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BSG - Entscheidung vom 30.05.2017

B 3 KR 1/17 BH

Normen:
SGG § 160 Abs. 2
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1

BSG, Beschluss vom 30.05.2017 - Aktenzeichen B 3 KR 1/17 BH

DRsp Nr. 2017/9242

Krankengeld Nichtzulassungsbeschwerde Grundsatzrüge Weiterentwicklung des Rechts

1. Im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde geht es nicht darum, ob das Urteil des LSG richtig oder falsch ist; vielmehr ist gemäß § 160 Abs. 2 SGG die Revision nur zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr. 1), das Urteil des LSG von einer Entscheidung des BSG , des GmS- OGB oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr. 2) oder wenn ein Verfahrensmangel vorliegt, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (Nr. 3). 2. Grundsätzliche Bedeutung im Sinne dieser Vorschrift hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung besitzt, von der angestrebten Entscheidung der Rechtssache im Revisionsverfahren somit erwartet werden kann, dass die in einer bisher nicht geschehenen, jedoch das Interesse der Allgemeinheit berührenden Weise die Rechtseinheit herstellen, wahren oder sichern oder die Weiterentwicklung des Rechts fördern wird.

Der Antrag des Klägers, ihm für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 20. Dezember 2016 Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt Dr. M. aus G. zu gewähren, wird abgelehnt.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 ; SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1 ;

Gründe:

I

Das LSG Nordrhein-Westfalen hat mit Urteil vom 20.12.2016 den Anspruch des Klägers auf Gewährung von Krankengeld (Krg) ab dem 15.7.2005 verneint.

Das LSG hat im Wesentlichen ausgeführt, dass der Kläger bis zum 14.7.2005 Anspruch auf Krg gehabt habe unter Berücksichtigung der Bescheinigungen des Arztes Dr. S. und der Ärztin S. über die Arbeitsunfähigkeit (AU) im Zeitraum vom 27.6.2005 bis zum 7.7.2005 und anschließend bis zum 14.7.2005. Diesen Anspruch hat die Beklagte im Berufungsverfahren anerkannt. Über den 14.7.2005 hinaus habe aber ein Anspruch auf Krg nicht mehr bestanden. Der Kläger sei ab 15.7.2005 nicht mehr mit Anspruch auf Krg versichert gewesen, denn mangels erneuter ärztlicher Feststellung der AU spätestens am 14.7.2005 habe mit Ablauf dieses Tags die aufrechterhaltende Mitgliedschaft des Klägers nach § 192 Abs 1 Nr 2 SGB V geendet. Nach der erneuten AU-Bescheinigung durch die Ärztin S. am 15.7.2005 habe der Kläger auch keinen Anspruch auf Krg erworben. Diese AU-Bescheinigung habe einen Krg-Anspruch erst wieder am 16.7.2005 nach § 46 S 1 Nr 2 SGB V entstehen lassen können. Zu diesem Zeitpunkt sei der Kläger aber wegen des Bezugs von Arbeitslosengeld II (Alg II) nach dem SGB II (siehe § 5 Abs 1 Nr 2a SGB V ) und daher nach § 44 Abs 2 S 1 Nr 1 SGB V nicht mehr mit Anspruch auf Krg versichert gewesen.

Ein vom BSG anerkannter Fall, in dem die nicht rechtzeitige Feststellung der AU für einen Bewilligungsabschnitt ausnahmsweise nachgeholt werden könne, liege nicht vor (Hinweis auf BSG Urteile vom 16.12.2014 - B 1 KR 35/14 R - Juris RdNr 25 und - B 1 KR 19/14 R - Juris RdNr 15; BSGE 111, 9 = SozR 4-2500 § 192 Nr 5, RdNr 23). Ebenso fehle es an den Voraussetzungen für einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch. Sollte die Ärztin S. tatsächlich davon ausgegangen sein, dass sie das Vorliegen von AU rückwirkend habe bescheinigen können, so könne dieser Umstand keinen Anspruch auf Krg auslösen, sondern allenfalls zu zivilrechtlichen Ansprüchen gegen die Ärztin führen. Der Senat habe sich auch nicht gedrängt gesehen, den in der mündlichen Verhandlung aufrechterhaltenen Beweisantrag des Klägers, die Ärztin S. zu vernehmen, nachzukommen. Ebenso wenig habe der Senat dem Beweisantrag des Klägers folgen müssen, einen Orthopäden mit der Begutachtung der über den 14.7.2005 hinausgehenden AU des Klägers zu beauftragen. Auch ein nachgehender Anspruch auf Krg nach § 19 Abs 2 S 1 SGB V scheide aus. Der aus der früheren Mitgliedschaft abgeleitete Versicherungsschutz sei auch dann nachrangig, wenn das aktuelle Versicherungsverhältnis geringere Leistungen vorsehe. Dies gelte bei einer Versicherung nach § 5 Abs 1 Nr 2a SGB V aufgrund des Bezugs von Alg II (ua Hinweis auf BSG SozR 4-2500 § 44 Nr 15 RdNr 33). Der neue Status sei gegenüber der bloßen Auffangregelung des § 19 Abs 2 SGB V vorrangig und schließe in Bezug auf das Krg weitergehende Ansprüche aus.

Der Kläger hat mit einem von ihm unterzeichneten, am 28.2.2017 beim BSG eingegangenen Schreiben, Antrag auf Bewilligung von PKH unter Beiordnung von Rechtsanwalt Dr. M. aus G. zur Durchführung des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens gegen das og Urteil des LSG gestellt. Er trägt vor, das Berufungsurteil weiche von Entscheidungen des BSG ab. Im Übrigen habe er gutgläubig darauf vertrauen dürfen, dass ihm die Ärztin S. lückenlos AU attestiert habe. Die Beklagte habe zu keiner Zeit einen Hinweis erteilt, dass die AU des Klägers ab 7.7.2005 nicht lückenlos bescheinigt worden sei. Durch die Bescheinigungen der Ärztin S. vom 23.6.2016 und 13.12.2016 habe diese zeitnah Feststellungen zur durchgängig bestehenden AU des Klägers vom 7.7.2005 bis 19.9.2008 nachgeholt.

II

Der Antrag auf PKH ist abzulehnen. Gemäß § 73a Abs 1 S 1 SGG iVm § 114 ZPO kann einem Beteiligten, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder in Raten aufbringen kann, für das Verfahren vor dem BSG PKH bewilligt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Hier fehlt es an der hinreichenden Aussicht auf Erfolg. Es ist nicht zu erkennen, dass die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers erfolgreich sein könnte.

Im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde geht es nicht darum, ob das Urteil des LSG richtig oder falsch ist. Vielmehr ist gemäß § 160 Abs 2 SGG die Revision nur zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1), das Urteil des LSG von einer Entscheidung des BSG , des GmSOGB oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr 2) oder wenn ein Verfahrensmangel vorliegt, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (Nr 3). Ein solcher Zulassungsgrund ist nach Prüfung des Streitstoffs im Rahmen der gebotenen summarischen Prüfung durch den Senat nicht ersichtlich.

1. Es ist nicht erkennbar, dass eine Zulassung der Revision gegen das von dem Kläger angegriffene Berufungsurteil auf § 160 Abs 2 Nr 1 SGG gestützt werden könnte. Grundsätzliche Bedeutung im Sinne dieser Vorschrift hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung besitzt, von der angestrebten Entscheidung der Rechtssache im Revisionsverfahren somit erwartet werden kann, dass die in einer bisher nicht geschehenen, jedoch das Interesse der Allgemeinheit berührenden Weise die Rechtseinheit herstellen, wahren oder sichern oder die Weiterentwicklung des Rechts fördern wird (vgl nur BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 30 S 57). Rechtsfragen, die in diesem Sinne noch grundsätzliche Bedeutung haben könnten, sind im Rahmen des PKH-Verfahrens nicht ersichtlich. Das LSG hat den Rechtsstreit anhand der einschlägigen Rechtsnormen und unter Berücksichtigung der hierzu bereits ergangenen Rechtsprechung des BSG entschieden.

2. Insbesondere ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass das Berufungsurteil von der Rechtsprechung des BSG abweichen könnte iS von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG . Denn ein Ausnahmefall, der trotz lückenhafter AU-Bescheinigung zu einem Krg-Anspruch führen bzw diesen aufrechterhalten kann, lag weder nach bisheriger Rechtsprechung (vgl zusammenfassend BSGE 118, 52 = SozR 4-2500 § 192 Nr 7) noch nach neuer Senatsrechtsprechung vor (vgl BSG vom 11.5.2017 - B 3 KR 22/15 R - für BSGE und SozR 4 vorgesehen). Es fehlt bereits an der Voraussetzung, dass der Versicherte alles in seiner Macht Stehende und ihm Zumutbare getan haben muss, um seine Ansprüche zu wahren, indem er einen zur Diagnostik und Behandlung befugten Arzt persönlich aufgesucht und ihm seine Beschwerden geschildert hat, um a) die ärztliche Feststellung der AU als Voraussetzung des Anspruchs auf Krg zu erreichen und b) dies rechtzeitig innerhalb der anspruchsbegründenden bzw anspruchserhaltenen zeitlichen Grenzen für den Krg-Anspruch erfolgt ist. Diese Voraussetzung lag nach den Feststellungen des LSG nicht vor. Der Kläger hat die Ärztin S. erst am 15.7.2005 aufgesucht, obwohl ein persönlicher Arzt-Patienten-Kontakt spätestens am 14.7.2005 erforderlich gewesen wäre, um den Krg-Anspruch aufrechtzuerhalten. Auch im Übrigen kann der Zulassungsgrund der Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG ) nicht mit Erfolg geltend gemacht werden. Das LSG ist in der angefochtenen Entscheidung nicht von höchstrichterlicher Rechtsprechung abgewichen, vielmehr hat es sich auf die bereits vorliegende höchstrichterliche Rechtsprechung bezogen.

3. Ebenso wenig lässt sich ein Verfahrensfehler feststellen, der gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 SGG zur Zulassung der Revision führen könnte. Das LSG durfte den Rechtsstreit trotz des in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG gestellten Vertagungsantrags des Prozessbevollmächtigten des Klägers entscheiden. Dem Antrag (vgl § 202 SGG iVm § 227 ZPO ) fehlt es an einem erheblichen Grund, der das Berufungsgericht an einer Entscheidung in der Sache hätte hindern können. Es wurden bereits keine Umstände vorgetragen, die eine erneute Akteneinsicht (§ 120 SGG ) zur Wahrung rechtlichen Gehörs (§ 62 SGG ) hätten erfordern können (vgl dazu allgemein BSG Beschluss vom 28.12.2005 - B 12 KR 42/05 B - Juris RdNr 6, vgl auch Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, 2. Aufl 2017, SGG , § 110 RdNr 4b mwN). Dem Prozessbevollmächtigten des Klägers waren die Gerichtsakten einmal und die Verwaltungsakten der Beklagten bereits zweimal zur Akteneinsicht überlassen worden. Es ist nicht ersichtlich, weshalb der Prozessbevollmächtigte des Klägers in der mündlichen Verhandlung einen erneuten Antrag auf Akteneinsicht gestellt hat. Es ist auch nicht vorgetragen worden, dass ihm ein solcher Antrag zur Wahrung rechtlichen Gehörs vor Beginn der mündlichen Verhandlung nicht möglich gewesen wäre.

Das LSG musste sich auch nicht gedrängt sehen, den Beweisanträgen des Klägers nachzukommen. Eine Verletzung der Amtsermittlungspflicht (§ 103 SGG ) scheidet nach summarischer Prüfung aus. Wie das LSG zutreffend ausgeführt hat, kam es nicht darauf an, die Ärztin S. zur durchgängigen AU des Klägers zu vernehmen. Selbst wenn diese AU bestanden hätte, - was die im Gerichtsverfahren nachträglich erstellten Bescheinigungen attestieren - bleibt es bei der verspätet festgestellten AU am 15.7.2005, die im Verantwortungsbereich des Klägers liegt. Aus demselben Grund musste sich das LSG auch nicht gedrängt sehen, dem Beweisantrag des Klägers nachzukommen, einen Orthopäden mit der Begutachtung der über den 14.7.2005 hinausgehenden AU des Klägers zu beauftragen.

Da die aufgezeigten Voraussetzungen für die Bewilligung von PKH nicht vorliegen, kommt auch die Beiordnung eines Rechtsanwalts für die Durchführung des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde nicht in Betracht (§ 73a Abs 1 S 1 SGG iVm § 121 Abs 1 ZPO ).

Vorinstanz: LSG Nordrhein-Westfalen, vom 20.12.2016 - Vorinstanzaktenzeichen L 1 KR 130/13
Vorinstanz: SG Münster, vom 04.03.2010 - Vorinstanzaktenzeichen S 17 (11) KR 1/06