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BVerwG - Entscheidung vom 25.11.2021

1 WB 38.21

Normen:
WBO § 17 Abs. 3 S. 1

BVerwG, Beschluss vom 25.11.2021 - Aktenzeichen 1 WB 38.21

DRsp Nr. 2022/3284

Anfechtbarkeit des Beurteilungsbeitrags als reine Vorbereitungsmaßnahme für die Beurteilung eines Soldaten

1. Ein Beurteilungsbeitrag stellt keine im gerichtlichen Verfahren anfechtbare dienstliche Maßnahme im Sinne von § 17 Abs. 3 Satz 1 WBO (hier i.V.m. § 21 Abs. 2 Satz 1 WBO ) dar. Als dienstliche Maßnahme anfechtbar ist erst die dienstliche Beurteilung, deren Vorbereitung der Beurteilungsbeitrag dient. Soweit der Beurteilungsbeitrag darin Niederschlag gefunden hat, unterliegt er einer mittelbaren bzw. inzidenten Überprüfung im Rahmen der gerichtlichen Kontrolle der dienstlichen Beurteilung. Vor diesem Hintergrund kann zudem auch keine isolierte Verpflichtung zum erneuten fehlerfreien Erstellen eines Beurteilungsbeitrags erwirkt werden.2. Das Unterbleiben eines (rechtzeitigen) Beurteilungsgesprächsführt auch im Rahmen der Anfechtung einer dienstlichen Beurteilung nicht zu deren Aufhebung, weil ein solcher Verfahrensfehler - sein Vorliegen unterstellt - nicht nachträglich geheilt werden kann.

Tenor

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Normenkette:

WBO § 17 Abs. 3 S. 1;

Gründe

I

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung betrifft einen Beurteilungsbeitrag.

Der 19... geborene Antragsteller ist Berufssoldat im Dienstgrad Oberfeldarzt. Er wurde vom 18. März 2019 bis 31. März 2021 im ... verwendet. Unter dem 27. Januar 2020 erstellte sein damaliger Referatsleiter eine planmäßige dienstliche Beurteilung zum Vorlagetermin 30. September 2019, in der er die Leistung des Antragstellers mit einem Durchschnittswert der Aufgabenerfüllung von "8,0" bewertete. Der nächsthöhere Vorgesetzte erkannte eine Entwicklungsprognose von "deutlich oberhalb der allgemeinen Laufbahnperspektive" zu.

Im Hinblick auf die Wegversetzung des Antragstellers zum 1. April 2021 erstellte der Referatsleiter unter dem 8. Juni 2021 einen Beurteilungsbeitrag. Darin bewertete er die Erfüllung der Anforderungen mit der Wertungsstufe "A" ("Die Leistungserwartungen wurden nicht erfüllt") und vermerkte, dass Beurteilungsgespräche am 10. Februar 2021 und 24. März 2021 stattgefunden hätten.

Mit Schreiben vom 21. Juni 2021 erhob der Antragsteller Beschwerde "im Zusammenhang mit dem Beurteilungsbeitrag". Dabei wandte er sich erstens dagegen, dass das Beurteilungsgespräch erst über ein Jahr nach der planmäßigen Beurteilung und unmittelbar vor seiner Wegversetzung durchgeführt worden sei und er deshalb keinerlei Chance gehabt habe, darauf zu reagieren. Zweitens habe er von dem Betreiben seines Referatsleiters, ihn sobald wie möglich versetzen zu lassen, sowie von seiner angeblich mangelhaften Leistung erst durch Dritte erfahren. Drittens beschwere er sich gegen die Art und Weise der grundlosen persönlichen Diskreditierung und viertens gegen den für ihn nicht nachvollziehbaren, extremen Bruch in der Bewertung seiner Leistung zwischen der planmäßigen Beurteilung vom 27. Januar 2020 und dem Beurteilungsbeitrag vom 8. Juni 2021. Er beantrage deshalb, den Beurteilungsbeitrag aufzuheben.

Mit Lotus-Notes-Nachricht vom 9. August 2021 beanstandete der Antragsteller die Untätigkeit bei der Behandlung seiner Beschwerde und erhob mit weiterer Lotus-Notes-Nachricht vom 20. September 2021 Untätigkeitsbeschwerde. Unter dem 30. September 2021 reichte er ein unterschriebenes Exemplar der Untätigkeitsbeschwerde nach.

Das Bundesministerium der Verteidigung wertete die Untätigkeitsbeschwerde als Antrag auf gerichtliche Entscheidung und legte diesen dem Senat mit seiner Stellungnahme vom 1. Oktober 2021 vor.

Zur Begründung führt der Antragsteller insbesondere aus, dass die Intention seiner Untätigkeitsbeschwerde nie gewesen sei, eine gerichtliche Entscheidung herbeizuführen. Vielmehr habe er beabsichtigt, auf die zögerlich-schleppende bzw. fehlende Bearbeitung hinzuweisen und das Bundesministerium der Verteidigung gerichtlich anweisen zu lassen, nunmehr zügig eine Entscheidung zu treffen. Bis heute habe er keinen Bescheid auf seine Beschwerde vom 21. Juni 2021 erhalten. Dies stelle schon an sich, aber auch wegen der zeitlichen Dringlichkeit eine willentlich-wissentliche Rechtsbeugung sowie einen eklatanten Verstoß gegen geltende Vorschriften dar. Er wolle klarstellen, dass er sich nicht gegen den Beurteilungsbeitrag als solchen, sondern gegen die Art und Weise des Vorgehens des Referatsleiters beschwert habe. Darüber hinaus habe er die Aufhebung des Beurteilungsbeitrags beantragt. Es lägen daher dienstliche Maßnahmen vor.

Das Bundesministerium der Verteidigung beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Der Antrag sei unzulässig, weil ein Beurteilungsbeitrag keine anfechtbare dienstliche Maßnahme sei.

Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten verwiesen. Dem Senat haben bei der Beratung die Beschwerdeakte des Bundesministeriums der Verteidigung und die Personalgrundakte des Antragstellers vorgelegen.

II

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist unzulässig.

1. Das Bundesministerium der Verteidigung hat die Untätigkeitsbeschwerde des Antragstellers zutreffend als Antrag auf gerichtliche Entscheidung gewertet.

Der Antragsteller hat, nachdem er zunächst allgemein beanstandet hatte, dass er bis dahin keinen Beschwerdebescheid erhalten habe, eine ausdrücklich als solche bezeichnete Untätigkeitsbeschwerde eingelegt (§ 16 Abs. 2 WBO ). Ist - wie hier - das Bundesministerium der Verteidigung für den Beschwerdebescheid zuständig (§ 9 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 WBO ), so gibt es keinen nächsthöheren Disziplinarvorgesetzten, der über diese weitere (Untätigkeits-) Beschwerde entscheiden könnte (§ 9 Abs. 3 WBO ). Sie ist deshalb als (Untätigkeits-)Antrag auf Entscheidung durch das Bundesverwaltungsgericht auszulegen und zu behandeln (§ 21 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 17 Abs. 1 Satz 2 WBO ). Die durch den Untätigkeitsrechtsbehelf zuständig gewordene Stelle bzw. hier: das zuständig gewordene Wehrdienstgericht befasst sich dabei nicht mit den Gründen für die Untätigkeit der Vorinstanz und weist diese ggf. auch nicht - wie der Antragsteller wünscht - zu einem unverzüglichen Tätigwerden an, sondern entscheidet anstelle der Vorinstanz selbst in der Sache.

2. Das Rechtsschutzbegehren des Antragstellers bedarf der sachdienlichen Auslegung (§ 21 Abs. 2 Satz 1 WBO i.V.m. § 86 Abs. 3 VwGO ). Danach begehrt er die gerichtliche Entscheidung, das Bundesministerium unter Aufhebung des bisherigen Beurteilungsbeitrags zur Erstellung eines neuen verfahrensfehlerfreien Beurteilungsbeitrags zu verpflichten.

Der Antragsteller hat mit der Ausgangsbeschwerde beantragt, den Beurteilungsbeitrag aufzuheben, worauf er auch im gerichtlichen Verfahren in seiner Stellungnahme vom 3. November 2021 (unter 4.) verwiesen hat. Seine Äußerung, er habe sich nicht gegen den Beurteilungsbeitrag als solchen, sondern gegen die Art und Weise des Vorgehens des Referatsleiters beschweren wollen, ist damit nicht als Veränderung des Beschwerdegegenstands, sondern als Teil der Begründung zu verstehen, mit der er sich - wie bereits mit der Ausgangsbeschwerde - vor allem gegen die verfahrensrechtlichen Begleitumstände beim Zustandekommen des Beurteilungsbeitrags wendet.

3. Der Antrag auf Aufhebung des Beurteilungsbeitrags und erneute Verbescheidung ist gleichwohl unter allen geltend gemachten Gesichtspunkten unzulässig.

Nach ständiger Rechtsprechung des Senats stellt ein Beurteilungsbeitrag keine im gerichtlichen Verfahren anfechtbare dienstliche Maßnahme im Sinne von § 17 Abs. 3 Satz 1 WBO (hier i.V.m. § 21 Abs. 2 Satz 1 WBO ) dar (vgl. zuletzt ausführlich BVerwG, Beschluss vom 31. August 2017 - 1 WRB 1.17 - Buchholz 450.1 § 17 WBO Nr. 97 Rn. 24 ff.). Als dienstliche Maßnahme anfechtbar ist erst die dienstliche Beurteilung, deren Vorbereitung der Beurteilungsbeitrag dient (siehe auch Nr. 201 Buchst. b und Nr. 503 sowie Überschrift zu Abschnitt 5 der ZDv A-1340/50). Soweit der Beurteilungsbeitrag darin Niederschlag gefunden hat, unterliegt er einer mittelbaren bzw. inzidenten Überprüfung im Rahmen der gerichtlichen Kontrolle der dienstlichen Beurteilung. Da der Beurteilungsbeitrag als reine Vorbereitungsmaßnahme nicht isoliert anfechtbar ist, kann auch keine isolierte Verpflichtung zum erneuten fehlerfreien Erstellen eines Beurteilungsbeitrags erwirkt werden.

Unzulässig ist der Antrag auch, soweit der Antragsteller das persönliche Verhalten seines Referatsleiters im Zusammenhang mit der Erstellung und der Kommunikation des Beurteilungsbeitrags beanstandet. Die Art und Weise der Verfahrensbehandlung stellt für sich genommen keinen statthaften Beschwerdegegenstand dar (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 26. November 2020 - 1 WB 23.20 - Buchholz 450.1 § 17 WBO Nr. 111 Rn. 21 m.w.N.). Rechtlich erhebliche Verfahrensfehler können ebenfalls nur mit dem Rechtsbehelf gegen die dienstliche Beurteilung, soweit sie sich dort ausgewirkt haben, geltend gemacht werden.

Soweit der Antragsteller insbesondere moniert, dass ein Beurteilungsgespräch erst auf seine Veranlassung hin und dann zu einem Zeitpunkt durchgeführt worden sei, als eine Reaktion nicht mehr möglich gewesen sei, ist darauf hinzuweisen, dass nach der Rechtsprechung des Senats das Unterbleiben eines (rechtzeitigen) Beurteilungsgesprächs auch im Rahmen der Anfechtung einer dienstlichen Beurteilung nicht zu deren Aufhebung führt, weil ein solcher Verfahrensfehler - sein Vorliegen unterstellt - nicht nachträglich geheilt werden kann (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 25. Oktober 2011 - 1 WB 51.10 - BVerwGE 141, 113 LS 1 und Rn. 29 ff. sowie zuletzt vom 19. Juli 2018 - 1 WB 31.17 - Buchholz 449.2 § 2 SLV 2002 Nr. 24 Rn. 38; siehe auch Nr. 508 Buchst. e Satz 1 ZDv A-1340/50).

Soweit der Antragsteller seine Beschwerde außer auf die Verletzung von Vorgesetztenpflichten auch auf Verstöße gegen die Kameradschaft stützt (§ 1 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 WBO ), ist diese - im vorgerichtlichen Beschwerdeverfahren statthafte - sog. Kameradenbeschwerde im gerichtlichen Antragsverfahren durch die Beschränkung auf die Überprüfung dienstlicher Maßnahmen im Sinne des § 17 Abs. 3 Satz 1 WBO ausgeschlossen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 26. November 2015 - 1 WB 60.14 - juris Rn. 20 m.w.N.).