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BSG - Entscheidung vom 17.12.2018

B 12 KR 96/18 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 3
SGG § 135
ZPO § 180 S. 3

BSG, Beschluss vom 17.12.2018 - Aktenzeichen B 12 KR 96/18 B

DRsp Nr. 2019/1901

Verfahrensrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren Behaupteter Fehler bei der Zustellung des Urteils

1. Wird ein fehlender Vermerk des Datums der Einlegung der Ausfertigung des angefochtenen Urteils in den Briefkasten des Klägers gerügt, ist dieses Vorbringen nicht geeignet, die Zulassung der Revision zu begründen. 2. Denn der damit geltend gemachte Verstoß gegen §§ 135 SGG , 180 S. 3 ZPO betrifft allein die Zustellung des Urteils und das Urteil kann auf dem behaupteten Fehler nicht beruhen.

Der Antrag des Klägers, ihm für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 13. September 2018 Prozesskostenhilfe unter Beiordnung eines Rechtsanwalts zu bewilligen, wird abgelehnt.

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem oben bezeichneten Urteil wird als unzulässig verworfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 3 ; SGG § 135 ; ZPO § 180 S. 3;

Gründe:

I

In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit streiten die Beteiligten um die Höhe der Beiträge zur Auffangpflichtversicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung und sozialen Pflegeversicherung. Die beklagte Krankenkasse setzte die Beiträge für die Zeit ab 1.12.2013 auf der Grundlage der monatlichen Mindestbemessungsgrenzen (zuletzt ab 1.3.2015 insgesamt 164,43 Euro) fest (Bescheid vom 22.1.2015, Änderungsbescheid vom 5.3.2015, Widerspruchsbescheid vom 12.11.2015). Die ua auf Festsetzung der Beiträge auf der Grundlage eines Einkommens von 451 Euro gerichteten Klage und Berufung sind erfolglos geblieben (Urteil des SG vom 15.11.2016, Urteil des LSG vom 13.9.2018).

Der Kläger hat gegen die Nichtzulassung der Revision in dem ihm ausweislich der Postzustellungsurkunde (PZU) am 6.10.2018 zugestellten Urteil des LSG mit einem von ihm unterzeichneten und am 8.11.2018 beim BSG eingegangenen Schreiben vom 6.11.2018 Beschwerde eingelegt und die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung eines Rechtsanwalts beantragt. Dazu hat er vorgetragen, auf dem Umschlag zur PZU sei kein Zustellungsdatum vermerkt, er habe das Urteil erst am 9.10.2018 erhalten.

II

1. Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von PKH ist abzulehnen. Es kann dahingestellt bleiben, ob der Antrag schon deshalb abzulehnen ist, weil er nicht innerhalb der Beschwerdefrist (§ 160a Abs 1 S 2, § 64 Abs 2 , § 63 Abs 2 SGG , §§ 180 , 182 ZPO ) beim BSG eingegangen ist. Die übrigen Voraussetzungen zur Bewilligung von PKH sind jedenfalls nicht erfüllt. Nach § 73a SGG iVm § 114 ZPO kann einem Beteiligten für das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren vor dem BSG PKH bewilligt und ein Rechtsanwalt beigeordnet werden, wenn er nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann und die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Hieran fehlt es.

a) Der Kläger ist unter Berücksichtigung seiner Angaben in der Lage, die voraussichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens aus seinem Einkommen aufzubringen. Gemäß §§ 73a SGG , 115 Abs 1 S 1 ZPO hat der Beteiligte sein Einkommen einzusetzen. Von dem nach Abzügen (§ 115 Abs 1 S 3 ZPO ) einzusetzenden Einkommen sind Monatsraten in Höhe der Hälfte des einzusetzenden Einkommens festzusetzen (§ 115 Abs 2 ZPO ). PKH wird nicht bewilligt, wenn die Kosten der Prozessführung des Beteiligten vier Monatsraten voraussichtlich nicht überschreiten (§ 115 Abs 4 ZPO ). So verhält es sich hier. Da Gerichtskosten im vorliegenden Verfahren nicht erhoben werden, beschränken sich die Kosten der Prozessführung im Wesentlichen auf die Gebühren eines Rechtsanwalts. Nach § 3 RVG iVm Nr 3512 VV RVG erhält der Rechtsanwalt im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision vor dem BSG eine Gebühr, die zwischen 80 und 880 Euro liegt. Innerhalb dieser Rahmengebühr bestimmt der Rechtsanwalt im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der Bedeutung der Angelegenheit, des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit sowie der Vermögens- und Einkommensverhältnisse des Auftraggebers seine Gebühr nach billigem Ermessen (§ 14 Abs 1 RVG ). Bei einem Verfahren durchschnittlichen Umfangs und Schwierigkeitsgrades wird im allgemeinen von der "Mittelgebühr" ausgegangen, die im Beschwerdeverfahren einschließlich Auslagen und Umsatzsteuer 595 Euro beträgt. Diese voraussichtlichen Kosten vermag der Kläger aus seinem Einkommen zu decken. Der Kläger hat ein Bruttoeinkommen von 1260 Euro sowie Ausgaben von 179,66 Euro für Sozialversicherungsbeiträge und 45,33 Euro für Steuervorauszahlungen angegeben. Weitere Auslagen hat er nicht geltend gemacht. Unter Berücksichtigung des Grund- und Erwerbstätigenfreibetrags nach § 115 Abs 1 S 3 Nr 1 a ) und b) ZPO verbleibt dem Kläger danach ein monatlich einzusetzendes Einkommen von rund 335 Euro, das er in Höhe von 167 Euro für die Prozesskosten einzusetzen hat. Damit kann er die voraussichtlichen Kosten eines Rechtsanwalts in weniger als vier Monaten decken.

b) Im Übrigen bietet die Nichtzulassungsbeschwerde auch keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Vorbehaltlich der Frage einer fristgemäßen Erhebung der Beschwerde ist nicht zu erkennen, dass ein nach § 73 Abs 4 SGG zugelassener Prozessbevollmächtigter in der Lage wäre, eine Nichtzulassungsbeschwerde erfolgreich zu begründen.

Das BSG darf gemäß § 160 Abs 2 SGG die Revision gegen eine Entscheidung des LSG nur dann zulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1) oder das angefochtene Urteil von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr 2) oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die Entscheidung beruhen kann (Nr 3). Die Behauptung, das Berufungsurteil sei inhaltlich unrichtig, kann demgegenüber nicht zur Zulassung der Revision führen (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 7). Das Vorbringen des Klägers und die Durchsicht der Akten haben bei der gebotenen summarischen Prüfung keinen Hinweis auf das Vorliegen eines der vorgenannten Gründe ergeben. Es ist nicht ersichtlich, dass ein beizuordnender Prozessbevollmächtigter einen der genannten Zulassungsgründe im Rahmen einer Nichtzulassungsbeschwerde geltend machen könnte. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine abstrakt generelle Rechtsfrage aufwirft, deren Klärung über den zu entscheidenden Fall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit und Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (stRspr; vgl nur BSG Beschluss vom 17.4.2012 - B 13 R 347/11 B - SozR 4-2600 § 72 Nr 5 RdNr 17 mwN). Eine solche Rechtsfrage ist vorliegend nicht ersichtlich. Insbesondere fehlt es vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des BSG (vgl BSG Urteil vom 6.11.1997 - 12 RK 61/96 - SozR 3-2500 § 240 Nr 30 S 131 ff mwN) und des BVerfG (Beschluss vom 19.12.1994 - 1 BvR 1688/94 - SozR 3-1300 § 40 Nr 3; Beschluss vom 22.5.2001 - 1 BvL 4/96 - BVerfGE 103, 392 = SozR 3-2500 § 240 Nr 39) an der Klärungsbedürftigkeit der Verfassungsmäßigkeit der Mindestbeitragsbemessungsgrenze sowohl nach §§ 227 , 240 Abs 4 S 1 SGB V als auch nach §§ 227 , 240 Abs 4 S 2 SGB V . Eine Divergenz kann nur dann zur Revisionszulassung führen, wenn die mit der Beschwerde angegriffene Entscheidung auf einem abstrakten Rechtssatz beruht, der von einem abstrakten Rechtssatz in einer (anderen) Entscheidung des BSG , des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des BVerfG abweicht (vgl BSG Beschluss vom 12.5.2005 - B 3 P 13/04 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 6 RdNr 5 und BSG Beschluss vom 16.7.2004 - B 2 U 41/04 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 4 RdNr 6, jeweils mwN). Auch hierfür ist nichts ersichtlich. Schließlich fehlen Anhaltspunkte dafür, dass gegen die Entscheidung des LSG durchgreifende Verfahrensrügen erhoben werden könnten. Der vom Kläger angeführte fehlende Vermerk des Datums der Einlegung der Ausfertigung des angefochtenen Urteils in seinen Briefkasten ist - die Richtigkeit seines Vorbringens unterstellt - nicht geeignet, die Zulassung der Revision zu begründen. Der damit geltend gemachte Verstoß gegen §§ 135 SGG , 180 S 3 ZPO betrifft allein die Zustellung des Urteils. Das Urteil kann auf dem unterstellten Fehler nicht beruhen. Ebenso wenig sind sonstige Verfahrensmängel ersichtlich.

c) Da dem Kläger keine PKH zusteht, kann er auch nicht die Beiordnung eines Rechtsanwalts beanspruchen (vgl § 73a Abs 1 S 1 SGG iVm § 121 ZPO ).

2. Da der Kläger die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des LSG wirksam nur durch zugelassene Prozessbevollmächtigte einlegen kann (§ 73 Abs 4 SGG ), entspricht das von ihm selbst eingelegte Rechtsmittel nicht der gesetzlichen Form. Die nicht formgerecht eingelegte Beschwerde ist daher ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen (§ 160a Abs 4 S 1 Halbs 2, § 169 SGG ).

3. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG .

Vorinstanz: LSG Sachsen, vom 13.09.2018 - Vorinstanzaktenzeichen L 9 KR 76/17
Vorinstanz: SG Leipzig, vom 15.11.2016 - Vorinstanzaktenzeichen S 8 KR 691/15