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BGH - Entscheidung vom 28.04.2011

V ZR 220/10

Normen:
ZPO § 867
BGB § 242
BGB § 781
BGB § 812 Abs. 2

BGH, Beschluss vom 28.04.2011 - Aktenzeichen V ZR 220/10

DRsp Nr. 2011/10848

Sicherung eines Anspruchs aus einem notariell beurkundeten konstitutiven Schuldanerkenntnis durch den Eintrag einer Zwangshypothek; Rechtliche Berurteilung von Abreden über die Abgabe eines Schuldanerkenntnisses mit dem ausschließlichen Ziel der Verschaffung einer vorteilhaften Rangstelle zum Schutz vor Vollstreckungsmaßnahmen anderer Gläubiger

Auf die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers wird das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 29. September 2010 aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens beträgt 45.000 €.

Normenkette:

ZPO § 867 ; BGB § 242 ; BGB § 781 ; BGB § 812 Abs. 2 ;

Gründe

I.

Der Kläger erstritt gegen H. E. (im Folgenden: Schuldnerin) einen rechtskräftigen Zahlungstitel über 259.793,57 € zzgl. Zinsen. Auf seinen Antrag wurde im Wege der Zwangsvollstreckung das Grundstück der Schuldnerin mit einer in das Grundbuch - Abt. III lfd. Nr. 48 - eingetragenen Sicherungshypothek belastet.

Die Schuldnerin hatte zuvor in notarieller Urkunde ein Schuldanerkenntnis gegenüber dem Beklagten in Höhe von 400.000 € zzgl. Zinsen abgegeben und sich wegen dieser Forderung der sofortigen Zwangsvollstreckung in ihr Vermögen unterworfen. Auf Grund dieses Titels war eine Sicherungshypothek im Wege der Zwangsvollstreckung über 455.150 € zzgl. Zinsen in Abt. III Nr. 47 des Grundbuchs des Grundstücks der Schuldnerin eingetragen worden.

Der Kläger hat gegen den Beklagten eine Klage auf Grundbuchberichtigung durch Bewilligung der Löschung der vorrangigen Sicherungshypothek erhoben und nach einem Hinweis des Landgerichts hilfsweise die Feststellung beantragt, dass der für den Beklagten eingetragenen Sicherungshypothek keine Forderung zugrunde liege und diese daher nicht entstanden sei. Das Landgericht hat unter Abweisung des Hauptantrags der Klage nach dem Hilfsantrag stattgegeben.

Der Beklagte hat weitere vorrangig eingetragene Grundpfandrechte von 115.000 € zzgl. Zinsen erworben. Aus diesen Rechten hat er die Zwangsversteigerung des Grundstücks der Schuldnerin betrieben und nach Anhängigkeit des Rechtsstreits in zweiter Instanz das Grundstück durch Zuschlagsbeschluss des Vollstreckungsgerichts auf das von ihm abgegebene Meistgebot von 160.000 € erworben. Das Oberlandesgericht hat auf die Berufung des Beklagten die Klage auch mit dem Hilfsantrag abgewiesen.

Mit der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision will der Kläger in einem Revisionsverfahren die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils erreichen.

II.

Das Berufungsgericht meint, die Feststellungsklage sei zulässig, weil der Kläger ein schutzwürdiges Interesse an der Feststellung habe, ob das zwischen der Schuldnerin und dem Beklagten vereinbarte Rechtsgeschäft wirksam sei. Im Falle der Nichtigkeit der "Sicherungsforderung" sei nämlich eine Eigentümergrundschuld entstanden, die der Pfändung des Klägers unterliege.

Die Feststellungsklage sei jedoch unbegründet. Die für den Beklagten eingetragene Zwangshypothek (§ 867 ZPO ) habe dessen Anspruch gegen die Schuldnerin aus einem notariell beurkundeten konstitutiven Schuldanerkenntnis (§ 781 BGB ) gesichert. Deshalb habe der Kläger darlegen und beweisen müssen, dass dem Anspruch aus dem Schuldanerkenntnis keine Forderungen des Beklagten gegen die Schuldnerin zugrunde gelegen hätten, so dass diese ihr Schuldanerkenntnis von dem Beklagten nach § 812 Abs. 2 BGB habe kondizieren und ihrer Inanspruchnahme aus dem Schuldanerkenntnis den Arglisteinwand (§ 242 BGB ) entgegensetzen können.

Dieser Nachweis sei dem Kläger nicht gelungen, weil er schon nicht ausreichend dargelegt habe, dass die von dem Beklagten vorgetragenen Abreden über die Abgabe des Schuldanerkenntnisses reine Erfindungen gewesen seien, die ausschließlich dem Ziel gedient hätten, dem Beklagten eine vorteilhafte Rangstelle zum Schutz vor Vollstreckungsmaßnahmen anderer Gläubiger zu verschaffen. Dem Beweisantrag des Klägers auf Vernehmung des Beklagten als Partei nach § 445 ZPO sei nicht nachzugehen gewesen, weil dieser bei seiner Anhörung nach § 141 ZPO seinen - teilweise durch Verträge und Quittungen belegten - Vortrag zur Absicherung von Darlehen über 200.000 € und einer Forderung in gleicher Höhe für von ihm noch vorzunehmende Instandhaltungsarbeiten auf dem Grundstück der Schuldnerin bestätigt habe.

III.

Das angefochtene Urteil ist nach § 544 Abs. 7 ZPO aufzuheben, weil das Berufungsgericht den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG ) in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat.

1.

Die Nichtzulassungsbeschwerde rügt mit Recht eine Verletzung dieses Verfahrensgrundrechts durch die Zurückweisung des Beweisantrags nach § 445 Abs. 1 ZPO .

2.

Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet das Gericht, erhebliche Beweisanträge nach den Grundsätzen der Zivilprozessordnung zu berücksichtigen (BVerfGE 50, 32 , 26; 69, 141, 144; NJW 2009, 1585 , 1586). Gemessen daran hätte das Berufungsgericht die Klage nicht ohne die Erhebung des Beweises als unbegründet abweisen dürfen.

a)

Das Berufungsgericht durfte den Beweisantrag nach § 445 Abs. 1 ZPO nicht mit dem Hinweis auf die Erklärungen des Beklagten zurückweisen, die dieser bei seiner Anhörung als Partei nach § 141 ZPO zu den dem Schuldanerkenntnis zugrunde liegenden Forderungen gegen die Schuldnerin abgegeben hat.

aa)

Die Anhörung einer Partei nach § 141 ZPO ist keine Grundlage für die Entscheidung, ob ihr Vortrag oder derjenige des Gegners für wahr zu erachten ist (§ 286 Abs. 1 ZPO ). Die Anhörung dient der Klärung des Sachvortrags (Senat, Urteil vom 19. April 2002 - V ZR 90/01, BGHZ 150, 334 , 343), jedoch nicht Beweiszwecken. Ein Beweiswert kommt ihr deshalb nicht zu (BGH, Urteil vom 3. Juli 1967 - VII ZR 48/65, Rn. 32 [...]).

bb)

Ist das Vorbringen einer Partei in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet, das geltend gemachte Recht zu begründen, muss das Gericht dem Beweisantritt nachgehen (Senat, Beschluss vom 2. April 2009 - V ZR 177/08, NJW-RR 2009, 1236 mwN). Weitere Anforderungen an die Substantiierung des Sachvortrags des Klägers über die Absprachen zwischen der Schuldnerin und dem Beklagten dürfen schon deshalb nicht gestellt werden, weil der Kläger aus eigener Wahrnehmung dazu nichts beizutragen vermag und insoweit auf Schlussfolgerungen angewiesen ist (vgl. Senat, Beschluss vom 21. Oktober 2010 - V ZR 39/10, Rn. 11 [...]).

cc)

Die Beweiserhebung durch Vernehmung des Beklagten als Partei durfte schließlich auch nicht deshalb unterbleiben, weil nach dem durch die Anhörung präzisierten Sachvortrag des Beklagten das Vorbringen des Klägers über ein zur Vollstreckungsvereitelung vorgenommenes Scheingeschäft nach Ansicht des Berufungsgerichts sich als eine nicht durch weitere tatsächliche Umstände belegte, unwahrscheinliche Annahme des Klägers darstellte. Dem steht entgegen, dass die Parteivernehmung in jeder Hinsicht ein reines Beweismittel ist und ebenso wenig wie die Vernehmung eines Zeugen die Glaubhaftmachung oder Wahrscheinlichkeit der in das Wissen des zu Vernehmenden gestellten Behauptungen verlangt (BGH, Urteil vom 6. Juli 1960 - IV ZR 322/59, BGHZ 33, 63, 66).

b)

Das Berufungsurteil beruht auf der Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG . Diese Voraussetzung ist schon dann erfüllt, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass das Gericht bei Berücksichtigung des übergangenen Vorbringens anders entschieden hätte (Senat, Urteil vom 18. Juli 2003 - V ZR 187/02, NJW 2003, 3205 mwN). So ist es hier.

aa)

Der Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG ist deshalb entscheidungserheblich, weil die Zurückweisung des Feststellungsantrags als unbegründet zur Folge hätte, dass mit Eintritt der Rechtskraft dieser Entscheidung das (kontradiktorische) Gegenteil feststünde (vgl. BGH, Urteil vom 10. April 1986 - VII ZR 286/85, NJW 1986, 2508 , 2509). Eine solche Feststellung, die einem Erfolg eines von dem Kläger erhobenen Widerspruchs gegen den Teilungsplan nach § 115 ZVG entgegenstünde, wäre nur nach einer Beweisaufnahme durch die von dem Kläger beantragte Vernehmung des Beklagten als Partei zulässig gewesen.

bb)

Der Aufhebung des Berufungsurteils wegen des Verstoßes gegen Art. 103 Abs. 1 GG und der Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgerichts nach § 544 Abs. 7 ZPO steht nicht entgegen, dass der allein noch im Streit befindliche, von dem Kläger hilfsweise verfolgte Feststellungsantrag nach § 256 Abs. 1 ZPO auf der Grundlage des bisherigen Sach- und Streitstands - entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts - unzulässig ist.

(1)

Die beantragte Feststellung, dass dem Schuldanerkenntnis keine Forderungen des Beklagten zugrunde lagen und (deshalb) keine Sicherungshypothek entstanden ist, betrifft allein die Rechte der Schuldnerin.

Sollte das Schuldanerkenntnis von der Schuldnerin und dem Beklagten nicht gewollt und deshalb nach § 117 Abs. 1 BGB unwirksam gewesen sein, ist eine der Sicherungshypothek des Klägers vorrangige Eigentümergrundschuld entstanden (vgl. RGZ 78, 398, 404). Die materiell-rechtlichen Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs über den Erwerb der Hypothek durch den Eigentümer nach § 1163 Abs. 1 Satz 1 BGB werden durch das Vollstreckungsrecht (§§ 867 , 868 ZPO ) nicht ausgeschlossen (Senat, Urteil vom 30. April 1976 - V ZR 200/74, NJW 1977, 48, 49).

War das Schuldanerkenntnis dagegen gewollt, aber nicht oder in wesentlichem Umfang nicht durch Verbindlichkeiten der Schuldnerin unterlegt, so entstand zwar die das Schuldanerkenntnis absichernde Zwangshypothek und keine Eigentümergrundschuld (vgl. RGZ 141, 379, 383). Die Schuldnerin könnte in diesem Falle aber ihr Anerkenntnis nach § 812 Abs. 2 BGB kondizieren und gegenüber der Inanspruchnahme aus dem Schuldanerkenntnis Einreden nach § 242 BGB oder § 821 BGB erheben, die sie nach § 1169 BGB auch gegenüber dem Anspruch aus der Zwangshypothek geltend machen könnte (vgl. RGZ 154, 385, 389; BayObLG, NJW-RR 1999, 506, 507).

In beiden Fällen wäre jedoch - auch wenn der Vortrag des Klägers in der Sache zuträfe - ein der Zwangshypothek des Klägers im Range vorgehendes Grundpfandrecht entstanden, das bei der Verteilung des Erlöses aus der Versteigerung des Grundstücks grundsätzlich vor dem Recht des Klägers zu berücksichtigen ist.

(2)

Die Feststellungsklage hätte daher auf der Grundlage des bisherigen Sach- und Streitstands mangels eines schutzwürdigen Eigeninteresses des Klägers an der begehrten Feststellung als unzulässig abgewiesen werden müssen.

Zwar sind nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs Feststellungsklagen in Bezug auf ein zwischen einer Partei und einem Dritten bestehendes Rechtsverhältnis zulässig (BGH, Urteil vom 16. Juni 1993 - VIII ZR 222/92, BGHZ 123, 44 , 46). Voraussetzung ist aber, dass der Kläger ein rechtliches Interesse an einer alsbaldigen Feststellung des Rechtsverhältnisses hat (BGH, Urteil vom 16. Juni 1993 - VIII ZR 222/92, aaO). Solange der Kläger jedoch auf die Rechte der Schuldnerin nicht zugegriffen hat, ist für ihn die Entscheidung der Frage, wem (dem Beklagten oder der Schuldnerin) das seinem

Recht vorgehende Grundpfandrecht an dem Grundstück zustand, ohne Bedeutung. Klagen auf Feststellung der Rechtsfolgen eines erst künftig (nach Ausübung von Rechten) möglicherweise entstehenden Rechtsverhältnisses sind nicht nach § 256 Abs. 1 ZPO zulässig (vgl. Zöller/Greger, ZPO , 28. Aufl., § 256 Rn. 3a mwN).

(3)

Die Nichtzulassungsbeschwerde kann jedoch nicht das Ziel haben, dass die Revision zuzulassen ist, um die unter Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG als unbegründet abgewiesene Feststellungsklage nach § 256 Abs. 1 ZPO nunmehr als unzulässig abzuweisen. Ein solches Verfahren stellte nämlich ebenfalls eine Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG dar, weil die in erster Instanz siegreiche Partei - wenn das Berufungsgericht der Beurteilung der Vorinstanz in einem entscheidungserheblichen Punkt nicht folgen will - darauf vertrauen darf, so rechtzeitig einen Hinweis zu erhalten, dass sie darauf noch vor dem Termin zur mündlichen Verhandlung reagieren kann (vgl. Senat, Beschluss vom 26. Juni 2008 - V ZR 225/07, [...] Rn. 5 mwN).

Diesem Gebot ist durch die Aufhebung des Berufungsurteils und die Zurückverweisung des Rechtsstreits zu einer neuen Verhandlung und Entscheidung nach § 544 Abs. 7 ZPO zu entsprechen. Da das Berufungsgericht - wie das erstinstanzliche Gericht - rechtsfehlerhaft die Zulässigkeit der Feststellungsklage bejaht hat, ist dem Kläger Gelegenheit zu geben, auf den Umstand der Unzulässigkeit seines Feststellungsantrags in einer neuen mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht (durch ergänzenden Vortrag oder - soweit gemäß § 533 ZPO zulässig - durch eine Änderung der Klage) zu reagieren.

IV.

Das für die Bestimmung des Streitwerts des Feststellungsantrags (§ 3 ZPO ) maßgebliche wirtschaftliche Interesse des Klägers bemisst sich nach den Vermögensvorteilen, die eine für ihn günstige Entscheidung nach der Versteigerung des Grundstücks noch haben könnte. Angesichts der Zuschlagserteilung auf ein Meistgebot von 160.000 € und anderer vorrangiger, hier nicht im Streit stehender Grundpfandrechte von ca. 115.000 € schätzt der Senat das wirtschaftliche Interesse des Klägers auf 45.000 €.

Vorinstanz: LG Stade, vom 10.02.2010 - Vorinstanzaktenzeichen 5 O 209/08
Vorinstanz: OLG Celle, vom 29.09.2010 - Vorinstanzaktenzeichen 4 U 70/10