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BGH - Entscheidung vom 16.04.2024

VI ZR 223/21

Normen:
DSGVO Art. 15 Abs. 1
DSGVO Art. 15 Abs. 3
DS-GVO Art. 15 Abs. 1
DS-GVO Art. 15 Abs. 3

Fundstellen:
BB 2024, 1153

BGH, Urteil vom 16.04.2024 - Aktenzeichen VI ZR 223/21

DRsp Nr. 2024/6833

Auskunftsansprüche gegen einen Versicherer

Zum Auskunftsanspruch aus Art. 15 Abs. 1 und 3 DSGVO (Anschluss an Senatsurteil vom 5. März 2024 - VI ZR 330/21).

Tenor

Auf die Rechtsmittel der Klägerin werden das Urteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 17. Juni 2021 im Kostenpunkt und insoweit teilweise aufgehoben und das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 4. November 2020 insoweit teilweise abgeändert, als zum Nachteil der Klägerin erkannt worden ist.

Die Beklagte wird zusätzlich verurteilt, der Klägerin Kopien der bei der Beklagten vorhandenen, von der Klägerin gegenüber der Beklagten verfassten Erklärungen zu überlassen (Auskunftsbegehren zu a).

Soweit die Klägerin Überlassung von Kopien der von der Beklagten gegenüber der Klägerin oder gegenüber Dritten abgegebenen Erklärungen (Versicherungsschein mit Nachträgen, Anschreiben, Kündigungsschreiben, Zahlungserinnerungen, Abrechnungsschreiben, Mitteilungen über den Vertragsstand; Auskunftsbegehren zu b) sowie von Buchungsdaten für jeden Zahlungseingang und Zahlungsausgang, die in Bezug auf den Versicherungsvertrag der Klägerin gespeichert sind (Auskunftsbegehren zu c), begehrt, und soweit sie auf die Auskunftsbegehren zu a, b und c bezogenen weitergehenden Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten verlangt, wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die gesamten Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

Die weitergehenden Rechtsmittel der Klägerin werden zurückgewiesen.

Normenkette:

DSGVO Art. 15 Abs. 1 ; DSGVO Art. 15 Abs. 3 ;

Tatbestand

Die Klägerin begehrt von dem beklagten Versicherer Auskünfte, Abschriften von Erklärungen und Kopien von Daten aus einem Versicherungsvertrag, um ein etwaiges Widerrufsrecht prüfen zu können.

Zwischen den Parteien bestand ein Vertrag über eine im Jahr 2004 abgeschlossene, fondsgebundene Rentenversicherung, die im Jahr 2016 gekündigt und im Jahr 2017 abgerechnet wurde. Im April 2019 verlangte die Klägerin von der Beklagten gemäß Art. 15 DSGVO Auskünfte über gespeicherte personenbezogene Daten sowie Unterlagen zum Versicherungsvertrag. Die Beklagte teilte der Klägerin von ihr gespeicherte personenbezogene Daten (Name, Anschrift, Geburtsdatum, E-Mail-Adresse, Bankverbindung, Staatsangehörigkeit, Familienstand, Gesundheitsdaten) sowie die Summe der gezahlten Beiträge mit und übermittelte eine Kopie des Versicherungsantrags. Die Klägerin hält dies für unzureichend und begehrt Auskunft über die Speicherung

a)

der von der Klägerin gegenüber der Beklagten abgegebenen Erklärungen (Kündigungsschreiben, Erklärungen und Anfragen zum Vertrag, Erklärungen zum Gesundheitszustand),

b)

der von der Beklagten gegenüber der Klägerin oder gegenüber Dritten abgegebenen Erklärungen (Versicherungsschein mit Nachträgen, Anschreiben, Kündigungsschreiben, Zahlungserinnerungen, Abrechnungsschreiben, Mitteilungen über den Vertragsstand),

c)

von Buchungsdaten für jeden Zahlungseingang und Zahlungsausgang, die in Bezug auf den Versicherungsvertrag der Klägerin gespeichert sind,

d)

der erzielten Fondsgewinne, der Höhe der aus der klägerischen Versicherungsprämie entnommenen Verwaltungs-, Vertriebs- und Abschlusskosten, des riskierten Kapitals, der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts und/oder des tatsächlichen Werts des Risikoschutzes,

sowie die Übermittlung der Erklärungen der Klägerin in Abschrift sowie der sonstigen Daten in Kopie.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, da kein Anspruch auf weitere als die bereits erteilten Auskünfte bestehe. Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht das Urteil des Landgerichts teilweise abgeändert und die Beklagte verurteilt, der Klägerin Auskunft über die Speicherung zu erteilen. Zudem hat es der Klägerin teilweise Ersatz ihrer vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten zugesprochen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht hinsichtlich des abgewiesenen Anspruchs auf Abschriften und Kopien zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren im Umfang der Berufungszurückweisung mit der Maßgabe fort, dass sie hinsichtlich des Auskunftsverlangens zu d (erzielte Fondsgewinne etc.) die Übermittlung der Kopien der näher bezeichneten Daten nunmehr unmittelbar, also nicht wie zuvor im Wege der Stufenklage, verlangt. Hilfsweise hat die Klägerin in der Revisionsinstanz beantragt, ihr jeweils Kopien der in den Dokumenten enthaltenen personenbezogenen Daten zu übermitteln.

a)

der von der Klägerin gegenüber der Beklagten abgegebenen Erklärungen (Kündigungsschreiben, Erklärungen und Anfragen zum Vertrag, Erklärungen zum Gesundheitszustand),

b)

der von der Beklagten gegenüber der Klägerin oder gegenüber Dritten abgegebenen Erklärungen (Versicherungsschein mit Nachträgen, Erklärungen zum Vertrag, Zahlungserinnerungen, Abrechnungsschreiben, Mitteilungen über den Vertragsstand),

c)

von Buchungsdaten für jeden Zahlungseingang und Zahlungsausgang, die in Bezug auf den Versicherungsvertrag der Klägerin gespeichert sind,

Der Senat hat das Verfahren mit Beschluss vom 31. Mai 2022 entsprechend § 148 ZPO bis zu einer Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union in den Verfahren C-487/21 bzw. C-307/20 ausgesetzt.

Entscheidungsgründe

I.

Nach Auffassung des Berufungsgerichts (BeckRS 2021, 54382) kann die Klägerin aus Art. 15 Abs. 1 DSGVO lediglich die zugesprochenen weiteren Auskünfte verlangen, nicht jedoch die begehrten Abschriften und Kopien und ebenso wenig Auskunft zu den unter d verlangten Punkten. Hinsichtlich dieses Auskunftsbegehrens handele es sich um keine Auskunft betreffend die Speicherung personenbezogener Daten der Klägerin, sondern vielmehr um interne Vorgänge bei der Beklagten, die keinerlei Bezug zur Klägerin aufwiesen und keine Rückschlüsse auf die Klägerin zuließen. Fondsgewinne, Kosten, Prämien und Kapital seien kein der Klägerin zugeordnetes Vermögen. Auch das riskierte Kapital, der Wert des Risikoschutzes und die Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts seien keine Informationen über eine natürliche Person, sondern interne Kalkulationsfaktoren der Beklagten.

Die Klägerin habe auch keinen Anspruch gegen die Beklagte, die jeweilige Erklärung in Abschrift (Auskunftsbegehren zu a) bzw. eine Kopie dieser Daten (Auskunftsbegehren zu b-d) übermittelt zu erhalten. Der Anspruch auf Erteilung einer Kopie aus Art. 15 Abs. 3 DSGVO gehe nicht weiter als die Auskunftsverpflichtung aus Art. 15 Abs. 1 DSGVO . Die betroffene Person habe daher einen Anspruch nur auf die Kopie der personenbezogenen Daten, nicht aber auf über die personenbezogenen Daten hinausgehende Informationen.

Die begehrten Ansprüche bestünden auch nicht aus § 3 VVG . Sei das Versicherungsverhältnis beendet und vollständig abgewickelt, komme ein Anspruch aus § 3 Abs. 3 Satz 1 VVG nicht mehr in Betracht.

II.

Diese Erwägungen halten revisionsrechtlicher Prüfung nicht in vollem Umfang stand. Die Revision der Klägerin ist begründet, soweit sie die Überlassung von Abschriften der bei der Beklagten gespeicherten, von der Klägerin selbst verfassten Erklärungen verlangt (unter 1.). Auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen zu Unrecht verneint hat das Berufungsgericht den Anspruch der Klägerin auch bezüglich der von der Beklagten abgegebenen Erklärungen sowie bezüglich der Buchungsvorgänge (unter 2.). Im Übrigen ist die Revision dagegen unbegründet (unter 3.).

1. Die Klägerin hat aus Art. 15 Abs. 1 und Abs. 3 DSGVO einen Anspruch auf Überlassung von Abschriften der bei der Beklagten gespeicherten, von ihr selbst verfassten Erklärungen (Auskunftsbegehren zu a).

a) Art. 15 DSGVO ist in zeitlicher Hinsicht anwendbar. Die Datenschutz-Grundverordnung bezieht sich auch auf Verarbeitungsvorgänge, die vor dem 25. Mai 2018 als dem Anwendungsdatum der Datenschutz-Grundverordnung (Art. 99 Abs. 2 DSGVO ) ausgeführt wurden, wenn das Auskunftsersuchen nach diesem Datum vorgebracht wurde (vgl. EuGH, Urteil vom 22. Juni 2023 - C-579/21, NJW 2023, 2555 Rn. 36). Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat die Klägerin mit Schreiben vom 3. April 2019 von der Beklagten Auskunft und Überlassung von Kopien verlangt.

b) Art. 15 Abs. 1 DSGVO gibt der betroffenen Person gegenüber dem datenschutzrechtlich Verantwortlichen (Art. 4 Nr. 7 DSGVO ) ein Recht auf Auskunft über die Verarbeitung personenbezogener Daten. Art. 15 Abs. 3 DSGVO legt die praktischen Modalitäten für die Erfüllung der dem datenschutzrechtlich Verantwortlichen obliegenden Verpflichtung fest, indem er unter anderem die Form bestimmt, in der die personenbezogenen Daten zur Verfügung zu stellen sind, nämlich in Form einer "Kopie" der Daten, gewährt aber kein anderes Recht als das in Art. 15 Abs. 1 DSGVO vorgesehene (Senatsurteil vom 5. März 2024 - VI ZR 330/21, juris Rn. 14; vgl. EuGH, Urteil vom 4. Mai 2023 - C-487/21, NJW 2023, 2253 Rn. 31 f.).

c) Gemäß Art. 4 Nr. 1 DSGVO sind personenbezogene Daten alle Informationen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person ("betroffene Person") beziehen. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist der Begriff weit zu verstehen. Er ist nicht auf sensible oder private Informationen beschränkt, sondern umfasst potenziell alle Arten von Informationen sowohl objektiver als auch subjektiver Natur, unter der Voraussetzung, dass es sich um Informationen über die in Rede stehende Person handelt. Die letztgenannte Voraussetzung ist erfüllt, wenn die Information aufgrund ihres Inhalts, ihres Zwecks oder ihrer Auswirkungen mit einer bestimmten Person verknüpft ist (vgl. EuGH, Urteil vom 4. Mai 2023 - C-487/21, NJW 2023, 2253 Rn. 23 f.; Senatsurteil vom 15. Juni 2021 - VI ZR 576/19, NJW 2021, 2726 Rn. 22 mwN).

Nach diesen Grundsätzen sind Schreiben der betroffenen Person an den Verantwortlichen ihrem gesamten Inhalt nach als personenbezogene Daten einzustufen, da die personenbezogene Information bereits darin besteht, dass die betroffene Person sich dem Schreiben gemäß geäußert hat, umgekehrt aber Schreiben des Verantwortlichen an die betroffene Person nur insoweit, als sie Informationen über die betroffene Person nach den oben genannten Kriterien enthalten (vgl. Senatsurteile vom 5. März 2024 - VI ZR 330/21, juris Rn. 16; vom 6. Februar 2024 - VI ZR 15/23, WM 2024, 555 Rn. 8; vom 15. Juni 2021 - VI ZR 576/19, NJW 2021, 2726 Rn. 25; BGH, Urteil vom 27. September 2023 - IV ZR 177/22, NJW 2023, 3490 Rn. 48). Dass diese Schreiben der betroffenen Person bereits bekannt sind, schließt den datenschutzrechtlichen Auskunftsanspruch nicht aus (vgl. Senatsurteil vom 15. Juni 2021 - VI ZR 576/19, NJW 2021, 2726 Rn. 25 mwN).

d) Danach handelt es sich bei den von der Klägerin verfassten Erklärungen, die der Beklagten vorliegen (Auskunftsbegehren zu a), ihrem gesamten Inhalt nach um personenbezogene Daten, weshalb die Klägerin im Ergebnis nach Art. 15 Abs. 3 DSGVO eine Kopie dieser Erklärungen fordern kann, auch wenn sich der Begriff der Kopie in dieser Vorschrift nicht auf ein Dokument als solches bezieht, sondern auf die personenbezogenen Daten, die es enthält (vgl. EuGH, Urteile vom 26. Oktober 2023 - C-307/22, NJW 2023, 3481 Rn. 72; vom 4. Mai 2023 - C-487/21, NJW 2023, 2253 Rn. 32). Denn die Kopie muss alle personenbezogenen Daten enthalten, die Gegenstand der Verarbeitung sind (vgl. EuGH, Urteile vom 26. Oktober 2023 - C-307/22, NJW 2023, 3481 Rn. 73; vom 4. Mai 2023 - C-487/21, NJW 2023, 2253 Rn. 32, 39 ). Der Vollständigkeit der Auskunft kann hier nur durch eine Kopie des gesamten Dokuments genügt werden (Senatsurteil vom 5. März 2024 - VI ZR 330/21, juris Rn. 17).

2. Einen zumindest vorläufigen Erfolg hat die Revision auch, soweit die Klägerin Kopien der Erklärungen der Beklagten (Auskunftsbegehren zu b) sowie der sie betreffenden Buchungsvorgänge (Auskunftsbegehren zu c) begehrt.

a) Auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen lässt sich der entsprechende Anspruch aus Art. 15 Abs. 1 und Abs. 3 DSGVO nicht verneinen.

aa) Die von der Klägerin mit der Revision noch verfolgten Anträge, die als Prozesserklärungen vom Revisionsgericht selbst auszulegen sind (vgl. Senatsurteil vom 29. Juni 2021 - VI ZR 52/18, NJW 2021, 3130 Rn. 16 mwN), sind darauf gerichtet, der Klägerin Kopien sämtlicher Erklärungen der Beklagten (Auskunftsbegehren zu b) sowie sämtlicher Buchungsvorgänge, die den Vertrag der Klägerin betreffen (Auskunftsbegehren zu c) zu überlassen, die der Beklagten vorliegen und in denen Informationen über die Klägerin enthalten sind. Nach der Klagebegründung, die zur Ermittlung des Klagebegehrens heranzuziehen ist (vgl. Senatsurteil vom 15. Juni 2021 - VI ZR 576/19, NJW 2021, 2726 Rn. 32 mwN), begehrt die Klägerin die Herausgabe einer Kopie der Dokumente, die sie betreffende personenbezogene Daten enthalten. Die Klägerin fordert damit entgegen dem Wortlaut ihres Klageantrags ("Kopie der Daten") nicht nur die Überlassung von Kopien der personenbezogenen Daten, die in den genannten Dokumentenkategorien enthalten sind, sondern Kopien dieser Dokumente. Die Revisionsbegründung stützt dieses Verständnis, indem sie ausführt, der Auskunftsanspruch beziehe sich auf den Inhalt der Dokumente und Dateien, in denen personenbezogene Daten der Klägerin gespeichert seien. Der Klägerin seien daher - wie hinsichtlich der von ihr selbst verfassten Erklärungen - Kopien der fraglichen Unterlagen zu gewähren, wobei sonstige Bestandteile im Rahmen der Kopie unkenntlich gemacht werden dürften. Bei einem engeren, auf die Übermittlung einer Kopie der personenbezogenen Daten beschränkten Verständnis machten im Übrigen auch die im Revisionsverfahren gestellten Hilfsanträge, die diese Einschränkung nunmehr vornehmen, keinen Sinn.

bb) Weder bei den von der Beklagten an die Klägerin oder gar Dritte gerichteten Erklärungen noch bei den gesamten Buchungsvorgängen handelt es sich zwangsläufig in ihrer Gesamtheit um personenbezogene Daten der Klägerin, auch wenn sie jeweils Informationen über die Klägerin enthalten mögen. Zwar ist bei Schreiben der Beklagten an die Klägerin und einzelnen Buchungsvorgängen denkbar, dass diese ausschließlich Informationen über die Klägerin enthalten. Es kann jedoch nicht davon ausgegangen werden, dass dies in allen Fällen so ist. Deshalb ergibt sich aus dem Erfordernis, eine vollständige Auskunft über personenbezogene Daten zu erteilen, grundsätzlich kein Anspruch der Klägerin darauf, dass - wie von ihr gefordert - alle diese Unterlagen im Gesamten, wenn auch ggf. teilgeschwärzt, als Kopie zu überlassen sind (vgl. Senatsurteile vom 5. März 2024 - VI ZR 330/21, juris Rn. 18; vom 6. Februar 2024 - VI ZR 15/23, WM 2024, 555 Rn. 9 f.).

cc) Allerdings kann sich die Reproduktion von Auszügen aus Dokumenten oder gar von ganzen Dokumenten oder auch von Auszügen aus Datenbanken unabhängig vom Erfordernis, eine vollständige Auskunft zu erteilen, dann als unerlässlich erweisen, wenn die Kontextualisierung der verarbeiteten Daten erforderlich ist, um ihre Verständlichkeit zu gewährleisten und der betroffenen Person die wirksame Ausübung ihrer Rechte zu gewährleisten (vgl. EuGH, Urteile vom 4. Mai 2023 - C-487/21, NJW 2023, 2253 Rn. 41, 45 ; vom 22. Juni 2023 - C-579/21, NJW 2023, 2555 Rn. 66; vom 26. Oktober 2023 - C-307/22, NJW 2023, 3481 Rn. 74 f.; Senatsurteile vom 5. März 2024 - VI ZR 330/21, juris Rn. 18; vom 6. Februar 2024 - VI ZR 15/23, WM 2024, 555 Rn. 10; BGH, Urteil vom 27. September 2023 - IV ZR 177/22, NJW 2023, 3490 Rn. 54 f.). Zwar hat die Klägerin hierzu in den Vorinstanzen nichts vorgetragen. Da es sich bei dem Kriterium der erforderlichen Kontextualisierung aber um einen neuen rechtlichen Gesichtspunkt handelt, der erst durch die während des Revisionsverfahrens ergangene Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union Relevanz erlangt hat, ist der Klägerin aus Gründen der prozessualen Fairness wie von ihr beantragt Gelegenheit zu geben, hierzu ergänzend Stellung zu nehmen und weiter vorzutragen (vgl. BGH, Urteile vom 12. Januar 2017 - I ZR 253/14, MMR 2017, 394 Rn. 108; vom 5. Februar 2015 - I ZR 240/12, K&R 2015, 326 Rn. 55).

b) Dagegen ergibt sich der begehrte Anspruch auf Ausfolgung von Kopien nicht aus § 3 VVG .

aa) Zwar kann nach § 3 Abs. 3 VVG der Versicherungsnehmer vom Versicherer die Ausstellung eines neuen Versicherungsscheins verlangen, wenn ein Versicherungsschein abhandengekommen oder vernichtet ist. Die sonstigen streitgegenständlichen Unterlagen werden davon ohnehin nicht erfasst. Aber auch soweit die Klägerin beantragt hat, ihr den Versicherungsschein und Nachträge hierzu zur Verfügung zu stellen, kann dies hier nicht auf § 3 Abs. 3 VVG gestützt werden. Der Versicherungsschein hat eine Informations-, Legitimierungs- und Beweisfunktion. Damit sich der Versicherungsnehmer über die Rechte und Pflichten aus dem Vertrag informieren und diese nachweisen kann, gibt ihm § 3 Abs. 3 VVG einen Anspruch auf Ersatzausstellung des Versicherungsscheins. Dieser erfasst daher nur den Versicherungsschein einschließlich solcher Nachträge, die den derzeit geltenden Vertragsinhalt wiedergeben, nicht dagegen bereits überholte Nachträge (BGH, Urteile vom 27. September 2023 - IV ZR 177/22, NJW 2023, 3490 Rn. 42; vom 21. Februar 2024 - IV ZR 311/22, r+s 2024, 314 Rn. 16). Im Streitfall wurde die Versicherung jedoch bereits im Jahr 2016 gekündigt und im Jahr 2017 abgerechnet.

Anders als die Revision meint, besteht der Anspruch aus § 3 Abs. 3 VVG nicht auch nach Beendigung des Vertragsverhältnisses fort, soweit dessen ordnungsgemäße Abwicklung überprüft werden soll. Insoweit ergibt sich nach dem Willen des Gesetzgebers ein Informationsrecht lediglich zum Inhalt der Vertragsbestimmungen gemäß § 7 Abs. 4 VVG (vgl. BT-Drucks. 16/3945, S. 61), die jedoch nicht Gegenstand der vorliegenden Auskunftsbegehren zu b und c sind (vgl. zum Begriff der Vertragsbestimmungen in § 7 Abs. 4 VVG : BGH, Urteil vom 21. Februar 2024 - IV ZR 311/22, r+s 2024, 314 Rn. 18 mwN).

bb) § 3 Abs. 4 Satz 1 VVG bezieht sich nur auf eigene Erklärungen des Versicherungsnehmers, nicht solche des Versicherers, und scheidet deshalb insoweit ebenfalls als Anspruchsgrundlage aus (BGH, Urteil vom 27. September 2023 - IV ZR 177/22, NJW 2023, 3490 Rn. 43 mwN).

c) Auch auf § 810 BGB können die Auskunftsbegehren zu b und c nicht gestützt werden, da diese Vorschrift lediglich die Gestattung der Einsichtnahme in eine in fremdem Besitz befindliche Urkunde ermöglicht (BGH, Urteil vom 27. September 2023 - IV ZR 177/22, NJW 2023, 3490 Rn. 44 mwN).

d) Schließlich kann die Klägerin die Auskunftsbegehren zu b und c nicht auf Treu und Glauben nach § 242 BGB stützen.

aa) Allerdings trifft den Schuldner nach § 242 BGB im Rahmen einer Rechtsbeziehung ausnahmsweise eine Auskunftspflicht, wenn der Berechtigte in entschuldbarer Weise über Bestehen und Umfang seines Rechts im Ungewissen ist und der Verpflichtete die zur Beseitigung der Ungewissheit erforderliche Auskunft unschwer geben kann. Die Zubilligung des Auskunftsanspruchs hat unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände des Einzelfalls und unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zu erfolgen. Innerhalb vertraglicher Beziehungen kann der Auskunftsanspruch auch die Funktion haben, dem Berechtigten Informationen über das Bestehen des Anspruchs dem Grunde nach zu verschaffen. Es müssen dann ausreichende Anhaltspunkte für das Bestehen eines Hauptanspruchs gegeben sein, der mit Hilfe der Auskunft geltend gemacht werden soll (Senatsurteil vom 6. Februar 2024 - VI ZR 15/23, WM 2024, 555 Rn. 17; BGH, Urteil vom 27. September 2023 - IV ZR 177/22, NJW 2023, 3490 Rn. 30 ff. mwN).

Der Berechtigte hat hierfür zunächst darzulegen, nicht mehr über die im Auskunftsantrag bezeichneten Unterlagen zu verfügen. Nur dann kann festgestellt werden, dass er über Bestehen und Umfang seines Rechts im Ungewissen ist und sich die notwendigen Informationen nicht selbst auf zumutbare Weise beschaffen kann. Treu und Glauben erfordern es nicht, dem Auskunftssuchenden Mühe auf Kosten des Auskunftsverpflichteten zu ersparen (BGH, Urteil vom 27. September 2023 - IV ZR 177/22, NJW 2023, 3490 Rn. 38 mwN). Schließlich bedarf es der Darlegung zu den Gründen des Verlusts. Der Versicherungsnehmer ist nicht schon dann entschuldbar über seine Rechte im Ungewissen, wenn er die fraglichen Unterlagen nicht mehr besitzt und zu den Gründen des Verlusts nicht weiter vorträgt. Erst die Darlegung der Gründe des Verlusts durch den Versicherungsnehmer ermöglicht die Beurteilung, ob dem Versicherungsnehmer unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände des Einzelfalles und unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ausnahmsweise ein Auskunftsanspruch nach § 242 BGB zusteht (Senatsurteil vom 6. Februar 2024 - VI ZR 15/23, WM 2024, 555 Rn. 19; vgl. BGH, Urteil vom 27. September 2023 - IV ZR 177/22, NJW 2023, 3490 Rn. 40 mwN).

bb) Nach diesen - im Unterschied zur Frage der erforderlichen Kontextualisierung im Rahmen des Anspruchs aus § 15 Abs. 1 und Abs. 3 DSGVO (oben II.2.a.cc) nicht neuen - Grundsätzen sind die Voraussetzungen eines Anspruchs aus § 242 BGB schon nicht hinreichend dargetan. Weder aus den Feststellungen des Berufungsgerichts noch aus dem Sitzungsprotokoll der Berufungsverhandlung ist ersichtlich, dass die Klägerin entsprechenden Vortrag gehalten hätte. Die Revision zeigt auch nicht auf, dass das Berufungsgericht insoweit Instanzvortrag der Klägerin übergangen hätte.

3. Demgegenüber bleibt die Revision in Haupt- und Hilfsantrag ohne Erfolg, soweit die Klägerin weitere Informationen (Auskunftsbegehren zu d: erzielte Fondsgewinne, Höhe der aus der klägerischen Versicherungsprämie entnommenen Verwaltungs-, Vertriebs- und Abschlusskosten, riskiertes Kapital, Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts und/oder des tatsächlichen Werts des Risikoschutzes) begehrt.

a) Für einen Anspruch aus Art. 15 Abs. 1 und Abs. 3 DSGVO fehlt es, wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, schon an dem notwendigen Personenbezug der begehrten Informationen. Anders als die Revision meint, sind diese Informationen auch nicht der Gesamtheit der Versicherten datenschutzrechtlich zugeordnet, so dass die entsprechenden Daten im Umfang des Fondsvermögens auf die Klägerin persönlich bezogen wären.

b) Weitere Anspruchsgrundlagen kommen, wie bereits ausgeführt (oben II.2.b, c und d), auch hinsichtlich des Auskunftsbegehrens zu d nicht in Betracht.

III.

Die Sache ist daher im Umfang der Aufhebung gemäß § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit dieses der Klägerin Gelegenheit zum ergänzenden Vortrag zum Gesichtspunkt der Kontextualisierung im Rahmen des Anspruchs aus Art. 15 Abs. 1 und Abs. 3 DSGVO geben kann.

Von Rechts wegen

Verkündet am: 16. April 2024

Vorinstanz: LG Stuttgart, vom 04.11.2020 - Vorinstanzaktenzeichen 18 O 333/19
Vorinstanz: OLG Stuttgart, vom 17.06.2021 - Vorinstanzaktenzeichen 7 U 419/20
Fundstellen
BB 2024, 1153