Kontakt : 0221 / 93 70 18 - 0
Wir durchsuchen unsere Datenbank

BSG - Entscheidung vom 21.08.2017

B 9 V 22/17 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 3
SGG § 160a Abs. 2 S. 3
SGG § 103

BSG, Beschluss vom 21.08.2017 - Aktenzeichen B 9 V 22/17 B

DRsp Nr. 2017/14399

Beschädigtenrente nach dem OEG Verfahrensrüge Verstoß gegen die tatrichterliche Sachaufklärungspflicht Aufrechterhaltener Beweisantrag Notwendiger Inhalt eines Beweisantrages

1. Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, es liege ein Verfahrensmangel vor, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne, so müssen bei der Bezeichnung des Verfahrensmangels zunächst die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. 2. Gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 3 Halbs. 2 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel dabei auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. 3. Will die Beschwerde demnach einen Verstoß gegen die tatrichterliche Sachaufklärungspflicht rügen, so muss sie einen für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren Beweisantrag bezeichnen, dem das LSG nicht gefolgt ist. 4. Dafür muss nicht nur die Stellung des Antrags, sondern auch aufgezeigt werden, über welche im Einzelnen bezeichneten Punkte Beweis erhoben werden sollte.

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 23. März 2017 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 3 ; SGG § 160a Abs. 2 S. 3; SGG § 103 ;

Gründe:

I

Die Klägerin begehrt die Anerkennung von Schädigungsfolgen und die Zuerkennung einer Beschädigtenrente nach dem Opferentschädigungsgesetz ( OEG ) iVm dem Bundesversorgungsgesetz .

Sie behauptet, ihr Hausarzt habe sie vergewaltigt. Unabhängig davon sei sie von einem psychisch kranken Mann mit einem Messer verfolgt worden.

Der Beklagte lehnte den Antrag hinsichtlich beider Vorfälle ab (Bescheid vom 18.7.2003, Widerspruchsbescheid vom 4.8.2005).

Das SG hat die Klage abgewiesen. Die Schilderungen der Klägerin von ihrer Vergewaltigung seien nicht glaubhaft (Urteil vom 28.11.2011).

Das LSG hat die Berufung zurückgewiesen. Das Gericht habe sich nicht mit der notwendigen Gewissheit davon überzeugen können, dass die Klägerin die von ihr geschilderte Vergewaltigung erlitten habe. Bei der Bedrohung durch einen psychisch Kranken mit einem Messer habe es sich nicht um eine Angriff iS des § 1 OEG gehandelt (Urteil vom 23.3.2017).

Gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung hat die Klägerin Beschwerde zum BSG eingelegt. Das LSG habe seine Pflicht zur Amtsermittlung verletzt.

II

Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist unzulässig. Die Begründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen, weil die behaupteten Verfahrensmängel nicht ordnungsgemäß dargetan worden sind (vgl § 160a Abs 2 S 3 SGG ).

1. a) Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde wie im Fall der Klägerin darauf gestützt, es liege ein Verfahrensmangel vor, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 1 SGG ), so müssen bei der Bezeichnung des Verfahrensmangels (§ 160a Abs 2 S 3 SGG ) zunächst die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel dabei auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Will die Beschwerde demnach einen Verstoß gegen die tatrichterliche Sachaufklärungspflicht rügen (§ 103 SGG ), so muss sie einen für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren Beweisantrag bezeichnen, dem das LSG nicht gefolgt ist. Dafür muss nicht nur die Stellung des Antrags, sondern auch aufgezeigt werden, über welche im Einzelnen bezeichneten Punkte Beweis erhoben werden sollte (vgl BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 6 mwN).

Die Beschwerde hat indes keinen Beweisantrag bezeichnet und nicht einmal behauptet, dass die Klägerin einen solchen Antrag gestellt habe. Ihre Kritik, das LSG habe den Angeschuldigten persönlich anhören und zudem weiter zum Grad der Schädigungsfolgen (GdS) der Klägerin ermitteln müssen, kann ihrer Rüge daher nicht zum Erfolg verhelfen. Ohnehin erschließt sich nicht, warum es vom Rechtsstandpunkt des LSG aus auf einen möglichen GdS ankommen sollte, obwohl das LSG schon einen Angriff iS des § 1 OEG verneint hat.

b) Ebenfalls keinen Verfahrensmangel bezeichnet die Klägerin mit ihrer Rüge der überlangen Dauer ihres Gerichtsverfahrens. Die Beschwerde geht nicht auf die Rechtsschutzmöglichkeiten ein, die das 2011 in Kraft getretene Gesetz über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren (ÜGG) in Form der Verzögerungsrüge und des Entschädigungsanspruchs geschaffen hat. Die Beschwerde legt nicht dar, warum es für die Klägerin darüber hinaus noch weiteren Rechtsschutzes im Rahmen der Nichtzulassungsbeschwerde zum BSG bedürfte (vgl BSG Beschluss vom 15.10.2015 - B 9 V 15/15 B - Juris).

Die Beschwerde ist somit ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen (§ 160a Abs 4 S 1 Halbs 2, § 169 SGG ).

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl § 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG ).

2. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 SGG .

Vorinstanz: LSG Niedersachsen-Bremen, vom 23.03.2017 - Vorinstanzaktenzeichen L 10 VE 6/12
Vorinstanz: SG Braunschweig, vom 28.11.2011 - Vorinstanzaktenzeichen S 38 VG 91/05