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BVerfG - Entscheidung vom 20.09.2021

2 BvE 5/21

Normen:
GG Art. 21 Abs. 1
BVerfGG § 34a Abs. 3
BVerfGG § 64 Abs. 1
BVerfGG § 65
BWahlG § 20 Abs. 2 S. 2
BWahlG § 27 Abs. 1 S. 2
BWahlG § 52a
BWahlGÄndG § 26
GG Art. 21 Abs. 1
BVerfGG § 34a Abs. 3
BVerfGG § 64 Abs. 1
BVerfGG § 65
BWahlG § 20 Abs. 2 S. 2
BWahlG § 27 Abs. 1 S. 2
BWahlG § 52a
BWahlGÄndG § 26
BWahlG § 52a

BVerfG, Beschluss vom 20.09.2021 - Aktenzeichen 2 BvE 5/21

DRsp Nr. 2021/15837

Einstellung eines Organstreitverfahrens wegen der Verletzung der Chancengleichheit bei der Bundestagswahl durch Regelungen zur Corona-Pandemie

Mit der Erklärung der Erledigung des Verfahrens entfällt das für den Organstreit erforderliche Rechtsschutzbedürfnis.

Tenor

1.

Die zur gemeinsamen Entscheidung verbundenen Verfahren werden eingestellt.

2.

Die Anträge der Antragstellerinnen auf Erstattung ihrer notwendigen Auslagen werden abgelehnt. Ihre Anträge auf Gegenstandswertfestsetzung werden verworfen.

3.

Mit der Verfahrenseinstellung wird der Beitritt der Piratenpartei Deutschland zum Verfahren zu I. gegenstandslos.

Normenkette:

BWahlG § 52a;

[Gründe]

I.

1. Die Antragstellerinnen sind politische Parteien, die derzeit weder in einem Landtag noch im Deutschen Bundestag vertreten sind. Sie haben sich im Wege des Organstreitverfahrens dagegen gewendet, dass der Deutsche Bundestag es unter Verletzung ihres Rechts auf Chancengleichheit unterlassen habe, wegen der geänderten Rahmenbedingungen politischer Kommunikation infolge der COVID-19-Pandemie die gesetzlichen Regelungen der Unterstützungsunterschriften in § 20 Abs. 2 Satz 2 und § 27 Abs. 1 Satz 2 Bundeswahlgesetz (BWahlG) im Hinblick auf die Bundestagswahl 2021 anzupassen. Mit Schriftsatz vom 5. Mai 2021 hat die Piratenpartei Deutschland den Beitritt zum Verfahren der Antragstellerin zu I. erklärt.

Durch Beschluss vom 13. April 2021 hat der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts die Anträge der Marxistisch-Leninistischen Partei Deutschlands und der Bayernpartei e.V., mit denen sich diese gegen das Unterlassen des Deutschen Bundestages wandten, die gesetzlichen Regelungen der Unterstützungsunterschriften auszusetzen oder zu ändern, mangels ausreichender Begründung verworfen (BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 13. April 2021 - 2 BvE 1/21, 2 BvE 3/21 -).

Mit dem am 10. Juni 2021 in Kraft getretenen 26. Gesetz zur Änderung des Bundeswahlgesetzes (BGBl I 2021 S. 1482 ) hat der Antragsgegner die Zahl der nach § 20 Abs. 2 und § 27 Abs. 1 Satz 2 BWahlG erforderlichen Unterstützungsunterschriften für die Wahl des 20. Deutschen Bundestages jeweils auf ein Viertel reduziert.

2. Die Antragstellerinnen haben mit Schriftsatz vom 18. August 2021 beziehungsweise 11. Juni 2021 das Verfahren im Hinblick auf die Änderung des Bundeswahlgesetzes für erledigt erklärt und Anträge auf Auslagenerstattung und Gegenstandswertfestsetzung gestellt. Die Piratenpartei Deutschland hat keine Erklärung zur Erledigung abgegeben.

II.

1. Über die Organstreitverfahren ist nicht mehr zu entscheiden, weil die Antragstellerinnen die Verfahren jeweils für erledigt erklärt haben. Die Verfahren sind einzustellen.

Bei dem Organstreitverfahren nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG , §§ 63 ff. BVerfGG handelt es sich um ein kontradiktorisches Verfahren (vgl. BVerfGE 126, 55 <67 f.>; 129, 356 <375>; 134, 141 <194 Rn. 160>; 139, 239 <244 Rn. 13>; stRspr). Mit der Erklärung der Erledigung ist das für den Organstreit erforderliche Rechtsschutzbedürfnis (vgl. BVerfGE 68, 1 <77>; 119, 302 <307 f.>; 139, 239 <244 f. Rn. 13>) weggefallen (vgl. für die Antragsrücknahme BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 22. Juni 2021 - 2 BvE 10/20 -; Barczak, BVerfGG , 1. Aufl. 2018, § 64 Rn. 50 f.). Ein öffentliches Interesse an der Fortsetzung des Verfahrens besteht insbesondere nach dem Beschluss des Zweiten Senats vom 13. April 2021 und der Änderung des Bundeswahlgesetzes nicht, so dass dahinstehen kann, ob der Senat das Verfahren trotz des fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses der Antragstellerinnen fortsetzen könnte (vgl. hierzu BVerfGE 24, 299 <300>; 83, 175 <181>; 87, 207 <209>).

2. Die Auslagenentscheidung beruht auf § 34a Abs. 3 BVerfGG . Über die Auslagenerstattung, auch im Verfahren nach § 32 BVerfGG (vgl. hierzu BVerfGE 82, 310 <315>; 89, 91 <97>), ist gemäß § 34a Abs. 3 BVerfGG nach Billigkeitsgesichtspunkten zu entscheiden; sie kommt nur ausnahmsweise in Betracht (vgl. BVerfGE 96, 66 <67>; BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 2. März 2021 - 2 BvE 4/16 -, Rn. 86).

Hier sprechen keine Billigkeitsgründe für die Erstattung von Auslagen. Die Verfahren haben auch in Anbetracht des Beschlusses des Zweiten Senats vom 13. April 2021 - 2 BvE 1/21, 2 BvE 3/21 -, der die verfassungsrechtlichen Maßstäbe enthält, die bei der Regelung von Unterstützungsunterschriften im Bundeswahlgesetz zu beachten sind, nicht zur Klärung grundsätzlicher verfassungsrechtlicher Fragen beigetragen (vgl. BVerfGE 96, 66 <67>). Die Erfolgsaussichten der Verfahren vor Erledigung sind bei der Entscheidung über die Auslagenerstattung grundsätzlich nicht zu berücksichtigen (vgl. für die Verfassungsbeschwerde BVerfGE 33, 247 <264 f.>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 9. Februar 2017 - 1 BvR 309/11 -, Rn. 2).

3. Für die gerichtliche Festsetzung des Gegenstandswerts besteht aufgrund der Ablehnung des Anspruchs auf Auslagenerstattung kein Rechtsschutzbedürfnis.

4. Mit Erledigung des Verfahrens 2 BvE 5/21 findet auch der Beitritt der Piratenpartei Deutschland, unabhängig vom ursprünglichen Vorliegen der Voraussetzungen des § 65 BVerfGG , sein Ende (vgl. Barczak, BVerfGG , 1. Aufl. 2018, § 65 Rn. 23; Bethge, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, BVerfGG , § 65 Rn. 3 <Juli 2020>; Schorkopf, in: Burkiczak/Dollinger/Schorkopf, BVerfGG , 1. Aufl. 2015, § 65 Rn. 11).