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BSG - Entscheidung vom 31.01.2017

B 12 KR 93/15 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 3

BSG, Beschluss vom 31.01.2017 - Aktenzeichen B 12 KR 93/15 B

DRsp Nr. 2017/9882

Krankenversicherung Kassenindividueller einkommensunabhängiger monatlicher Zusatzbeitrag Verfahrensrüge Verletzung rechtlichen Gehörs Für den Beschwerdeführer günstigere Entscheidung bei Vermeidung des Verfahrensfehlers

Versteht es sich nicht von selbst, dass die Berufungsentscheidung auf einem angenommenen Verfahrensmangel beruhen kann, muss eine Beschwerde auch trennscharfe Ausführungen dazu enthalten, dass bei Vermeidung des Verfahrensfehlers eine andere, für den Beschwerdeführer günstigere Entscheidung ergangen wäre.

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 28. Juli 2015 wird als unzulässig verworfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 3 ;

Gründe:

Die Beteiligten streiten in dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrundeliegenden Rechtsstreit im Kern darüber, ob die beklagte Krankenkasse von dem Kläger, einem versicherungspflichtigen Rentner, für die Zeit vom 1.3.2010 bis 29.2.2012 einen kassenindividuellen, einkommensunabhängigen monatlichen Zusatzbeitrag in Höhe von 8 Euro erheben durfte. Der Kläger hat in Abrede gestellt, dass die wirtschaftlichen Erfordernisse hierfür - eine "Unterdeckung des Finanzbedarfs" der Beklagten - vorlagen. Er war sowohl in erster als auch zweiter Instanz unterlegen.

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG Niedersachsen-Bremen vom 28.7.2015 ist in entsprechender Anwendung von § 169 S 2 und 3 SGG als unzulässig zu verwerfen. Der Kläger hat in der Begründung des Rechtsmittels entgegen § 160a Abs 2 S 3 SGG keinen Zulassungsgrund hinreichend dargelegt oder bezeichnet.

Das BSG darf gemäß § 160 Abs 2 SGG die Revision gegen eine Entscheidung des LSG nur dann zulassen, wenn

- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1) oder

- das angefochtene Urteil von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht (Nr 2) oder

- bestimmte Verfahrensmängel geltend gemacht werden (Nr 3).

Mit der Behauptung, die Berufungsentscheidung sei inhaltlich unrichtig, lässt sich die Zulassung der Revision demgegenüber - der Struktur des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens entsprechend - nicht erreichen.

1. Der Kläger stützt sich in seiner Beschwerdebegründung vom 12.11.2015 allein auf den Zulassungsgrund des Verfahrensmangels (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG ).

Er sieht eine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör (§§ 62 , 128 SGG , Art 103 Abs 1 GG ) durch das LSG darin, dass sich dieses zum Nachweis einer Finanzierungslücke der Beklagten (und deren Höhe) auf Informationen gestützt habe, die sich als Ausdrucke/Unterlagen weder in den Akten befänden noch im Protokoll über die mündliche Verhandlung am 28.7.2015 oder im Urteilstatbestand kenntlich gemacht noch im Rahmen des Schriftwechsels "bezüglich Akteneinsicht und Antrag auf Terminsverlegung" bezeichnet worden seien; weil ihm - dem Kläger - diese Informationen und Unterlagen nicht vor der Entscheidung zur Kenntnis gebracht worden seien, habe er keine Gelegenheit gehabt, sich hierzu zu erklären (S 4 f der Beschwerdebegründung). Im Folgenden nimmt der Kläger Bezug auf die vom Berufungsgericht für die Annahme einer Finanzierungslücke - nach seiner Auffassung - aufgebotenen Gründe, befasst sich mit diesen und bewertet sie (in seinem Sinne).

Einen entscheidungserheblichen Verstoß des LSG gegen seinen Anspruch auf rechtliches Gehör - auch in der Ausprägung des Verbots einer Überraschungsentscheidung - bezeichnet der Kläger mit seinem Vorbringen nicht in der gebotenen Weise. Der Senat kann offenlassen, ob das LSG die von ihm bezeichneten Unterlagen (Artikel im Manager-Magazin [online] vom 25.1.2010, Prognose des Schätzerkreises beim Bundesversicherungsamt, Jahresbericht 2010, nicht näher bezeichnete Presseberichte, Jahresbericht 2011) diesem vor einer Entscheidung hätte zur Kenntnis bringen müssen oder seiner Entscheidung als allgemeinkundige Tatsachen zugrunde legen durfte (S 12 der Beschwerdebegründung) und ersteres hinreichend dargelegt ist. Denn jedenfalls begründet der Kläger nicht in der gebotenen Weise, dass das Berufungsurteil auf einem solchermaßen angenommenen Verfahrensmangel beruhen kann. Prüfungsmaßstab ist hier die materiell-rechtliche Rechtsauffassung des LSG ( BSG SozR Nr 79 zu § 162 SGG ; BSG SozR 1500 § 160 Nr 33 S 66).

Das LSG hat, worauf der Kläger selbst hinweist (S 2 f, S 9 der Beschwerdebegründung), entschieden, dass grundsätzlich auch eine gerichtliche Überprüfung der Erhebung von Zusatzbeiträgen möglich, bei der prognostischen Beurteilung einer in Zukunft bestehenden finanziellen "Unterdeckung" jedoch eine gerichtlich nicht zu überprüfende Einschätzungsprärogative anzunehmen ist, "bei der nur die tatsächlichen Grundlagen der Prognose gerichtlicher Überprüfung zugänglich sind" (vgl S 6 des Urteilsabdrucks). Im Hinblick hierauf macht der Kläger in der Beschwerdebegründung nicht hinreichend deutlich, ob er den von ihm angenommenen Gehörsverstoß bzw die von ihm angenommenen Gehörsverstöße bei der gerichtlichen Überprüfung der tatsächlichen Prognosegrundlagen verortet oder bei der Beurteilung des Vorliegens einer Finanzierungslücke, deren gerichtliche Überprüfbarkeit (und Überprüfung) das Berufungsgericht (gerade) ausgeschlossen hat. Für Letzteres könnte sprechen, dass er die "Einschätzung der Spitzenverbände" kritisiert (S 6 der Beschwerdebegründung), die Reliabilität einer Aussage für das gesamte Jahr 2010 bezweifelt (S 6 der Beschwerdebegründung), die Richtigkeit der Berechnungen im Hinblick auf den Geschäftsbericht der Beklagten für 2010 (S 7 ff der Beschwerdebegründung) und die Notwendigkeit einer Fusion mit einer anderen Krankenkasse (S 11 der Beschwerdebegründung) in Frage und eine Defizitminderung in 2011 gegenüber 2010 in Abrede stellt (S 11 f der Beschwerdebegründung). Darauf bezogene Gehörsrügen wären für den vom LSG entschiedenen Streitfall auf der Grundlage der berufungsgerichtlichen Rechtsauffassung nicht entscheidungserheblich. Versteht sich nicht von selbst, dass die Berufungsentscheidung auf einem angenommenen Verfahrensmangel beruhen kann, muss eine Beschwerde auch trennscharfe Ausführungen dazu enthalten, dass bei Vermeidung des Verfahrensfehlers eine andere, für den Beschwerdeführer günstigere Entscheidung ergangen wäre. Daran fehlt es hier.

2. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG ).

3. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG .

Vorinstanz: LSG Niedersachsen-Bremen, vom 28.07.2015 - Vorinstanzaktenzeichen L 4 KR 240/12
Vorinstanz: SG Bremen, - Vorinstanzaktenzeichen S 4 KR 178/10