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BSG - Entscheidung vom 04.12.2017

B 12 KR 76/17 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 2

BSG, Beschluss vom 04.12.2017 - Aktenzeichen B 12 KR 76/17 B

DRsp Nr. 2018/1040

Krankenversicherung Divergenzrüge Formgerechte Darlegung einer Divergenz Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen Entwickeln eigener rechtlicher Maßstäbe

1. Der Zulassungsgrund der Divergenz setzt voraus, dass das angefochtene Urteil des LSG von einer Entscheidung des BSG , des GmSOGB oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht. 2. Eine solche Abweichung ist nur dann hinreichend bezeichnet, wenn aufgezeigt wird, mit welcher genau bestimmten entscheidungserheblichen rechtlichen Aussage zum Bundesrecht die angegriffene Entscheidung des LSG von welcher ebenfalls genau bezeichneten rechtlichen Aussage des BSG , des GmSOGB oder des BVerfG abweicht. 3. Insoweit genügt es nicht darauf hinzuweisen, dass das LSG seiner Entscheidung nicht die höchstrichterliche Rechtsprechung zugrunde gelegt hätte. 4. Nicht die Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründet die Zulassung der Revision wegen Divergenz; sie liegt daher nicht schon dann vor, wenn das angefochtene Urteil nicht den Kriterien entsprechen sollte, die das BSG , der GmSOGB oder das BVerfG entwickelt hat, sondern erst dann, wenn das LSG diesen Kriterien auch widersprochen, also andere rechtliche Maßstäbe bei seiner Entscheidung herangezogen hat.

Der Antrag der Klägerin, ihr für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 27. Juni 2017 Prozesskostenhilfe zu bewilligen und Rechtsanwalt S, O, beizuordnen, wird abgelehnt.

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem oben bezeichneten Urteil wird als unzulässig verworfen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 2 ;

Gründe:

I

In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit streiten die Beteiligten darüber, ob die Klägerin seit dem 1.1.2007 bei der Beklagten freiwillig krankenversichert ist. Sie bezog vom 1.1.2005 bis zum 30.4.2007 Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende sowie (gleichzeitig) ab 1.1.2007 Hilfe zum Lebensunterhalt. Nachdem sie von der Beklagten weiterhin wegen des Bezugs von Leistungen nach dem SGB II als pflichtversichertes Mitglied geführt worden war, stellte die Beklagte fest, dass die Mitgliedschaft rückwirkend zum 31.12.2006 ende, eine freiwillige Versicherung für die Zeit ab 1.1.2007 nicht durchgeführt werden könne und die Klägerin wegen des Bezugs von Leistungen nach dem SGB XII gegen das Krankheitsrisiko abgesichert sei (Bescheid vom 6.10.2011 und Widerspruchsbescheid vom 19.1.2012). Das SG Oldenburg hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 25.6.2014). Das LSG Niedersachsen-Bremen hat die Berufung zurückgewiesen. Die Klägerin sei zwar bis zum 30.4.2007 pflichtversichertes Mitglied der Beklagten gewesen, habe aber nicht innerhalb von drei Monaten bis zum 31.7.2007 ihren Beitritt zur freiwilligen Versicherung erklärt. Weder sei ihr Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren noch könne sie sich auf den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch berufen, weil der Betreuer der Klägerin ab Bezug der Leistungen nach dem SGB XII von den versicherungsrechtlichen Folgen spätestens ab 25.1.2007 wusste (Urteil vom 27.6.2017). Gegen die Nichtzulassung der Revision wendet sich die Klägerin mit ihrer Beschwerde vom 21.8.2017, für die sie die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) beantragt hat.

II

Der Antrag der Klägerin auf Bewilligung von PKH ist abzulehnen. Ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 73a Abs 1 S 1 SGG iVm § 114 Abs 1 S 1 ZPO ). Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt, denn die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der angefochtenen Entscheidung des LSG ist als unzulässig zu verwerfen (§ 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 SGG ).

Das BSG darf gemäß § 160 Abs 2 SGG die Revision gegen eine Entscheidung des LSG nur dann zulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1), das angefochtene Urteil von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht (Nr 2) oder bestimmte Verfahrensmängel geltend gemacht werden (Nr 3). Einen solchen Zulassungsgrund hat die Klägerin entgegen § 160a Abs 2 S 3 SGG nicht hinreichend dargelegt oder bezeichnet.

Bei Geltendmachung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache muss die Beschwerdebegründung ausführen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (stRspr, vgl nur BSG Beschluss vom 17.4.2012 - B 13 R 347/11 B - SozR 4-2600 § 72 Nr 5 RdNr 17 mwN). Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll (vgl BSG Beschluss vom 25.10.1978 - 8/3 RK 28/77 - SozR 1500 § 160a Nr 31 S 48). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.

Soweit die Klägerin den Fragen, "welche rechtlichen Voraussetzungen an die Beteiligten im Rahmen der Fristwahrung des § 9 SGB V zu stellen sind und welche Voraussetzungen an eine Anschlussversicherung zu knüpfen sind, um hier eine Überforderung der Krankenversicherten auszuschließen", sowie "welche Voraussetzungen an einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch zu stellen sind", grundsätzliche Bedeutung beimisst, sind schon keine abstrakt-generellen Rechtsfragen zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer konkreten revisiblen Norm des Bundesrechts (§ 162 SGG ) mit höherrangigem Recht ( BSG Beschluss vom 23.12.2015 - B 12 KR 51/15 B - Juris RdNr 11 mwN) formuliert worden. Die Bezeichnung einer hinreichend bestimmten, aus sich heraus verständlichen Rechtsfrage ist jedoch unverzichtbar, damit das Beschwerdegericht an ihr die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen kann ( BSG Beschluss vom 10.9.2014 - B 10 ÜG 3/14 B - Juris RdNr 11 mwN). Auf die zwar behauptete, aber nicht hinreichend dargelegte über den Einzelfall hinausgehende allgemeine Bedeutung (Breitenwirkung) sowie Klärungsbedürftig- sowie -fähigkeit kommt es damit nicht mehr an.

Der ferner geltend gemachte Zulassungsgrund der Divergenz setzt voraus, dass das angefochtene Urteil des LSG von einer Entscheidung des BSG , des GmSOGB oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht. Eine solche Abweichung ist nur dann hinreichend bezeichnet, wenn aufgezeigt wird, mit welcher genau bestimmten entscheidungserheblichen rechtlichen Aussage zum Bundesrecht die angegriffene Entscheidung des LSG von welcher ebenfalls genau bezeichneten rechtlichen Aussage des BSG , des GmSOGB oder des BVerfG abweicht. Insoweit genügt es nicht darauf hinzuweisen, dass das LSG seiner Entscheidung nicht die höchstrichterliche Rechtsprechung zugrunde gelegt hätte. Nicht die Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründet die Zulassung der Revision wegen Divergenz. Sie liegt daher nicht schon dann vor, wenn das angefochtene Urteil nicht den Kriterien entsprechen sollte, die das BSG , der GmSOGB oder das BVerfG entwickelt hat, sondern erst dann, wenn das LSG diesen Kriterien auch widersprochen, also andere rechtliche Maßstäbe bei seiner Entscheidung herangezogen hat (vgl BSG Beschluss vom 12.5.2005 - B 3 P 13/04 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 6 RdNr 5 und vom 16.7.2004 - B 2 U 41/04 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 4 RdNr 6, jeweils mwN). Sich widersprechende Rechtssätze sind mit der Beschwerde aber nicht dargelegt worden.

Mit der Ablehnung des Antrags auf Bewilligung von PKH entfällt auch die Beiordnung eines Rechtsanwalts (§ 73a Abs 1 S 1 SGG iVm § 121 ZPO ).

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG .

Vorinstanz: LSG Niedersachsen-Bremen, vom 27.06.2017 - Vorinstanzaktenzeichen L 4 KR 367/14
Vorinstanz: SG Oldenburg, vom 25.06.2014 - Vorinstanzaktenzeichen S 6 KR 40/12