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BGH - Entscheidung vom 22.06.2007

V ZR 149/06

Normen:
ZPO § 540 Abs. 1 Nr. 2

Fundstellen:
BGHReport 2007, 985
FamRZ 2007, 1643
MDR 2007, 1277
NJW-RR 2007, 1412

BGH, Urteil vom 22.06.2007 - Aktenzeichen V ZR 149/06

DRsp Nr. 2007/14139

Anforderungen an die Gründe eines Berufungsurteils bei Bestätigung des erstinstanzlichen Urteils trotz neuer rechtlicher Gesichtspunkte

»a) Sind in der Berufungsverhandlung neue rechtliche Gesichtspunkte aufgetreten, so genügt im Falle einer Bestätigung des erstinstanzlichen Urteils eine bloße Bezugnahme auf die Entscheidungsgründe dieses Urteils nicht. Das Berufungsgericht muss vielmehr darlegen, warum der erstinstanzlichen Entscheidung trotz der neuen rechtlichen Gesichtspunkte in vollem Umfang gefolgt wird (im Anschluss an BGH, Urt. v. 30. September 2003, VI ZR 438/02, NJW 2004, 293 , 294).b) Eine Aneinanderreihung von Gesichtspunkten, die eine gedankliche Bearbeitung ebenso vermissen lässt wie eine sprachlich angemessene Fassung, genügt nicht den Anforderungen, die an eine Urteilsbegründung zu stellen sind.«

Normenkette:

ZPO § 540 Abs. 1 Nr. 2 ;

Tatbestand:

Die Beklagte, die C. GmbH und die A. GmbH & Co. Beteiligungs KG waren Mitglieder einer Gesellschaft des bürgerlichen Rechts (Gesellschaft). Die Gesellschaft war Eigentümerin eines bebauten Grundstücks in P.. Das Grundstück war an erster und zweiter Rangstelle mit Grundschulden über 1.800.000 DM bzw. 3.700.000 DM belastet. Durch Erklärung vom 8. November 1996 wurde es nach dem Wohnungseigentumsgesetz geteilt. Die Teilung wurde im Grundbuch vollzogen.

Die so entstandenen an erster und zweiter Rangstelle belasteten Eigentumswohnungen belastete die Gesellschaft weiter mit einer Gesamtgrundschuld über 1.200.000 DM zuzüglich Zinsen für die C. mbH & Co. KG (Kommanditgesellschaft). Die als Buchrecht eingetragene Grundschuld erhielt die dritte Rangstelle. Die Kommanditgesellschaft trat sie mit Vertrag vom 6. Mai 1999 an die Ar. AG (Ar.) ab. Die Abtretung wurde am 30. April 2002 in das Grundbuch eingetragen.

Mit von dem Kläger beurkundeten Vertrag vom 16. Juli 2001 verkaufte die Gesellschaft eine der Eigentumswohnungen für 460.000 DM frei von den bestehenden Grundpfandrechten an A. H. (Käuferin). Die Abwicklung des Vertrages wurde dem Kläger übertragen. Die Übergabe der Wohnung sollte nach Kaufpreiszahlung auf ein von dem Kläger einzurichtendes Treuhandkonto erfolgen. Die Auflassung wurde in der Urkundsverhandlung erklärt.

Die B. Volksbank eG (Volksbank) übermittelte dem Kläger die Bewilligung der Löschung der an erster und zweiter Rangstelle eingetragenen Grundschulden und ermächtigte ihn, gegen Weiterleitung des Kaufpreises an sie von der Erklärung Gebrauch zu machen. Die Käuferin bezahlte den Kaufpreis auf das Treuhandkonto und bezog die Wohnung.

Der Kläger leitete die Zahlung der Käuferin an die Volksbank weiter und beantragte, die eingetragenen Grundschulden zu löschen. Das Grundbuchamt lehnte die Löschung des an dritter Rangstelle eingetragenen Rechts ab, weil es an der hierzu notwendigen Bewilligung der Ar. fehlte. Die Käuferin forderte die Gesellschaft vergeblich zur Übertragung des lastenfreien Eigentums auf, setzte der Gesellschaft hierzu schließlich mit der Erklärung, die Erfüllung nach Fristablauf abzulehnen, bis zum 11. April 2003 Frist und kündigte dem Kläger an, die Rückzahlung ihrer auf das Treuhandkonto überwiesenen Leistung zu verlangen. Die Ar. lehnte die Aufforderung des Klägers, die Löschung der Grundschuld zu bewilligen, unter Hinweis darauf ab, dass die Grundschuld Forderungen in Höhe von rund 800.000 DM sichere. Die Volksbank weigerte sich, die erhaltene Zahlung zu erstatten.

In der Folgezeit einigte sich der Kläger mit der Ar. dahin, dass diese gegen Zahlung von 34.000 EUR auf die Mithaftung der verkauften Wohnung für die ihr abgetretene Grundschuld verzichte. Die Ar. übermittelte dem Kläger eine entsprechende Freigabeerklärung. Mit Schreiben vom 2. Juli 2003 forderte der Kläger die Gesellschaft unter Hinweis darauf, dass die Käuferin weiterhin am Vollzug des Vertrags interessiert sei, auf, ihm diesen Betrag zu überweisen. Mit weiterem Schreiben an die Gesellschaft vom 22. Juli 2003 kündigte er an, notfalls das für die Ar. eingetragene Recht gegen Abtretung der zugrunde liegenden Forderung aus Eigen- oder Drittmitteln abzulösen. Anfang September 2003 überwies der Kläger der Ar. den für die Freigabe vereinbarten Betrag, machte von der erteilten Löschungsbewilligung Gebrauch und beantragte, die Käuferin entsprechend der Auflassung vom 16. Juli 2001 als Eigentümerin in das Grundbuch einzutragen. Die Anträge wurden am 14. Oktober 2003 im Grundbuch vollzogen. Die an die Ar. gezahlten 34.000 EUR wurden dem Kläger von seinem Vermögensschadenshaftpflichtversicherer erstattet. Ein Anspruch auf Rückübertragung des Wohnungseigentums gegen die Käuferin wird von der Gesellschaft nicht erhoben.

Der Kläger hat in gewillkürter Prozessstandschaft seines Haftpflichtversicherers und aus von der Käuferin abgetretenem Recht beantragt, die Beklagte zur Erstattung des von ihm an die Ar. gezahlten Betrages zuzüglich Zinsen zu verurteilen. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben. Mit der von dem Senat zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte die Abweisung der Klage.

Entscheidungsgründe:

I. Das Berufungsgericht meint, der Kläger könne als Prozessstandschafter seines Haftpflichtversicherers Zahlung verlangen. Die Gesellschaft sei um die von dem Kläger an die Ar. geleistete Zahlung ungerechtfertigt bereichert. Der Kaufvertrag vom 16. Juli 2001 sei durch den fruchtlosen Ablauf der von der Käuferin zur Freistellung des Wohnungseigentums von der Grundschuld gesetzten Frist zwar in ein Abwicklungsverhältnis umgestaltet worden. Hierauf könne sich die Gesellschaft jedoch nicht berufen. Für die Zahlungsverpflichtung der Gesellschaft hafte die Beklagte.

II. Die Revision hat Erfolg.

1. Das Berufungsurteil genügt nicht den Anforderungen von § 540 Abs. 1 Nr. 2 ZPO . Danach hat das Berufungsgericht eine kurze Begründung für die Abänderung, Aufhebung oder Bestätigung der angefochtenen Entscheidung zu geben. Diese Begründung kann im Falle einer Bestätigung auch in einer Bezugnahme auf das angefochtene Urteil bestehen (vgl. zum alten Recht BGH, Urt. v. 17. Januar 1985, VII ZR 257/83, NJW 1985, 1784 , 1785). Ist indes der Sachverhalt ergänzt worden, so genügt eine bloße Bezugnahme nicht. Vielmehr muss in dem Urteil begründet werden, warum der erstinstanzlichen Entscheidung gleichwohl in vollem Umfang gefolgt wird (BGH, Urt. v. 30. September 2003, VI ZR 438/02, NJW 2004, 293 , 294). Dasselbe gilt, wenn neue rechtliche Gesichtspunkte aufgetreten sind. Das Berufungsgericht sieht hier zwar die Notwendigkeit einer ergänzenden Begründung der Annahme, die Gesellschaft könne sich nach § 242 BGB auf das Scheitern des Kaufvertrags nicht berufen. Die Ausführungen dazu stellen aber keine in sich verständliche Begründung dar, sondern erschöpfen sich in einer Aneinanderreihung von Gesichtspunkten, die eine gedankliche Bearbeitung ebenso vermissen lässt wie eine sprachlich angemessene Fassung.

Da das Berufungsurteil eine der Vorschrift des § 540 ZPO entsprechende Begründung nicht enthält, leidet es an einem von Amts wegen zu berücksichtigenden Mangel, der schon für sich genommen zur Aufhebung führen kann (vgl. BGHZ 154, 99 , 101).

Das Urteil ist aber auch in der Sache falsch. Da die in Bezug genommenen Sachverhaltsfeststellungen des Landgerichts von dem Verfahrensmangel nicht betroffen sind, kann sie der Senat zugrunde legen und in der Sache selbst entscheiden, § 563 Abs. 3 ZPO (vgl. Senat, BGHZ 46, 281, 284; 122, 308, 316).

2. Der Kläger kann die Erstattung seiner Zahlung an die Ar. weder als Prozessstandschafter seines Haftpflichtversicherers noch aus abgetretenem Recht verlangen.

a) Voraussetzung eines Bereicherungsanspruchs gegen die Gesellschaft, der gemäß § 67 VVG auf den Haftpflichtversicherer des Klägers übergegangen sein könnte, ist, dass diese ohne Vorliegen eines rechtlichen Grundes im Sinne von § 812 Abs. 1 BGB etwas erlangt hat. Daran fehlt es.

aa) Die Beklagte hat bestritten, dass die Zahlung des Klägers auf die durch die Grundschuld gesicherte Forderung der Ar. erfolgt sei. Eine konkrete Einlassung des Klägers hierzu fehlt. Damit ist davon auszugehen, dass Rechtsgrund für die Zahlung des Klägers allein die zwischen dem Kläger und der Ar. getroffene Vereinbarung ist, durch die sich die Ar. gegen Zahlung von 34.000 EUR verpflichtete, auf die Mithaftung des von der Gesellschaft verkauften Wohnungseigentums zu verzichten. Die von dem Kläger - zur Vermeidung seiner Inanspruchnahme durch die Käuferin - mit der Ar. getroffene Vereinbarung bildet den Rechtsgrund für die Zahlung des Klägers.

bb) Diesem stand ein Ablösungsrecht nicht zu. Auch ist zweifelhaft, ob er als Dritter gemäß § 267 BGB auf die gesicherte Forderung gezahlt und hierdurch die Gesellschaft entlastet hat (vgl. zu einem solchen Fall BGHZ 70, 389 , 397; ferner Senat, BGHZ 72, 246, 249; allgemein zur Problematik MünchKomm-BGB/Lieb, 4. Aufl., § 812 Rdn. 115 ff., 117, 122). Jedenfalls hat er durch seine Zahlung nicht die Voraussetzungen der Erfüllung des Kaufvertrags herbeigeführt. Die Erfüllungsansprüche aus dem Kaufvertrag waren mit Ablauf der von der Käuferin bis zum 11. April 2003 gesetzten Nachfrist erloschen. Nach dem Schreiben des Klägers vom 2. Juli 2003 wünschte die Käuferin zwar trotzdem, an dem Kaufvertrag festzuhalten. Zur Wiederbegründung des erloschenen Anspruchs bedurfte es jedoch einer dahin gehenden gemäß § 311 b Abs. 1 Satz 1 BGB beurkundungsbedürftigen Vereinbarung zwischen ihr und der Gesellschaft. Dieser Mangel kann nicht mit der Berufung auf § 242 BGB überwunden werden. Es geht nicht, wie das Berufungsgericht anzunehmen scheint (die Beklagte könne sich nicht "auf eine Unwirksamkeit des Kaufvertrags" berufen), um die Frage, unter welchen - im Übrigen hier nicht vorliegenden - Voraussetzungen die Berufung auf einen Formmangel gegen Treu und Glauben verstößt (dazu Senat, BGHZ 85, 315). Es fehlt schon an der vertraglichen Einigung selbst.

cc) Ebenso wenig führte die Zahlung des Klägers an die Ar. zur Minderung der Ansprüche der Käuferin gegen die Gesellschaft. Nach dem Scheitern des Vertrages konnte die Käuferin gemäß § 326 Abs. 1 Satz 2 BGB a.F. vom Vertrag zurücktreten und die Rückzahlung des Kaufpreises von der Gesellschaft verlangen oder der Gesellschaft den Kaufpreis belassen und den Ersatz des ihr durch das Ausbleiben des Erwerbs der Wohnung entstandenen Schadens verlangen (Senat, BGHZ 87, 156, 159; 126, 131, 135 f.; Urt. v. 25. Juni 1999, V ZR 190/98, NJW 1999, 3115 , 3117). Ihr Wahlrecht hatte die Käuferin im Zeitpunkt der Zahlung des Klägers weder durch Ausübung ihres Rücktrittsrechts verloren, noch war die Zahlung des Klägers an die Ar. geeignet, die Ansprüche der Käuferin aus einem Rücktritt vom Vertrag oder einem Schadensersatzverlangen zu vermindern.

b) Ein Anspruch des Klägers gegen die Beklagte folgt auch nicht daraus, dass die Erklärungen im Kaufvertrag von dem Ehemann der Beklagten als deren Vertreter abgegeben worden sind und dieser den Kläger in der Urkundsverhandlung weder darauf hingewiesen hat, dass es zur lastenfreien Übertragung des Wohnungseigentums der Zustimmung der Gläubigerin der an dritter Stelle eingetragenen Grundschuld bedurfte, noch darauf, dass die Kommanditgesellschaft mit der Ar. einen Vertrag zur Abtretung der Grundschuld geschlossen hatte. Der Verkäufer eines Grundstücks ist ungefragt weder verpflichtet noch in eigenem Interesse gehalten, den mit dem Vollzug des Vertrages beauftragten Notar über die aus dem Grundbuchstand folgenden Voraussetzungen der Auszahlungsreife der Leistung des Käufers aufzuklären.

c) Eine Zahlungsverpflichtung der Beklagten folgt auch nicht aus §§ 677 , 683 , 670 BGB . Dies kann der Senat feststellen, weil weiterer Vortrag der Parteien insoweit nicht in Betracht kommt. Es ist zwar unstreitig, dass die Beklagte den Kläger auf die Möglichkeit hingewiesen hat, die Ar. gegen Zahlung zum Verzicht auf die Mithaftung der verkauften Wohnung zu bewegen, und grundsätzlich bereit war, sich an der von der Ar. hierfür verlangten Zahlung mit einem Betrag von 17.000 EUR zu beteiligen. Eine entsprechende Einigung der Parteien ist indessen nicht zustande gekommen. Das Scheitern der Verhandlungen über die Frage der Verantwortlichkeit für die eingetretene Situation und die Beteiligung der Gesellschaft oder der Beklagten an der von dem Kläger mit der Ar. erreichten Vereinbarung schließt es aus, die Zahlung des Klägers als auch mit dem Willen der Gesellschaft oder der Beklagten erfolgt anzusehen. Dem entspricht die Ankündigung des Klägers in seinem Schreiben vom 22. Juli 2003, den Verzicht der Ar. notfalls gegen den Willen der Gesellschaft herbeizuführen.

d) Auch die Voraussetzungen einer Verpflichtung der Beklagen gemäß § 684 BGB fehlen. Die Norm verweist auf das Bereicherungsrecht und setzt wie dieses voraus, dass der Gesellschaft ein vermögenswerter Vorteil zugeflossen ist. Das ist indes - wie ausgeführt - nicht der Fall.

3. Entgegen der Meinung der Revisionserwiderung besteht auf der Grundlage der Feststellungen des Berufungsgerichts und des Vortrags der Parteien auch kein Anspruch des Klägers auf Zahlung gegen die Gesellschaft aus abgetretenem Recht der Käuferin.

Die Käuferin hat mit Vertrag vom 22. April 2004 ihre Ansprüche auf "Erstattung der zur Lastenfreiheit ... (ihrer) Eigentumswohnung aufgewandten Beträge" an den Kläger abgetreten. Damit mag grundsätzlich ein Schadensersatzanspruch der Käuferin nach § 326 Abs. 1 Satz 2 BGB a.F. auf Ersatz des ihr durch das Ausbleiben des - insbesondere lastenfreien - Erwerbs der Wohnung entstandenen Schadens (Senat, BGHZ 87, 156, 159; Urt. v. 25. Juni 1999, V ZR 190/98, NJW 1999, 3115 , 3117; s.o.) gemeint sein. Im Zeitpunkt der Abtretung bestand ein solcher Anspruch aber nicht mehr, da der Kläger zuvor die lastenfreie Umschreibung des Eigentums herbeigeführt hatte (14. Oktober 2003). Entgegen der in der mündlichen Verhandlung geäußerten Auffassung der Revisionserwiderung ist es auch nicht so, dass sich die Gesellschaft gegenüber der Käuferin auf den Schadensausgleich durch einen Dritten nicht berufen könnte ("normativer Schaden"). Denn die Gesellschaft und die Käuferin haben - wie ihr Verhalten deutlich macht - dem zunächst rechtsgrundlosen Leistungsaustausch eine jederzeit formlos mögliche Rechtsgrundvereinbarung nachgeschoben, die beiderseits einen Behaltensgrund schafft und es ausschließt, dass die Käuferin noch Schadensersatz verlangen könnte.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO .

Vorinstanz: KG, vom 30.05.2006 - Vorinstanzaktenzeichen 21 U 76/05
Vorinstanz: LG Berlin, vom 28.02.2005 - Vorinstanzaktenzeichen 34 O 458/04
Fundstellen
BGHReport 2007, 985
FamRZ 2007, 1643
MDR 2007, 1277
NJW-RR 2007, 1412