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BVerwG - Entscheidung vom 14.12.2021

1 W-KSt 2.21

Normen:
WBO § 20 Abs. 4

BVerwG, Beschluss vom 14.12.2021 - Aktenzeichen 1 W-KSt 2.21

DRsp Nr. 2022/2508

Festsetzung der Höhe einer Terminsgebühr sowie von Fahrtkosten und von Abwesenheitsgeld

1. Dieselbe Angelegenheit im Sinne von § 60 Abs. 1 Satz 1 RVG stellt eine bestimmte Angelegenheit im Sinne des Vergütungsrechts dar, die nach Maßgabe der §§ 15 ff. RVG gesondert und einheitlich zu vergüten ist. Unter einer "Angelegenheit" im gebührenrechtlichen Sinn ist das gesamte Geschäft zu verstehen, das der Rechtsanwalt für den Auftraggeber besorgen soll.2. Die mündliche Verhandlung im Sinne des § 18 Abs. 2 Satz 3 WBO ist im Wehrbeschwerderecht ein integraler Bestandteil des gerichtlichen Antragsverfahrens. Die Vertretung in der mündlichen Verhandlung ist darum nur ein Teil des anwaltlichen Tätigwerdens in der grundsätzlich das gesamte Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht umfassenden - selben - Angelegenheit.3. Die Auftragserteilung im Sinne des § 60 Abs. 1 Satz 1 RVG ist nicht so lange als bedingt zu betrachten, bis der Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung und dessen Wahrnehmung durch den Verteidiger feststeht. Denn nach § 60 Abs. 1 Satz 1 RVG kommt es auf die Auftragserteilung für die gesamte Angelegenheit, nicht auf noch ausstehende Abmachungen oder Weisungen in Bezug auf Teilaufgaben an.

Tenor

Die Erinnerung des Antragstellers gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 29. Juli 2021 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 23. August 2021 wird zurückgewiesen.

Normenkette:

WBO § 20 Abs. 4 ;

Gründe

I

Der Antragsteller wendet sich mit der Kostenerinnerung gegen die Festsetzung der Höhe der Terminsgebühr, der Fahrtkosten und des Abwesenheitsgeldes.

Mit Beschluss vom 6. Mai 2021 - 1 WB 27.20 - hat der Senat die dem Antragsteller im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht einschließlich der im vorgerichtlichen Verfahren erwachsenen notwendigen Aufwendungen dem Bund auferlegt. Mit Schriftsatz vom 11. Mai 2021 hat der Bevollmächtigte des Antragstellers die Festsetzung der Kosten auf 1 660,01 € beantragt. Nach Einwendungen des Bundeswehrdisziplinaranwaltes gegen die Berechnung der Terminsgebühr, der Fahrtkosten und des Abwesenheitsgeldes setzte der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle die vom Bund zu erstattenden notwendigen Aufwendungen mit Beschluss vom 29. Juli 2021, wegen eines Schreibfehlers geändert durch Beschluss vom 23. August 2021, auf 1 529,57 € fest. Die Absetzungen hinsichtlich des Kostenfestsetzungsantrages seien aufgrund der Übergangsbestimmung des § 60 Abs. 1 und 2 RVG veranlasst. Hiergegen richtet sich die Kostenerinnerung des Bevollmächtigten des Antragstellers vom 23. August 2021.

II

Die zulässige Erinnerung (§ 21 Abs. 2 Satz 1 und § 20 Abs. 4 WBO i.V.m. § 142 Satz 2 WDO ), über die der Senat in der Besetzung mit drei Berufsrichtern entscheidet (vgl. BVerwG, Beschluss vom 2. Mai 2019 - 1 WDS-KSt 1.19 - Buchholz 450.1 § 20 WBO Nr. 6 Rn. 7 m.w.N.), ist unbegründet. Die Terminsgebühr nach Nr. 6403 VV, die Fahrtkosten gemäß Nr. 7003 VV und das Tage- und Abwesenheitsgeld nach Nr. 7005 VV waren auf der Grundlage der vor dem 1. Januar 2021 geltenden Rechtslage zu berechnen. Dies ergibt sich zwar nicht aus § 60 Abs. 2 RVG , da hier keine Gebühren nach dem zusammengerechten Wert verschiedener Gegenstände zu bemessen waren. Jedoch legt die Berechnung des Festsetzungsbeschlusses nach Maßgabe von § 60 Abs. 1 RVG zutreffend auch für die genannten Rechnungsposten die alte Rechtslage zugrunde.

Nach § 60 Abs. 1 Satz 1 RVG ist für die Vergütung das bisherige Recht anzuwenden, wenn der unbedingte Auftrag zur Erledigung derselben Angelegenheit vor dem Inkrafttreten einer Gesetzesänderung erteilt worden ist. Hier steht die mit Wirkung vom 1. Januar 2021 in Kraft getretene Änderung der Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 Satz 1 RVG in Rede, soweit sie die Nummern 6403, 7003 und 7005 VV betraf (Art. 7 Abs. 2 Nr. 137, Nr. 139 und Nr. 140 des Gesetzes zur Änderung der Justizkosten- und des Rechtsanwaltsvergütungsrechts und zur Abmilderung der Folgen der Covid-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht vom 21. Dezember 2020, BGBl. I 3229, 3253 ).

Dieselbe Angelegenheit im Sinne von § 60 Abs. 1 Satz 1 RVG stellt eine bestimmte Angelegenheit im Sinne des Vergütungsrechts dar, die nach Maßgabe der §§ 15 ff. RVG gesondert und einheitlich zu vergüten ist (vgl. Toussaint, Kostenrecht, 51. Aufl. 2021, § 60 RVG Rn. 9). Unter einer "Angelegenheit" im gebührenrechtlichen Sinn ist das gesamte Geschäft zu verstehen, das der Rechtsanwalt für den Auftraggeber besorgen soll. Ihr Inhalt bestimmt den Rahmen, innerhalb dessen der Rechtsanwalt tätig wird. Um dieselbe Angelegenheit annehmen zu können, müssen drei Voraussetzungen kumulativ erfüllt sein. Insbesondere muss - neben einem einheitlichen Auftrag und einem gleichen Tätigkeitsrahmen - zwischen den einzelnen Gegenständen ein innerer objektiver Zusammenhang bestehen, das heißt, es muss sich um einen einheitlichen Lebensvorgang handeln (BGH, Urteil vom 7. Mai 2015 - III ZR 304/14 - NJW 2015, 3782 - 3785 Rn. 37).

Hiernach stellt die Wahrnehmung des Termins zur mündlichen Verhandlung keine von der Übernahme der Prozessvertretung durch Stellung des Antrages auf gerichtliche Entscheidung und schriftsätzlichen Vortrag gesonderte Angelegenheit dar. Vielmehr betrifft auch sie denselben Lebenssachverhalt - hier den Rechtsstreit um die planmäßige Beurteilung des Antragstellers zum Stichtag 30. September 2019. Mit der Erteilung des Mandates zur Wahrnehmung der Rechte des Antragstellers im Zusammenhang mit diesem Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht wurde dem Bevollmächtigten ein einheitlicher Auftrag erteilt, für den die Prozessvollmacht vom 30. Januar 2020 vorgelegt wurde. Für die Erledigung dieses Auftrages bestand ein einheitlicher Tätigkeitsrahmen, der durch die Regelungen der Wehrbeschwerdeordnung für diese Instanz und das im schriftsätzlich formulierten Antrag zum Ausdruck gebrachte Rechtsschutzziel bestimmt war. Zu diesem Tätigkeitsrahmen gehörte grundsätzlich auch die Wahrnehmung einer mündlichen Verhandlung. Denn die mündliche Verhandlung im Sinne des § 18 Abs. 2 Satz 3 WBO ist im Wehrbeschwerderecht ein integraler Bestandteil des gerichtlichen Antragsverfahrens. Die Vertretung in der mündlichen Verhandlung ist darum nur ein Teil des anwaltlichen Tätigwerdens in der grundsätzlich das gesamte Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht umfassenden Angelegenheit.

Soweit der Bevollmächtigte des Antragstellers einwendet, eine unbedingte Auftragserteilung im Sinne des § 60 Abs. 1 Satz 1 RVG habe im Jahr 2020 noch nicht vorgelegen, überzeugt dies nicht. Zwar fällt der unbedingte Auftrag für eine vergütungsrechtliche Angelegenheit nicht immer mit der Mandats- oder Vollmachtserteilung zusammen. Namentlich wenn ein Mandant oder eine Vollmacht mehrere, zeitlich aufeinander folgende Angelegenheiten (vgl. die Beispiele in § 17 RVG ) umfasst oder vom Eintritt weiterer Umstände (z.B. einer Rechtsschutz-Deckungszusage) abhängt, ist dies nicht der Fall (vgl. Toussaint, Kostenrecht, 51. Aufl. 2021, § 60 RVG Rn. 9). Solche Besonderheiten liegen hier jedoch nicht vor. Insbesondere ist die Auftragserteilung im Sinne des § 60 Abs. 1 Satz 1 RVG nicht so lange bedingt, bis der Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung und dessen Wahrnehmung durch den Verteidiger feststeht. Denn nach § 60 Abs. 1 Satz 1 RVG kommt es auf die Auftragserteilung für die gesamte Angelegenheit, nicht auf noch ausstehende Abmachungen oder Weisungen in Bezug auf Teilaufgaben an.

So liegt der Fall hier. Dass der Auftrag für die Wahrnehmung der Rechte des Antragstellers im gerichtlichen Antragsverfahren um dessen planmäßige Beurteilung unbedingt erteilt worden ist, hat der Bevollmächtigte des Antragstellers nicht in Abrede gestellt. Wie ausgeführt kommt es nicht darauf an, dass die Wahrnehmung des Termins zur mündlichen Verhandlung davon abhängt, dass überhaupt eine mündliche Verhandlung stattfindet und dass der Bevollmächtigte an der Teilnahme nicht gehindert ist. Zwar bestimmen auch Art und Umfang des anwaltlichen Auftrages die gebührenrechtliche Angelegenheit. Soll das Mandat allerdings durch eine Bedingung auf die Wahrnehmung nur einzelner Teile der gesamten anwaltlichen Tätigkeit innerhalb einer Instanz begrenzt sein, darf diese Bedingung nicht allein in der allgemeinen Unwägbarkeit zukünftiger Entwicklungen oder der Erfüllung von notwendigen Voraussetzungen der Prozessordnung bestehen. Denn unter diesen Bedingungen steht grundsätzlich jeder anwaltliche Auftrag. Würde jede einzelne anwaltliche Tätigkeit, die eine Gebühr auslösen kann, durch eine derartige Bedingung zur gesonderten gebührenrechtlichen Angelegenheit, würde dies den Grundsatz der Verfahrenspauschgebühr unterlaufen.