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BGH - Entscheidung vom 12.02.2014

XII ZR 92/13

Normen:
ZPO § 529 Abs. 1
ZPO § 531 Abs. 1
ZPO § 544 Abs. 7

BGH, Beschluss vom 12.02.2014 - Aktenzeichen XII ZR 92/13

DRsp Nr. 2014/4253

Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise i. R. eines Mitrechtstreits

Das Gericht muss die Parteien darauf hinweisen, wenn sich seine Auffassung gegenüber einem früher erteilten Hinweis geändert hat. Ebenfalls besteht eine Hinweispflicht, wenn das Rechtsmittelgericht aufgrund seiner abweichenden Ansicht zur Vorinstanz eine Ergänzung des Vorbringens oder einen Beweisantritt für erforderlich hält oder wenn das Gericht einen Sachverhalt, den das Berufungsgericht in seinem zurückverweisenden Urteil als "bereits umfassend vorgetragen" bezeichnet hat, für nicht ausreichend substanziiert erachtet.

Tenor

Auf die Nichtzulassungsbeschwerde des Beklagten und der Drittwiderklägerin wird unter Zurückweisung der weitergehenden Beschwerde die Revision gegen das Urteil des 24. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 23. Mai 2013 insoweit zugelassen, als die Berufung des Beklagten gegen seine Verurteilung zur Zahlung von 10.650,50 € nebst Zinsen und die Berufung der Drittwiderklägerin gegen die Abweisung ihrer auf Zahlung von 5.000 € nebst Zinsen gerichteten Klage sowie der Erledigungsfeststellung in Bezug auf eine die Höhe von 25% übersteigende Mietminderung zurückgewiesen und der Antrag des Beklagten auf Zahlung von 5.000 € nebst Zinsen an ihn abgewiesen worden ist.

Auf die Revision des Beklagten und der Drittwiderklägerin wird das vorgenannte Urteil im Kostenpunkt und im Umfang der zugelassenen Revision aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.

Beschwerdewert: 76.091 €.

Normenkette:

ZPO § 529 Abs. 1 ; ZPO § 531 Abs. 1 ; ZPO § 544 Abs. 7 ;

Gründe

I.

Die Klägerin vermietete an die Drittwiderklägerin Räumlichkeiten zum Betrieb einer Gaststätte. In den ersten vier Nutzungsmonaten (September bis Dezember 2009) sollten nur Vorauszahlungen auf die Nebenkosten geleistet werden, ab Januar 2010 auch darüber hinausgehende Miete, für die der Beklagte sich selbstschuldnerisch bis zum Höchstbetrag von 10.650,50 € verbürgte.

Im Januar 2010 wurde ein Schaden an der Heizungs- und Lüftungsanlage festgestellt, dessen Ursachen streitig sind. Die Drittwiderklägerin minderte die Miete wegen dieses Mangels und wegen behaupteter Feuchtigkeitsschäden sowie Belästigungen durch vom Kellergeschoss aufsteigenden Chlorgeruch. Mit Schreiben vom 22. Februar 2010 kündigte die Klägerin das Mietverhältnis wegen Zahlungsverzugs.

Mit der Klage hat die Klägerin ausstehende Miete und Nutzungsentschädigung in Höhe des Bürgschaftshöchstbetrags von 10.650,50 € verlangt. Der Beklagte hat widerklagend den Ersatz außergerichtlicher Anwaltskosten von 1.675,04 € verlangt.

Die Drittwiderklägerin hat, nachdem sie das Mietobjekt im späteren Verlauf des Rechtsstreits geräumt hat, Feststellung verlangt, dass ihre ursprünglichen Widerklagebegehren betreffend die Unwirksamkeit der Kündigung vom 22. Februar 2010 und die Pflicht der Klägerin zur Instandsetzung der Heizungsund Lüftungsanlage sowie zur Beseitigung von Feuchtigkeitsmängeln in der Hauptsache erledigt seien. Ferner hat sie einen Teilbetrag von 5.000 € nebst Zinsen als überzahlte Miete und den Ersatz vorgerichtlicher Anwaltskosten von 1.880,20 € nebst Zinsen verlangt.

Das Landgericht hat, nachdem der Rechtsstreit durch ein erstes Berufungsurteil bereits dorthin zurückverwiesen worden war, den Beklagten zur Zahlung von 10.650,50 € nebst Zinsen verurteilt und seine Widerklage abgewiesen. Dabei hat es eine Mietminderung um (nur) 25 % angenommen, weil nichts Näheres von der Drittwiderklägerin dazu vorgetragen worden sei, wie sich die festgestellten Mängel auf die Nutzungsmöglichkeiten ausgewirkt hätten. Ferner hat es die Erledigung der Hauptsache in denjenigen Drittwiderklagepunkten festgestellt, die sich auf Mängel an der Heizungs- und Lüftungsanlage sowie auf Feuchtigkeitsschäden beziehen, und die weitergehende Drittwiderklage abgewiesen. Auf die Berufung der Drittwiderklägerin hat das Oberlandesgericht auch die Erledigung bezüglich der Unwirksamkeit der Kündigung vom 22. Februar 2010 festgestellt und die Klägerin zur Zahlung von 1.880,20 € an die Drittwiderklägerin verurteilt. Die weitergehende Berufung der Drittwiderklägerin sowie diejenige des Beklagten hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Hiergegen wenden sich diese mit der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision.

II.

Die Nichtzulassungsbeschwerde hat Erfolg und führt gemäß § 544 Abs. 7 ZPO zur teilweisen Aufhebung des angegriffenen Urteils und insoweit zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht.

1. Die Nichtzulassungsbeschwerde rügt mit Recht, dass das Oberlandesgericht die im Berufungsrechtszug näher dargelegten Auswirkungen der Mängel auf den Geschäftsbetrieb der Drittwiderklägerin unter unzutreffender Annahme der Voraussetzungen der §§ 529 Abs. 1 , 531 Abs. 1 ZPO zurückgewiesen und dadurch deren und des Beklagten Anspruch auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat.

a) Hinsichtlich des Umfangs der ihnen obliegenden Darlegungen durften der Beklagte und die Drittwiderklägerin nämlich im ersten Rechtszug davon ausgehen, dass das Landgericht der Senatsrechtsprechung folgen würde, wonach konkret nur die Sachmängel dargelegt werden müssen, die die Tauglichkeit der Mietsache zum vertragsgemäßen Gebrauch beeinträchtigen, hingegen das Maß der Gebrauchsbeeinträchtigung durch den Mangel nicht in die Darlegungslast des Mieters fällt (Senatsurteil vom 27. Februar 1991 - XII ZR 47/90 -NJW-RR 1991, 779 , 780). Das gilt umso mehr, als das Oberlandesgericht bereits in seinem Hinweisbeschluss vom 31. Mai 2011 auf diese Rechtsgrundsätze einschließlich der dazu ergangenen Senatsrechtsprechung hingewiesen hatte.

b) Den Prozessstoff hat das Oberlandesgericht in seinem ersten Urteil, mit dem es den Rechtsstreit an das Landgericht zurückverwiesen hat, dahin gewürdigt, die Parteien hätten "bereits erstinstanzlich umfassend zu möglichen Leistungsverweigerungsrechten des Beklagten und vorliegenden Mängeln des Mietobjekts vorgetragen". Zuvor hatte das Oberlandesgericht in einem Hinweisbeschluss vom 31. Mai 2011 dargelegt, dass zwei der insgesamt drei vorgetragenen Mängel sogar unstreitig seien, es sich bei der unzureichenden Beheizbarkeit und bei der Schimmelbildung jeweils um einen erheblichen Mangel handle und deshalb der Klägerin der Beweis obliege, in welcher Höhe die (geminderte) Miete ab Januar 2010 geschuldet sei. Diese gesamten Hinweise durften der Beklagte und die Drittwiderklägerin dahin verstehen, dass ihr Sachvortrag zu den Mängeln in jeglicher Hinsicht als hinreichend substanziiert angesehen werde.

c) In Anbetracht dessen hätte das Landgericht, wenn es hinsichtlich zweier der drei Mängel, insbesondere hinsichtlich der Schimmelbildung, von unzureichender Substanziierung ausging, durch einen Hinweis gemäß § 139 Abs. 1 Satz 2 ZPO auf Ergänzung des Tatsachenvortrags hinwirken müssen. Denn in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesgerichtshofs ist anerkannt, dass das Gericht darauf hinweisen muss, wenn sich seine Auffassung gegenüber einem früher erteilten Hinweis geändert hat (BVerfG NJW 1996, 3202 ; BGH Beschluss vom 16. Juni 2011 - X ZB 3/10 -GRUR 2011, 851 ). Ebenfalls besteht eine Hinweispflicht, wenn das Rechtsmittelgericht der Beurteilung der Vorinstanz nicht folgen will und aufgrund seiner abweichenden Ansicht eine Ergänzung des Vorbringens oder einen Beweisantritt für erforderlich hält (BGH Urteil vom 21. Oktober 2005 - V ZR 169/04 -NJW-RR 2006, 235 Rn. 8 mwN). Nichts anderes kann gelten, wenn das Landgericht einen Sachverhalt, den das Berufungsgericht in seinem zurückverweisenden Urteil als "bereits umfassend vorgetragen" bezeichnet hat, für nicht ausreichend substanziiert erachtet.

d) In Ermangelung des gebotenen Hinweises beruht es nicht auf Nachlässigkeit, wenn die Partei weiteren Sachvortrag zu Art und Umfang der Gebrauchsbeeinträchtigung unterlässt. Weist in einem solchen Fall das Landgericht die Mängelrügen als (teilweise) unsubstanziiert zurück und holt die Partei den vermeintlich fehlenden Sachvortrag in der Berufungsbegründung nach, ist dieser -sofern auch das Oberlandesgericht ihn nunmehr für erforderlich hält -jedenfalls zuzulassen (§ 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO ). Denn ist im Urteil des erstinstanzlichen Gerichts Vortrag zu einem entscheidungserheblichen Punkt mangels hinreichender Substanziierung zurückgewiesen worden, ohne dass der Partei durch einen unmissverständlichen Hinweis Gelegenheit zur Ergänzung gegeben war, stellt sich die Zurückweisung des neuen, nunmehr substanziierten Vortrags im Berufungsrechtszug als eine offenkundig unrichtige Anwendung des § 531 Abs. 2 Nr. 2 ZPO und Verletzung des rechtlichen Gehörs dar (vgl. BGH Beschluss vom 9. Juni 2005 - V ZR 271/04 - NJW 2005, 2624 ).

2. Weiterhin rügt die Nichtzulassungsbeschwerde zu Recht, dass das Oberlandesgericht den Sachvortrag des Beklagten, der (Teil-)Anspruch der Drittwiderklägerin aus Mietüberzahlung in Höhe von 5.000 € sei an ihn abgetreten worden, zu Unrecht als unsubstanziiert zurückgewiesen und dadurch das rechtliche Gehör verletzt hat. Denn der Beklagte und die Drittwiderklägerin haben dargelegt, dass zwischen ihnen am 12. November 2012 ein Abtretungsvertrag geschlossen worden sei, mit dem unter anderem der Teilanspruch über 5.000 € an den Beklagten abgetreten worden sei. Diesen Sachverhalt haben sie sowohl unter Urkunden- als auch Zeugenbeweis gestellt. In welcher Hinsicht es an näherer Substanziierung fehle, ist weder ersichtlich noch durch das angefochtene Urteil aufgezeigt. Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung genügt eine Partei ihrer Darlegungslast, wenn sie Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, das geltend gemachte Recht als in ihrer Person entstanden erscheinen zu lassen, wobei unerheblich ist, wie wahrscheinlich die Darstellung ist. Der Pflicht zur Substanziierung ist mithin nur dann nicht genügt, wenn das Gericht auf Grund der Darstellung nicht beurteilen kann, ob die gesetzlichen Voraussetzungen der an eine Behauptung geknüpften Rechtsfolgen erfüllt sind (BGH Beschluss vom 9. Februar 2009 - II ZR 77/08 - NJW 2009, 2137 Rn. 4). Ein Mangel solcher Art ist nicht erkennbar.

3. Die weitergehende Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision ist zurückzuweisen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts sowie die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordern (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO ).

Vorinstanz: LG Duisburg, vom 19.07.2012 - Vorinstanzaktenzeichen 1 O 182/10
Vorinstanz: OLG Düsseldorf, vom 23.05.2013 - Vorinstanzaktenzeichen I-24 U 144/12