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BGH - Entscheidung vom 17.10.2019

StB 26/19

Normen:
StGB § 129b Abs. 1 S. 2-3
StPO § 112 Abs. 2 Nr. 2
StPO § 112 Abs. 3

BGH, Beschluss vom 17.10.2019 - Aktenzeichen StB 26/19

DRsp Nr. 2019/16440

Anordnung der Untersuchungshaft bei Vorliegen des dringenden Tatverdachts der Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung; Verbringen der Kinder in ein Kampfgebiet als gröbliche Verletzung der Fürsorgepflicht und Erziehungspflicht; Haftgrund der Fluchtgefahr

Tenor

1.

Auf die Beschwerde der Beschuldigten wird der Haftbefehl des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 2. September 2019 ( 2 BGs 596/19) dahin geändert, dass die Beschuldigte der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland in drei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Ausübung der tatsächlichen Gewalt über eine Kriegswaffe sowie in einem weiteren Fall in Tateinheit mit Verletzung der Fürsorge- und Erziehungspflicht, nach § 129a Abs. 1 Nr. 1, § 129b Abs. 1 Sätze 1 und 2, §§ 171 , 52 , 53 StGB , § 22a Abs. 1 Nr. 6 Buchst. a KrWaffKG i.V.m. Teil B Nr. 29 Buchst. c der Anlage zu § 1 Abs. 1 KrWaffKG dringend verdächtig ist.

2.

Die weitergehende Beschwerde wird verworfen.

3.

Die Beschwerdeführerin hat die Kosten ihres Rechtsmittels zu tragen.

Normenkette:

StGB § 129b Abs. 1 S. 2-3; StPO § 112 Abs. 2 Nr. 2 ; StPO § 112 Abs. 3 ;

Gründe

I.

Der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs hat am 2. September 2019 ( 2 BGs 596/19) Haftbefehl gegen die Beschuldigte wegen des Vorwurfs erlassen, sie habe sich in der Zeit von Ende Januar 2015 bis August 2016 in zwei rechtlich selbständigen Fällen als Mitglied an der ausländischen terroristischen Vereinigung "Islamischer Staat" (IS) beteiligt, deren Zwecke und deren Tätigkeit darauf gerichtet seien, Mord (§ 211 StGB ) oder Totschlag (§ 212 StGB ) oder Kriegsverbrechen (§§ 8 , 9 , 10 , 11 oder 12 VStGB ) zu begehen, jeweils tateinheitlich dazu - in drei rechtlich zusammentreffenden Fällen - ihre Fürsorge- und Erziehungspflicht gegenüber einer Person unter sechzehn Jahren gröblich verletzt und dadurch den Schutzbefohlenen in die Gefahr gebracht, in seiner körperlichen und psychischen Entwicklung erheblich geschädigt zu werden, sowie zusätzlich in einem Fall tateinheitlich die tatsächliche Gewalt über Kriegswaffen ohne Genehmigung nach § 2 Abs. 2 KrWaffKG erworben, strafbar gemäß § 129a Abs. 1 Nr. 1, § 129b Abs. 1 Sätze 1 und 2, § 171 StGB , § 22a Abs. 1 Nr. 2 KrWaffKG, §§ 52 , 53 StGB . Der Haftbefehl ist mit Beschluss vom 10. September 2019 (2 BGs 663/19) in Vollzug gesetzt worden.

Die Beschuldigte hat durch ihren Verteidiger Beschwerde gegen den Haftbefehl eingelegt und wendet im Wesentlichen ein, ein dringender Tatverdacht liege nicht vor. Die Haushaltsführung und die Kinderbetreuung in Syrien stellten keine mitgliedschaftliche Beteiligungshandlung dar, da die Beschuldigte gegenüber ihrem jeweiligen Ehemann zur ehelichen Lebensgemeinschaft verpflichtet gewesen und das Verhalten für die Vereinigung nicht von Nutzen gewesen sei. Im Übrigen könne einer etwaigen Fluchtgefahr durch eine Meldeauflage und die Stellung einer Kaution begegnet werden. Der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs hat der Beschwerde nicht abgeholfen. Der Generalbundesanwalt hat beantragt, die Beschwerde als unbegründet zu verwerfen, der Verteidiger sein Vorbringen daraufhin vertieft.

II.

Die gemäß § 304 Abs. 5 StPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde ist im Wesentlichen unbegründet, führt indes in Bezug auf das Kriegswaffendelikt und die konkurrenzrechtliche Bewertung zu einer Änderung des Haftbefehls.

1. Nach dem gegenwärtigen Ermittlungsstand ist im Sinne eines dringenden Tatverdachts von folgendem Sachverhalt auszugehen:

a) Der IS ist eine Organisation mit militant-fundamentalistischer islamischer Ausrichtung, die es sich ursprünglich zum Ziel gesetzt hatte, einen das Gebiet des heutigen Irak und die historische Region "ash-Sham" - die heutigen Staaten Syrien, Libanon und Jordanien sowie Palästina - umfassenden und auf ihrer Ideologie gründenden "Gottesstaat" unter Geltung der Sharia zu errichten und dazu die schiitisch dominierte Regierung im Irak und das Regime des syrischen Präsidenten Assad zu stürzen. Zivile Opfer nahm und nimmt sie bei ihrem fortgesetzten Kampf in Kauf, weil sie jeden, der sich ihren Ansprüchen entgegenstellt, als "Feind des Islam" begreift; die Tötung solcher "Feinde" oder ihre Einschüchterung durch Gewaltakte sieht der IS als legitimes Mittel des Kampfes an.

Die Führung der Vereinigung, die sich mit dem Ausrufen des "Kalifats" im Juni 2014 von "Islamischer Staat im Irak und in Großsyrien" (ISIG) in IS umbenannte und damit von der territorialen Selbstbeschränkung Abstand nahm, hat seit 2010 der "Emir" Abu Bakr al-Baghdadi inne. Al-Baghdadi war von seinem Sprecher zum "Kalifen" erklärt worden, dem die Muslime weltweit Gehorsam zu leisten hätten. Dem "Kalifen" unterstehen ein Stellvertreter sowie "Minister" als Verantwortliche für einzelne Bereiche, so ein "Kriegsminister" und ein "Propagandaminister". Zur Führungsebene gehören außerdem beratende "ShuraRäte". Veröffentlichungen werden in der Medienabteilung "Al-Furqan" produziert und über die Medienstelle "al-l’tisam" verbreitet, die dazu einen eigenen Twitter-Kanal und ein Internetforum nutzt. Das auch von Kampfeinheiten verwendete Symbol der Vereinigung besteht aus dem "Prophetensiegel" (einem weißen Oval mit der Inschrift: "Allah - Rasul - Muhammad") auf schwarzem Grund, ergänzt um das islamische Glaubensbekenntnis. Die mehreren Tausend Kämpfer sind dem "Kriegsminister" unterstellt und in lokale Kampfeinheiten mit jeweils einem Kommandeur gegliedert.

Die Vereinigung teilte die von ihr besetzten Gebiete in Gouvernements ein und richtete einen Geheimdienstapparat ein; diese Maßnahmen zielten auf das Schaffen totalitärer staatlicher Strukturen. Angehörige der syrischen Armee, aber auch von in Gegnerschaft zum IS stehenden Oppositionsgruppen, ausländische Journalisten und Mitarbeiter von Nichtregierungsorganisationen sowie Zivilisten, die den Herrschaftsbereich des IS in Frage stellen, sahen sich der Verhaftung, Folter und der Hinrichtung ausgesetzt. Filmaufnahmen von besonders grausamen Tötungen wurden mehrfach vom ISIG bzw. IS zu Zwecken der Einschüchterung veröffentlicht. Darüber hinaus begeht die Vereinigung immer wieder Massaker an Teilen der Zivilbevölkerung und außerhalb ihres Machtbereichs Terroranschläge. So hat sie für Anschläge in Europa, etwa in Frankreich, Belgien und Deutschland, die Verantwortung übernommen.

b) Die Beschuldigte vertrat eine radikal-islamistische Einstellung und identifizierte sich mit der Ideologie sowie den Zielen des IS. Im Januar 2015 reiste sie mit ihren drei in den Jahren 2007, 2013 sowie 2014 geborenen Kindern in die Türkei und von dort weiter bewusst in das seinerzeit faktisch vom IS beherrschte Gebiet von Raqqa (Syrien). Dort befand sich bereits ihr damaliger Ehemann H. , der sich als Kämpfer in den IS eingegliedert hatte. Die Beschuldigte lebte zunächst mit ihren Kindern in einem Frauenhaus des IS getrennt von ihrem Ehemann und anschließend gemeinsam mit diesem in einer Wohnung in Raqqa. Sie erzog ihre Kinder im Sinne der Ideologie des IS und kleidete sie beispielsweise mit Utensilien, die das von der Vereinigung genutzte Symbol (Prophetensiegel nebst Glaubensbekenntnis) zeigten. Ihre älteste Tochter besuchte eine Schule der Vereinigung. Die Beschuldigte fühlte sich dem IS zugehörig und befolgte dessen Anweisungen. Dieser leistete Zahlungen nicht nur für ihren Ehemann, sondern auch für die Beschuldigte und ihre Kinder.

Im Frühjahr 2015 wurde der Ehemann der Beschuldigten im Zusammenhang mit Gefechten in der Nähe der syrischen Stadt Kobane getötet. Sie erhielt daraufhin eine Kondolenzzahlung von 1.000 US-Dollar. Gleichzeitig stand ihr - wenigstens einmalig - der Sold in Höhe von 310 US-Dollar zur Verfügung. Im Anschluss vermählte sie sich nach islamischem Ritus mit C. , der ebenfalls dem IS angehörte, für diesen kämpfte und ein Freund ihres verstorbenen Ehemannes gewesen war. Gegenüber Kommunikationspartnerinnen in Deutschland lobte sie die Situation im Gebiet des IS und warb dafür, dorthin zu kommen.

Während ihrer Zugehörigkeit zum IS hatte die Beschuldigte im Frühjahr 2015 Zugriff auf ein Sturmgewehr Kalaschnikow AKS, das sie auch öffentlich mit sich führte.

Nachdem die Beschuldigte schwanger geworden war, verließ sie Mitte 2016 das Gebiet des IS und bemühte sich um eine Rückreise nach Deutschland. Dort reiste sie am 1. September 2016 ein; am 6. September 2016 wurde ihre jüngste Tochter in Ha. geboren.

2. Der dringende Tatverdacht stützt sich hinsichtlich der außereuropäischen terroristischen Vereinigung "Islamischer Staat", wie dem Senat aus anderen Verfahren bekannt ist, auf entsprechende allgemeine Ermittlungsergebnisse des Generalbundesanwalts, insbesondere auf Gutachten des Sachverständigen Dr. S. , Auswertevermerke des Bundeskriminalamts und Behördenerklärungen des Bundesnachrichtendienstes.

Zum Aufenthalt der Beschuldigten in Syrien hat diese am 31. August 2016 Angaben in der Rechts- und Konsularabteilung der Deutschen Botschaft Ankara gemacht (vgl. zur Verwertbarkeit allgemein BGH, Beschluss vom 14. September 2010 - 3 StR 573/09, BGHSt 55, 314 Rn. 7). Sie hat erklärt, von ihrem Ehemann H. mit den Kindern für einen vermeintlichen Urlaub in die Türkei gelockt und von dort auf syrisches Gebiet gebracht worden zu sein. Sie habe, zumal nach dem Tod ihres Ehemannes, sofort nach Deutschland zurückkehren wollen. Dies sei aber nicht möglich gewesen. Sie habe auf entsprechendes Angebot wieder geheiratet und sei dann schließlich geflüchtet.

Soweit die Beschuldigte von dem Sachverhalt abweichende Angaben gemacht hat, werden diese nach dem gegenwärtigen Ermittlungsstand von der Beweislage widerlegt, vor allem aufgrund überwachter Telekommunikation und sichergestellter Daten.

a) Eine Vielzahl von Dateien sowie Angaben der Beschuldigten in Telefonaten deuten darauf hin, dass sie mit ihren Kindern bewusst nach Syrien in vom IS besetztes Gebiet reiste und sich der Vereinigung anschloss.

Die Beschuldigte trat vor ihrer Ausreise nach Syrien nur vollverschleiert in der Öffentlichkeit auf. Da sie ihre älteste Tochter von der Schule abmeldete, ging sie ersichtlich davon aus, dauerhaft Ha. zu verlassen und nicht lediglich für einen Urlaub in die Türkei zu reisen. In einer späteren E-Mail teilte sie mit, dass sie ihren Schritt nicht eine Sekunde bereue.

Auf einem der Lichtbilder, die sich auf einem bei der Beschuldigten sichergestellten Laptop fanden, ist ihr im Februar 2013 geborener Sohn abgebildet, der eine Flecktarnuniform sowie eine schwarze Mütze trägt, welche die vom IS verwendete Symbolik zeigt. Den Zeigefinger der rechten Hand hat er demonstrativ erhoben. Auf einem anderen Bild hantiert er in entsprechender Bekleidung mit einem Funkgerät und einer Pistole. Überdies ist auf den Bildern etwa der mit einem Sturmgewehr bewaffnete, mit einer Flecktarnuniform bekleidete H. nebst seinen beiden älteren Kindern zu sehen. Weitere Fotos zeigen H. und C. samt Bewaffnung sowie C. augenscheinlich neben der verschleierten Beschuldigten.

Ferner enthielt der Laptop E-Mails der Beschuldigten, die ihren Aufenthalt beim IS zum Gegenstand haben, sowie dem IS zuzurechnende Propagandavideos und islamistische Kampflieder.

b) Dass die Beschuldigte in Syrien auf ein automatisches Gewehr zugreifen konnte, ergibt sich aus verschiedenen Fotos. Auf einer der - wohl im März 2015 erstellten - Aufnahmen ist eine entsprechende Waffe mit einer der Beschuldigten zuzuordnenden Tasche zu sehen. Zu dem von einer Journalistin über die Beschuldigte veröffentlichten Video, in dem unter anderem eine vollverschleierte Frau mit einer Langwaffe in einem Ladengeschäft abgebildet ist, äußerte sich die Beschuldigte in einem Telefonat, sie wisse nicht einmal mehr, wer dieses Foto gemacht habe; es sei eines von ihren Kindern gewesen.

3. In rechtlicher Hinsicht folgt daraus, dass sich die Beschuldigte mit hoher Wahrscheinlichkeit wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland in drei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit der Ausübung der tatsächlichen Gewalt über eine Kriegswaffe sowie in einem weiteren Fall in Tateinheit mit Verletzung der Fürsorge- und Erziehungspflicht - in drei rechtlich zusammentreffenden Fällen -, strafbar gemacht hat (§ 129a Abs. 1 Nr. 1, § 129b Abs. 1 Sätze 1 und 2, §§ 171 , 52 , 53 StGB ; § 22a Abs. 1 Nr. 6 Buchst. a KrWaffKG i.V.m. Teil B Nr. 29 Buchst. c der Anlage zu § 1 Abs. 1 KrWaffKG).

a) Die mitgliedschaftliche Beteiligung setzt eine gewisse formale Eingliederung des Täters in die Organisation voraus. Sie kommt nur in Betracht, wenn der Täter die Vereinigung von innen und nicht lediglich von außen her fördert. Insoweit bedarf es zwar keiner förmlichen Beitrittserklärung oder einer förmlichen Mitgliedschaft. Notwendig ist aber, dass der Täter eine Stellung innerhalb der Vereinigung einnimmt, die ihn als zum Kreis der Mitglieder gehörend kennzeichnet und von den Nichtmitgliedern unterscheidbar macht. Dafür reicht allein die Tätigkeit für die Vereinigung, mag sie auch besonders intensiv sein, nicht aus; denn ein Außenstehender wird nicht allein durch die Förderung der Vereinigung zu deren Mitglied. Die Mitgliedschaft setzt ihrer Natur nach eine Beziehung voraus, die einer Vereinigung nicht aufgedrängt werden kann, sondern ihre Zustimmung erfordert. Ein auf lediglich einseitigem Willensentschluss beruhendes Unterordnen und Tätigwerden genügt nicht, selbst wenn der Betreffende bestrebt ist, die Vereinigung und ihre kriminellen Ziele zu fördern. Die Annahme einer mitgliedschaftlichen Beteiligung scheidet daher aus, wenn die Unterstützungshandlungen nicht von einem einvernehmlichen Willen zu einer fortdauernden Teilnahme am Verbandsleben getragen sind (BGH, Beschluss vom 13. Juni 2019 - AK 27/19, juris Rn. 20; vgl. auch BGH, Urteil vom 14. August 2009 - 3 StR 552/08, BGHSt 54, 69 Rn. 128).

Eine Förderungshandlung des Mitglieds kann darin bestehen, unmittelbar zur Durchsetzung der Ziele der Vereinigung beizutragen; sie kann auch darauf gerichtet sein, lediglich die Grundlagen für die Aktivitäten der Vereinigung zu schaffen oder zu erhalten. Ausreichend ist deshalb die Förderung von Aufbau, Zusammenhalt oder Tätigkeit der Organisation. In Betracht kommt etwa ein organisationsförderndes oder ansonsten vereinigungstypisches Verhalten von entsprechendem Gewicht. In Abgrenzung hierzu fehlt es in Fällen einer bloß formalen oder passiven, für das Wirken der Vereinigung bedeutungslosen Mitgliedschaft grundsätzlich an einem aktiven mitgliedschaftlichen Betätigungsakt (BGH, Beschluss vom 15. Mai 2019 - AK 22/19, NJW 2019, 2552 Rn. 24 mwN).

Nach diesen Maßstäben ist aufgrund der bislang vorliegenden Erkenntnisse davon auszugehen, dass sich die Beschuldigte in den IS einvernehmlich eingliederte und an diesem als Mitglied beteiligte. Hierfür spricht bereits ihr anfänglicher Aufenthalt in einem Frauenhaus, in das der IS sie aufnahm und in dem sie die dort vorgegebenen Regeln freiwillig befolgte. Weiter ist von Bedeutung, dass sie nach dem Tod ihres Ehemannes H. Zahlungen des IS erhielt, in dessen Gebiet blieb und bewusst ein bekanntes Mitglied der Vereinigung heiratete. Als sie später ausreiste, bekam sie, wie aus ihren Telefonaten zu schließen ist, ein Dokument darüber, dass sie "keine Abtrünnige" sei. Sie beteiligte sich - über das bloße Alltagsleben ohne Organisationsbezug hinaus (vgl. dazu im Einzelfall BGH, Beschlüsse vom 22. März 2018 - StB 32/17, NStZ-RR 2018, 206 , 207; vom 15. Mai 2019 - AK 22/19, NJW 2019, 2552 Rn. 26 f.; vom 28. Juni 2018 - StB 11/18, BGHR StGB § 129a Abs. 1 Mitgliedschaft 4 Rn. 19) - aktiv für die Vereinigung. Beispielsweise äußerte sie sich werbend gegenüber unterschiedlichen Kommunikationspartnerinnen in Deutschland, zeigte sich im vom IS beherrschten Gebiet in der Öffentlichkeit mit einer Schusswaffe und stattete ihren Sohn mit Emblemen der Vereinigung aus. Die Kampfeinsätze der Männer bestärkte sie durch ihre Aufforderung, als "Soldat des Kalifats" an die Front zu gehen und sich nicht als "Witwenbeauftragter" mit Frauenthemen zu befassen. Demnach kommt es auf die in der Beschwerdebegründung hervorgehobene Frage nicht maßgeblich an, ob die Haushaltsführung als solche oder die bloße Kinderbetreuung eine strafbare Beteiligungshandlung darstellt.

Die nach § 129b Abs. 1 Sätze 2 und 3 StGB erforderliche Ermächtigung des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz liegt vor.

b) Die gröbliche Verletzung der Fürsorge- und Erziehungspflicht ist aufgrund der vorläufigen Beweislage zum einen darin zu sehen, dass die Beschuldigte ihre Kinder in ein Kampfgebiet verbrachte, in dem Gefahr für deren körperliche und psychische Entwicklung bestand (vgl. MüKoStGB/Ritscher, 3. Aufl., § 171 Rn. 16; grundsätzlich BVerfG, Beschluss vom 15. Oktober 2014 - 2 BvR 920/14, NJW 2015, 44 Rn. 14 ff.). Die Gefahr für die körperliche und zugleich auch psychische Integrität wird, abgesehen von der allgemeinen Lage vor Ort im Tatzeitraum, etwa durch Mitteilungen der Beschuldigten aus Syrien deutlich, dass es dort regelmäßig "bombt", sie einen "Anschlag" überlebt habe und direkt neben ihrem Haus "ein Bruder aus England" bei einem Drohnenbeschuss ums Leben gekommen sei, wobei ihre Schlafzimmerfenster zu Bruch gegangen seien. Zum anderen bestand durch die Erziehung im Sinne des IS die Gefahr, dass die Kinder dessen Ziele sowie Vorgehensweisen teilen und durch Handlungen in dessen Sinne einen kriminellen Lebenswandel führen (s. allgemein BT-Drucks. VI/3521 S. 15, 16 f.).

Die äußeren Umstände lassen derzeit den Schluss auf den subjektiven Tatbestand zu, auf den ebenso wie auf die Wahrscheinlichkeit eines Schadens (vgl. zum Gefahrbegriff BGH, Urteil vom 20. April 1982 - 1 StR 50/82, NStZ 1982, 328 f.; BVerfG, Beschluss vom 15. Oktober 2014 - 2 BvR 920/14, NJW 2015, 44 Rn. 20; BT-Drucks. VI/1552 S. 13) bei den weiteren Ermittlungen besonders Bedacht zu nehmen sein wird.

c) Weil bislang nicht ermittelt ist, wie die Beschuldigte den Besitz an dem Gewehr erlangte, ist statt von einem Erwerb der tatsächlichen Gewalt über Kriegswaffen (§ 22a Abs. 1 Nr. 2 KrWaffKG) von der Ausübung der tatsächlichen Gewalt über eine solche auszugehen, ohne dass der Erwerb der tatsächlichen Gewalt auf einer Genehmigung nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz beruhte (§ 22a Abs. 1 Nr. 6 Buchst. a KrWaffKG).

d) Deutsches Strafrecht ist nach gegenwärtigem Stand der Ermittlungen für die deutsche Beschuldigte zumindest gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 1 StGB anwendbar (vgl. näher BGH, Beschlüsse vom 6. Oktober 2016 - AK 52/16, juris Rn. 33 ff.; vom 5. Juni 2019 - AK 26/19, juris Rn. 17).

e) Für das Verhältnis der verschiedenen verwirklichten Straftatbestände gilt konkurrenzrechtlich:

Die mitgliedschaftlichen Beteiligungsakte, die auch den Tatbestand einer anderen Strafvorschrift erfüllen und der Zwecksetzung der Vereinigung oder ihren sonstigen Interessen dienen, stehen gemäß § 52 Abs. 1 Alternative 1 StGB in Tateinheit mit der jeweils gleichzeitig verwirklichten mitgliedschaftlichen Beteiligung, jedoch - soweit sich nach allgemeinen Grundsätzen nichts anderes ergibt - sowohl untereinander als auch zu der Gesamtheit der sonstigen mitgliedschaftlichen Beteiligungsakte in Tatmehrheit (BGH, Beschluss vom 9. Juli 2015 - 3 StR 537/14, BGHSt 60, 308 Rn. 23 ff.).

Daher liegt hinsichtlich der keinen weiteren Straftatbestand erfüllenden Beteiligungsakte, wie etwa der werbenden und bestärkenden Äußerungen gegenüber Kommunikationspartnerinnen in Deutschland sowie Kämpfern in Syrien, ein eigenständiger Fall der Mitgliedschaft vor. Selbst wenn die Beschuldigte unterdessen ein weiteres Dauerdelikt verwirklicht haben sollte, wären die Beteiligungshandlungen - die vorläufigen Ermittlungsergebnisse zugrunde gelegt nur gelegentlich der weiteren Straftat begangen worden, so dass die bloße zeitliche Überschneidung keine Tateinheit begründet (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Januar 2018 - AK 75/17 u.a., juris Rn. 40).

Aus den gleichen Gründen stehen das Kriegswaffendelikt und die davon unabhängig verwirklichte Fürsorgepflichtverletzung zueinander in Tatmehrheit (s. auch BGH, Beschluss vom 10. August 2017 - AK 35/17 u.a., juris Rn. 37 mwN). Da sowohl der Waffenbesitz als auch die Ansiedlung sowie Erziehung der Kinder im Sinne des IS in dessen Interesse waren und mithin Beteiligungsakte darstellten, sind sie für sich jeweils in Tateinheit zur Mitgliedschaft verwirklicht. In Bezug auf die drei Kinder, gegenüber denen die Fürsorge- und Erziehungspflicht verletzt wurde, handelt es sich um eine Pflichtverletzung in drei rechtlich zusammentreffenden Fällen (vgl. im Übrigen BGH, Urteile vom 28. Juni 1955 - 5 StR 646/54, BGHSt 8, 92 , 95 f.; vom 26. Februar 1997 - 3 StR 525/96, BGHSt 43, 1 , 3 f.).

4. Es besteht der Haftgrund der Fluchtgefahr gemäß § 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO sowie - auch bei der gebotenen restriktiven Auslegung des § 112 Abs. 3 StPO (s. BGH, Beschluss vom 24. Januar 2019 - AK 57/18, juris Rn. 30 ff.) derjenige der Schwerkriminalität. Es ist wahrscheinlicher, dass sich die Beschuldigte - sollte sie auf freien Fuß gelangen - dem Strafverfahren entziehen, als dass sie sich ihm stellen wird. Die frühere Ausreise nach Syrien deutet auf fehlende besondere örtliche Bindungen hin, die einer Flucht entgegenstünden. Dass sich dies nach ihrer Rückkehr in familiärer oder beruflicher Hinsicht geändert hat, ist nicht ersichtlich, zumal ihre Eltern in Tunesien leben. Ihre minderjährigen Kinder stellen wegen der damaligen gemeinsamen Ausreise ebenfalls kein Fluchthindernis dar. Überdies verfügt die Beschuldigte über verschiedene Kontakte ins Ausland, die bei einer Flucht behilflich sein könnten. Schließlich wies sie in Telefonaten mehrfach darauf hin, dass für eine muslimische Frau eine Inhaftierung das Schlimmste wäre.

Der Zweck der Untersuchungshaft kann unter den gegebenen Umständen nicht durch weniger einschneidende Maßnahmen im Sinne des § 116 Abs. 1 StPO , namentlich eine Meldeauflage oder die Leistung einer Sicherheit, erreicht werden.

5. Die Untersuchungshaft steht nach Abwägung zwischen dem Freiheitsgrundrecht der Beschuldigten einerseits sowie dem Strafverfolgungsinteresse der Allgemeinheit andererseits derzeit nicht zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Strafe außer Verhältnis (§ 120 Abs. 1 Satz 1 StPO ).

6. Angesichts des geringen Erfolgs der Beschwerde ist es nicht unbillig, die Beschuldigte mit den Kosten ihres Rechtsmittels zu belasten (§ 473 Abs. 4 StPO ).