erweiterung des Anwendungsbereichs auf Verträge mit einer Ein-Personen-Gesellschaft eines Vorstandsmitglieds spricht, dass sich auch in zahlreichen anderen Bereichen des Gesellschaftsrechts die Gleichstellung einer besonderen gesellschaftsrechtlichen Bindung unterliegenden Person mit einem Unternehmen, an dem sie maßgeblich beteiligt ist, findet, so z.B. im Rahmen des § 62 AktG (vgl. z.B. Henze in Großkomm. AktG , 4. Aufl., § 62 Rn. 22), der §§ 30 f. GmbHG sowie des Rechts des Eigenkapitalersatzes (vgl. BGH, Urteil vom 21. September 1981 - II ZR 104/80, BGHZ 81, 311 , 315; Urteil vom 21. Juni 1999 - II ZR 70/98, ZIP 1999, 1315 ), wobei es nicht entscheidend darauf ankommt, ob es sich um eine Analogie oder um eine an Sinn und Zweck der Norm orientierte Gesetzesauslegung unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten handelt (vgl. BGH, Urteil vom 3. Juli 2006 - II ZR 151/04, BGHZ 168, 188 Rn. 11). Des Weiteren ist im Bereich von § 136 AktG anerkannt, dass ein Stimmrechtsausschluss auch dann anzunehmen ist, wenn die Stimmrechte durch eine Gesellschaft ausgeübt werden, auf die ein Organmitglied maßgeblichen Einfluss ausüben kann (vgl. BGH, Urteil vom 29. Januar 1962 - II ZR 1/61, BGHZ 36, 296 , 299; RGZ 146, 385 , 391), und es gelten die §§ 113 , 114 AktG nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch dann, wenn die Aktiengesellschaft einen Beratungsvertrag mit einem Unternehmen schließt, an dem ein Aufsichtsratsmitglied - nicht einmal notwendig beherrschend - beteiligt ist (vgl. BGH, Urteil vom 3. Juli 2006 - II ZR 151/04, BGHZ 168, 188 Rn. 11; Urteil vom 20. November 2006 - II ZR 279/05, BGHZ 170, 60 Rn. 8 ff.; Urteil vom 2. April 2007 - II ZR 325/05, ZIP 2007, 1056 Rn. 11).

(3) Für eine entsprechende Erweiterung des Anwendungsbereichs spricht insbesondere der Schutzzweck der Norm. § 112 Satz 1 AktG soll Interessenkollisionen vorbeugen und eine unbefangene, von sachfremden Erwägungen unbeeinflusste Vertretung der Gesellschaft gegenüber Vorstandsmitgliedern sicherstellen. Dabei ist es im Interesse der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit ausreichend, dass aufgrund der gebotenen und typisierenden Betrachtung in den von § 112 Satz 1 AktG geregelten Fällen regelmäßig die abstrakte Gefahr einer nicht unbefangenen Vertretung der Gesellschaft vorhanden ist (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juni 1995 - II ZR 122/94, BGHZ 130, 108 , 111 f.; Urteil vom 16. Februar 2009 - II ZR 282/07, ZIP 2009, 717 Rn. 7 mwN).

Hierbei kann es keinen entscheidenden Unterschied machen, ob das Vorstandsmitglied einen Vertrag im eigenen Namen mit der Gesellschaft abschließt, oder ob Vertragspartner der Gesellschaft eine Gesellschaft ist, deren alleiniger Gesellschafter das Vorstandsmitglied ist. In diesem Fall wirtschaftlicher Identität sind das Vorstandsmitglied und die ihm gehörende Gesellschaft, die letztlich nur einen organisatorisch verselbständigten Teil seines Vermögens darstellt (vgl. Baetzgen, RNotZ 2005, 193, 216), gleichzusetzen. Wirtschaftlich unterscheidet sich die Situation nicht von dem von § 112 Satz 1 AktG eindeutig erfassten Fall, dass das Vorstandsmitglied für eine ihm gehörende Einzelfirma auftritt (vgl. Werner, ZGR 1989, 369 , 374). In beiden Fällen besteht gleichermaßen die Gefahr der Befangenheit des Vorstands, da jede Entscheidung automatisch ersichtlich direkt auch die persönlichen wirtschaftlichen Interessen eines der Vorstandsmitglieder betrifft. Ohne Einbeziehung der Ein-Personen-Gesellschaft eines Vorstandsmitglieds wäre dagegen einer Umgehung des § 112 Satz 1 AktG und des von ihm bezweckten Schutzes der Interessen der Gesellschaft durch Einschaltung einer solchen Gesellschaft Tür und Tor geöffnet.

(4) Der Senat verkennt nicht, dass § 112 Satz 1 AktG auch der Sicherheit und Klarheit im Rechtsverkehr dienen soll (so die Begründung des Regierungsentwurfs, Kropff, Aktiengesetz 1965, S. 156). Auch das steht der Erweiterung des Anwendungsbereichs der Vorschrift jedenfalls auf Ein-Personen-Gesellschaften nicht entgegen.

Ob eine Ein-Personen-Gesellschaft gegeben ist, wird sich in der Regel unschwer feststellen lassen (vgl. Drygala in K. Schmidt/Lutter, AktG , 3. Aufl., § 112 Rn. 11). Auch der Aktiengesellschaft dürfte in der Regel bekannt sein, wenn ihr Vertragspartner nur einen Gesellschafter hat und es sich hierbei um eines ihrer Vorstandsmitglieder handelt, zumal das Vorstandsmitglied zum angemessenen Umgang mit Interessenkonflikten verpflichtet ist und im Hinblick auf § 88 Abs. 1 AktG die Gesellschaft über den Betrieb einer Ein-Personen-Gesellschaft ins Bild zu setzen hat (vgl. Bayer/Scholz, ZIP 2015, 1853 , 1856).

Ob dies aus Gründen der Rechtssicherheit anders zu beurteilen ist, wenn das Vorstandsmitglied nicht Alleingesellschafter, sondern nur maßgeblich oder beherrschend an der anderen Gesellschaft beteiligt ist, bedarf im vorliegenden Fall, in dem das Vorstandsmitglied Alleingesellschafter der anderen Gesellschaft ist, keiner Entscheidung. Gleiches gilt für die weiter von der Revision aufgeworfene Frage, ob ein unter § 112 Satz 1 AktG zu fassender Fall "wirtschaftlicher Identität" auch dann anzunehmen ist, wenn das Vorstandsmitglied nur über sämtliche Vermögens-, nicht aber auch über sämtliche Verwaltungsrechte verfügt oder aber nur eine mittelbare/Treuhandbeteiligung vorliegt.

(5) Auch der Einwand, eine Erweiterung des § 112 Satz 1 AktG über seinen Wortlaut hinaus stelle einen ungerechtfertigten Eingriff in das gesetzliche Kompetenzgefüge dar und gehe deutlich über die dem Aufsichtsrat nach § 111 Satz 1 AktG zukommende Überwachungs- und Kontrollfunktion hinaus (vgl. Hopt/Roth in Großkomm. AktG , 3. Aufl., § 112 Rn. 43; Fischer, ZNotP 2002, 297 , 301), gibt keinen Anlass zu einer anderen Beurteilung. Zutreffend ist, dass bei der Erweiterung des § 112 Satz 1 AktG auf Ein-Personen-Gesellschaften ein Widerspruch zu § 111 Abs. 4 Satz 1 AktG entsteht, da dem Aufsichtsrat danach keine Maßnahmen der Geschäftsführung übertragen werden können. Dieser Widerspruch ist aber in § 112 Satz 1 AktG angelegt und in Abwägung mit der andernfalls eröffneten Möglichkeit einer Umgehung der Norm und ihres Schutzzwecks hinzunehmen (vgl. Drygala in K. Schmidt/Lutter, AktG , 3. Aufl., § 112 Rn. 11; Bayer/Scholz, ZIP 2015, 1853 , 1856).

(6) Schließlich lässt sich gegen eine Erweiterung des § 112 Satz 1 AktG auch nicht einwenden, der Schutz vor Umgehungen in Fällen wirtschaftlicher Identität lasse sich hinreichend durch eine vertragliche Verpflichtung des einzelnen Vorstandsmitglieds zur Aufklärung über einen Interessenkonflikt und durch einen allgemeinen Zustimmungsvorbehalt des Aufsichtsrats nach § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG für Geschäfte mit dem Vorstand nahestehenden Personen oder Gesellschaften sicherstellen (so Hopt/Roth in Großkomm. AktG , 3. Aufl., § 112 Rn. 43; Witt, ZGR 2013, 668 , 684 f.; ferner Hambloch-Gesinn/Gesinn in Hölters, AktG , 3. Aufl., § 112 Rn. 7). Beide Möglichkeiten haben nicht die gleiche Wirkung wie § 112 Satz 1 AktG , durch den - unabhängig davon, ob ein Verstoß gegen § 112 Satz 1 AktG zur Nichtigkeit des betroffenen Rechtsgeschäfts oder nur zur Anwendung der §§ 177 ff. BGB führt - gewährleistet ist, dass das Geschäft jedenfalls nicht ohne Genehmigung des Aufsichtsrats im Außenverhältnis wirksam wird.

Entsprechendes gilt für den Hinweis auf einen Schutz durch die Regeln über den Missbrauch der Vertretungsmacht, durch Schadensersatzansprüche gemäß § 93 AktG oder, in besonders gravierenden Fällen, durch § 138 BGB (vgl. Fischer, ZNotP 2002, 297 , 302). Hierbei handelt es sich um lediglich nachträgliche Schutzinstrumente, die bereits deshalb nicht der präventiven Schutzintensität des § 112 Satz 1 AktG gleichkommen (vgl. Rupietta, NZG 2007, 801 , 804).

b) Das Berufungsgericht hat im Weiteren ebenfalls zutreffend angenommen, dass es für die Anwendung von § 112 AktG keine Rolle spielt, ob die Bestellung T. zeitlich vor oder nach der Beurkundung des Geschäftsanteilskaufvertrages am 18. September 2013 erfolgt ist.

aa) Auch insoweit ist der Wortlaut der Vorschrift zu eng und der Aufsichtsrat nicht nur gegenüber amtierenden Vorstandsmitgliedern zur Vertretung befugt, sondern auch zu Personen, die erst künftig zum Vorstand bestellt werden sollen (vgl. BGH, Urteil vom 13. Januar 1958 - II ZR 212/56, BGHZ 26, 236 zum AktG 1937). Das gilt jedenfalls dann, wenn es um Rechtsgeschäfte geht, die im Vorfeld der beabsichtigten Bestellung erfolgen und mit dieser in Zusammenhang stehen (vgl. Hüffer/Koch, AktG , 13. Aufl., § 112 Rn. 2; Hopt/Roth in Großkomm. AktG , 4. Aufl., § 112 Rn. 19; Mertens/Cahn in KK- AktG , 3. Aufl., § 112 Rn. 15; MünchKommAktG/Habersack, 4. Aufl., § 112 Rn. 11; Spindler in Spindler/Stilz, AktG , 3. Aufl., § 112 Rn. 6). Andernfalls wäre auch hier einer Umgehung des von § 112 Satz 1 AktG bezweckten Schutzes der Interessen der Gesellschaft durch die bloße zeitliche Abfolge von Abschluss des Rechtsgeschäfts und Bestellung zum Vorstand Tür und Tor geöffnet. Im Hinblick darauf ist die ggf. im Einzelfall bestehende Unsicherheit, ob ein Rechtsgeschäft vor der Bestellung zum Vorstand bereits unter § 112 Satz 1 AktG zu fassen ist oder nicht, hinzunehmen.

bb) Danach ist § 112 Satz 1 AktG hier auch dann auf den Geschäftsanteilskaufvertrag der Parteien anwendbar, wenn dieser noch vor der Bestellung T. zum Vorstand der Klägerin beurkundet wurde. Die Vertragsbeurkundung und die Bestellung standen nicht nur in einem engen zeitlichen Zusammenhang, sondern waren auch inhaltlich miteinander verknüpft, da die Abtretung der Geschäftsanteile durch den Abschluss des Vorstandsdienstvertrags und dieser wiederum durch die Zahlung des Basiskaufpreises aufschiebend bedingt war.

c) Die Bestellung T. zum Vorstand am 18. September 2013 war nach den rechtsfehlerfreien und von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen wirksam. Ob der Vorstandsdienstvertrag T. mangels Eintritts der darin vereinbarten aufschiebenden Bedingungen nicht wirksam geworden ist, hat das Berufungsgericht zu Recht als unerheblich angesehen.

2. Ob der Verstoß gegen § 112 Satz 1 AktG zur Nichtigkeit des Geschäftsanteilskaufvertrags gemäß § 134 BGB oder aber zur Anwendbarkeit der §§ 177 ff. BGB mit der Folge führt, dass der Vertrag unwirksam ist und genehmigungsfähig bleibt, kann hier offenbleiben, weil nach den zugrunde zu legenden Feststellungen davon auszugehen ist, dass der Vertrag jedenfalls auch nicht durch den Aufsichtsrat genehmigt worden ist.

Eine solche Genehmigung (oder Zustimmung) ergibt sich entgegen der Ansicht der Streithelferin auch nicht in Auslegung des Beschlusses des Aufsichtsrats vom 18. September 2013 über die Bestellung D. und T. zu Vorständen der Beklagten und die Ermächtigung des Aufsichtsratsvorsitzenden zum Abschluss der entsprechenden Vorstandsdienstverträge. Zwar sind Aufsichtsratsbeschlüsse, auch wenn sie aus Gründen der Rechtssicherheit ausdrücklich gefasst werden müssen, gleichwohl der Auslegung zugänglich. Diese Auslegung ist auch nicht auf den Wortlaut des Beschlusses beschränkt, sondern kann auch außerhalb des Beschlusstextes zum Ausdruck kommende Umstände einbeziehen (vgl. BGH, Urteil vom 27. Oktober 2015 - II ZR 296/14, BGHZ 207, 190 Rn. 28 mwN).

Insoweit hat aber bereits das Landgericht zutreffend angenommen, dass allein der Umstand, dass die Aufsichtsratsmitglieder bei der Beschlussfassung Kenntnis von dem Geschäftsanteilskaufvertrag und dessen Zusammenhang mit den Vorstandsbestellungen hatten, im vorliegenden Fall nicht ausreicht, um die Beschlussfassung über die Vorstandsbestellungen auch als Zustimmung zu bzw. Genehmigung des Geschäftsanteilskaufvertrages auszulegen. Nach den - vom Berufungsgericht in Bezug genommenen und von der Klägerin und ihrer Streithelferin nicht angegriffenen - Feststellungen des Landgerichts dachte nach dem Vorbringen beider Parteien keiner der Beteiligten bis zum Frühjahr 2015 an die Möglichkeit, dass bei Abschluss des Geschäftsanteilskaufvertrages eine Vertretung durch den Aufsichtsrat gemäß § 112 Satz 1 AktG geboten und damit dessen Zustimmung oder Genehmigung des Rechtsgeschäfts erforderlich sein könnte. War sich damit aber keiner der Beteiligten der Möglichkeit einer schwebenden Unwirksamkeit des Geschäftsanteilskaufvertrages bei der Beschlussfassung am 18. September 2013 bewusst oder rechnete zumindest damit, kann, wie das Landgericht rechtsfehlerfrei festgestellt hat, der Beschluss weder aus Sicht der Aufsichtsratsmitglieder noch aus Sicht der Klägerin als gleichzeitige Genehmigung oder Zustimmung zum Geschäftsanteilskaufvertrag verstanden werden (vgl. Palandt/Ellenberger, BGB , 78. Aufl., § 133 Rn. 11 mwN).

Von Rechts wegen

Verkündet am: 15. Januar 2019

Vorinstanz: LG Darmstadt, vom 03.11.2015 - Vorinstanzaktenzeichen 12 O 391/14
Vorinstanz: OLG Frankfurt/Main, vom 20.04.2017 - Vorinstanzaktenzeichen 22 U 158/15