Kontakt : 0221 / 93 70 18 - 0
Wir durchsuchen unsere Datenbank

BVerwG - Entscheidung vom 29.12.2021

8 B 23.21

Normen:
VwGO § 132 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 3
VermG § 3 Abs. 4 S. 3

BVerwG, Beschluss vom 29.12.2021 - Aktenzeichen 8 B 23.21

DRsp Nr. 2022/3536

Erlösauskehranspruch nach § 3 Abs. 4 S. 3 VermG gegen den Verfügungsberechtigten

1. Es ist geklärt, dass der Erlösauskehranspruch nach § 3 Abs. 4 Satz 3 VermG nur Anwendung findet, wenn der Verfügungsberechtigte das Eigentum am Vermögenswert durch eine zivilrechtlich wirksame Veräußerung verloren hat. Das setzt zwar nicht voraus, dass der Verfügungsberechtigte das Rechtsgeschäft in eigener Person abgeschlossen hat, wohl aber, dass ihm die Veräußerung - beispielsweise aufgrund von Vertretungsregeln - zuzurechnen und dass sie ihm gegenüber wirksam ist. Bei einer Veräußerung durch einen Nichtberechtigten kommt dies indes nur in Betracht, wenn der Verfügungsberechtigte im Zeitpunkt der Veräußerung sachenrechtlich noch zur Verfügung befugt war und die Veräußerung wirksam genehmigt hat.2. Gegenstand des Erlösauskehranspruchs nach § 3 Abs. 4 Satz 3 VermGkannnur der rechtsgeschäftliche Erlös sein, der dem Verfügungsberechtigten aus der Veräußerung zugeflossen ist, und nicht auch ein Kondiktionsanspruch, der ihm wegen einer von ihm nicht genehmigten Veräußerung durch einen Nichtberechtigten kraft Gesetzes gegen diesen zustehen mag.

Tenor

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Chemnitz vom 3. Februar 2021 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 172 545,16 € festgesetzt.

Normenkette:

VwGO § 132 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 3 ; VermG § 3 Abs. 4 S. 3;

Gründe

Die Klägerin veräußerte im Januar 1938 ihre Unternehmensbeteiligung von 61,358 % an einem Bankhaus, zu dessen Vermögen ein Grundstück in der Gemarkung T. gehörte. 1939 veräußerte das Bankhaus eine Teilfläche hiervon. Diese wurde 1953 in Volkseigentum überführt. Im Februar 1992 ordnete die Oberfinanzdirektion Chemnitz die Teilfläche der Beigeladenen zu. Im Juni 1992 wurde die Teilfläche aufgrund eines Bescheides vom 24. Dezember 1991, geändert durch Bescheide vom 30. November 1993 und 12. April 1996, an den Rechtsnachfolger des Erwerbers zurückübertragen, ohne dass die Klägerin an diesem Restitutionsverfahren beteiligt gewesen wäre. Der Rechtsnachfolger veräußerte das Grundstück mit notariellem Vertrag vom 29. Dezember 1995, der nach Erteilen der Grundstücksverkehrsgenehmigung vollzogen wurde. Im Juli 2010 stellte das Bundesamt für zentrale Dienste und offene Vermögensfragen fest, dass die Klägerin einen Anspruch auf Einräumung von Bruchteilseigentum in Höhe von 61,358 % hinsichtlich der im Geltungsbereich des Vermögensgesetzes belegenen Grundstücke habe, die am 1. Januar 1938 im Eigentum des Bankhauses gestanden hätten. Die Klägerin erhob daraufhin Widerspruch gegen den Bescheid vom 24. Dezember 1991. Nach dessen Zurückweisung erhob sie Klage, über die noch nicht entschieden ist. Mit Bescheid vom 9. August 2017 stellte das Bundesamt für zentrale Dienste und offene Vermögensfragen fest, dass die Klägerin Berechtigte hinsichtlich eines Miteigentumsanteils an dem Grundstück von 61,358 % sei und in dieser Höhe einen Anspruch auf Auskehr des Erlöses aus dem Vertrag vom 29. Dezember 1995 habe. Das Verwaltungsgericht hat die Klage auf Verpflichtung der Beklagten festzustellen, dass die Klägerin gegenüber der Beigeladenen einen Anspruch auf Erlösauskehr aus dem Vertrag vom 29. Dezember 1995 in Höhe von 61,358 % habe, abgewiesen und die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen.

Die auf die Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ) und das Vorliegen eines Verfahrensfehlers (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO ) gestützte Beschwerde bleibt ohne Erfolg.

1. Eine Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung setzt voraus, dass die Rechtssache eine Frage des revisiblen Rechts aufwirft, die der - gegebenenfalls erneuten oder weitergehenden - höchstrichterlichen Klärung bedarf, sofern diese Klärung in dem angestrebten Revisionsverfahren zu erwarten steht und dies zu einer Fortentwicklung der Rechtsprechung über den Einzelfall hinaus führen wird. Daran fehlt es hier.

Die Frage,

ob der Erlösauskehranspruch nach § 3 Abs. 4 Satz 3 VermG gegen den Verfügungsberechtigten voraussetzt, dass der Verfügungsberechtigte selbst über das Eigentum an dem restitutionsbelasteten Vermögensgegenstand verfügt hat,

bedarf nicht der Klärung in einem Revisionsverfahren. Soweit sie sich dort stellen würde, kann sie ohne Weiteres mithilfe der üblichen Regeln sachgerechter Gesetzesinterpretation auf der Grundlage der vorhandenen Rechtsprechung beantwortet werden (vgl. BVerwG, Beschluss vom 24. August 1999 - 4 B 72.99 - BVerwGE 109, 268 >270>). Danach findet die Vorschrift nur Anwendung, wenn der Verfügungsberechtigte das Eigentum am Vermögenswert durch eine zivilrechtlich wirksame Veräußerung verloren hat (BVerwG, Urteil vom 28. August 1997 - 7 C 63.96 - Buchholz 428 § 3 VermG Nr. 20 S. 27 und Beschluss vom 29. Januar 2004 - 8 B 132.03 - Buchholz 428 § 3 VermG Nr. 50). Das setzt nicht voraus, dass der Verfügungsberechtigte das Rechtsgeschäft in eigener Person abgeschlossen hat, wohl aber, dass ihm die Veräußerung - beispielsweise aufgrund von Vertretungsregeln - zuzurechnen und dass sie ihm gegenüber wirksam ist (BVerwG, Urteil vom 27. Januar 2000 - 7 C 2.99 - Buchholz 428 § 3 VermG Nr. 35 S. 26 f.). Bei einer Veräußerung durch einen Nichtberechtigten kommt dies nur in Betracht, wenn der Verfügungsberechtigte im Zeitpunkt der Veräußerung sachenrechtlich noch zur Verfügung befugt war und die Veräußerung wirksam genehmigt hat (§ 182 BGB ). Das Verwaltungsgericht hat schon Ersteres verneint, weil es davon ausging, dass die Beigeladene ihr Eigentum und ihre Verfügungsbefugnis bereits durch den ihr gegenüber bestandskräftig gewordenen Restitutionsbescheid vom 24. Dezember 1991 verloren hatte.

Die weiter aufgeworfene Frage,

ob der Erlösauskehranspruch nach § 3 Abs. 4 Satz 3 VermG gegen den Verfügungsberechtigten auch dann besteht, wenn ein Nichtberechtigter wirksam über den restitutionsbelasteten Vermögensgegenstand verfügt hat und der tatsächlich Verfügungsberechtigte die Verfügung gegen sich gelten lassen muss,

wäre in dem angestrebten Revisionsverfahren nicht klärungsfähig. Das Verwaltungsgericht hat seine Entscheidung nicht auf die Annahme gestützt, die Beigeladene als "tatsächlich Verfügungsberechtigte" müsse die von dem Begünstigten des Restitutionsbescheides - als nach Auffassung der Klägerin Nichtberechtigten - vorgenommene Verfügung gegen sich gelten lassen. Vielmehr hat es darauf abgestellt, dass die Beigeladene ihr Eigentum bereits aufgrund des Restitutionsbescheides und gerade nicht aufgrund einer rechtsgeschäftlichen Veräußerung verloren habe. Ob diese Prämisse zutrifft, wäre für das angestrebte Revisionsverfahren ebenfalls nicht entscheidungserheblich, weil Gegenstand des Erlösauskehranspruchs nach § 3 Abs. 4 Satz 3 VermG nur der rechtsgeschäftliche Erlös sein kann, der dem Verfügungsberechtigten aus der Veräußerung zugeflossen ist, und nicht auch ein Kondiktionsanspruch, der ihm wegen einer von ihm nicht genehmigten Veräußerung durch einen Nichtberechtigten kraft Gesetzes gegen diesen zustehen mag.

2. Das Verwaltungsgericht hat den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG , § 108 Abs. 2 VwGO ) nicht verletzt. Die Klägerin hat einen solchen Verfahrensmangel nicht prozessordnungsgemäß bezeichnet (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO ). Im gerichtlichen Verfahren verpflichten Art. 103 Abs. 1 GG und § 108 Abs. 2 VwGO das Gericht, nach seiner Rechtsauffassung rechtlich erhebliches Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Eine Verletzung dieser Pflicht ist allerdings nicht schon anzunehmen, wenn eine Entscheidung nicht auf jedes Element des Vortrags eingeht, sondern erst, wenn sich im Einzelfall aus besonderen Umständen ergibt, dass nach der materiell-rechtlichen Rechtsauffassung des Gerichts entscheidungserhebliches Vorbringen übergangen wurde. Davon ist auszugehen, wenn das Gericht auf den wesentlichen Kern des Beteiligtenvorbringens zu einer Frage, die nach seiner eigenen Rechtsauffassung für den Prozessausgang von zentraler Bedeutung ist, in den Entscheidungsgründen nicht eingeht (stRspr, vgl. BVerfG, Urteil vom 8. Juli 1997 - 1 BvR 1621/94 - BVerfGE 96, 205 >216 f.>; BVerwG, Urteil vom 31. Juli 2002 - 8 C 37.01 - Buchholz 428 § 1 Abs. 3 VermG Nr. 35 S. 109 je m.w.N.).

Solches legt die Klägerin nicht dar. Das Verwaltungsgericht hat sich mit der von ihr für maßgeblich gehaltenen Anspruchsgrundlage des § 3 Abs. 4 Satz 3 VermG auseinandergesetzt. Es hat auch die diesbezügliche, unter anderem auf § 816 Abs. 1 Satz 1 BGB gestützte rechtliche Argumentation der Klägerin zur Kenntnis genommen und erwogen. Es hat ihren Vortrag im Tatbestand des Urteils wiedergegeben und in den Entscheidungsgründen ausgeführt, weshalb es dem zivilrechtlichen Ansatz der Klägerin, dem zufolge der Kondiktionsanspruch des Verfügungsberechtigten als Veräußerungserlös gelten soll, nicht folgt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 , § 162 Abs. 3 VwGO . Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 , § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG .

Vorinstanz: VG Chemnitz, vom 03.02.2021 - Vorinstanzaktenzeichen 1 K 2950/17