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BSG - Entscheidung vom 28.04.2017

B 8 SO 88/16 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1

BSG, Beschluss vom 28.04.2017 - Aktenzeichen B 8 SO 88/16 B

DRsp Nr. 2017/13766

SGB-XII -Leistungen Übernahme von Kosten für einen Telefon- und Internetanschluss Grundsatzrüge Klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage Genügen der Darlegungspflicht

1. Grundsätzliche Bedeutung (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG ) hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. 2. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts sowie unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung - ggf. sogar des Schrifttums - angeben, welche Rechtsfrage sich stellt, dass diese noch nicht geklärt ist, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfrage aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. 3. Um seiner Darlegungspflicht zu genügen, muss der Beschwerdeführer eine konkrete Frage formulieren, deren (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit und (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie deren über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung (Breitenwirkung) darlegen.

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 13. September 2016 - L 1 SO 17/14 - wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1 ;

Gründe:

I

Im Streit ist die Übernahme von Kosten für einen Telefon- und Internetanschluss als Leistung der Eingliederungshilfe nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - ( SGB XII ).

Die verheiratete Klägerin ist schwerbehindert (Grad der Behinderung von 100; Merkzeichen "G", "B" und "aG") und verfügte im Januar 2009 über Vermögen in Höhe von 2000 Euro; ihr nicht getrennt lebender Ehemann verfügte über Vermögen in Höhe von 13 500 Euro. Im Januar 2010 beantragte die Klägerin die Weiterbewilligung eines für die Zeit vom 1.4. bis zum 31.12.2009 bewilligten "persönlichen Budgets" (in Höhe von 480 Euro monatlich für Mobilitätshilfen, Begleitung im Alltag und im Studium sowie zur Vorbereitung und Abwicklung der Diplomarbeit; Bescheid des Beklagten vom 17.8.2009) unter Übernahme auch der Kosten für einen Telefon- und Internetanschluss in Höhe von 46,39 Euro. Der Beklagte bewilligte Leistungen der Eingliederungshilfe als persönliches Budget (Bescheid vom 31.1.2011), lehnte die Übernahme der Telefon- und Internetkosten dagegen ab (Bescheid vom 11.4.2011; Widerspruchsbescheid vom 16.2.2012). Die Klage hiergegen blieb ohne Erfolg (Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 17.9.2013; Urteil des Landessozialgerichts [LSG] Rheinland-Pfalz vom 13.9.2016). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ua ausgeführt, ein Anspruch bestehe wegen des Nachrangs der Sozialhilfe (§ 2 SGB XII ) nicht. Zudem seien Kosten des Telefon- und Internetanschlusses bereits im Regelsatz enthalten und fänden insoweit über die Regelung des § 85 SGB XII Berücksichtigung. Da ein Anspruch in der Sache ausscheide, habe der überörtliche Träger der Sozialhilfe, der für die Zeit vom 20.4.2010 bis zum 5.10.2010 der nach Landesrecht zuständige Träger gewesen sei, nicht beigeladen werden müssen.

Mit der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision macht die Klägerin eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend. Es stelle sich die Frage, ob Telefon- und Internetanschlusskosten als Leistung der Eingliederungshilfe zur Teilhabe am gemeinschaftlichen und kulturellen Leben iS von §§ 53 , 54 Abs 1 Satz 1 SGB XII iVm § 55 Abs 2 Nr 7 und § 58 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch - Rehabilitation und Soziale Teilhabe behinderter Menschen - ( SGB IX ) zu verstehen sei. Zudem liege eine Divergenz zu einer Entscheidung des Bundessozialgerichts ([BSG] vom 11.5.2011 - B 5 R 54/10) vor, wonach in einem Verfahren über ein trägerübergreifendes Budget wegen § 17 Abs 2 bis 4 SGB IX zwingend notwendig sei, alle Träger beizuladen.

II

Die Beschwerde ist unzulässig, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 Sozialgerichtsgesetz [SGG]), der Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG ) und des Verfahrensfehlers (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG ) nicht in der nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG gebotenen Weise dargelegt bzw bezeichnet sind. Der Senat konnte deshalb über die Beschwerde ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter nach § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 SGG iVm § 169 Satz 3 SGG entscheiden.

Grundsätzliche Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG ) hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts sowie unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung - ggf sogar des Schrifttums - angeben, welche Rechtsfrage sich stellt, dass diese noch nicht geklärt ist, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfrage aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt ( BSG SozR 1500 § 160 Nr 17 und § 160a Nr 7, 11, 13, 31, 39, 59 und 65). Um seiner Darlegungspflicht zu genügen, muss der Beschwerdeführer eine konkrete Frage formulieren, deren (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit und (konkrete) Klärungsfähigkeit (= Entscheidungserheblichkeit) sowie deren über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung (Breitenwirkung) darlegen.

Diesen Anforderungen genügt die Beschwerde nicht. Die Klägerin formuliert zwar eine Rechtsfrage. Sie legt aber deren konkrete Klärungsfähigkeit nicht ausreichend dar. Der dargestellte Sachverhalt genügt nicht, dem Senat die Entscheidung zu ermöglichen, inwieweit der geltend gemachte Zulassungsgrund im Einzelfall überhaupt entscheidungserheblich sein soll (vgl Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG , 11. Aufl 2014, § 160a RdNr 14h mwN). Die Klägerin hätte den Sachverhalt so schildern müssen, dass der Senat in die Lage versetzt würde zu prüfen, ob und inwieweit sich Ansprüche auf die begehrten Leistungen bei Beantwortung der als grundsätzlich angesehenen Rechtsfrage durch das Revisionsgericht ergeben. Sie teilt insoweit zum Sachverhalt mit, sie und ihr Ehemann hätten im Jahr 2009 über Vermögen verfügt. Weshalb gleichwohl ein Anspruch auf Eingliederungshilfe nach den Vorschriften des SGB XII bestehen sollte, die Bedürftigkeit voraussetzen, wird an keiner Stelle deutlich. Mit dem Hinweis, das LSG habe den Anspruch unter Hinweis auf den Nachranggrundsatz verneint und lediglich daneben Telefon- und Internetkosten grundsätzlich als nicht von der Eingliederungshilfe nach dem SGB XII umfasst angesehen, stellt sie die Entscheidungserheblichkeit vielmehr selbst in Frage. Eine eingehende Schilderung des Sachverhalts und eine Auseinandersetzung mit den Gründen des LSG im Einzelnen, weshalb es gleichwohl auf die Entscheidung über die aufgeworfene Rechtsfrage ankommen sollte, fehlt vollständig.

Soweit die Klägerin eine Divergenz zu einer Entscheidung des BSG behauptet, genügt ihr Vorbringen ebenfalls nicht den gesetzlichen Anforderungen. Eine Divergenz läge nur vor, wenn das LSG einen tragenden abstrakten Rechtssatz in Abweichung von einem tragenden abstrakten Rechtssatz des BSG aufgestellt hätte; eine Abweichung wäre aber erst dann zu bejahen, wenn das LSG diesen Kriterien - wenn auch unter Umständen unbewusst - widersprochen, also andere rechtliche Maßstäbe entwickelt hätte ( BSG SozR 1500 § 160a Nr 67). Die Klägerin formuliert zwar einen Rechtssatz des BSG . Es wird aber nicht deutlich, weshalb dieser vorliegend anwendbar sein sollte. Auch insoweit fehlt es an ausreichender Schilderung des Sachverhalts, weshalb überhaupt die Bewilligung eines trägerübergreifenden Budgets (also eines Budgets, das sich nicht nur auf Sozialhilfeleistungen beschränkt) im Streit sein sollte und die Entscheidung des BSG daher einschlägig ist.

Auch die sinngemäße Rüge des Verfahrensmangels der fehlenden notwendigen Beiladung nach § 75 Abs 2 1. Alt SGG entspricht nicht der erforderlichen Form. Die Revision ist nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG nur zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann, es sei denn, dass es sich insoweit - was hier nicht der Fall ist - um einen absoluten Revisionsgrund handeln würde (vgl § 202 SGG iVm § 547 Zivilprozessordnung ). Auch insoweit fehlt es aber an Schilderungen des Sachverhalts, aus denen sich ergeben würde, dass das Urteil ohne den behaupteten Verfahrensfehler anders hätte ausfallen können (vgl Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, aaO, RdNr 16c mwN).

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG .

Vorinstanz: LSG Rheinland-Pfalz, vom 13.09.2016 - Vorinstanzaktenzeichen L 1 SO 17/14
Vorinstanz: SG Koblenz, vom 17.09.2013 - Vorinstanzaktenzeichen S 11 SO 39/12