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BSG - Entscheidung vom 18.05.2017

B 11 AL 11/17 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1

BSG, Beschluss vom 18.05.2017 - Aktenzeichen B 11 AL 11/17 B

DRsp Nr. 2017/13793

Arbeitslosenhilfe Grundsatzrüge Klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage Genügen der Darlegungspflicht

1. Grundsätzliche Bedeutung (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG ) hat eine Rechtssache nur, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. 2. Um seiner Darlegungspflicht zu genügen, muss ein Beschwerdeführer eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (sog. Breitenwirkung) darlegen.

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 27. Oktober 2016 wird als unzulässig verworfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1 ;

Gründe:

I

Gegenstand des Verfahrens sind die Bescheide vom 14.4.2003 idF des Widerspruchsbescheids vom 15.10.2004, mit denen die Beklagte die Bewilligung von Alhi für den Zeitraum vom 5.2.1999 bis zum 17.4.2003 aufgehoben hat und die Erstattung zu Unrecht erbrachter Alhi in Höhe von 25 149,56 Euro sowie der hierauf entrichteten Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 6586,10 Euro bzw 526,60 Euro verlangt und zum anderen die Bewilligung von Alhi ab 18.4.2003 aufgehoben hat. Das LSG hat das zusprechende Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen. In der Begründung seiner Entscheidung ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass anrechenbares Vermögen einem Anspruch der Klägerin auf Alhi entgegen gestanden habe. Unter Zugrundelegung der Angaben der Klägerin im Verwaltungs-, Klage- und Berufungsverfahren sowie der Aussagen des Vaters der Klägerin, des Zeugen H T T, sehe es der Senat nicht als erwiesen an, dass das streitige Vermögen der auf dem Namen der Klägerin geführten Konten bei der TCMB bzw bei der VR Bank P eG von ihr lediglich treuhänderisch für den in der Türkei lebenden Onkel, den Zeugen M T, verwaltet worden sei.

Mit ihrer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision macht die Klägerin eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache und einen Verfahrensfehler geltend.

II

Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist unzulässig. Die Begründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG ). Weder hat die Klägerin den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache ordnungsgemäß dargelegt (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG ) noch einen Verfahrensfehler ausreichend bezeichnet (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG ).

Grundsätzliche Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG ) hat eine Rechtssache nur, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Um seiner Darlegungspflicht zu genügen, muss ein Beschwerdeführer eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) darlegen (vgl nur BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN).

Die Beschwerdebegründung der Klägerin wird diesen Darlegungserfordernissen nicht gerecht. Als Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung möchte sie geklärt haben, ob die Zurechnung des Vermögens dadurch fingiert werden könne, dass sie wahrheitswidrig bei der Einzahlung der Gelder an die türkische Nationalbank angegeben habe, über die Gelder in eigenem Namen zu verfügen, obwohl anhand ihrer Erwerbsbiografie und persönlichen Verhältnisse ausgeschlossen sei, dass es sich bei den Geldern tatsächlich um ihr Eigentum gehandelt habe. Die Geldanlage habe dazu gedient, bei der türkischen Nationalbank in A hochverzinsliche D-Mark-Sparkonten bzw Super-Devisen-Konten zu eröffnen und zu führen, obwohl sie daraus keinen wirtschaftlichen Vorteil erhalte und sie sämtliches Kapital nebst Zinsen ihrem Onkel ausgehändigt habe.

Mit diesem Vorbringen hat die Klägerin schon keine Rechtsfrage formuliert, sondern Einzelfallgesichtspunkte angesprochen. Der Sache nach wendet sie sich gegen die richterliche Bewertung der streitigen Vermögensbeträge als Vermögen im Rahmen der Alhi und setzt dem ihre eigene abweichende Bewertung entgegen. Hierauf kann eine Nichtzulassungsbeschwerde wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache aber nicht gestützt werden. Zudem wird für die aufgeworfene Frage auch die Klärungsbedürftigkeit nicht aufgezeigt, weil es schon an einer Auseinandersetzung mit der vom LSG in Bezug genommenen höchstrichterlichen Rechtsprechung fehlt.

Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde - wie hier - weiter darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG ), so müssen zur Bezeichnung des Verfahrensmangels die diesen (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG - ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht - auf dem Mangel beruhen kann, dass also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Urteils besteht (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 24 , 34, 36).

Da die Klägerin eine unzureichende Aufklärung des Sachverhalts (§ 103 SGG ) rügt, muss die Beschwerdebegründung hierzu jeweils folgende Punkte enthalten: (1) Bezeichnung eines für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren, bis zuletzt aufrechterhaltenen Beweisantrags, dem das LSG nicht gefolgt ist, (2) Wiedergabe der Rechtsauffassung des LSG, aufgrund derer bestimmte Tatfragen als klärungsbedürftig hätten erscheinen müssen, (3) Darlegung der von dem betreffenden Beweisantrag berührten Tatumstände, die zu einer weiteren Sachaufklärung Anlass gegeben hätten, (4) Angabe des voraussichtlichen Ergebnisses der unterbliebenen Beweiserhebung, (5) Schilderung, dass und warum die Entscheidung des LSG auf der angeblich fehlerhaft unterlassenen Beweisaufnahme beruhen kann, das LSG mithin bei Kenntnis des behaupteten Ergebnisses der unterlassenen Beweisaufnahme von seinem Rechtsstandpunkt aus zu einem anderen, dem Beschwerdeführer günstigeren Ergebnis hätte gelangen können (vgl BSG SozR 1500 § 160 Nr 5, 35 , 45; BSG SozR 1500 § 160a Nr 24, 34 ).

Diesen Erfordernissen genügt die Beschwerdebegründung nicht. Zwar bezeichnet die Klägerin einen in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG vom 27.10.2016 gestellten Beweisantrag auf Anhörung ihres Bruders B T dazu, dass sie 1995 bei ihrem Urlaub in der Türkei von ihrem Onkel 70 000 DM erhalten habe, um diesen Betrag bei der TCMB Bank einzuzahlen (1), dass dieser die sog eidesstattliche Versicherung vom 21.2.2012 zur notariellen Beglaubigung von ihrem Onkel M T erhalten habe und dass der gedankliche Inhalt und die Unterschrift von diesem stamme (2) und dass ihr Bruder bei seinen Besuchen in Deutschland ab 2003 Geld von ihr erhalten habe mit dem Auftrag, dieses dem Onkel auszuhändigen, wobei ihm bekannt gewesen sei, dass es sich um Rückzahlungen ihrerseits an den Onkel gehandelt habe (3).

Die Klägerin hat es aber versäumt, sich inhaltlich mit der Begründung des Berufungsgerichts für die Nichtvornahme der beantragten Zeugenvernehmung auseinanderzusetzen und zu verdeutlichen, weshalb sich das LSG dennoch hätte gedrängt fühlen müssen, den beantragten Beweis zu erheben. So hat das LSG das aus dem Jahre 1995 stammende Vermögen von vornherein unberücksichtigt gelassen, weil die Klägerin schon angesichts des von der Gemeinsamen Steuerfahndungsstelle beim Finanzamt E ermittelten Vermögens nicht bedürftig gewesen sei. Zu berücksichtigen wäre gewesen, dass das Berufungsgericht schon wegen der festgestellten Widersprüchlichkeiten und Unstimmigkeiten in den Aussagen der Klägerin und denjenigen ihres als Zeugen gehörten Vaters zu dem Ergebnis gelangt ist, dass der von ihr geschilderte Ablauf im Jahre 1996 nicht feststellbar sei. Auch mit diesen Umständen hätte sich die Klägerin befassen müssen, um eine wesentliche Bedeutung von Vorgängen im Jahre 1995 darlegen zu können.

Soweit die Vorgänge um die Erklärung vom 21.2.2012 betroffen sind, deren Inhalte und Abgabe der schriftlich befragte Zeuge M T bestritten hat, hat das LSG den Vortrag als wahr unterstellt. Das Berufungsgericht hat es ausdrücklich dahinstehen lassen, ob die von der Klägerin vorgelegte Erklärung des Zeugen M T tatsächlich von diesem verfasst bzw unterschrieben worden bzw der Erklärungsinhalt dem Zeugen zuzurechnen ist. Wegen der zuvor in den Entscheidungsgründen dargelegten Widersprüchlichkeiten und Unklarheiten hat es ein nach strengen Maßstäben zu prüfendes Treuhandverhältnis aber nicht als erwiesen angesehen. Insofern hätte die Klägerin mit ihrer Beschwerde näher darlegen müssen, dass das LSG den angebotenen Beweis von seinem Standpunkt aus dennoch zwingend hätte erheben müssen. Der bloße Hinweis auf die Sicht der Klägerin zur Erforderlichkeit weiterer Ermittlungen reicht nicht aus. Bezogen auf die behauptete Zahlung von Geldbeträgen ab 2003 durch den Bruder an den Onkel, die das LSG gleichfalls als wahr unterstellt hat, kritisiert die Klägerin erneut, dass wegen einer möglichen indiziellen Bedeutung der Vorgänge eine Anhörung des Bruders als Zeugen hätte erfolgen müssen. Auch hier wendet sie sich im Ergebnis gegen eine Beweiswürdigung des LSG, das in seiner Begründung darauf abgestellt hat, dass die allgemeine Tatsache von Rückzahlungen keine Rückschlüsse auf das zugrunde liegende Rechtsverhältnis und die Vorgänge in 1996 und 1997 zulasse. Auch hiermit hat sich die Klägerin nicht in ausreichendem Maße auseinandergesetzt.

Die Beschwerde ist daher ohne Zuziehung ehrenamtlicher Richter zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 SGG , § 169 SGG ).

Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 SGG .

Vorinstanz: LSG Rheinland-Pfalz, vom 27.10.2016 - Vorinstanzaktenzeichen L 1 AL 48/11
Vorinstanz: SG Mainz, vom 14.02.2011 - Vorinstanzaktenzeichen S 15 AL 132/08