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BGH - Entscheidung vom 20.01.2005

V ZB 35/04

Normen:
VermG § 1 Abs. 1c, Abs. 3

Fundstellen:
NJ 2005, 182

BGH, Beschluß vom 20.01.2005 - Aktenzeichen V ZB 35/04

DRsp Nr. 2005/2693

Vorrang der Restitution nach dem VermG gegenüber der Grundbuchberichtigung

Es besteht kein den Zivilrechtsweg ausschließender Vorrang des VermG gegenüber Grundbuchberichtigungsansprüchen betreffend in Volkseigentum übergeführte Grundstücke im früheren Todesstreifen an der Berliner Mauer.

Normenkette:

VermG § 1 Abs. 1c, Abs. 3 ;

Gründe:

I. Die Rechtsvorgänger der Klägerin waren früher Eigentümer des im Ostteil von Berlin an der früheren Grenze zu Westberlin gelegenen Grundstücks Flur 15, Flurstück 14/1, eingetragen im Grundbuch von G.-G. Blatt 1 . Das Grundstück stand unter staatlicher Verwaltung. Mit einem vom Rat des Kreises Potsdam am 27. Juni 1962 beurkundeten Kaufvertrag veräußerte der Verwalter das Grundstück an den Rat des Kreises Potsdam als Eigentum des Volkes. Am 4. September 1962 wurde die entsprechende Eintragung in das Grundbuch, Rechtsträger Rat des Kreises Potsdam, vorgenommen. Später wurde das Grundstück für die Errichtung von Grenzanlagen - sogenannter Todesstreifen - in Anspruch genommen.

Die Klägerin hält den Kaufvertrag nebst Eigentumsübertragung für sittenwidrig und verlangt von der Beklagten Zustimmung zur Berichtigung des Grundbuchs und zu ihrer, der Klägerin, Eintragung als Eigentümerin. Parallel dazu verfolgt sie in einem Verwaltungsstreitverfahren die Rückübertragung des Grundstücks nach dem Vermögensgesetz.

Das Landgericht hat die Klage wegen Vorrangs des Vermögensgesetzes als unzulässig abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat im Vorabverfahren entschieden, daß der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten zulässig ist. Dagegen wendet sich die Beklagte mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt.

II. Das Beschwerdegericht ist der Auffassung, die Klägerin mache einen Mangel des Veräußerungsgeschäfts geltend, der nicht in einem engeren inneren Zusammenhang mit dem von dem Vermögensgesetz erfaßten staatlichen Unrecht stehe und daher die zivilrechtliche Verfolgung des Grundbuchberichtigungsanspruchs nicht hindere. Die Nichtigkeit des Veräußerungsgeschäfts werde nämlich nicht damit begründet, daß ein Verwalter gehandelt habe (§ 1 Abs. 1c VermG) oder daß unlautere Machenschaften im Sinne des § 1 Abs. 3 VermG zum Verlust des Eigentums geführt hätten, sondern damit, daß generell der Verkauf von Grundstücken, die der Errichtung der Mauer dienen sollten, sittenwidrig sei, und zwar auch nach den im Rahmen der zu DDR-Zeiten geltenden Maßstäben. Darin liege ein zusätzlicher Mangel, der vom Vermögensgesetz nicht erfaßt werde.

III. Diese Ausführungen halten den Angriffen der Rechtsbeschwerde im Ergebnis stand.

1. Nicht zu folgen ist der Rechtsbeschwerde, wenn sie meint, auch unabhängig von den Fragen zum Vorrang des Vermögensgesetzes oder auch des Mauergrundstücksgesetzes sei der Zivilrechtsweg schon deswegen nicht gegeben, weil der zwischen dem staatlichen Verwalter und dem Rat des Kreises geschlossene Kaufvertrag öffentlich-rechtlicher Natur sei, so daß nach § 40 VwGO der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten eröffnet sei. Sie übersieht dabei, daß die Klägerin einen Grundbuchberichtigungsanspruch nach § 894 BGB geltend macht, der nach § 13 GVG allein vor die Zivilgerichte gehört, mag auch der Grund für die fehlerhafte Eintragung öffentlich-rechtliche Wurzeln haben. Zum anderen ist der von dem staatlichen Verwalter geschlossene Vertrag unbeschadet des dahinter stehenden staatlichen Zwangs zivilrechtlicher Natur. Der staatliche Zwang, der hinter den Verwaltergeschäften oder anderen vom Vermögensgesetz erfaßten Rechtsgeschäften stand, macht diese Geschäfte nicht zu öffentlich-rechtlichen Verträgen. Der Senat hat sie stets als zivilrechtliche Vorgänge eingestuft und einen Streit darüber nur wegen der Sonderregelungen des Vermögensgesetzes dem Verwaltungsrechtsweg zugeordnet (vgl. BGHZ 118, 34 , 44; Urt. v. 24. Juni 1994, V ZR 233/92, DtZ 1994, 345 f.). Daß das Mauergrundstücksgesetz Streitigkeiten über die dort geregelten Ansprüche an sich als öffentlich-rechtliche Streitigkeiten einstuft und sie nur im Wege der Sonderzuweisung dem Zivilrechtsweg überantwortet, wie die Rechtsbeschwerde unter Hinweis auf Hellmann (in Fieberg/Reichenbach/Messerschmidt/Neuhaus, MauerG, § 7 Rdn. 1) darlegt, führt zu keiner anderen Beurteilung. Die Vorschriften dieses Gesetzes regeln gerade nicht Rückgabeansprüche wegen Unwirksamkeit des Grundstückskaufvertrages oder Grundbuchberichtigungsansprüche wegen Nichtigkeit des Erwerbsgeschäfts, sondern sie gewähren dem früher Berechtigten Ankaufsrechte. Sie sind damit inhaltlich mit dem hier zu beurteilenden Sachverhalt nicht vergleichbar und lassen keine Rückschlüsse auf den Charakter der Rechtsmaterie zu.

2. Die daher maßgebliche Frage, ob der geltend gemachte Grundbuchberichtigungsanspruch durch die Regelungen des Vermögensgesetzes verdrängt wird, so daß der Zivilrechtsweg versperrt ist (vgl. Senat, BGHZ 118, 34 , 44), hat das Beschwerdegericht zutreffend beantwortet.

Allerdings hat es die Klägerin nicht in der Hand, durch eine gezielte Auswahl von Klagegründen, die vor die ordentlichen Gerichte gehören, sich den Zugang zu den Zivilgerichten zu verschaffen (Senat, aaO.). Es kann daher nicht ausgeklammert werden, daß vorliegend das Grundstück durch einen staatlichen Verwalter veräußert wurde, so daß § 1 Abs. 1c VermG in Betracht zu ziehen ist, und daß nach dem Vorbringen der Klägerin im Verwaltungsstreitverfahren die Begleitumstände der Veräußerung möglicherweise den Tatbestand der unlauteren Machenschaften (§ 1 Abs. 3 VermG) erfüllen können. Doch auch unter Berücksichtigung dieses Sachverhalts besteht kein den Zivilrechtsweg ausschließender Vorrang des Vermögensgesetzes.

Im Hinblick auf den Restitutionstatbestand des § 1 Abs. 1c VermG folgt dies schon daraus, daß allein die Veräußerung durch den staatlichen Verwalter die Voraussetzungen dieser Norm nicht erfüllen. Hinzu kommen muß, daß ein eigenständiges Handeln des staatlichen Verwalters darauf gerichtet ist, das verwaltete Gut dem Eigentümer zu entziehen. Daran fehlt es hier, da die Veräußerung des Grundstücks lediglich einer sonst mit Gewißheit vorgenommenen Enteignung nach § 10 DDR-VerteidigungsG vom 20. September 1961 (GBl. DDR I, 175) zuvorgekommen ist (BVerwG VIZ 1997, 684 ).

Soweit von der Klägerin unlautere Begleitumstände angeführt werden (Veruntreuung einer ohnehin zu geringen Entschädigung), verneint das Berufungsgericht einen inneren Zusammenhang des von der Klägerin geltend gemachten Mangels mit dem möglicherweise vorliegenden Teilungsunrecht. Dies hält einer rechtlichen Prüfung stand. Die von der Klägerin aufgeworfene grundsätzliche Frage, ob Veräußerungen von Grundstücken zum Zwecke der Anlegung des "Todesstreifens" auch nach den Maßstäben des damaligen DDR-Rechts (§ 68 Abs. 1 Nr. 2 ZGB ) nichtig waren, steht in keiner Beziehung zu dem vorgetragenen Restitutionsgrund. Geltend gemacht wird gerade die generelle Unwirksamkeit solcher Verträge, unabhängig von dabei möglicherweise vorgekommenen unlauteren Machenschaften. Deutlich wird dies auch dadurch, daß Enteignungen nach § 10 DDR-VerteidigungsG wie Veräußerungen zur Abwehr solcher Enteignungen für sich genommen nicht unter einen Restitutionstatbestand des Vermögensgesetzes fallen (BVerwG VIZ 1997, 684 m.w.N.; ebenso ZOV 2002, 55).

Damit ist nach der ständigen Rechtsprechung des Senats der Weg zu den Zivilgerichten, jedenfalls unter dem Aspekt einer Konkurrenz der Regelungen des Vermögensgesetzes, frei (siehe grundlegend BGHZ 130, 231 ). Daran hat sich durch die Einfügung von Art. 237 § 1 Abs. 1 EGBGB entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde nichts geändert. Ein hiernach möglicherweise gewährter Bestandsschutz hat Auswirkungen nur auf das materielle Recht und läßt den Zugang zu den Zivilgerichten unberührt (Senat, Beschl. v. 21. Juni 2000, V ZB 32/99, NJW 2001, 683 , 684).

3. Der Auffassung der Rechtsbeschwerde, die zivilrechtliche Geltendmachung von Ansprüchen, die eine vollständige Rückgabe des Grundstücks zum Gegenstand haben, sei durch das Mauergrundstücksgesetz ausgeschlossen, ist nicht zu folgen. Dabei kann unterstellt werden, daß die Regelungen dieses Gesetzes, das den betroffenen früheren Grundstückseigentümern Rückerwerbsmöglichkeiten und, hilfsweise, Entschädigungsansprüche einräumt, zivilrechtliche Rückübertragungs- oder Grundbuchberichtigungsansprüche ausschließen, sofern diese Ansprüche allein darauf gestützt werden, daß die Enteignungen nach § 10 DDR-VerteidigungsG bzw. die Veräußerungen zur Abwendung von Enteignungen wegen ihres Zwecks verwerflich und daher möglicherweise unwirksam waren. Ein solcher Vorrang des Mauergrundstücksgesetzes hätte jedoch allein Bedeutung für das materielle Recht. Dem Gesetz fehlen nämlich - im Gegensatz zum Vermögensgesetz - Vorschriften, die die Prüfung einer Berechtigung nach diesem Gesetz einem Verwaltungsverfahren mit Widerspruchsmöglichkeit und verwaltungsgerichtlichem Klageverfahren zugewiesen haben. Im Gegenteil, für Streitigkeiten ist nach § 7 MauerG der ordentliche Rechtsweg gegeben. Es ist daher fernliegend anzunehmen, daß die Frage, ob und gegebenenfalls inwieweit die Regelungen des Mauergrundstücksgesetzes zivilrechtliche Restitutionsansprüche ausschließen, von den Verwaltungsgerichten zu entscheiden sein könnten. Die Entscheidung darüber unterliegt vielmehr dem Gericht, das über den geltend gemachten Anspruch auch sonst, die Vorrangproblematik ausgeklammert, zu entscheiden hat. Das ist das Zivilgericht.

Dagegen läßt sich auch nicht anführen, das Mauergrundstücksgesetz regele an sich öffentlich-rechtliche Sachverhalte (siehe oben), die Rechtswegzuweisung nach § 7 MauerG stelle eine abdrängende Sonderzuweisung dar (Hellmann in Fieberg/Reichenbach/Messerschmidt/Neuhaus, MauerG, § 7 Rdn. 1). Denn es geht nicht um eine Entscheidung über diese, möglicherweise genuin dem öffentlichen Recht zugehörigen Rechtsverhältnisse, sondern es geht um die Anwendbarkeit einer zivilrechtlichen Norm, die davon abhängt, wie das Verhältnis von Zivilrecht und Mauergrundstücksgesetz zu beurteilen ist. Diese Frage ist grundsätzlich von dem Gericht, und zwar in der Sache selbst, zu klären, das zur Entscheidung über den geltend gemachten Anspruch berufen ist (Senat, BGHZ 118, 34 , 44). Etwas anderes wäre nur dann anzunehmen, wenn der Gesetzgeber, wie beim Vermögensgesetz, zu erkennen gegeben hätte, daß schon das Verfahren dem an sich zuständigen Gericht entzogen werden sollte. Daran fehlt es.

IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO .

Vorinstanz: OLG Brandenburg, vom 04.08.2004
Fundstellen
NJ 2005, 182