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BSG - Entscheidung vom 23.01.2015

B 4 AS 332/14 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1

BSG, Beschluss vom 23.01.2015 - Aktenzeichen B 4 AS 332/14 B

DRsp Nr. 2015/2776

Begriff der grundsätzlichen Bedeutung Umfang der Darlegungspflicht bei einer Grundsatzrevision

1. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. 2. Ein Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts sowie unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung und des Schrifttums angeben, welche Rechtsfragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung aus Gründen der Rechtseinheit oder Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. 3. Um seiner Darlegungspflicht zu genügen, muss der Beschwerdeführer mithin Folgendes aufzeigen: (1) eine konkrete Rechtsfrage, (2) ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, (3) ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie (4) die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung, also eine Breitenwirkung.

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 5. November 2014 wird als unzulässig verworfen.

Der Antrag der Klägerin, ihr für die Durchführung des zuvor bezeichneten Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen und Rechtsanwalt A beizuordnen, wird abgelehnt.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1 ;

Gründe:

I

Im Streit steht die zuschussweise Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II an Stelle des hierfür bewilligten Darlehens für den Zeitraum vom 1.11.2012 bis 30.4.2013.

Die 1994 geborene Klägerin ist nigerianische Staatsangehörige und verfügte im streitigen Zeitraum über eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs 3 AufenthG (Abschiebungsverbot). Sie bezog zunächst Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts von dem Beklagten. Dieser lehnte die weitere Bewilligung ab, nachdem die Klägerin eine Ausbildung in einer Berufseinstiegsklasse in einem Berufsschulzentrum aufgenommen hatte. Zugleich lehnte der für die Ausbildungsförderung zuständige Träger Leistungen nach dem BAföG aus Gründen des § 8 Abs 2 Nr 2 BAföG ab. Aufgrund der persönlichen Situation der Klägerin bewilligte der Beklagte daraufhin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II als Darlehen, unter Annahme eines Härtefalls iS des § 27 Abs 4 S 1 SGB II . Die auf die zuschussweise Leistungsgewährung gerichtete Klage ist vor dem SG und die Berufung hiergegen vor dem LSG erfolglos geblieben (Urteile vom 21.12.2012 und 5.11.2014). Das LSG hat zur Begründung ausgeführt, die Klägerin sei nach § 7 Abs 5 SGB II von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ausgeschlossen. Ein Fall der Ausnahme iS des § 7 Abs 6 Nr 2 SGB II sei nicht gegeben. Der Bedarf der Klägerin bemesse sich nicht nach § 12 Abs 1 Nr 1 BAföG sondern nach § 12 Abs 1 Nr 2 BAföG . Zutreffend habe der Beklagte daher existenzsichernde Leistungen in einem Härtefall durch ein Darlehen erbracht.

Mit ihrer Beschwerde zum BSG wendet sich die Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im zuvor benannten Urteil des LSG. Sie macht eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG ).

II

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig. Ihre Begründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen, da der geltend gemachte Zulassungsgrund nicht ordnungsgemäß dargetan worden ist (§ 160a Abs 2 S 3 SGG ).

Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Ein Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts sowie unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung und des Schrifttums angeben, welche Rechtsfragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung aus Gründen der Rechtseinheit oder Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Um seiner Darlegungspflicht zu genügen, muss der Beschwerdeführer mithin Folgendes aufzeigen: (1) eine konkrete Rechtsfrage, (2) ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, (3) ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie (4) die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung, also eine Breitenwirkung ( BSG SozR 1500 § 160 Nr 17 und § 160a Nr 7, 11, 12, 31, 59, 65). Diesen Anforderungen genügt die vorliegende Beschwerdebegründung nicht.

Die Klägerin formuliert zwar die Rechtsfrage: "Ist es mit Art 2 iVm Art 3 GG vereinbar, dass Personen, die über eine Aufenthaltsgenehmigung nach Maßgabe des § 25 Abs 3 AufenthG verfügen, nicht in den Genuss des Ausnahmetatbestandes des § 7 Abs 6 Nr 2 SGB II kommen?". Sie macht zur Begründung der grundsätzlichen Bedeutung dieser Frage insbesondere Ausführungen zum Härtebegriff des vormaligen § 7 Abs 5 S 2 SGB II und betont die Bedeutung einer Ausbildung für den betroffenen Personenkreis. Damit legt sie jedoch nicht die abstrakte Klärungsbedürftigkeit der aufgeworfenen Frage dar. Insbesondere mangelt es an Ausführungen dazu, warum sich eine Antwort hierauf nicht bereits aus der höchstrichterlichen Rechtsprechung zum Ausschluss von Auszubildenden von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ergibt. Insoweit hätte es einer Auseinandersetzung mit den im Urteil des LSG benannten Entscheidungen des BSG vom 28.3.2013 (B 4 AS 59/12 R - BSGE 113, 184 = SozR 4-1300 § 45 Nr 13, RdNr 20) und 2.4.2014 (B 4 AS 26/13 R - zur Veröffentlichung in BSGE und unter SozR 4-4200 § 15 Nr 3 vorgesehen, juris-RdNr 18) sowie des Beschlusses des BVerfG vom 3.9.2014 ( 1 BvR 1768/11) zur Verfassungsmäßigkeit des Ausschlusstatbestandes und den Ausführungen vom 4. und 14. Senat zum System des Leistungsausschlusses (vgl grundlegend zur Härteleistung: Urteile vom 6.9.2007 - B 14/7b AS 28/06 R - SozR 4-4200 § 7 Nr 8 und 30.9.2008 - B 4 AS 28/07 R - SozR 4-4200 § 7 Nr 9 sowie zum System: s nur Urteile vom 17.3.2009 - B 14 AS 63/07 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 21 RdNr 26 und 12.12.2009 - B 14 AS 61/08 R - SozR 4-4200 § 7 Nr 17 RdNr 15) bedurft.

Die nicht formgerecht begründete Beschwerde war daher nach § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 SGG ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter als unzulässig zu verwerfen.

Der Klägerin steht PKH nicht zu, weil ihre Rechtsverfolgung aus den genannten Gründen keine Aussicht auf Erfolg bietet (§ 73a Abs 1 S 1 SGG iVm § 114 ZPO ). Aus diesem Grund entfällt auch die Beiordnung eines Rechtsanwalts und konnte es dahinstehen, dass die Klägerin bis zum Ablauf der Frist zur Einlegung der Beschwerde keine Erklärung über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse beim BSG vorgelegt hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 SGG .

Vorinstanz: LSG Niedersachsen-Bremen, vom 05.11.2014 - Vorinstanzaktenzeichen 15 AS 327/13
Vorinstanz: SG Osnabrück, - Vorinstanzaktenzeichen 22 AS 1111/12