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BSG - Entscheidung vom 14.09.2017

B 5 R 118/17 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1
SGG § 162

BSG, Beschluss vom 14.09.2017 - Aktenzeichen B 5 R 118/17 B

DRsp Nr. 2017/14796

Grundsatzrüge Klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage Genügen der Darlegungspflicht Ausschließlich schriftliche Zeugenbefragung

1. Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. 2. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. 3. Ein Beschwerdeführer muss mithin, um seiner Darlegungspflicht zu genügen, eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (sogenannte Breitenwirkung) darlegen. 4. Die Frage, "Ist es mit dem Grundgesetz vereinbar, wenn ein Gericht lediglich eine schriftliche Zeugenbefragung vornimmt trotz Antragstellung, den Zeugen im Rahmen einer mündlichen Verhandlung zu befragen und weitere Zeugen weder lädt, noch schriftlich befragt?", ist bereits keine abstrakte Rechtsfrage zum Anwendungsbereich einer bestimmten revisiblen Norm des Bundesrecht.

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 1. März 2017 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine Kosten zu erstatten.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1 ; SGG § 162 ;

Gründe:

Mit Urteil vom 1.3.2017 hat das LSG Niedersachsen-Bremen Ansprüche des Klägers auf Anerkennung weiterer Beitragszeiten und auf Gewährung einer höheren Altersrente verneint und die Berufungen des Klägers gegen drei Urteile des SG Osnabrück vom 3.2.2016 zurückgewiesen.

Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat der Kläger Beschwerde beim BSG eingelegt. Er benennt als Zulassungsgrund die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG ).

Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig, weil sie nicht formgerecht begründet ist.

Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG ),

- das Urteil von einer Entscheidung des BSG , des GmSOGB oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (aaO Nr 2) oder

- ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (aaO Nr 3).

Derartige Gründe werden in der Beschwerdebegründung nicht nach Maßgabe der Erfordernisse des § 160a Abs 2 S 3 SGG dargetan. Die Beschwerde ist daher gemäß § 160a Abs 4 S 1 iVm § 169 SGG zu verwerfen.

1. Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Ein Beschwerdeführer muss mithin, um seiner Darlegungspflicht zu genügen, eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (so genannte Breitenwirkung) darlegen (zum Ganzen vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN).

Der Kläger formuliert als Rechtsfrage, der er grundsätzliche Bedeutung beimisst:

"Ist es mit dem Grundgesetz vereinbar, wenn ein Gericht lediglich eine schriftliche Zeugenbefragung vornimmt trotz Antragstellung, den Zeugen im Rahmen einer mündlichen Verhandlung zu befragen und weitere Zeugen weder lädt, noch schriftlich befragt?"

Der Kläger hat mit dieser Formulierung bereits keine abstrakte Rechtsfrage zum Anwendungsbereich einer bestimmten revisiblen Norm des Bundesrechts (§ 162 SGG ) aufgezeigt.

2. Soweit der Kläger des Weiteren vorträgt, der Rechtsstreit betreffe "direkt die Anwendung der Normen zur Beweisführung" und es komme entscheidend darauf an, ob er ein Recht dazu habe, dass die von ihm benannten Zeugen in einer mündlichen Verhandlung vernommen werden, rügt der Kläger sinngemäß einen Verstoß gegen die Sachaufklärungspflicht (§ 103 SGG ) und damit einen Verfahrensmangel nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG .

Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 1 SGG ), so müssen bei der Bezeichnung des Verfahrensmangels (§ 160a Abs 2 S 3 SGG ) zunächst die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht auf dem Mangel beruhen kann, also die Möglichkeit einer Beeinflussung der Entscheidung besteht. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 S 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

Der vor dem LSG anwaltlich vertretene Kläger bezeichnet schon nicht hinreichend einen solchen Beweisantrag. Die Beschwerdebegründung benennt weder, wann ein Beweisantrag mit dem Ziel einer weiteren Erforschung des Sachverhalts von Amts wegen (§ 103 S 1 SGG ) formuliert worden ist, noch gibt sie den Inhalt eines solchen vermeintlich gestellten Beweisantrags des Klägers wieder.

3. Soweit der Kläger mit seinem Vorbringen, das LSG habe trotz Antragstellung, den schriftlich befragten Zeugen nicht im Rahmen einer mündlichen Verhandlung befragt und weitere Zeugen weder geladen, noch schriftlich befragt, ebenfalls sinngemäß eine Verletzung seines im Grundgesetz geschützten Anspruchs auf rechtliches Gehör als Verfahrensmangel nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG geltend macht, darf die Berufung auf eine Gehörsverletzung nicht zur Umgehung der nach § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG eingeschränkten Nachprüfbarkeit einer Verletzung der Amtsermittlungspflicht führen ( BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 18 RdNr 6, 9). Andernfalls liefen die Beschränkungen für die Sachaufklärungsrüge (§ 103 SGG ) im Ergebnis leer ( BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 12 RdNr 7).

4. Auch der ergänzende Hinweis, der Kläger halte das Urteil des LSG "für falsch", weil er durch eidesstattliche Versicherungen von Zeugen glaubhaft gemacht habe, dass er in den streitigen Zeiträumen versicherungspflichtig beschäftigt gewesen sei, kann nicht zur Zulassung der Revision führen. Ungeachtet der richtigen Ausführungen des LSG, wonach es hier für die Anerkennung von Beitragszeiten maßgeblich auf die Zahlung von Beiträgen ankommt (§ 55 Abs 1 S 1 SGB VI ), kann selbst eine - vermeintliche - inhaltliche Unrichtigkeit der Berufungsentscheidung mit der Nichtzulassungsbeschwerde nicht angegriffen werden ( BSG SozR 1500 § 160a Nr 7).

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl § 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG ).

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 SGG .

Vorinstanz: LSG Niedersachsen-Bremen, vom 01.03.2017 - Vorinstanzaktenzeichen 2 R 86/16
Vorinstanz: SG Osnabrück, vom 03.02.2016 - Vorinstanzaktenzeichen 47 R 612/12