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BGH - Entscheidung vom 08.01.2009

IX ZR 229/07

Normen:
BGB § 667

Fundstellen:
AnwBl 2009, 382
BGHReport 2009, 429
BRAK-Mitt 2009, 123
BRAK-Mitt 2009, 88
DB 2009, 676
MDR 2009, 473
NJW 2009, 840
VersR 2009, 1228
WM 2009, 327

BGH, Urteil vom 08.01.2009 - Aktenzeichen IX ZR 229/07

DRsp Nr. 2009/2980

Pflicht eines Rechtsanwalts zur bestimmungsgemäßen Verwendung von Geldern zum Zweck der Stellung einer Kaution für einen in Untersuchungshaft sitzenden Mandanten; Weitergehende Pflichten eines Anwalts zur Sicherung der Rückführung solcher Mittel nach bestimmungsgemäßer Verwendung oder zur längerfristigen Verwaltung

Der Rechtsanwalt, der selbst oder über einen Dritten für seinen in Untersuchungshaft sitzenden Mandanten Gelder einwirbt zu dem Zweck, eine Kaution zu stellen, darf die ihm zu diesem Zweck zur Verfügung gestellten Mittel nicht anderweitig verwenden. Weitergehende Pflichten, etwa zur Sicherung der Rückführung dieser Mittel nach bestimmungsgemäßer Verwendung oder zur längerfristigen Verwaltung, treffen den Rechtsanwalt in der Regel nicht (Abgrenzung zu den Senatsurteilenvom 22. Juli 2004 - IX ZR 132/03, NJW 2004, 3630 und12. Oktober 2006 - IX ZR 108/03, NJW-RR 2007, 267 ).

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Tenor:

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 24. Zivilsenats in Darmstadt des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 20. Juli 2007 aufgehoben.

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Darmstadt vom 1. Dezember 2006 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat die Kosten der Rechtsmittelverfahren zu tragen.

Von Rechts wegen

Normenkette:

BGB § 667 ;

Tatbestand:

Der beklagte Anwalt vertrat den Zeugen W. in einem gegen den Zeugen geführten Ermittlungsverfahren wegen des Vorwurfs der Steuerhinterziehung. In diesem Verfahren befand sich der Zeuge seit August 2002 in Untersuchungshaft. Im Oktober 2002 rief der Beklagte bei dem Steuerberater des Klägers an - der auch Steuerberater des Zeugen W. war - und regte an, der Steuerberater solle sich bei Freunden und Bekannten des Beschuldigten um die Aufbringung einer Kaution von insgesamt 50.000 EUR bemühen.

Der Kläger erklärte sich gegenüber dem Steuerberater bereit, einen Betrag von 25.000 EUR zu übernehmen. Diesen Betrag überwies er alsbald auf ein Fremdgeldkonto des Beklagten. Auf dem Überweisungsträger vermerkte er entsprechend einem Vorschlag des Steuerberaters die Worte "Darlehen an W. w/Kaution"; der Buchstabe "w" stand für das Wort "wegen".

Zu einer Anordnung über die Aussetzung des Vollzugs des Haftbefehls gegen Sicherheitsleistung kam es nicht. Der Beklagte verwendete den vom Kläger überwiesenen Betrag für offene Honorarforderungen gegen den Zeugen W .

Der Kläger verlangt vom Beklagten die Rückzahlung des überwiesenen Betrages. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten hat das Oberlandesgericht die Klage abgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Anspruch in vollem Umfang weiter.

Entscheidungsgründe:

Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Das Berufungsgericht hat ausgeführt, der Kläger habe keinen Anspruch gegen den Beklagten, weil zwischen den Parteien ein Auftragsverhältnis nicht zustande gekommen sei. Der Anwalt, der Fremdgeld in Empfang nehme, welches von einem Dritten zugunsten eines Mandanten eingezahlt werde, handele in der Regel allein als Vertreter des Mandanten. Das stehe der Annahme eines Auftragsverhältnisses, also der Begründung eigener Pflichten des Anwalts gegenüber dem Dritten, entgegen. Zwar könne sich unter besonderen Umständen etwas anderes ergeben, nämlich wenn diese Umstände den Schluss darauf begründeten, der Anwalt habe eigenständige (Treuhand-)Verpflichtungen gegenüber dem Einzahler übernommen. Solche Umstände seien hier aber nicht zu erkennen.

Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung nicht stand.

1.

Die Annahme des Berufungsgerichts, der Beklagte habe hinsichtlich der Verwendung des vom Kläger auf das Fremdgeldkonto überwiesenen Betrages keinerlei Bindungen unterlegen, ist unzutreffend. Zwischen dem Kläger und dem Beklagten ist ein Auftrag zustande gekommen, allerdings beschränkt allein darauf, für die bestimmungsgemäße Verwendung des Geldes Sorge zu tragen. Da diese Verwendung des Geldes nicht möglich war, hat der Beklagte das Erlangte gemäß § 667 BGB an den Kläger herauszugeben.

Die Auslegung von Willenserklärungen der Parteien und von Vertragsbestimmungen obliegt zwar grundsätzlich dem Tatrichter. Sie kann in der Revision nur darauf überprüft werden, ob der Auslegungsstoff vollständig berücksichtigt wurde, ob gesetzliche oder allgemein anerkannte Auslegungsregeln, Denkgesetze oder Erfahrungssätze verletzt wurden oder ob die Auslegung auf einem von der Revision gerügten Verfahrensfehler beruht (vgl. z.B. BGH, Urt. v. 26. März 2004 - V ZR 90/03, NJW-RR 2004, 952 ; 953v. 13. Mai 2004 - III ZR 368/03, NJW-RR 2004, 1356 , 1357;v. 16. Oktober 2008 - IX ZR 183/06 Rn. 18 z.V.b.).

Diese Überprüfung ergibt jedoch vorliegend, dass das Berufungsgericht Auslegungsregeln und Erfahrungssätze verletzt und insbesondere die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Zustandekommen von Auftragsverhältnissen in derartigen Konstellationen missverstanden und zu eng ausgelegt hat.

a)

Das Berufungsgericht hat auf zwei Urteile des Senats Bezug genommen, die einen ähnlichen Sachverhalt zum Gegenstand hatten (BGH, Urt. v. 22. Juli 2004 - IX ZR 132/03, NJW 2004, 3630 , 3631;v. 12. Oktober 2006 - IX ZR 108/03, NJW-RR 2007, 267 ). Dort ging es jedoch jeweils um die Sicherstellung der Rückführung des als Kaution oder Zahlung auf Steuern tatsächlich bereits bestimmungsgemäß verwendeten Geldes. Hinsichtlich solcher zusätzlicher, über die bestimmungsgemäße Verwendung hinausgehender Pflichten hat der Senat den konkludenten Abschluss eines Anwaltsvertrages abgelehnt. Wer als Verteidiger zum Zwecke der Hinterlegung einer Kaution bei Gericht bestimmte Gelder von dritter Seite für einen Mandanten entgegennimmt, begründet dadurch keine zusätzlichen vertraglichen Pflichten gegenüber dem Geldgeber, sofern sich nicht aus den getroffenen Absprachen oder den besonderen Umständen des Falles ausnahmsweise etwas anderes ergibt. Der Rechtsanwalt, der auf einem Anderkonto Geld erhält, welches von einem Dritten in Erfüllung einer mit dem Mandanten getroffenen Vereinbarung geleistet wird, handelt in der Regel allein als Vertreter seines Auftraggebers. Das folgt im Ansatz schon aus dem Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen (§ 43a Abs. 4 , § 59b Abs. 2 Nr. 1 lit. e BRAO ), weil die Interessen des Dritten in der Regel nicht mit denjenigen der vom Anwalt vertretenen Partei identisch sind (BGH, Urt. v. 22. Juli 2004 aaO S. 3631, v. 12. Oktober 2006 aaO S. 267 Rn. 8).

b)

Vorliegend geht es - anders als in den genannten Fällen - nicht darum, ob den Beklagten anwaltliche Beratungs- oder Sicherungspflichten trafen, um die Rückführung des bestimmungsgemäß verwendeten Geldes sicherzustellen, oder dieses Geld längerfristig zu verwalten.

Vielmehr geht es um die Frage, ob der Anwalt die Zweckbestimmung für das Geld beachten muss oder dieses von vorneherein anderweitig verwenden und als freies Vermögen seines Mandanten behandeln darf, etwa nach dessen anderweitigen Weisungen darüber verfügen oder mit seinen eigenen Ansprüchen gegen den Mandanten aufrechnen und sich so befriedigen darf.

Insoweit steht nicht der Abschluss eines Anwaltsvertrages in Frage. Nach § 3 Abs. 1 BRAO ist der Rechtsanwalt der berufene unabhängige Berater und Vertreter in allen Rechtsangelegenheiten. Darum geht es insoweit nicht. Der Beklagte sollte gegenüber dem Kläger zu keiner Rechtsberatung verpflichtet sein.

2.

Ein allgemeiner, nicht mit Rechtsberatung verbundener Auftrag kann auch mit einem Anwalt zustande kommen. Er kann konkludent geschlossen werden, wenn das Verhalten des einen Teils bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt nach Treu und Glauben gemäß §§ 133 , 157 BGB als eine auf den Abschluss eines entsprechenden Vertrages gerichtete Willenserklärung aufzufassen war und das Verhalten des anderen Teils als Annahme des Auftrags gedeutet werden durfte (vgl. für den Anwaltsvertrag: BGH, Urt. v. 22. Juli 2004 aaO S. 3631).

Der Beklagte hat hier über den Steuerberater des Klägers von den Freunden und Bekannten des Beschuldigten Geldbeträge zu dem Zweck eingeworben, eine Kaution für den Beschuldigten stellen zu können. Die Überweisung des hierzu bereiten Klägers sah als Zweckbestimmung ausdrücklich vor, dass das Geld diesem Zweck der Kautionsstellung dienen sollte. Daran änderte nichts der Umstand, dass die Zahlung als Darlehen an den Beschuldigen bezeichnet wurde. Damit wurde lediglich zum Ausdruck gebracht, in welcher Form der Kläger Geld zur Verfügung stellen wollte, nämlich als Darlehen, das nach Verwendung als Kaution rückzahlbar sein sollte, nicht dagegen etwa als Schenkung. Nach Treu und Glauben sowie der Verkehrssitte durfte der Kläger und musste der Beklagte annehmen, dass aufgrund dieser Umstände eine Verwendung des Geldbetrages durch den allein über das Konto verfügungsberechtigten Beklagten auch im Verhältnis zum Kläger nur zu dem vorgesehenen Zweck erfolgen durfte, insoweit also vom Kläger eine Bindung in Form eines Auftrags erwartet wurde, die der Beklagte auch akzeptiert hat.

Demgemäß durfte der Beklagte nur zu diesem Zweck über den erlangten Geldbetrag verfügen. Eine Verfügung zu anderen Zwecken hätte der Zustimmung des Klägers bedurft. Weitergehende Pflichten, etwa zur Beratung des Klägers oder zur Sicherung seiner Rückforderungsansprüche, hatte er dagegen nicht. Ein Anwaltsvertrag ist mangels entsprechender Einigung nicht zustande gekommen.

3.

Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden, weil die Aufhebung des Berufungsurteils nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem zur Sachentscheidung reif ist, § 563 Abs. 3 ZPO . Eine andere Auslegung des Willens der Parteien ist nach den festgestellten Tatsachen ausgeschlossen.

Der Beklagte hat den in Rede stehenden Betrag im Sinne von § 667 BGB zur Ausführung des Auftrags erhalten. Von der Verpflichtung, das eingezahlte Geld wieder zurückzuzahlen, wäre der Beklagte nur frei geworden, wenn er das Geld auftragsgemäß weitergeleitet hätte (BGH, Urt. v. 30. Oktober 2003 - III ZR 344/02, ZIP 2004, 171 , 172). Da dies nicht geschehen ist, hat er den Betrag an den Kläger zurückzuzahlen.

Ob der Beschuldigte W. nach seiner Haftentlassung den Beklagten angewiesen hat, den Betrag anderweitig zu verwenden, ist unerheblich. Die Bindung der Mittelverwendung zwischen den Parteien konnte der Mandant des Beklagten nicht aufheben oder ändern. Der Beschuldigte sollte, ebenso wie der Beklagte, nicht befugt sein, das Geld anderweitig, etwa für seine Lebensführung oder für Anschaffungen oder zur Schuldentilgung zu verwenden. Derjenige, der darlehenshalber Geld für eine Kaution zur Verfügung stellt, will lediglich dazu beitragen, dass der Beschuldigte wieder auf freien Fuß gesetzt wird. Er erwartet, dass er nach Wegfall dieses Zwecks das Geld wieder zurück erhält.

Die angeblichen Forderungen des Zeugen W. konnten jedenfalls mangels Gegenseitigkeit mit der Klageforderung nicht aufgerechnet werden.

Vorinstanz: OLG Frankfurt am Main, vom 20.07.2007 - Vorinstanzaktenzeichen 24 U 21/07
Vorinstanz: LG Darmstadt, vom 01.12.2006 - Vorinstanzaktenzeichen 1 O 279/06
Fundstellen
AnwBl 2009, 382
BGHReport 2009, 429
BRAK-Mitt 2009, 123
BRAK-Mitt 2009, 88
DB 2009, 676
MDR 2009, 473
NJW 2009, 840
VersR 2009, 1228
WM 2009, 327