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BVerwG - Entscheidung vom 26.10.2021

1 W-VR 19.21

Normen:
SG § 28 Abs. 5 S. 1

BVerwG, Beschluss vom 26.10.2021 - Aktenzeichen 1 W-VR 19.21

DRsp Nr. 2022/404

Antrag einer Berufssoldatin auf Betreuungsurlaub

Eine einstweilige Anordnung hinsichtlich der Bewilligung von Betreuungsurlaub für die Vergangenheit kommt - unabhängig von deren grundsätzlicher Zulässigkeit - schon mangels Vorliegens eines Anordnungsgrundes nicht in Betracht, soweit eine vorläufige rückwirkende Bewilligung die faktische Betreuungssituation für die Vergangenheit nicht mehr verändern und die Rechtslage für die Antragstellerin für den abgelaufenen Zeitraum nicht durchgreifend verbessern könnte.

Tenor

Der Antrag, das Bundesministerium der Verteidigung im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, der Antragstellerin - über den mit Bescheid des Bundesamts für das Personalmanagement der Bundeswehr vom 11. Oktober 2021 bewilligten Betreuungsurlaub (vom 7. Oktober 2021 bis zu einer bestands- oder rechtskräftigen Entscheidung über die Untätigkeitsbeschwerde vom 21. Juli 2021) hinaus - vorläufig weiteren Betreuungsurlaub für den Gesamtzeitraum vom 25. August 2021 bis 25. August 2027 zu gewähren und sie an das Bundeswehrkrankenhaus A zu versetzen, wird abgelehnt.

Normenkette:

SG § 28 Abs. 5 S. 1;

Gründe

I

Die Antragstellerin begehrt den Erlass einer - weiteren - einstweiligen Anordnung wegen der Gewährung von Betreuungsurlaub.

Die 1976 geborene Antragstellerin ist Berufssoldatin; ihre Dienstzeit endet regulär zum 30. September 2038. Sie ... wurde zuletzt am 19. März 2015 zum Oberfeldarzt befördert.

Der Antragstellerin war im Zeitraum vom 25. August 2020 bis 24. August 2021 für ihren 2014 geborenen Sohn Elternzeit bewilligt worden. Mit Schreiben vom 24. Mai 2021 beantragte sie Betreuungsurlaub für die Zeit vom 25. August 2021 bis 25. August 2027 sowie mit Schreiben vom 19. Juli 2021 Betreuungsurlaub für die Zeit vom 25. August 2021 bis 31. Juli 2025. Wegen der Aussetzung der Bearbeitung dieser Anträge für die Dauer eines parallel laufenden Dienstunfähigkeitsverfahrens hat sie Untätigkeitsbeschwerde erhoben.

Mit Beschluss vom 7. Oktober 2021 - 1 W-VR 14.21 - hat der Senat das Bundesministerium der Verteidigung im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, der Antragstellerin auf ihre Anträge vom 24. Mai 2021 und 19. Juli 2021 vorläufig bis zu einer bestands- oder rechtskräftigen Entscheidung über ihre Untätigkeitsbeschwerde vom 21. Juli 2021 Betreuungsurlaub zu gewähren.

Daraufhin bewilligte das Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr der Antragstellerin mit Bescheid vom 11. Oktober 2021 vorläufig Betreuungsurlaub unter Wegfall der Geld- und Sachbezüge für die Zeit vom 7. Oktober 2021 bis zu einer bestands- oder rechtskräftigen Entscheidung über die Untätigkeitsbeschwerde vom 21. Juli 2021.

Mit dem vorliegenden Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz vom 15. Oktober 2021 begehrt die Antragstellerin,

das Bundesministerium der Verteidigung im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihr - unter entsprechender Änderung des Bescheids des Bundesamts für das Personalmanagement der Bundeswehr vom 11. Oktober 2021 - vorläufig unter Wegfall der Geld- und Sachbezüge für die Zeit vom 25. August 2021 bis 25. August 2027 (Betreuungs-)Urlaub bis zu einer bestands- und rechtskräftigen Entscheidung über ihre Untätigkeitsbeschwerde vom 21. Juli 2021 sowie weitere Beschwerde vom 28. September 2021 zu gewähren, sowie

einem mit dem Antrag auf Betreuungsurlaub vom 24. Mai 2021 verbundenen Antrag auf Versetzung an das Bundeswehrkrankenhaus A stattzugeben.

Einer rückwirkenden Genehmigung stehe nichts entgegen, weil das Gehalt ohnehin vollständig zur Tilgung von Elternzeitgeld-Rückforderungen genutzt werde. Die Versetzung sei erforderlich, um Schikanen und rechtswidrigen Maßnahmen an den Standorten B und C zu entgehen.

Das Bundesministerium der Verteidigung beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Für die Zeit vom 25. August 2021 bis 6. Oktober 2021 sei Erledigung eingetreten. Eine rückwirkende Bewilligung von Betreuungsurlaub sei rechtlich unzulässig. Die Festlegung des Endes des Bewilligungszeitraums auf den 25. August 2027 überschreite die maximale gesetzliche Bewilligungsdauer von drei Jahren. Es fehle zudem an einem Anordnungsgrund, weil der Antragstellerin auch ohne die begehrte einstweilige Anordnung keine schweren und unzumutbaren Nachteile drohten. Im Gegenteil würden sich bei einer rückwirkenden Bewilligung von Betreuungsurlaub die Bezügerückforderungen erhöhen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten verwiesen.

II

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist im Wehrbeschwerdeverfahren gemäß § 23a Abs. 2 Satz 1 WBO i.V.m. § 123 VwGO grundsätzlich statthaft. Sachlich zuständig ist das Bundesverwaltungsgericht als Gericht der Hauptsache (§ 123 Abs. 2 Satz 1 VwGO , § 21 Abs. 1 Satz 1 WBO ).

Der Antrag hat keinen Erfolg, weil es für die begehrte einstweilige Anordnung an einem Anordnungsgrund fehlt (§ 123 Abs. 1 und 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO ).

Unabhängig von der im Hauptsacheverfahren zu klärenden Frage, ob eine Bewilligung von Betreuungsurlaub für die Vergangenheit grundsätzlich zulässig ist (vgl. für die Elternzeit verneinend BVerwG, Beschlüsse vom 21. Mai 2015 - 1 WB 20.14 - BVerwGE 152, 144 Rn. 22 ff. und vom 23. Februar 2017 - 1 WB 1.16 - juris Rn. 30 m.w.N.), ist eine solche rückwirkende Bewilligung für den Zeitraum vom 25. August 2021 bis 6. Oktober 2021 jedenfalls nicht geeignet, den Anspruch der Antragstellerin auf eine fehlerfreie Ermessensentscheidung über ihren Antrag auf Gewährung von Betreuungsurlaub gemäß § 28 Abs. 5 SG zu sichern oder drohende Nachteile abzuwenden. Denn auch eine vorläufige rückwirkende Bewilligung könnte die faktische Betreuungssituation für die Vergangenheit nicht mehr verändern und die Rechtslage für die Antragstellerin für den abgelaufenen Zeitraum nicht durchgreifend verbessern.

Für die Zukunft ist der Antragstellerin mit dem Beschluss vom 7. Oktober 2021 - 1 W-VR 14.21 - bereits alles zugesprochen worden, was sie im Wege der einstweiligen Anordnung erlangen kann. Eine weitergehende vorläufige Bewilligung von Betreuungsurlaub als bis zum bestands- oder rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens kommt im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nicht in Betracht. Im Übrigen verweist das Bundesministerium der Verteidigung zu Recht darauf, dass der begehrte Bewilligungszeitraum die gesetzliche Höchstdauer von drei Jahren für die Erstbewilligung (§ 28 Abs. 5 Satz 1 SG ) weit übersteigt.

Die außerdem begehrte Versetzung an das Bundeswehrkrankenhaus A, die zudem eine unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache bedeuten würde, ist nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens. Sie würde auch nicht der Sicherung des Betreuungsurlaubs dienen, weil die von der Antragstellerin behaupteten Schikanen und rechtswidrigen Maßnahmen ein anderes, nämlich das Verfahren zur Feststellung der Dienstunfähigkeit betreffen.