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BVerwG - Entscheidung vom 02.07.2021

7 B 15.20

Normen:
VwGO § 108 Abs. 1 S. 1

BVerwG, Beschluss vom 02.07.2021 - Aktenzeichen 7 B 15.20

DRsp Nr. 2021/13458

Heranziehung zu den Kosten einer Ersatzvornahme zur Beseitigung von Abfällen i.R.d. Beweiswürdigung einer Zeugenaussage

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt vom 30. Juli 2020 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 26 775 € festgesetzt.

Normenkette:

VwGO § 108 Abs. 1 S. 1;

Gründe

Der Kläger wendet sich gegen die Heranziehung zu den Kosten einer Ersatzvornahme zur Beseitigung von Abfällen. Das Oberverwaltungsgericht hat seine Berufung gegen das klageabweisende Urteil des Verwaltungsgerichts zurückgewiesen. Die auf die Zulassungsgründe nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO gestützte Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision hat keinen Erfolg.

1. Der von dem Kläger geltend gemachte Verfahrensmangel liegt nicht vor. Entgegen dem Beschwerdevorbringen hat das Oberverwaltungsgericht nicht dadurch gegen den Grundsatz der freien Beweiswürdigung gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO verstoßen, dass es die Aussage des bei der Ersatzvornahme für das damit beauftragte Unternehmen tätig gewordenen Zeugen K. als offensichtlich irrig bewertet hat, soweit dieser angegeben hat, er sei sich sicher, Aufräumarbeiten auch an einer Stelle ausgeführt zu haben, die sich auf den - in der zu vollstreckenden Ordnungsverfügung nicht bezeichneten - Flurstücken ... und ... befindet.

Gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Die Einhaltung der daraus entstehenden verfahrensmäßigen Verpflichtungen ist nicht schon dann in Frage gestellt, wenn ein Beteiligter eine aus seiner Sicht fehlerhafte Verwertung des vorliegenden Tatsachenmaterials rügt, aus dem er andere Schlüsse ziehen will als das angefochtene Urteil. Denn damit wird ein (vermeintlicher) Fehler in der Sachverhalts- und Beweiswürdigung angesprochen. Solche Fehler sind revisionsrechtlich regelmäßig nicht dem Verfahrensrecht, sondern dem sachlichen Recht zuzuordnen und können einen Verfahrensmangel im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO deshalb grundsätzlich nicht begründen. Eine Ausnahme hiervon kommt allerdings bei einer aktenwidrigen, gegen die Denkgesetze verstoßenden oder sonst von objektiver Willkür geprägten Sachverhaltswürdigung in Betracht (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 12. Februar 2008 - 9 B 70.07 - juris Rn. 2 und vom 22. Februar 2016 - 7 B 36.15 - juris Rn. 21).

Eine von dem Kläger gerügte willkürliche Würdigung der Zeugenaussage durch das Oberverwaltungsgericht liegt nicht vor. Es hat ausführlich begründet, weshalb es zu der Überzeugung gelangt ist, dass die Aufräumarbeiten, deren Kosten dem Kläger mit dem streitgegenständlichen Bescheid auferlegt werden, ausschließlich auf Flächen stattgefunden haben, die in der zu vollstreckenden Ordnungsverfügung bezeichnet sind. Es hat verwiesen auf Erläuterungen der Vertreterin der Beklagten in der mündlichen Verhandlung zur allgemeinen Verwaltungspraxis beim Erlass von Ordnungsverfügungen zur Abfallbeseitigung, auf Zeugenaussagen zweier mit dem Fall des Klägers befasst gewesener Mitarbeiterinnen der Beklagten, auf von einer von ihnen nach Ortsterminen vor Erlass der Ordnungsverfügung angefertigte Lagemarkierungen sowie auf Luftbilder des klägerischen Grundstücks. Gestützt hierauf hat das Oberverwaltungsgericht die Einschätzung gewonnen, dass auf dem Grundstück nur drei Materialanhäufungen vorhanden gewesen seien, die Ordnungsverfügung deshalb auf die davon betroffenen Flurstücke beschränkt worden sei und bis zur Durchführung der Ersatzvornahme keine weiteren Ablagerungen auf anderen Flurstücken hinzugekommen seien. Dass der Zeuge K. einem Irrtum unterlegen sei, wenn er gleichwohl als Ort der Aufräumarbeiten auch ein anderes, in der Ordnungsverfügung nicht bezeichnetes Grundstück angegeben habe, begründet das Oberverwaltungsgericht wiederum unter Hinweis auf Luftbilder, die vor Erlass der Ordnungsverfügung erstellten Lagemarkierungen sowie die Aussage einer der beiden Zeuginnen. Ferner verweist es darauf, die fraglichen Flurstücke seien aufgrund ihrer räumlichen Lage leicht zu verwechseln. Von einer willkürlichen Sachverhalts- und Beweiswürdigung kann danach keine Rede sein. Mit dem Vorbringen, es seien "keinerlei Anhaltspunkte für einen Irrtum vorhanden", übergeht die Beschwerde die von dem Oberverwaltungsgericht seiner Überzeugungsbildung zugrunde gelegten Tatsachen vollständig oder will daraus jedenfalls andere Schlüsse ziehen als das Gericht. Einen Verstoß gegen § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO zeigt sie damit nicht auf.

2. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr der Kläger beimisst.

Die von ihm aufgeworfene Frage,

"ob der Kostenbescheid der Beklagten, der nur eine Gesamtberäumung pauschal ausweist und keine Massen, Mengen und damit Kosten bezogen auf Teilflächen darstellt, in Gänze aufzuheben ist oder das Gericht entsprechend § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 287 Abs. 2 ZPO im Rahmen des Kostenersatz[es] aufgrund einer Ersatzvornahme eine Schätzung vornehmen kann",

hat sich dem Oberverwaltungsgericht nicht entscheidungserheblich gestellt. Der Frage liegt in tatsächlicher Hinsicht als Prämisse zugrunde, dass die Aufräumarbeiten teilweise auf Flächen stattgefunden haben, die in der zu vollstreckenden Ordnungsverfügung nicht bezeichnet sind. Diese Prämisse trifft nach den von der Beschwerde nicht mit durchgreifenden Verfahrensrügen angegriffenen tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts nicht zu (vgl. vorstehend zu 1.).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO . Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 , § 52 Abs. 3 GKG .

Vorinstanz: OVG Sachsen-Anhalt, vom 30.07.2020 - Vorinstanzaktenzeichen 2 L 108/17