Kontakt : 0221 / 93 70 18 - 0
Wir durchsuchen unsere Datenbank

BSG - Entscheidung vom 06.04.2017

B 10 EG 2/17 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1

BSG, Beschluss vom 06.04.2017 - Aktenzeichen B 10 EG 2/17 B

DRsp Nr. 2017/10974

Betreuungsgeld Grundsatzrüge Klärungsfähigkeit einer Rechtsfrage Auswertung der höchstrichterlichen Rechtsprechung Genügen der Darlegungspflicht

1. Grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. 2. Ein Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts sowie unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung und des Schrifttums angeben, welche Rechtsfragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung erforderlich ist, und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. 3. Um seiner Darlegungspflicht zu genügen, muss der Beschwerdeführer mithin Folgendes aufzeigen: (1.) eine bestimmte Rechtsfrage, (2.) ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, (3.) ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit sowie (4.) die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung, also eine Breitenwirkung.

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 21. November 2016 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1 ;

Gründe:

I

Mit Urteil vom 21.11.2016 hat das LSG Nordrhein-Westfalen einen Anspruch der Klägerin auf Gewährung von Betreuungsgeld für ihre am 2.5.2014 geborene Tochter unter Bezugnahme auf die Gründe des angefochtenen Gerichtsbescheids des SG Gelsenkirchen vom 25.5.2016 verneint, weil die Klägerin danach bereits aufgrund der Nichtigkeit des Gesetzes zur Einführung des Betreuungsgeldes vom 15.2.2013 (BGBl I 254) keinen Anspruch auf Betreuungsgeld geltend machen könne. Ein die Durchbrechung des Nichtigkeitsgrundsatzes rechtfertigendes Vertrauen liege mangels einer positiven bescheidmäßigen Betreuungsgeldgewährung auf Seiten der Klägerin nicht vor. Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat die Klägerin beim BSG Beschwerde eingelegt, die sie mit dem Bestehen einer grundsätzlichen Bedeutung begründet.

II

Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist unzulässig. Ihre Begründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen (§ 160a Abs 2 S 3 SGG ). Keiner der in § 160 Abs 2 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe ist ordnungsgemäß dargetan worden.

Grundsätzliche Bedeutung iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Ein Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts sowie unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung und des Schrifttums angeben, welche Rechtsfragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung erforderlich ist, und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt (vgl BSG SozR 1500 § 160 Nr 17; BSG SozR 1500 § 160a Nr 7, 13 , 31, 59, 65). Um seiner Darlegungspflicht zu genügen, muss der Beschwerdeführer mithin Folgendes aufzeigen: (1.) eine bestimmte Rechtsfrage, (2.) ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, (3.) ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit sowie (4.) die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung, also eine Breitenwirkung. Diesen Anforderungen genügt die vorliegende Beschwerdebegründung nicht.

Die Klägerin wirft die Frage auf,

"ob nämlich eine ungleiche Behandlung all jener Antragsteller zu rechtfertigen ist, die vor dem 21.07.2015 bei Vorliegen aller Voraussetzungen für eine Bewilligung des Betreuungsgeldes einen Antrag stellten und deren Anspruch auf entsprechende Sozialleistungen im Umfang von bis zu 3.300 allein von der Bearbeitungszeit des jeweilig zuständigen Sachbearbeiters abhängig ist".

Nur den Antragstellern Geld zuzubilligen, welche bereits Inhaber eines rechtskräftigen positiven Bewilligungsbescheides seien, sei nicht mit dem Gleichheitssatz zu vereinbaren und stelle auch eine Verletzung der Art 6 und 12 GG dar, da die Aussicht auf die entsprechenden Leistungen auch bei der Familien- und insbesondere Berufsplanung ein wesentliches Kriterium ausmachten. Zwar ist schon zweifelhaft, ob sich mit der von der Klägerin formulierten Frage eine in jeder Hinsicht hinreichend konkrete Rechtsfrage verbindet. Aber selbst für diesen Fall zeigt die Klägerin deren Klärungsbedarf nicht auf. Wer sich auf die Verfassungswidrigkeit einer Regelung beruft, darf sich nicht auf die Benennung angeblich verletzter Rechtsgrundsätze beschränken, sondern muss unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BVerfG und des BSG darlegen, woraus sich im konkreten Fall die Verfassungswidrigkeit ergeben soll (vgl zB BSGE 40, 158 = SozR 1500 § 160a Nr 11; BSG Beschlüsse vom 4.4.2006 - B 12 RA 16/05 B - und vom 16.2.2009 - B 1 KR 87/08 B). Hierzu müssen der Bedeutungsgehalt der in Frage stehenden einfachgesetzlichen Normen aufgezeigt, die Sachgründe ihrer jeweiligen Ausgestaltung erörtert und die Verletzung der konkreten Regelung des GG dargelegt werden. Diesen Anforderungen entspricht die Beschwerdebegründung nicht. Die Klägerin benennt zwar die Entscheidung des BVerfG vom 21.7.2015 ( 1 BvF 2/13 - BVerfGE 140, 65 ), mit dem dieses die Vorschriften der §§ 4a bis 4b Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz für nichtig erklärt hat sowie die Entscheidung des BSG vom 15.12.2015 ( B 10 EG 2/15 R - SozR 4-7837 § 27 Nr 2), wonach die Nichtigkeit der das Betreuungsgeld regelnden Vorschriften einen Anspruch auf diese Leistungen ausschließt. Dabei behauptet die Klägerin auch eine Ungleichbehandlung hinsichtlich derjenigen Antragsteller, die vor dem 21.7.2015 die Voraussetzungen für die Bewilligung von Betreuungsgeld erfüllten, deren Anspruch jedoch allein von der Zügigkeit der Bearbeitung abhängig gewesen ist, im Verhältnis zu denjenigen Antragstellern, die bereits einen rechtskräftigen positiven Bewilligungsbescheid in Händen hielten. Darüber hinaus hätte die Klägerin jedoch auch Ausführungen zum Bedeutungsgehalt der Vorschrift des Art 20 Abs 3 GG machen müssen, wonach entsprechend den Ausführungen des BSG im Urteil vom 15.12.2015 ( B 10 EG 2/15 R - SozR 4-7837 § 27 Nr 2 RdNr 13) Verwaltung und Gerichte an Gesetz und Recht gebunden und deshalb gehalten sind, gesetzeswidrige Handlungen zu unterlassen. Ferner hat die Klägerin neben diesen Sachgründen für eine differenzierte Behandlung der verschiedenen Antragsteller auch eine Verletzung der konkreten behaupteten Regelungen des GG nicht dargelegt. Eine Auseinandersetzung mit der hierzu ergangenen Rechtsprechung des BSG und BVerfG fehlt vollständig.

Der Senat sieht von einer weiteren Begründung der Entscheidung ab (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG ).

Die Verwerfung der nicht formgerecht begründeten Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 SGG ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG .

Vorinstanz: LSG Nordrhein-Westfalen, vom 21.11.2016 - Vorinstanzaktenzeichen L 13 EG 17/16
Vorinstanz: SG Gelsenkirchen, - Vorinstanzaktenzeichen S 23 EG 17/15