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BSG - Entscheidung vom 12.12.2017

B 12 KR 34/17 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1

BSG, Beschluss vom 12.12.2017 - Aktenzeichen B 12 KR 34/17 B

DRsp Nr. 2018/2559

Beiträge zur Krankenversicherung Berücksichtigung einer Direktversicherung bei der Beitragsbemessung Grundsatzrüge Höchstrichterlich geklärte Rechtsfrage Widerspruch gegen höchstrichterliche Rechtsprechung Erneute Klärungsbedürftigkeit

1. Ist eine Rechtsfrage bereits höchstrichterlich entschieden, so steht das ihrer Klärungsbedürftigkeit zwar nicht immer entgegen. 2. Der Beschwerdeführer muss in einem solchen Fall jedoch substantiiert darlegen, dass der höchstrichterlichen Entscheidung in nicht geringem Umfang widersprochen wird oder nun Einwendungen erhoben werden, die in der höchstrichterlichen Rechtsprechung noch nicht berücksichtigt wurden und nicht von vornherein abwegig sind.

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 20. März 2017 wird als unzulässig verworfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1 ;

Gründe:

I

Die Beteiligten streiten in dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit darüber, ob der Kläger auf mehrere Kapitalzahlungen, die er im Wege der Direktversicherung durch Entgeltumwandlung (nach dem Modell aufgeschobener Vergütung [Deferred Compensation]), aber bei Versicherungsnehmereigenschaft seines Arbeitgebers erworben hatte, in Anwendung von ua § 229 Abs 1 S 3 SGB V Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung zu leisten hat. Klage und Berufung blieben erfolglos.

Mit seiner Beschwerde wendet sich der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des LSG Niedersachsen-Bremen vom 20.3.2017.

II

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im og Beschluss des LSG Niedersachsen-Bremen ist in entsprechender Anwendung von § 169 S 2 und 3 SGG als unzulässig zu verwerfen. Der Kläger hat in der Begründung des Rechtsmittels entgegen § 160a Abs 2 S 3 SGG keinen Zulassungsgrund hinreichend dargelegt oder bezeichnet.

Das BSG darf gemäß § 160 Abs 2 SGG die Revision gegen eine Entscheidung des LSG nur dann zulassen, wenn

- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1) oder

- das angefochtene Urteil von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht (Nr 2) oder

- bestimmte Verfahrensmängel geltend gemacht werden (Nr 3).

Mit der Behauptung, die Berufungsentscheidung sei inhaltlich unrichtig, lässt sich die Zulassung der Revision - der Struktur und Ausrichtung des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens entsprechend - demgegenüber nicht erreichen.

1. Der Kläger stützt sich in seiner Beschwerdebegründung (S 8 ff) vom 19.6.2017 auf die Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG ) und des Verfahrensmangels (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG ).

Er bezieht sich zunächst auf die zu seiner Klage und Berufung gegebene Begründung (S 5 ff der Beschwerdebegründung), hier auf den - von den Instanzgerichten herangezogenen - Nichtannahmebeschluss des BVerfG vom 6.9.2010 ( 1 BvR 739/08 - BVerfGK 18, 4 = SozR 4-2500 § 229 Nr 10), und behauptet die Verfassungswidrigkeit der Erhebung von Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen auf Versorgungsbezüge in seinem Fall bzw bei der von ihm repräsentierten Personengruppe. So hält er einen Verstoß gegen das "Rückwirkungsverbot aus Art. 20 GG " und den Grundsatz des Vertrauensschutzes für gegeben, weil § 229 Abs 1 S 3 SGB V ohne ausreichende Übergangsfrist auf Altverträge wie seinen anzuwenden sei (S 5 der Beschwerdebegründung), er aus seinen Einnahmen immer schon den Höchstbeitrag entrichtet habe und es durch die Verbeitragung der Kapitalzahlungen zu einer "rückwirkenden Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze" und zu einer rückwirkenden Beitragserhebung in der Pflegeversicherung komme (S 6 der Beschwerdebegründung). Darüber hinaus beklagt er eine Verletzung seines Eigentumsrechts, weil es sich bei den umgewandelten Entgelten um in seinem Eigentum stehendes Anlagekapital handele, und einen Verstoß gegen Art 3 Abs 1 GG . Er sieht eine nicht gerechtfertigte Benachteiligung gegenüber Personen, deren Versorgung vor dem 1.1.2004 ausgezahlt wurde, privat Krankenversicherten, Personen mit privaten Lebensversicherungen und allen Besserverdienenden, insbesondere "Beamten und vergleichbaren Personengruppen" sowie Arbeitgebern, denen die Finanzierungsdefizite der gesetzlichen Krankenversicherung nur "gedeckelt" aufgebürdet würden (S 6 ff der Beschwerdebegründung).

a) Zur Erläuterung des von ihm herangezogenen Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache greift der Kläger den von ihm behaupteten Gleichheitsverstoß heraus (S 8 f der Beschwerdebegründung), rekurriert auf den Beschluss des BVerfG vom 6.9.2010 ( 1 BvR 739/08 - BVerfGK 18, 4 = SozR 4-2500 § 229 Nr 10), dessen Begründung sich das LSG zu eigen gemacht habe, soweit dort eine Verletzung des Art 3 GG verneint wurde, und rügt nach einer Darstellung der verfassungsgerichtlichen Typisierungsrechtsprechung (S 9 der Beschwerdebegründung):

"Das Landessozialgericht hat mit dieser Bezugnahme in keiner Weise die Entscheidung in ausreichender Weise begründet, weshalb im hier vorliegenden Einzelfall eine Diskriminierung nicht vorliegt ...

Die Frage, unter welchen Voraussetzungen, man bei Heranziehung von Einkommen aus der Direktversicherung zu Beiträgen zur KV und PV von einer nur kleinen Personenzahl, einem nicht allzu intensiven Verstoß gegen den Gleichheitssatz ausgehen darf, ist in keiner Weise fundiert unter Heranziehung einschlägiger Daten begründet worden.

Es handelt sich vielmehr um eine nur formelhafte Ausführung ohne substantiierte Ausfüllung. Erforderlich wäre hier eine empirische Datenerhebung."

Mit diesem Vorbringen legt der Kläger den Zulassungsgrund des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG nicht in der gebotenen Weise dar. Der Senat kann offenlassen, ob der Kläger in seiner Beschwerdebegründung überhaupt eine (oder mehrere) hinreichend konkrete Rechtsfrage (Rechtsfragen) stellt, die in einem späteren Revisionsverfahren zu beantworten wäre (wären), oder nur eine (verdeckte) Tatsachenfrage, also eine solche der Subsumtion der von ihm erworbenen Kapitalzahlungen (" ... im hier vorliegenden Einzelfall ... ") unter die Bestimmung des § 229 Abs 1 S 3 SGB V . Jedenfalls legt er nicht hinreichend dar, dass von ihm aufgeworfene Rechtsfragen zu diesem Themenkreis klärungsbedürftig geblieben oder erneut klärungsbedürftig geworden sind. Der Sache nach kritisiert der Kläger als "formelhaft" und "in keiner Weise fundiert" die angesprochene Rechtsprechung des BVerfG, auf die sich das Berufungsgericht in seiner Entscheidung bezogen hat. Darin hat das BVerfG die vom BSG vorgenommene Typisierung am Maßstab seiner Typisierungsrechtsprechung als zulässig angesehen und ausgeführt (Beschluss vom 6.9.2010 - 1 BvR 739/08 - BVerfGK 18, 4 = SozR 4-2500 § 229 Nr 10 RdNr 14 ff):

"Eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung des Beschwerdeführers liegt nicht vor. Die vom Bundessozialgericht vorgenommene Typisierung, wonach auch die nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses teilweise arbeitnehmerfinanzierte Direktversicherung, bei welcher der Arbeitgeber Versicherungsnehmer ist, einen Versorgungsbezug im Sinne des § 229 SGB V bildet, ist mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar (RdNr 15 ).

...

Es ist im Rahmen einer Typisierung nicht zu beanstanden, wenn das Bundessozialgericht auch nach Ende des Arbeitsverhältnisses durch den früheren Arbeitnehmer eingezahlte Beiträge als noch betrieblich veranlasst einstuft, solange der institutionelle Rahmen des Betriebsrentenrechts, also im Falle der Direktversicherung der auf den Arbeitgeber als Versicherungsnehmer laufende Versicherungsvertrag zur Durchführung der betrieblichen Altersversorgung genutzt wird. Es liegt damit ein formal einfach zu handhabendes Kriterium vor, das ohne Rückgriff auf arbeitsrechtliche Absprachen, insbesondere darauf, ob die vom Arbeitnehmer eingezahlten Beiträge von der Versorgungszusage des Arbeitgebers umfasst waren, eine Abschichtung betrieblicher von privater Altersversorgung durch Lebensversicherungsverträge erlaubt. Insoweit ist mit der jüngsten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (...) davon auszugehen, dass die Abgrenzung der beitragspflichtigen Leistungen nach dem Versicherungstyp (Direktversicherung im Sinne von § 1 Abs. 2 BetrAVG ) grundsätzlich ein geeignetes Kriterium darstellt, um beitragspflichtige Versorgungsbezüge und beitragsfreie private Lebensversicherungen voneinander abzugrenzen."

Ist eine Rechtsfrage bereits höchstrichterlich (hier: vom BVerfG) entschieden, so steht das ihrer Klärungsbedürftigkeit zwar nicht immer entgegen. Der Beschwerdeführer muss in einem solchen Fall jedoch substantiiert darlegen, dass der höchstrichterlichen Entscheidung in nicht geringem Umfang widersprochen wird oder nun Einwendungen erhoben werden, die in der höchstrichterlichen Rechtsprechung noch nicht berücksichtigt wurden und nicht von vornherein abwegig sind (grundlegend schon BSG Beschluss vom 25.9.1975 - 12 BJ 94/75 - SozR 1500 § 160a Nr 13 S 19 f). Solche Einwendungen gegen den og Beschluss des BVerfG vom 6.9.2010, das sich für seine Beurteilung der BSG -Rechtsprechung (als mit den verfassungsrechtlichen Grundsätzen zur Typisierung vereinbar) explizit (nur) darauf gestützt hat, dass "der institutionelle Rahmen des Betriebsrentenrechts ... genutzt" werde, und Gesichtspunkte der Verwaltungsvereinfachung bemüht hat, skizziert der Kläger nicht hinreichend. Insbesondere legt er nicht in der erforderlichen Weise dar, warum es im Hinblick auf diese Begründung des BVerfG auf eine empirische Datenerhebung ankommen soll.

b) Auch einen entscheidungserheblichen Mangel des Berufungsverfahrens (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG ) bezeichnet der Kläger nicht in der erforderlichen Weise.

Er sieht einen solchen darin, dass das LSG eine ordnungsgemäße Begründung unterlassen habe, zu der es auch gehöre, die "Tatsachengrundlage" bzw den Prozentsatz zu benennen, "ab dem eine Typisierung erfolgen darf". Er fügt insoweit hinzu, dass es keine belastbaren Daten über die Anzahl der Fälle gebe, in denen die Beiträge vom Mitarbeiter durch Gehaltsumwandlung finanziert wurden. Darüber hinaus kritisiert der Kläger die - aus seiner Sicht falsche - Annahme des LSG, die Überweisung der Beiträge durch den Arbeitgeber bedeute, dass das Geld von ihm stamme.

Der Kläger bezeichnet hiermit keinen Verstoß gegen Verfahrensnormen, die den (verfahrensrechtlichen) Weg zum Urteil bzw (hier) Beschluss betreffen (error in procedendo), sondern wendet sich bei (angenommener) rechtmäßiger Anwendung von Vorschriften des Gerichtsverfahrens im Kern gegen den Inhalt der angefochtenen Berufungsentscheidung (selbst). Ebenso wie mit seinen Darlegungen zum Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG ) richtet er mit seinen Ausführungen zu dem Vorliegen eines Verfahrensfehlers in der Form eines Begründungsmangels (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG ) Angriffe lediglich gegen die materiell-rechtliche Auffassung des LSG, der er seine eigene abweichende Ansicht, in seinem "Einzelfall" liege eine sachlich nicht gerechtfertigte "Diskriminierung ... bei der Heranziehung von Versorgungsbezügen" vor, gegenüberstellt. Darauf kann eine Nichtzulassungsbeschwerde aber nicht gestützt werden.

2. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG ).

3. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG .

Vorinstanz: LSG Niedersachsen-Bremen, vom 20.03.2017 - Vorinstanzaktenzeichen L 4 KR 45/15
Vorinstanz: SG Bremen, vom 02.12.2014 - Vorinstanzaktenzeichen S 8 KR 95/10