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BVerwG - Entscheidung vom 29.09.2021

1 W-VR 15.21

Normen:
WBO § 23a Abs. 2 S. 1
GG Art. 33 Abs. 2

BVerwG, Beschluss vom 29.09.2021 - Aktenzeichen 1 W-VR 15.21

DRsp Nr. 2021/16939

Antrag auf vorläufige Zulassung zu einem Lehrgang im Rahmen der Ausbildung zum Offizier des militärfachlichen Dienstes

Der Erlass einer einstweiligen Anordnung kommt mangels Vorliegens eines Anordnungsgrunds nicht in Betracht, wenn dem Antragsteller ohne den Erlass keine schweren und unzumutbaren Nachteile, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre, entstehen.

Tenor

Der Antrag, das Bundesministerium der Verteidigung im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, den Antragsteller vorläufig bis zu einer bestandskräftigen Entscheidung über seine Beschwerde vom 2. August 2021 zu dem Lehrgang SLP Englisch bei der ... (5. Oktober bis 16. Dezember 2021) zuzulassen, wird abgelehnt.

Normenkette:

WBO § 23a Abs. 2 S. 1; GG Art. 33 Abs. 2 ;

Gründe

I

Der Antragsteller begehrt die vorläufige Zulassung zu einem Lehrgang im Rahmen der Ausbildung zum Offizier des militärfachlichen Dienstes.

Der 19... geborene Antragsteller war vom 1. Januar 1997 bis 31. Dezember 2008 zunächst im Rahmen des Grundwehrdienstes, ab 16. August 1997 als Soldat auf Zeit im Dienst der Bundeswehr. Am 1. Mai 2018 trat er erneut mit dem zuletzt erworbenen Dienstgrad Hauptfeldwebel als Soldat auf Zeit in die Bundeswehr ein. Unter Berücksichtigung seiner früheren Wehrdienstzeit endet seine festgesetzte Dienstzeit von insgesamt ... Jahren am 30. April 20... Der Antragsteller wird seit seiner Wiedereinstellung als Personalfeldwebel Streitkräfte im ... verwendet.

Mit Schreiben vom 20. August 2020 beantragte er seine Zulassung zur Laufbahn der Offiziere des militärfachlichen Dienstes.

In der Auswahlkonferenz für das Zulassungsjahr 2021 im Februar 2021 wurden in der Ausbildungs- und Verwendungsreihe 25813 (Stabsdienst/S 1) 29 Bewerber für die Laufbahnzulassung und zusätzlich 9 Nachrücker nominiert. In dieser Reihung nimmt der Antragsteller die Position 32 ein. Nach Darstellung des Bundesministeriums der Verteidigung wurden im Anschluss an die Konferenz außer den 29 ausgewählten Bewerbern auch sämtliche Nachrücker bis Platz 38 der Auswahltabelle mit Ausnahme des Antragstellers für die Zulassung zur Laufbahn der Offiziere des militärfachlichen Dienstes herangezogen.

Mit Bescheid vom 31. Mai 2021 lehnte das Bundesamt für das Personalmanagement den Antrag des Antragstellers auf Laufbahnzulassung ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass nach Auswertung aller maßgeblichen Unterlagen nur Kandidaten für eine Zulassung vorgesehen worden seien, deren Eignungs- und Leistungsbild besser als das des Antragstellers gewesen sei. Außerdem sei das Dienstverhältnis des Antragstellers als Soldat auf Zeit nach Vollendung seines 40. Lebensjahres begründet worden, so dass ergänzend die damit verbundenen Besonderheiten des § 48 BHO zu prüfen gewesen wären.

Hiergegen erhob der Antragsteller mit Schreiben vom 2. August 2021 Beschwerde, die seine Bevollmächtigte unter dem 26. August 2021 begründete.

Mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 17. September 2021 hat der Antragsteller außerdem den hier gegenständlichen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz mit dem Ziel gestellt, ihn im Rahmen der Ausbildung zum Offizier des militärfachlichen Dienstes ab dem 5. Oktober 2021 vorläufig zum Sprachlehrgang SLP Englisch zuzulassen. Für die einstweilige Anordnung bestehe ein Anordnungsgrund, weil die Teilnahme an diesem Lehrgang zur Vermeidung von Laufbahnnachteilen durch zeitliche Verzögerungen unverzichtbar sei und andernfalls drohe, dass sein Bewerbungsverfahrensanspruch aus Art. 33 Abs. 2 GG für das Auswahljahr 2021 vereitelt werde. Ihm stehe auch ein Anordnungsanspruch zur Seite, weil er sich nach den Kriterien von Art. 33 Abs. 2 GG im Auswahlverfahren durchgesetzt habe. Außerdem sei er von seinem Disziplinarvorgesetzten für das Auswahljahr 2021 zum Berufssoldaten vorgeschlagen worden; angesichts seiner aktuellen Beurteilungen und der Ergebnisse der Potenzialfeststellungen sei sicher davon auszugehen, dass er sich unter Leistungsgesichtspunkten für die Übernahme zum Berufssoldaten qualifizieren werde. § 48 BHO stehe dem Laufbahnwechsel nicht entgegen. Insoweit verweise er auf die in dem Beschluss des Senats vom 25. Februar 2021 - 1 WB 32.20 - entwickelten Grundsätze.

Der Antragsteller beantragt,

die Bundesministerin der Verteidigung im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihn vorläufig bis zu einer bestandskräftigen Entscheidung über seine Beschwerde vom 2. August 2021 zu dem Lehrgang SLP Englisch (5. Oktober 2021 bis 16. Dezember 2021) bei der ... zuzulassen.

Das Bundesministerium der Verteidigung beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Seiner Auffassung nach liege bereits kein Anordnungsgrund vor, weil dem Antragsteller keine schweren und unzumutbaren Nachteile drohten, zu deren Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre. Eine rückwirkende Zulassung zur Laufbahn der Offiziere des militärfachlichen Dienstes sei rechtlich zulässig und entspreche der Praxis des Bundesministeriums der Verteidigung. Die Einsteuerung des Antragstellers in die Sprachausbildung Englisch müsse nicht zum 5. Oktober 2021 erfolgen. Für die Laufbahnausbildung sei keine zwingende Reihenfolge vorgeschrieben. Insbesondere sei diese Ausbildung nicht Voraussetzung für die Beförderung zum Leutnant. Sie könnte deshalb ggf. auch nach Abschluss der Ausbildung zum Offizier des militärfachlichen Dienstes absolviert werden. Der Antragsteller habe darüber hinaus keinen Anordnungsanspruch, weil er keinen Anspruch auf Zulassung zur Laufbahn der Offiziere des militärfachlichen Dienstes habe. Dem Laufbahnwechsel stehe § 48 BHO entgegen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten verwiesen.

II

Der Antrag hat keinen Erfolg.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist im Wehrbeschwerdeverfahren gemäß § 23a Abs. 2 Satz 1 WBO i.V.m. § 123 VwGO grundsätzlich statthaft. Er kann - wie hier - auch schon vor Rechtshängigkeit des Antrags auf gerichtliche Entscheidung in der Hauptsache gestellt werden (§ 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO ). Sachlich zuständig ist das Bundesverwaltungsgericht als Gericht der Hauptsache (§ 123 Abs. 2 Satz 1 VwGO , § 21 Abs. 1 Satz 1 WBO ).

Für die begehrte einstweilige Anordnung fehlt es jedoch an einem Anordnungsgrund (§ 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO ). Dem Antragsteller entstehen ohne die vorläufige Zulassung zu dem Lehrgang SLP Englisch (5. Oktober 2021 bis 16. Dezember 2021) keine schweren und unzumutbaren Nachteile, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (vgl. BVerwG, Beschluss vom 1. August 2006 - 1 WDS-VR 3.06 - Rn. 21).

Der Antragsteller kann den von ihm geltend gemachten Anspruch auf Zulassung zur Laufbahn der Offiziere des militärfachlichen Dienstes aus Art. 33 Abs. 2 GG und § 3 Abs. 1 SG nur im Hauptsacheverfahren durchsetzen. Eine Gefahr, dass die Verwirklichung dieses Rechts durch die Schaffung vollendeter Tatsachen vereitelt werden könnte, besteht grundsätzlich nicht. Denn eine rückwirkende Zulassung zur Laufbahn der Offiziere des militärfachlichen Dienstes ist rechtlich zulässig und erfolgt nach der Praxis des Bundesministeriums der Verteidigung aufgrund einer Ausnahmegenehmigung auch regelmäßig, wenn der Zulassungsantrag in der Sache Erfolg hat (vgl. BVerwG, Beschluss vom 28. März 2018 - 1 WB 8.17 - Buchholz 449.2 § 40 SLV 2002 Nr. 6 Rn. 14 m.w.N.). Umgekehrt trägt die begehrte vorläufige Lehrgangsteilnahme zum Laufbahnaufstieg (als solchem) nichts bei; auch ein erfolgreicher Lehrgangsabschluss würde kein "Recht aus abgelegter Prüfung" im Sinne eines Anspruchs auf Laufbahnzulassung begründen und könnte ein Obsiegen im Hauptsacheverfahren nicht ersetzen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 5. Januar 2018 - 1 WDS-VR 11.17 - juris Rn. 13 zum Offizierlehrgang im Rahmen der Ausbildung für die Laufbahn der Offiziere des Truppendienstes).

Dem Antragsteller drohen aber auch unter dem Gesichtspunkt der zeitlichen Verzögerung keine schweren und unzumutbaren Nachteile, die die begehrte einstweilige Anordnung erfordern würden. Nach der Erklärung des Bundesministeriums der Verteidigung besteht für die einzelnen Module im Rahmen der Anwärterausbildung für den militärfachlichen Dienst zwar eine Regelabfolge (Abschnitt 1.5 der Allgemeinen Regelung C2-225/0-0-5637), die aber hinreichende Spiel- und Freiräume für eine flexible Handhabung und für Varianten in der zeitlichen Ausgestaltung belässt. Die Sprachausbildung Englisch muss danach nicht in dem hier gegenständlichen Zeitraum stattfinden, sondern kann ohne Schaden auch in ein späteres Zeitintervall verschoben werden. Die Sprachausbildung gehört - anders als der erfolgreiche Besuch der zivilberuflichen Fortbildung und das Bestehen der Offizierprüfung (§ 27 Abs. 5 Satz 2 SG , § 24 Abs. 2 SLV , Nr. 917 ZDv A-1340/49, Nr. 132 Abs. 3 und 5 AR C2-225/0-0-5637) - auch nicht zu den Voraussetzungen für eine Beförderung zum Leutnant und könnte damit sogar nach Abschluss der Anwärterausbildung nachgeholt werden.

Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass die Wehrbeschwerdeordnung - im Gegensatz zu anderen Prozessordnungen - dem Beschwerdeführer in Form von Untätigkeitsrechtsbehelfen (§ 1 Abs. 2 , § 16 Abs. 2 , § 17 Abs. 1 Satz 2 WBO ) stringente Mittel des effektiven Rechtsschutzes an die Hand gibt, um das vorgerichtliche Verfahren zu beschleunigen und durch die Möglichkeit einer rechtzeitigen gerichtlichen Hauptsacheentscheidung mittelbar dafür zu sorgen, dass sich Maßnahmen des vorläufigen Rechtsschutzes erübrigen oder sie zumindest seltener oder in geringerem Umfang erforderlich werden.