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BGH - Entscheidung vom 11.02.2010

IX ZB 175/07

Normen:
ZPO § 121 Abs. 2
ZPO § 121 Abs. 2

Fundstellen:
AGS 2010, 335
DZWIR 2010, 298
EBE/BGH 2010, 83
FamRZ 2010, 634
KKZ 2011, 41
MDR 2010, 585
RVGreport 2010, 158
Rbeistand 2010, 18
Rpfleger 2010, 330
VersR 2011, 648
ZInsO 2010, 478

BGH, Beschluss vom 11.02.2010 - Aktenzeichen IX ZB 175/07

DRsp Nr. 2010/4038

Voraussetzungen für die Beiordnung eines Verfahrensbevollmächtigten im Mahnverfahren; Anwaltsbeiordnung unter dem Gesichtspunkt der Waffengleichheit

Im Mahnverfahren ist die Beiordnung eines Verfahrensbevollmächtigten in der Regel selbst dann nicht geboten, wenn der Gegner anwaltlich vertreten ist.

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 3. Zivilkammer des Landgerichts Hagen vom 12. Juli 2007 wird zurückgewiesen.

Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 85 € festgesetzt.

Normenkette:

ZPO § 121 Abs. 2 ;

Gründe

I.

Der Antragsteller, ein Rechtsanwalt, ist Insolvenzverwalter über das Vermögen des M. Er hat für die beabsichtigte Geltendmachung einer Forderung des Schuldners im Mahnverfahren die Gewährung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung eines Verfahrensbevollmächtigten beantragt. Das Amtsgericht hat dem Antragsteller Prozesskostenhilfe für das Verfahren bewilligt, den weitergehenden Antrag auf Bestellung eines Verfahrensbevollmächtigten jedoch abgelehnt. Das Landgericht hat die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde zugelassen.

Mit seiner Rechtsbeschwerde verfolgt der Antragsteller sein Begehren auf Beiordnung eines Verfahrensbevollmächtigten weiter.

II.

Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 , Abs. 3 Satz 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist unbegründet.

1.

Das Landgericht hat ausgeführt, im Hinblick auf den fehlenden Anwaltszwang im Mahnverfahren sei ein Verfahrensbevollmächtigter nur dann beizuordnen, wenn die Vertretung erforderlich erscheine. Im Mahnverfahren sei dies regelmäßig nicht der Fall. Der geltend gemachte Anspruch müsse lediglich beziffert und mit einigen Stichworten gegenständlich individualisiert werden. Die Antragstellung sei durch den strengen Formblattzwang vorgegeben. Im Übrigen werde die Ausfüllung durch aufgedruckte Belehrungen erleichtert. Hinzu komme, dass der Antragsteller als Rechtsanwalt umso leichter in der Lage sein dürfte, den Mahnbescheidsantrag ohne fremde Hilfe auszufüllen.

Auch unter dem Gesichtspunkt der Waffengleichheit komme eine Anwaltsbeiordnung nicht in Betracht. Das Mahnverfahren weise keine widerstreitenden Anträge auf. Zum Antrag auf Erlass eines Mahnbescheides werde der Antragsgegner nicht gehört. Nach Erlass eines Mahnbescheides werde bei Eingang eines Widerspruchs das Verfahren auf entsprechende Antragstellung an das zuständige Streitgericht abgegeben oder es werde auf Antrag des Antragstellers ohne weitere Anhörung des Antragsgegners ein Vollstreckungsbescheid erlassen.

2.

Nach ganz überwiegender Ansicht in Rechtsprechung und Schrifttum ist im Mahnverfahren regelmäßig die Beiordnung eines Verfahrensbevollmächtigten nicht erforderlich (OLG München MDR 1999, 301 ; LAG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 16. Januar 2008 - 7 Ta 251/07, zitiert nach [...]; LG Stuttgart Rpfleger 1994, 170; Zöller/Geimer, ZPO 28. Aufl. § 121 Rn. 5; Völker/Zempel in Prütting/Gehrlein, ZPO § 121 Rn. 7; Hk-ZPO/Pukall, 3. Aufl. § 121 Rn. 8; Musielak/Fischer- ZPO , 7. Aufl. § 121 Rn. 12; MünchKomm-ZPO/Motzer, 3. Aufl. § 121 Rn. 13; Wielgoß NJW 1991, 2070, 2071; a.A. LG Bonn, Beschl. v. 22. September 2005 - 6 T 288/05, zitiert nach [...]). Zur Begründung wird ausgeführt, an der Erforderlichkeit fehle es, weil im Hinblick auf den nach § 703c Abs. 2 ZPO maßgebenden strengen Formblattzwang die Antragsstellung regelmäßig keine Schwierigkeiten aufweise (Wielgoß aaO).

3.

Diese Auffassung ist zutreffend.

a)

Nach § 121 Abs. 2 1. Fall ZPO ist im Verfahren ohne Anwaltszwang ein Rechtsanwalt beizuordnen, wenn die Partei dies beantragt und die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint, d.h. wenn Umfang, Schwierigkeit und Bedeutung der Sache Anlass zu der Befürchtung geben, der Hilfsbedürftige werde nach seinen persönlichen Fähigkeiten nicht in der Lage sein, seine Rechte sachgemäß wahrzunehmen und die notwendigen Maßnahmen in mündlicher oder schriftlicher Form zu veranlassen. Die Notwendigkeit der Beiordnung des Rechtsanwalts hängt danach einerseits von den persönlichen Fähigkeiten und Kenntnissen gerade des Antragstellers und andererseits von der Schwierigkeit der im konkreten Fall zu bewältigenden Rechtsmaterie ab (BGH, Beschl. v. 18. Juli 2003 - IXa ZB 124/03, NJW 2003, 3136 ; v. 10. Dezember 2009 - VII ZB 31/09, Rn. 9).

Für das Mahnverfahren ist die Notwendigkeit der Beiordnung eines Rechtsanwalts regelmäßig zu verneinen. Der Antrag auf Erlass eines Mahnbescheids erfordert im Hinblick auf die Formalisierung des Antragsverfahrens keine besonderen Rechtskenntnisse oder geschäftlichen Erfahrungen (vgl. OLG Nürnberg MDR 1997, 1068 ). Auch eine ungewandte Partei wird deshalb regelmäßig in der Lage sein, sich dieses Verfahren ohne anwaltliche Beratung nutzbar zu machen (OLG München aaO).

Besondere Umstände, etwa wenn die Partei in persönlichen oder geschäftlichen Angelegenheiten völlig ungewandt ist (vgl. Wielgoß aaO), die eine anderweite Beurteilung rechtfertigen könnten, hat die Rechtsbeschwerde nicht aufgezeigt. Angesichts der Tätigkeit des Antragsstellers als Rechtsanwalt und Insolvenzverwalter ist hierfür ohnehin kein Raum.

b)

Der Umstand, dass sich der Anspruchsgegner durch einen Rechtsanwalt vertreten lässt, ist gleichfalls nicht geeignet, die Beiordnung eines Verfahrensbevollmächtigten zu begründen.

Allerdings ist nach § 121 Abs. 2 2. Fall ZPO ein Anwalt beizuordnen, wenn der Gegner durch einen Rechtsanwalt vertreten wird. Diese Bestimmung, die Ausdruck des auf Art. 3 Abs. 1 GG gestützten Grundsatzes der Waffengleichheit ist (BVerfG NJW 1988, 2597 ), bezieht sich jedoch nicht auf das Mahnverfahren, das lediglich eine formale Gegnerschaft aufweist (LG Stuttgart aaO). Die Entscheidung, ob für den Fall des Widerspruchs die Durchführung des streitigen Verfahrens beantragt wird (§ 696 Abs. 1 ZPO ), kann jeder Antragsteller selbst treffen. Sie ist auch nicht vom Verhalten des Antragsgegners abhängig. Der Widerspruch bedarf keiner Begründung, eine Erwiderung des Antragstellers im Mahnverfahren ist nicht vorgesehen. Zudem kann der Antrag auf Durchführung des streitigen Verfahrens seitens des Antragstellers bereits im Mahnbescheidsantrag gestellt werden, was in der Regel auch geschieht (Zöller/Vollkommer, aaO § 696 Rn. 1). Die kontradiktorische Auseinandersetzung der Antragsparteien wird nicht im Mahnverfahren, sondern im nachfolgenden Streitverfahren ausgetragen.

Vorinstanz: LG Hagen, vom 12.07.2007 - Vorinstanzaktenzeichen 3 T 374/07
Vorinstanz: AG Hagen - 07-1884152-06-N - 12.6.2007,
Fundstellen
AGS 2010, 335
DZWIR 2010, 298
EBE/BGH 2010, 83
FamRZ 2010, 634
KKZ 2011, 41
MDR 2010, 585
RVGreport 2010, 158
Rbeistand 2010, 18
Rpfleger 2010, 330
VersR 2011, 648
ZInsO 2010, 478