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BGH - Entscheidung vom 11.02.2009

IV ZB 26/08

Normen:
ZPO § 85 Abs. 2
ZPO § 233
ZPO § 520 Abs. 2
ZPO § 574 Abs. 2 Nr. 2

Fundstellen:
BRAK-Mitt 2009, 168
FamRZ 2009, 1316
FamRZ 2009, 867
NJW-RR 2009, 785

BGH, Beschluss vom 11.02.2009 - Aktenzeichen IV ZB 26/08

DRsp Nr. 2009/5947

Pflichten des Rechtsanwalts bei Übermittlung eines fristwahrenden Schriftsatzes per Telefax aufgrund einer Einzelanweisung

Ein Rechtsanwalt genügt er seiner Pflicht zur Ausgangskontrolle bei der Absendung eines fristwahrenden Schriftsatzes per Telefax nicht, wenn er sich bei seinem Personal gezielt nach der Absendung des Schriftsatzes erkundigt und sodann die Löschung der entsprechenden Frist selbst veranlasst. Er hätte sich vielmehr zuvor Klarheit darüber verschaffen müssen, ob ein ordnungsgemäßes Sendeprotokoll und eine Empfangsbestätigung vorlagen.

Tenor:

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 23. Senats des Kammergerichts vom 7. Mai 2008 wird auf Kosten des Klägers verworfen.

Beschwerdewert: 525.000 EUR

Normenkette:

ZPO § 85 Abs. 2 ; ZPO § 233 ; ZPO § 520 Abs. 2 ; ZPO § 574 Abs. 2 Nr. 2 ;

Gründe:

I.

Der Kläger erstrebt die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist für die Begründung der Berufung. Der unter dem 17. März 2008 gefertigte Schriftsatz, der den Antrag zur Verlängerung der Frist für die Begründung der Berufung gegen das dem Kläger am 17. Januar 2008 zugestellte Urteil enthielt, ist bei dem Kammergericht per Telefax erst am 18. März 2008 eingegangen. Nach einem entsprechenden Hinweis des Berufungsgerichts auf den verspäteten Verlängerungsantrag, der beim Prozessbevollmächtigten des Klägers am 25. März 2008 eingegangen ist, hat der Kläger mit einem am 2. April 2008 beim Berufungsgericht eingegangenen Schriftsatz Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist beantragt und zugleich eine Berufungsbegründung vorgelegt.

1.

Die Fristversäumnis wird damit begründet, dass der Schriftsatz mit dem Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist zwar am 17. März 2008, also am letzten Tag der Frist, gefertigt und dann in eine für den Postausgang von mit Telefax zu übermittelnden Schreiben vorgesehene Mappe gelegt worden sei. Die für den Postausgang verantwortliche Büroleiterin des Prozessbevollmächtigten des Klägers habe die in dieser Mappe gesammelten Schriftstücke am selben Tag gegen 14.30 Uhr versandt, hierbei aber aus nicht mehr vollständig aufklärbaren Gründen den Fristverlängerungsantrag übersehen. Gleichwohl habe sie im weiteren Verlauf des Nachmittags die Frage des Klägervertreters, ob der Fristverlängerungsantrag per Telefax an das Berufungsgericht übermittelt worden sei, bejaht. Da der Klägervertreter keine Veranlassung gehabt habe, den Angaben seiner gut ausgebildeten und bis dahin stets verlässlich arbeitenden Büroleiterin zu misstrauen, habe er die Löschung der Berufungsbegründungsfrist veranlasst. Der Ablauf dieser Frist war mit dem 17. März 2008 zuvor ordnungsgemäß sowohl in dem elektronischen als auch in dem normalen Fristenkalender notiert worden. In der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten habe die allgemeine und regelmäßig auf ihre Einhaltung überprüfte Anweisung bestanden, bei Übermittlung eines Schriftstücks per Telefax die Telefax-Nummer des Empfängers sowohl nach ihrer Eingabe als auch anhand der Sendebestätigung zu überprüfen und ferner an Hand von Sendeprotokoll und Empfangsbestätigung zu kontrollieren, ob die Übermittlung korrekt und vollständig erfolgt sei. Der Schriftsatz mit dem Antrag auf Fristverlängerung sei erst am darauf folgenden Tag in der Ausgangsmappe für Telefax-Schreiben aufgefunden worden.

2.

Das Berufungsgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen, weil der Kläger ein ihm gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnendes Verschulden seines Prozessbevollmächtigten an der Fristversäumnis nicht ausgeräumt habe. Da der Klägervertreter selbst die Löschung der notierten Frist veranlasst habe, hätte er sich zuvor auch selbst anhand von Sendebericht oder Eingangsbestätigung von der ordnungsgemäßen Absendung per Telefax überzeugen müssen. Die vorzeitige Löschung der Frist habe also die rechtzeitige Aufdeckung des fehlenden Versands bei der gebotenen Kontrolle der offenen Fristen am Ende der Bürotätigkeit am 17. März 2008 und damit die fristwahrende Absendung des Schriftsatzes verhindert. Wegen der Gefahr von Erinnerungsfehlern hätte sich der Klägervertreter auch nicht auf die Angaben seiner ansonsten zuverlässigen Büroleiterin verlassen dürfen; dadurch sei die tatsächlich mögliche Ausgangskontrolle durch ein unnötiges zusätzliches Risiko belastet worden.

II.

Die gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 1 i.V. mit §§ 238 Abs. 2 Satz 1, 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist unzulässig.

1.

Anders als die Rechtsbeschwerde meint, ist eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung i.S. des § 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO hier nicht erforderlich. Die Entscheidung des Berufungsgerichts verletzt keine Verfahrensgrundrechte des Klägers, namentlich nicht den Grundsatz des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG ), den Anspruch auf ein willkürfreies Verfahren (Art. 3 Abs. 1 GG ) oder auf wirkungsvollen Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 1 GG i.V. mit dem Rechtsstaatsprinzip).

2.

Der Kläger war nicht ohne sein Verschulden gehindert, die Frist für die Berufung einzuhalten (§§ 233 , 520 Abs. 2 ZPO ). Sein Prozessbevollmächtigter hat diese Frist versäumt; dessen Verschulden muss sich der Kläger gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen.

Darauf, ob die in der Kanzlei des Klägervertreters insoweit praktizierte Ausgangskontrolle den Anforderungen der Rechtsprechung generell genügte (BGH, Beschluss vom 26. Januar 2006 - I ZB 64/05 - NJW 2006, 1519 unter III 1 m.w.N.; Senatsbeschlüsse vom 11. Oktober 2000 - IV ZB 17/00 - VersR 2001, 85 unter II 1 b und vom 20. Dezember 2006 - IV ZB 25/06 - FamRZ 2007, 1637 unter II 2 c, jeweils m.w.N.), kommt es im Streitfall nicht an. Denn der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat schuldhaft in das in seiner Kanzlei praktizierte System der Ausgangskontrolle eingegriffen und damit die Fristversäumung verursacht. Er hat die Löschung der Frist im Kalender hier selbst veranlasst, ohne sich von der ordnungsgemäßen Absendung des Telefax-Schreibens zu überzeugen. Dies begründet ebenso ein eigenes Verschulden des Prozessbevollmächtigten wie der Umstand, dass sich dieser auf die von seiner Büroleiterin auf Nachfrage erteilte Auskunft über die - angebliche -Absendung des Telefax verließ. Der Rechtsanwalt kann zwar die Ausgangskontrolle auf zuverlässiges Büropersonal übertragen und braucht sie nicht selbst vorzunehmen (BGH, Beschluss vom 23. März 1995 - VII ZB 19/94 - NJW 1995, 2105 unter II 2). Übernimmt er sie aber im Einzelfall selbst, muss er auch selbst für eine wirksame Kontrolle Sorge tragen (BGH, Beschluss vom 26. Januar 2006 aaO unter III 2).

Hier hat er sich bei seiner Bürovorsteherin gezielt nach der Absendung des betreffenden Schriftsatzes erkundigt und sodann die Löschung der entsprechenden Frist selbst veranlasst. Er hätte sich jedoch zuvor Klarheit darüber verschaffen müssen, ob ein ordnungsgemäßes Sendeprotokoll und eine Empfangsbestätigung vorlagen. Schon insoweit war seine Ausgangskontrolle unzureichend. Auch auf die Auskunft seiner Bürovorsteherin hätte er sich nicht ohne weiteres verlassen dürfen, zumal er sich nicht sicher sein konnte, dass diese sich zuverlässig an die bereits länger zurückliegende (vermeintliche) Absendung erinnern würde (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 26. Januar 2006 aaO). Die insoweit gebotene eigene Kontrolle hätte die vorzeitige Löschung der Frist verhindert und bei der weisungsgemäßen Überprüfung am Ende der Bürostunden die noch rechtzeitige Absendung des Verlängerungsantrags per Telefax ermöglicht.

Hinweise:

Anmerkung Bienko FamRZ 2009, 1316

Vorinstanz: KG Berlin, vom 07.05.2008 - Vorinstanzaktenzeichen 23 U 41/08
Vorinstanz: LG Berlin, vom 11.01.2008 - Vorinstanzaktenzeichen 35 O 15/07
Fundstellen
BRAK-Mitt 2009, 168
FamRZ 2009, 1316
FamRZ 2009, 867
NJW-RR 2009, 785