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BGH - Entscheidung vom 18.12.2014

VII ZR 60/14

Normen:
BGB §§ 133 B, 157 B; VOB/B § 2 Nr. 5
BGB § 133
BGB § 157
BGB § 632 Abs. 2
VOB/B § 2 Nr. 5

Fundstellen:
BauR 2015, 828
MDR 2015, 386
NZBau 2015, 220
ZfBR 2015, 361

BGH, Urteil vom 18.12.2014 - Aktenzeichen VII ZR 60/14

DRsp Nr. 2015/2816

Grundsätze der Mehrvergütung bei verzögerter Vergabe auch bei Baukonzessionsvertrag anwendbar

Die Anwendung der Grundsätze der Mehrvergütung bei verzögerter Vergabe kommt auch bei einem Baukonzessionsvertrag in Betracht (Fortführung von BGH, Urteil vom 11. Mai 2009 - VII ZR 11/08, BGHZ 181, 47).

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Grundurteil des 16. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 14. Februar 2014 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Normenkette:

BGB § 133 ; BGB § 157 ; BGB § 632 Abs. 2 ; VOB/B § 2 Nr. 5 ;

Tatbestand

Die Klägerin macht aus abgetretenem und hilfsweise aus eigenem Recht einen Anspruch wegen einer Bauzeitverschiebung auf der Grundlage eines nach öffentlicher Ausschreibung geschlossenen Baukonzessionsvertrags geltend.

Die Beklagte schrieb im März 2005 im Verhandlungsverfahren europaweit einen Investorenwettbewerb für Planung, Finanzierung, Errichtung und Betrieb eines Ersatzbaus für ein Fußballstadion aus. Die Ausschreibung sah keine Bauzeit vor. An der Ausschreibung beteiligte sich eine Bietergemeinschaft, aus der die Stadion D. Projektgesellschaft KG hervorging. Diese Bietergemeinschaft erstellte unter dem 29. Juni 2005 ein Angebot. Bestandteil des Angebots war ein Bauzeitplan, der eine Bauzeit von Januar 2006 bis April 2007 beinhaltete. Zudem wies das Angebot auf "Voraussetzungen" hin, von denen die Bietergemeinschaft ausgegangen sei. Eine dieser Voraussetzungen war die "Gültigkeit der VOB/B ". Nach Aufforderung der Beklagten überreichte die Bietergemeinschaft unter dem 14. Oktober 2005 ein ergänzendes Angebot mit unverändertem Bauzeitplan. Die Angebote vom 29. Juni und 14. Oktober 2005 sollten den Zuschlag erhalten. Dazu kam es aber zunächst nicht, weil mehrere Vergaberügen von Konkurrenten erhoben wurden, deren Bearbeitung bis März 2007 dauerte.

Unter dem 27. März 2007 teilte die Bietergemeinschaft der Beklagten Folgendes mit:

"Durch die massiven Verzögerungen war es uns nicht mehr möglich, unsere Nachunternehmer an die ursprünglichen Preisangebote zu binden. Wir werden daher nicht umhinkommen, zum Zeitpunkt der Beauftragung unseres Angebotes bezogen auf zeitliche wie vergütungsmäßige Auswirkungen unser Angebot auf der Grundlage von § 2 Nr. 5 VOB/B neu zu kalkulieren und Ihnen die Anpassungen mitzuteilen. Ausgangspunkt bleibt dabei selbstverständlich die Preisbasis des ursprünglichen Angebotes und im Übrigen der endverhandelte Baukonzessionsvertrag. Diese Preisanpassung auf der Grundlage von § 2 Nr. 5 VOB/B entspricht geltendem Recht und wurde von der Rechtsprechung mehrfach ausdrücklich im vorbezeichneten Sinne entschieden.

...

Wir sind bereit, unseren Beitrag für die kurzfristige Realisierung des Projekts dergestalt zu erbringen, dass die Überprüfung der durch die zeitliche Verzögerung entstandenen Ansprüche aus § 2 Nr. 5 VOB/B zunächst zurückgestellt wird und z.B. durch eine gemeinsame Begutachtung möglichst einvernehmlich geklärt wird."

Eine Preisanpassung wegen des Zeitablaufs lehnte die Beklagte ab.

Am 3. Mai 2007 erteilte die Beklagte der Bietergemeinschaft den Zuschlag "auf der Grundlage der Angebote vom 29. Juni und 14. Oktober 2005 sowie des endverhandelten Vertrages mit Stand vom 3. Mai 2007".

Der "endverhandelte Vertrag" (Baukonzessionsvertrag) enthielt unter III, § 1 Nummer 3 folgende Regelung:

"Der Ersatzneubau ist spätestens 24 Monate nach Vorliegen einer vollziehbaren Baugenehmigung fertig zu stellen. Der Konzessionär verpflichtet sich, spätestens fünf Monate nach Rechtswirksamkeit des Vertrags einen genehmigungspflichtigen Bauantrag bei der zuständigen Stelle einzureichen."

Am 4. Mai 2007 unterzeichneten die Beklagte und die Stadion D. Projektgesellschaft KG den Baukonzessionsvertrag. Der Vertrag beinhaltete, dass die Stadion D. Projektgesellschaft KG einen Ersatzneubau für ein Fußballstadion errichtet und diesen dem im Stadion beheimateten Fußballverein als Hauptmieter für 30 Jahre zur Verfügung stellt. Die Höhe des Mietzinses wurde nach der Ligazugehörigkeit des Fußballvereins gestaffelt. Als Leistung der Beklagten sah der Vertrag einen einmaligen Baukostenzuschuss von 4,6 Mio. € und jährliche Betriebskostenzuschüsse vor, um den Refinanzierungsaufwand der Stadion D. Projektgesellschaft KG von knapp 41 Mio. € bei Annuitäten von 2,54 Mio. € zu sichern. Die von der Bietergemeinschaft geforderte Preisanpassung berücksichtigt der Vertrag nicht. Unmittelbar vor Unterzeichnung des Vertrags teilte die Bietergemeinschaft der Beklagten mit:

"Der Baukonzessionsvertrag wird nunmehr zu Dokumentationszwecken unterzeichnet. Wie angekündigt werden hiermit vor Vertragsunterzeichnung Mehrkosten aufgrund der verzögerten Zuschlagserteilung dem Grunde nach entsprechend § 2 Nr. 5 VOB/B angemeldet."

Auf Intervention der Beklagten formulierte die Bietergemeinschaft das Schreiben wie folgt neu:

"Der Baukonzessionsvertrag wird nunmehr durch die Konzessionsgesellschaft zu Dokumentationszwecken unterzeichnet. Wir bestätigen hiermit nochmals unsere Rechtsposition im Schreiben vom 27. März 2007, die von der Stadt zurück gewiesen wird."

Mit der Durchführung der Bauarbeiten beauftragte die Stadion D. Projektgesellschaft KG die Klägerin als Generalübernehmerin. Die wegen des verzögerten Zuschlags angemeldeten Ansprüche trat sie an die Klägerin ab.

Die Klägerin hat die Beklagte vor dem Landgericht auf Zahlung einer Mehrkostenvergütung nach § 2 Nr. 5 VOB/B von ca. 6,5 Mio. € in Anspruch genommen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, weil bereits dem Grunde nach kein Anspruch bestehe. Dagegen hat sich die Klägerin mit der Berufung gewandt und ihren Anspruch neu berechnet, indem sie die tatsächlich entstandenen Baukosten mit den Kosten verglichen hat, die sie bei Einhaltung der vereinbarten Bauzeit hätte tragen müssen. Aus dieser Berechnung hat sie einen Anspruch von knapp 3,2 Mio. € geltend gemacht. Das Berufungsgericht hat die Parteien im Anschluss an die mündliche Verhandlung vom 23. Februar 2013 darauf hingewiesen, dass es an einer Einigung der Vertragsparteien über die Höhe der Vergütung der Beklagten fehlen könne und deshalb eine Abrechnung des Bauprojekts nach § 632 Abs. 2 BGB in Betracht komme. Auf dieser Grundlage hat die Klägerin einen Restvergütungsanspruch von ca. 5,1 Mio. € ermittelt und diesen im Umfang des Berufungsantrags zum Gegenstand des Berufungsverfahrens gemacht. Die Beklagte ist dem nach Grund und Höhe entgegengetreten, hat aber unstreitig gestellt, dass ein gegebenenfalls dem Grunde nach berechtigter Anspruch aus § 632 Abs. 2 BGB in irgendeiner Höhe bestehe. Vor diesem Hintergrund haben die Parteien sich mit einer Entscheidung des Berufungsgerichts im schriftlichen Verfahren einverstanden erklärt.

Das Berufungsgericht hat durch Grundurteil einen sich aus § 632 Abs. 2 BGB ergebenden Klageanspruch für gerechtfertigt erklärt. Dagegen wendet sich die Beklagte mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision und begehrt die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

Das Berufungsgericht hat im Wesentlichen ausgeführt:

Der Klägerin stehe aus abgetretenem Recht dem Grunde nach ein Anspruch zu, soweit ihre Bauleistung nach den Maßstäben einer üblichen Vergütung nicht abgegolten worden sei, §§ 631 , 632 Abs. 2 BGB . Über die Vergütung hätten sich die Vertragsparteien am 3./4. Mai 2007 nicht geeinigt. Ein Angebot der Bietergemeinschaft habe nicht mehr vorgelegen. Diese habe klar, und zwar noch kurz vor Unterzeichnung des Baukonzessionsvertrages, zum Ausdruck gebracht, nicht länger an dem angebotenen Preis festhalten zu können. Es habe deshalb ein Dissens bestanden, der aber entgegen der Auslegungsregel des § 154 Abs. 1 BGB nicht zur Unwirksamkeit des Vertrages führe, weil sich die Parteien trotz des offenen Vergütungspunktes erkennbar hätten vertraglich binden wollen. Die bestehende Vertragslücke sei unter Heranziehung von § 632 Abs. 2 BGB zu schließen. Dem stehe die Struktur des Baukonzessionsvertrages nicht entgegen.

II.

Das hält der rechtlichen Überprüfung nicht stand.

1. Die Annahme des Berufungsgerichts, der Baukonzessionsvertrag enthalte zur Vergütung einen Dissens, und die daraus folgende Vertragslücke sei unter Heranziehung von § 632 Abs. 2 BGB zu schließen, ist von Rechtsfehlern beeinflusst.

a) Die tatrichterliche Auslegung von Willenserklärungen und Verträgen ist revisionsrechtlich nur dahingehend überprüfbar, ob Verstöße gegen gesetzliche Auslegungsregeln, anerkannte Auslegungsgrundsätze, sonstige Erfahrungssätze oder Denkgesetze vorliegen oder die Auslegung auf Verfahrensfehlern beruht (BGH, Urteil vom 26. Juni 2014 - VII ZR 289/12, BauR 2014, 1773 Rn. 13 = NZBau 2014, 555). Das Berufungsurteil beruht auf der Außerachtlassung der Auslegungsregel des § 133 BGB , dass für das Verständnis von Willenserklärungen der Wille der Vertragsparteien maßgeblich ist. Die deshalb notwendige neue Auslegung des Baukonzessionsvertrags kann der Senat selbst vornehmen, da weitere Feststellungen nicht zu erwarten sind.

b) Die Vertragsparteien haben den Baukonzessionsvertrag auf der Grundlage des in den Angeboten der Bietergemeinschaft vom 29. Juni und 14. Oktober 2005 entwickelten Konzepts geschlossen. Abweichendes hat die Bietergemeinschaft nicht erklärt. Im Schreiben vom 27. März 2007 weist sie ausdrücklich darauf hin, dass sie ihren Anspruch auf Mehrkostenvergütung auf der "Preisbasis des ursprünglichen Angebotes und im Übrigen des endverhandelten Baukonzessionsvertrags" geltend macht. Hierauf nimmt die Bietergemeinschaft mit dem Schreiben vom 4. Mai 2007 Bezug. Es war daher der Wille der Bietergemeinschaft, den Baukonzessionsvertrag so zu schließen wie geschehen. Die Bietergemeinschaft hat allein die Rechtsauffassung vertreten, aus dem geschlossenen Vertrag in Verbindung mit § 2 Nr. 5 VOB/B ergebe sich der von ihr geltend gemachte Anspruch. Deshalb hat sie im Schreiben vom 27. März 2007 vorgeschlagen, den Baukonzessionsvertrag abzuschließen, um im Rahmen der Vertragsdurchführung die Berechtigung der Forderung zu prüfen. Mit diesem Willen der Bietergemeinschaft und mit dem Willen der Beklagten, dem Vergütungsanspruch die Angebote vom 29. Juni und 14. Oktober 2005 zugrunde zu legen, ist es unvereinbar, einen zur Unwirksamkeit der Vergütungsabrede führenden Dissens anzunehmen und die Vergütung nach § 632 Abs. 2 BGB zu bestimmen. Dieses Auslegungsergebnis wird durch die weitere Vertragsabwicklung bestätigt. Die aus der Bietergemeinschaft hervorgegangenen Gesellschaften führten das Bauvorhaben durch und berechneten parallel die Mehrkosten wegen einer Bauzeitverschiebung und klagten diese ein.

Soweit die Revisionserwiderung geltend macht, die Bietergemeinschaft habe mit dem Schreiben vom 4. Mai 2007 darauf hingewiesen, den Vertrag "nunmehr zu Dokumentationszwecken zu unterzeichnen", folgt daraus nichts anderes. Mit einer Dokumentation soll nach allgemeinem Sprachgebrauch eine Absicht bekundet und durch Dokumente bewiesen werden. Dementsprechend hat die Stadion D. Projektgesellschaft KG den Baukonzessionsvertrag mit dem gewollten Inhalt unterzeichnet.

c) Auf dieser Grundlage sind die Willenserklärungen der Vertragsparteien dahingehend auszulegen, dass der Baukonzessionsvertrag in der unterzeichneten Fassung dem Willen aller Beteiligten entsprach. Offen blieb allein die Rechtsfrage, ob sich aus dem Baukonzessionsvertrag ein Anspruch auf Mehrkostenvergütung aus § 2 Nr. 5 VOB/B wegen einer Bauzeitverschiebung ergibt.

Soweit das Landgericht ausgeführt hat, worauf die Revision Bezug nimmt, die Vertragsparteien hätten mit der Vertragsgestaltung den von der Bietergemeinschaft dem Grunde nach geltend gemachten Anspruch auf Mehrkostenvergütung ausgeschlossen, entspricht diese Auslegung ebenfalls nicht dem Willen der Vertragsparteien. Ebenso wie die Bietergemeinschaft war die Beklagte daran interessiert, den Baukonzessionsvertrag abzuschließen und die Frage der Berechtigung einer Mehrkostenvergütung im Zuge der Durchführung des Bauvorhabens zu klären. Dementsprechend hat die Beklagte an der Formulierung des Schreibens der Bietergemeinschaft vom 4. Mai 2007 mitgewirkt, um die politische Sprengkraft der ursprünglich beabsichtigten Formulierung ("Nach Ermittlung der Mehrkosten wird Ihnen die Höhe des Mehrkostenanspruchs mitgeteilt") zu vermeiden. Daraus folgt der übereinstimmende Wille der Parteien, mit dem Abschluss des Baukonzessionsvertrags den geltend gemachten Anspruch auf Mehrkostenvergütung nicht auszuschließen.

2. Das angefochtene Urteil ist deshalb aufzuheben und die Sache ist an das Berufungsgericht zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen. Damit erhalten die Parteien Gelegenheit, über das Bestehen und den Umfang eines Anspruchs auf Mehrkostenvergütung wegen einer Bauzeitverschiebung mündlich zu verhandeln.

Für die neue Verhandlung und Entscheidung weist der Senat darauf hin, dass nach den bisher getroffenen Feststellungen ein Anspruch der Klägerin in Anlehnung an die Grundsätze des § 2 Nr. 5 VOB/B dem Grunde nach besteht.

a) Die Vertragsparteien haben die Geltung der VOB/B vereinbart. Die Bietergemeinschaft hat die Geltung der VOB/B zur Grundlage ihrer Angebote gemacht. Das hat die Beklagte akzeptiert. Weder aus dem Zuschlag noch aus dem Baukonzessionsvertrag, die auf die Angebote der Bietergemeinschaft Bezug nehmen, ergibt sich anderes.

b) Die Frage der Anpassung der Bauzeit und des Vergütungsanspruchs im Wege ergänzender Auslegung des Bauvertrags bei Zuschlagsverzögerung aufgrund eines Nachprüfungsverfahrens war bereits Gegenstand mehrerer Entscheidungen des Senats. Daraus ergeben sich folgende Grundsätze:

Ein Zuschlag in einem durch ein Nachprüfverfahren verzögerten öffentlichen Vergabeverfahren über Bauleistungen erfolgt auch dann zu den angebotenen Fristen, wenn diese nicht mehr eingehalten werden können. Das gilt jedenfalls, wenn der Zuschlag erfolgt, ohne dass er ausdrückliche Erklärungen zur Anpassung der vorgesehenen Regelungen zur Bauzeit oder zur hiervon abhängigen Vergütung enthält. Die im Rahmen des § 150 Abs. 2 BGB geltenden Grundsätze erfordern, dass der Empfänger eines Vertragsangebots, will er von dem Vertragswillen des Anbietenden abweichen, dies in der Annahmeerklärung klar und unzweideutig zum Ausdruck bringt. Fehlt es daran, kommt der Vertrag zu den Bedingungen des Angebots zustande (BGH, Urteil vom 11. Mai 2009 - VII ZR 11/08, BGHZ 181, 47 Rn. 34 f.; Urteil vom 22. Juli 2010 - VII ZR 213/08, BGHZ 186, 295 Rn. 19; Urteil vom 25. November 2010 - VII ZR 201/08, BauR 2011, 503 Rn. 14 = NZBau 2011, 97).

Der so zustande gekommene Bauvertrag ist, wenn die Parteien sich im Nachhinein nicht einigen, ergänzend dahin auszulegen, dass die Bauzeit unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls und der vertragliche Vergütungsanspruch in Anlehnung an die Grundsätze des § 2 Nr. 5 VOB/B anzupassen sind (BGH, Urteil vom 11. Mai 2009 - VII ZR 11/08, BGHZ 181, 47 Rn. 44 ff.). Die Vermutung der Ausgewogenheit von Leistung und Gegenleistung gilt bei einem Bauvertrag nicht unabhängig von der Leistungszeit, weil diese regelmäßig Einfluss auf die Vereinbarung der Höhe der Vergütung des Auftragnehmers hat (BGH, Urteil vom 22. Juli 2010 - VII ZR 213/08, BGHZ 186, 295 Rn. 25). Vereinbaren die Parteien nach dem Zuschlag neue Fristen und Termine, ohne sich zu den Folgen dieser Änderung zu einigen, verbleibt es deshalb bei der Anpassung des vertraglichen Vergütungsanspruchs in Anlehnung an § 2 Nr. 5 VOB/B (BGH, Urteil vom 26. November 2009 - VII ZR 131/08, BauR 2010, 455 Rn. 13 = NZBau 2010, 102 ).

c) aa) Die Beklagte hat mit dem Zuschlag vom 3. Mai 2007 die Angebote vom 29. Juni und 14. Oktober 2005 einschließlich des von der Bietergemeinschaft aufgestellten Bauzeitplans angenommen.

In dem Zuschlag wird an erster Stelle auf die Angebote der Bietergemeinschaft Bezug genommen. Damit war der in den Angeboten genannte Bauzeitplan Bestandteil des Zuschlags. Soweit in dem Zuschlag des Weiteren auf den "endverhandelten Vertrag mit Stand 3. Mai 2007" verwiesen wird, ergibt sich daraus im Ergebnis nichts anderes. Zwar enthielt der "endverhandelte Vertrag" in III, § 1, Nummer 3 eine vom Bauzeitplan abweichende Regelung. Dass diese vorrangig gelten sollte, ergibt sich aber mit der erforderlichen Klarheit und Unzweideutigkeit weder aus dem Zuschlag selbst noch aus den für die Bietergemeinschaft erkennbaren Umständen.

Der Zuschlag nennt die Angebote und den Baukonzessionsvertrag ohne Einschränkungen gleichberechtigt nebeneinander. Ein Vorrangverhältnis könnte sich aber aus dem Verhandlungsergebnis ergeben, wenn die Vertragsparteien ohne Streit über die Bauzeit und die Vergütung endverhandelt hätten. Das war aber nicht der Fall. Während die Bietergemeinschaft die Auffassung vertrat, Bauzeit und Vergütung seien anzupassen, meinte die Beklagte, nur die Bauzeit bedürfe einer Neuregelung. Dieser Streit der Parteien war, wie das Schreiben der Bietergemeinschaft vom 4. Mai 2007 zeigt, nicht geklärt. Die Vertragsparteien rangen vielmehr um eine pragmatische Lösung, die einen Baubeginn ermöglichte, jedoch die unterschiedlichen Rechtsauffassungen unberührt ließ. Wenn vor diesem Hintergrund die Angebote der Bietergemeinschaft und der Baukonzessionsvertrag, ohne ein Vorrangverhältnis zum Ausdruck zu bringen, nebeneinander genannt werden, ist das eine den unterschiedlichen Auffassungen der Vertragsparteien geschuldete Formulierung, die die Bietergemeinschaft nicht anders verstehen musste. Die Geltung der im Baukonzessionsvertrag vorgesehenen Bauzeit hätte den Zusammenhang von Bauzeit und Vergütung aufgehoben, der für die Bietergemeinschaft erkennbar von besonderer Bedeutung war.

bb) Die Lücke des mit dem Zuschlag geschlossenen Vertrags haben die Vertragsparteien hinsichtlich der Bauzeit durch die Zeichnung des Baukonzessionsvertrags geschlossen. Da der Baukonzessionsvertrag aber keine Regelung zu einer Mehrkostenvergütung enthält, ist diese Vertragslücke in Anlehnung an die Grundsätze des § 2 Nr. 5 VOB/B zu schließen. Daran ändert nichts der Umstand, dass es der Beklagten darauf ankam, ihre eigene finanzielle Beteiligung so gering wie möglich zu halten. Jedem Auftraggeber ist daran gelegen, den kalkulierten Kostenrahmen nicht zu überschreiten. Das rechtfertigt aber nicht, durch Änderungen der Bauzeit, die der Auftragnehmer nicht zu vertreten hat, das vermutete Gleichgewicht von Leistung und Gegenleistung einseitig zu Lasten des Auftragnehmers zu verschieben.

d) Die Eigenart des hier maßgeblichen Baukonzessionsvertrags steht einer Anlehnung an die Grundsätze des § 2 Nr. 5 VOB/B nicht entgegen.

Eine Baukonzession ist nach § 22 VOB/A (vgl. auch § 32 VOB/A a.F.) ein Vertrag über die Durchführung eines Bauauftrags, bei dem die Gegenleistung für die Bauarbeiten statt in einem Entgelt in dem befristeten Recht auf Nutzung der baulichen Anlage, gegebenenfalls zuzüglich der Zahlung eines Preises besteht. Besteht das Entgelt ausschließlich in dem Recht, die bauliche Anlage zu nutzen, und ist der Konzessionär frei in der Gestaltung des Nutzungsrechts, kann möglicherweise eine Anlehnung an die Grundsätze des § 2 Nr. 5 VOB/B ausgeschlossen sein, wenn durch die Einräumung des Nutzungsrechts das wirtschaftliche Risiko vollständig auf den Konzessionär verlagert wird (vgl. Merkens/Ganske in Kapellmann/Messerschmidt, VOB Teile A und B, 4. Aufl., § 22 VOB/A Rn. 42, 47). Das kann dahingestellt bleiben. Denn die Vertragsparteien haben neben der Übertragung des Nutzungsrechts einen einmaligen Baukostenzuschuss und jährliche Betriebskostenzuschüsse vorgesehen. Zudem wurde die Stadion D. Projektgesellschaft KG in der Nutzungspreisgestaltung eingeschränkt. Diese Vertragsgestaltung beruhte auf dem von der Beklagten verfolgten Zweck, dem örtlichen Fußballklub zu festgelegten Bedingungen die Nutzung des Stadions zu ermöglichen. Zugleich sollte es der Stadion D. Projektgesellschaft KG ermöglicht werden, ihren Refinanzierungsaufwand zu sichern. Damit haben die Vertragsparteien mit der Erteilung der Konzession das wirtschaftliche Risiko nicht (vollständig) auf die Stadion D. Projektgesellschaft KG verlagert. Die Anlehnung an die Grundsätze des § 2 Nr. 5 VOB/B , der das Äquivalenzverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung sichern will, ist also gerechtfertigt.

e) Für die Ermittlung der Höhe der zu zahlenden Mehrvergütung sind diejenigen Mehrkosten maßgeblich, die ursächlich auf die Verschiebung der Bauzeit zurückzuführen sind. Sie ergeben sich aus der Differenz zwischen den Kosten, die tatsächlich angefallen sind, und den Kosten, die bei Erbringung der Bauleistung in dem angebotenen Zeitraum hätten aufgewendet werden müssen (BGH, Urteil vom 10. September 2009 - VII ZR 152/08, BauR 2009, 1901 Rn. 42 = NZBau 2009, 771 ; Urteil vom 8. März 2012 - VII ZR 202/09, BauR 2012, 939 Rn. 16 = NZBau 2012, 287 ). Diese Grundsätze sind unter Berücksichtigung etwaiger Besonderheiten des Baukonzessionsvertrags anzuwenden.

Verkündet am: 18. Dezember 2014

Vorinstanz: LG Dresden, vom 31.07.2012 - Vorinstanzaktenzeichen 4 O 3189/11
Vorinstanz: OLG Dresden, vom 14.02.2014 - Vorinstanzaktenzeichen 16 U 1480/12
Fundstellen
BauR 2015, 828
MDR 2015, 386
NZBau 2015, 220
ZfBR 2015, 361