Kontakt : 0221 / 93 70 18 - 0
Wir durchsuchen unsere Datenbank

BVerfG - Entscheidung vom 22.07.2021

2 BvC 7/21

Normen:
GG Art. 93 Abs. 1 Nr. 4c
BVerfGG § 13 Nr. 3a
§tG § 2 Abs. 1 S. 1
GG Art. 93 Abs. 1 Nr. 4c
BVerfGG § 13 Nr. 3a
PartG § 2 Abs. 1 S. 1
PartG § 2 Abs. 1 S. 1

BVerfG, Beschluss vom 22.07.2021 - Aktenzeichen 2 BvC 7/21

DRsp Nr. 2021/11812

Ablehnung der Anerkennung als Partei für die Wahl zum 20. Deutschen Bundestag

Im Hinblick auf die Voraussetzungen der Anerkennung einer - wie hier neu gegründeten - Partei für die Bundestagswahl und auf die Einhaltung der Kriterien des verfassungsrechtlichen Parteibegriffs fließt die Mitgliederzahl zwar lediglich als ein, jedoch regelmäßig mit großem Gewicht versehener Faktor in die erforderliche Gesamtbeurteilung der Ernsthaftigkeit der politischen Zielsetzung ein. Bei einer Partei in der Gründungsphase ist insoweit zu verlangen, dass sie in ihrem Bestand von einem Mitgliederwechsel unabhängig ist. Sie muss unabhängig davon aber tatsächlich ausreichend in der Öffentlichkeit hervortreten, um bundesweit auf die politische Willensbildung des Volkes Einfluss nehmen und einen Wahlkampf mit dem Ziel parlamentarischer Vertretung führen zu können. Eine weitgehend bloße Internetpräsenz reicht dafür jedenfalls nicht aus.

Tenor

Die Nichtanerkennungsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Normenkette:

PartG § 2 Abs. 1 S. 1;

[Gründe]

I.

Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen die Ablehnung der Anerkennung als Partei für die Wahl zum 20. Deutschen Bundestag.

1. Die am 19. Mai 2020 gegründete Beschwerdeführerin hat einen Vorstand mit drei Mitgliedern und verfügt über eine eigene Internetseite, auf der sich neben einer Kurzvorstellung der Partei und der Vorstandsmitglieder das Parteiprogramm sowie die Satzung finden. Hinweise auf geplante oder bereits durchgeführte Veranstaltungen fehlen. Über die Internetseite gibt es die Möglichkeit, sich als Mitglied registrieren zu lassen. Gebietsverbände hat die Beschwerdeführerin nicht.

2. Die Beschwerdeführerin zeigte dem Bundeswahlleiter mit Schreiben vom 23. März 2021 ihre Teilnahme an der Wahl zum 20. Deutschen Bundestag an und legte eine Erklärung zur Parteigründung vom 12. Mai 2020, ein Gründungsprotokoll vom 19. Mai 2020 sowie ein weiteres Gründungsprotokoll vom 28. Mai 2020 mit Teilnehmerliste und Satzung, einen Auszug aus dem Vereinsregister sowie ihr Parteiprogramm vor.

3. Der Bundeswahlleiter wies die Beschwerdeführerin auf mehrere Formmängel der Beteiligungsanzeige hin. Zudem bat er um die Übermittlung von Nachweisen zur Parteieigenschaft, insbesondere zur Gesamtzahl der Mitglieder. Soweit in der Beteiligungsanzeige der 28. Mai 2020 als Gründungsdatum genannt werde, nach den Unterlagen jedoch bereits am 19. Mai 2020 ein Gründungsvertrag geschlossen worden sei sowie der Vorstand gewählt und Satzung und Programm beschlossen worden seien, gehe er davon aus, dass die Gründung bereits am 19. Mai 2020 erfolgt sei.

4. Daraufhin teilte die Beschwerdeführerin am 15. April 2021 mit, dass sie sich am 19. Mai 2020 gegründet habe. Landesverbände würden gerade gegründet. Sie verfüge derzeit über 994 Mitglieder. Ein Hervortreten in der Öffentlichkeit habe bisher über die Internetseite stattgefunden. Versammlungen und Wahlwerbung seien für das zweite Quartal 2021 geplant. Als Anlage übersandte die Beschwerdeführerin eine anwaltliche Bestätigung über das Vorliegen einer Mitgliederliste mit 980 Mitgliedern.

5. Mit Schreiben vom 21. April 2021 wies der Bundeswahlleiter die Beschwerdeführerin darauf hin, dass in der Satzung mehrere der in § 6 Abs. 2 Nr. 1 bis 12 PartG genannten Punkte keine Regelung erfahren hätten und einige Regelungen zudem von den gesetzlichen Vorgaben abwichen. Er forderte die Beschwerdeführerin zur Stellungnahme auf, ob eine Satzungsänderung erwogen werde.

6. Mit Schreiben vom 21. Juni 2021 übersandte die Beschwerdeführerin dem Bundeswahlleiter mehrere Protokolle über Beschlüsse, welche die Mitgliederversammlung am 15. Juni 2021 im Wege von Briefwahlen gefasst habe. Danach hätten die Mitglieder unter anderem die Satzung neu gefasst, wobei 43 gültige Stimmzettel abgegeben worden seien.

7. In der Sitzung vom 8. Juli 2021, an der für die Beschwerdeführerin ihr Vorsitzender sowie ihr stellvertretender Vorsitzender teilnahmen und angehört wurden, entschied der Bundeswahlausschuss bei einer Gegenstimme und einer Enthaltung, dass die Beschwerdeführerin nicht als Partei anerkannt werde. Die formellen Voraussetzungen der Beteiligungsanzeige gemäß § 18 Abs. 2 BWahlG seien erfüllt, nicht jedoch die Kriterien der Parteieigenschaft gemäß § 2 PartG . Die Beschwerdeführerin habe insbesondere den ernsthaften Willen, an der politischen Willensbildung des Volkes mitzuwirken, nicht nachweisen können, sondern verfolge in erheblichem Ausmaß unternehmerische Ziele. Zudem habe sie Zweifel am ordnungsgemäßen Erwerb der Parteimitgliedschaften nicht ausräumen können.

8. Hiergegen hat die anwaltlich vertretene Beschwerdeführerin am 12. Juli 2021 Nichtanerkennungsbeschwerde erhoben und zur Begründung im Wesentlichen wie folgt vorgetragen:

a) Eine wirtschaftliche Betätigung der Beschwerdeführerin liege nicht vor. Auch diene ihre Betätigung nicht als bloßer Vorwand für die unternehmerische Tätigkeit ihrer Vorstandsmitglieder, insbesondere ihres Vorsitzenden. Die Parteigrundsätze und der von der Beschwerdeführerin verfolgte Zweck reichten weit über das unternehmerische Betätigungsfeld der Vorstandsmitglieder hinaus. Die Beschwerdeführerin habe für ihren Vorsitzenden in seiner Eigenschaft als Unternehmer keinen Werbewert, da ihre Mitgliederzahl im Verhältnis zum Kundenstamm ihres Vorsitzenden verschwindend gering sei.

b) Die Zweifel des Bundeswahlausschusses an der Mitgliederzahl seien unbegründet. Soweit bei der Abstimmung über die Satzung nur 43 gültige Stimmen per Briefwahl abgegeben worden seien, sei die Satzungsänderung auf Hinweis des Bundeswahlleiters kurzfristig erfolgt. Es sei normal, dass die Beteiligung an Mitgliederversammlungen hinter der Zahl der Mitglieder zurückbleibe. Zudem seien die Satzungsänderungen rein bürokratischer Natur gewesen. Im Übrigen sei anerkannt, dass auch eine Mitgliederzahl von 42 der Annahme der Parteieigenschaft nicht per se entgegenstehe.

c) Zweifel an der Ernsthaftigkeit der politischen Betätigung der Beschwerdeführerin könnten auch nicht daraus abgeleitet werden, dass sie keine Mitgliedsbeiträge erhebe. Es gebe keine Pflicht, dies zu tun. Der Bundeswahlausschuss habe nicht in Zweifel gezogen, dass die Beschwerdeführerin über ausreichend finanzielle Mittel verfüge.

d) Seit ihrer Gründung habe die Beschwerdeführerin zahlreiche Aktivitäten unternommen, um Einfluss auf die politische Willensbildung zu nehmen. So habe sie zwischen dem 17. Juni 2020 und dem 8. Januar 2021 neun Online-Veranstaltungen mit unterschiedlichen Themenschwerpunkten durchgeführt. Zudem habe sie am 26. Juni 2020 in Würzburg eine öffentliche Demonstration zum Thema "Natürliche Gesundheit" veranstaltet, an der pandemiebedingt 20 Personen hätten teilnehmen dürfen. Veranstalter sei die Beschwerdeführerin gewesen, auch wenn im Bescheid der Stadt Würzburg fälschlicherweise das Unternehmen des Vorsitzenden genannt sei. Am 29. August 2020 habe die Beschwerdeführerin an einem Aufzug der Organisation "Rettet die Kinder" teilgenommen, bei dessen Gelegenheit ihr Vorsitzender gesprochen habe. Sie plane eine Präsenzveranstaltung für alle Mitglieder auf dem Flugfeld des Flughafens Würzburg. Schließlich verfüge die Beschwerdeführerin über verschiedene Werbematerialien, die ihre Mitglieder bei öffentlichen Versammlungen verteilten.

9. Dem Bundeswahlausschuss ist gemäß § 96b BVerfGG Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden. Mit Schreiben vom 16. Juli 2021 hat der Bundeswahlleiter davon Gebrauch gemacht und bekräftigt, dass die Beschwerdeführerin nach mehrheitlicher Auffassung des Bundeswahlausschusses in erster Linie wirtschaftliche Ziele verfolge. Indiz dafür sei gewesen, dass der Vorsitzende bei seiner Anhörung im Bundeswahlausschuss das Hervortreten der Beschwerdeführerin in der Öffentlichkeit wiederholt mit seiner eigenen unternehmerischen Tätigkeit begründet habe. Zudem habe die Beschwerdeführerin einen Handzettel eingereicht, in dem sie nicht namentlich erwähnt, sondern die Internetadresse des Unternehmens ihres Vorsitzenden genannt werde. Auch der Bescheid der Stadt Würzburg weise als Veranstalterin der angemeldeten Versammlung das Unternehmen des Vorsitzenden aus. Die Angaben zum Hervortreten der Beschwerdeführerin in der Öffentlichkeit seien im Ungefähren geblieben.

Die Zweifel am ordnungsgemäßen Erwerb der Parteimitgliedschaft rührten unter anderem daher, dass die Mitgliederzahl in der Beteiligungsanzeige mit 994 angegeben worden sei, während die anwaltliche Bestätigung eine Liste mit 980 Mitgliedern ausweise und im Rahmen der Abstimmung über die Satzungsänderung nur 43 Stimmen abgegeben worden seien. Angesichts dieser Diskrepanz sei der Ausschuss mehrheitlich zu der Auffassung gelangt, dass die Angaben der Beschwerdeführerin zur Mitgliederzahl nicht plausibel gewesen seien. Daher komme es nicht darauf an, ob 43 Mitglieder für die Annahme der Parteieigenschaft ausreichend sein könnten.

10. Die Beschwerdeführerin hat mit Stellungnahme vom 19. Juli 2021 bekräftigt, dass sie keine unternehmerische Tätigkeit ausübe und auch nicht an Unternehmen beteiligt sei. Der Vorsitzende weise lediglich in den von ihm als Unternehmer veranstalteten Seminaren auf die Beschwerdeführerin hin. Es seien bisher 40.000 Exemplare ihres Programmes verteilt worden.

II.

Die Nichtanerkennungsbeschwerde ist jedenfalls unbegründet. Die Beschwerdeführerin ist nicht als wahlvorschlagsberechtigte Partei für die Wahl zum 20. Deutschen Bundestag anzuerkennen.

1. Parteien sind Vereinigungen von Bürgerinnen und Bürgern, die dauernd oder für längere Zeit für den Bereich des Bundes oder eines Landes auf die politische Willensbildung Einfluss nehmen und an der Vertretung des Volkes im Deutschen Bundestag oder einem Landtag mitwirken wollen, wenn sie nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse, insbesondere nach Umfang und Festigkeit ihrer Organisation, nach der Zahl ihrer Mitglieder und nach ihrem Hervortreten in der Öffentlichkeit eine ausreichende Gewähr für die Ernsthaftigkeit dieser Zielsetzung bieten (§ 2 Abs. 1 Satz 1 PartG ). Das Bundesverfassungsgericht geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass der Gesetzgeber den Parteienbegriff des Art. 21 Abs. 1 GG durch diese Legaldefinition in verfassungsmäßiger Weise konkretisiert hat (vgl. BVerfGE 89, 266 <269 f.> m.w.N.). Sie ist danach auch für die im vorliegenden Verfahren zu entscheidende Frage maßgeblich, ob die Beschwerdeführerin eine Partei ist. § 2 PartG muss allerdings im Lichte des Art. 21 Abs. 1 GG ausgelegt und angewendet werden (vgl. BVerfGE 89, 266 <270>; 134, 124 <128 f. Rn. 15>; 146, 319 <323 Rn. 14>).

Allein der Wille, "Partei" zu sein, ist nicht ausreichend. Die bei der Zulassung zur Wahl zu stellenden Anforderungen sollen gewährleisten, dass sich nur ernsthafte politische Vereinigungen und keine Zufallsbildungen von kurzer Lebensdauer um Wählerinnen und Wähler bewerben (vgl. BVerfGE 89, 266 <270>). Daraus folgt, dass es gewisser objektiver, im Verlauf der Zeit an Gewicht gewinnender Voraussetzungen bedarf, um einer politischen Vereinigung den Status einer Partei zuerkennen zu können (vgl. BVerfGE 134, 124 <129 Rn. 16>; 134, 131 <133 Rn. 8>; 146, 319 <323 Rn. 15>).

Wegen der den Parteien um der Offenheit des politischen Prozesses willen verfassungsrechtlich verbürgten Gründungsfreiheit ist bei politischen Vereinigungen, die am Beginn ihres Wirkens als Parteien stehen, zu berücksichtigen, dass der Aufbau einer Organisation, die sie zur Wahrnehmung ihrer Funktionen befähigt, eine gewisse Zeit erfordert. Parteien müssen aber auch in der Gründungsphase mindestens ansatzweise in der Lage sein, die ihnen nach § 2 Abs. 1 Satz 1 PartG in Übereinstimmung mit dem Grundgesetz zugedachten Aufgaben zu erfüllen (vgl. BVerfGE 134, 124 <129 Rn. 16 f.>). Während es in der Phase des Beginns mehr auf den sich in der Gründung als Partei artikulierenden Willen zur Mitwirkung an der politischen Willensbildung ankommen mag, muss sich mit fortschreitender Dauer des Bestehens der politischen Vereinigung die Ernsthaftigkeit ihrer politischen Zielsetzung auch anhand objektiver Kriterien bestätigen, die ihre Fähigkeit zur Erfüllung der Aufgaben einer Partei erkennen lassen (vgl. BVerfGE 146, 319 <324 Rn. 17>).

Entscheidend ist das "Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse". Die in § 2 Abs. 1 Satz 1 PartG angesprochenen, nicht trennscharf voneinander abzugrenzenden objektiven Merkmale - deren Aufzählung nicht erschöpfend ist (vgl. BVerfGE 89, 266 <270>), denen regelmäßig aber ein großes Gewicht zukommt (vgl. BVerfGE 89, 291 <306>) - sind Indizien für die Ernsthaftigkeit der politischen Zielsetzung. Keines ist für sich genommen ausschlaggebend, und nicht alle müssen von der Partei stets in gleichem Umfang erfüllt werden. Vielmehr bleibt es der Partei grundsätzlich überlassen, wie sie die Ernsthaftigkeit ihrer Zielsetzung unter Beweis stellt. Ihr ist es unbenommen, in ihrer politischen Arbeit Schwerpunkte zu setzen, sei es etwa im Bereich der Mitgliederwerbung und -aktivierung, der Öffentlichkeitsarbeit zwischen den Wahlen oder der Wahlteilnahme. Zurückhaltung in einem Bereich kann durch verstärkte Bemühungen auf anderen Gebieten in gewissen Grenzen ausgeglichen werden (vgl. BVerfGE 91, 262 <271>; 134, 124 <129 f. Rn. 17>; 134, 131 <133 f. Rn. 9>; 146, 319 <324 Rn. 18>).

Insgesamt kommt es darauf an, ob die Gesamtwürdigung der tatsächlichen Verhältnisse einer Partei - unter Einschluss der Dauer ihres Bestehens - den Schluss zulässt, dass sie ihre erklärte Absicht, an der politischen Willensbildung des Volkes mitzuwirken, ernsthaft verfolgt. Daraus ergibt sich, dass Vereinigungen, die nach ihrem Organisationsgrad und ihren Aktivitäten offensichtlich nicht imstande sind, auf die politische Willensbildung des Volkes Einfluss zu nehmen, bei denen die Verfolgung dieser Zielsetzung erkennbar unrealistisch und aussichtslos ist und damit nicht (mehr) als ernsthaft eingestuft werden kann, nicht als Parteien anzusehen sind (vgl. BVerfGE 91, 262 <271 f.>; 134, 124 <130 Rn. 18>; 134, 131 <134 Rn. 10>).

2. Gemessen an diesen Maßstäben handelt es sich bei der Beschwerdeführerin nicht um eine für die Wahl zum 20. Deutschen Bundestag wahlvorschlagsberechtigte Partei. Dabei kann dahinstehen, ob ihrer Parteieigenschaft eine Verfolgung unternehmerischer Ziele entgegenstehen könnte (a). Die Gesamtwürdigung der tatsächlichen Verhältnisse lässt unabhängig davon eine hinreichende Ernsthaftigkeit ihrer politischen Zielsetzung jedenfalls nicht erkennen (b).

a) Die Parteienfreiheit nach Art. 21 Abs. 1 Satz 1 GG schützt in ihrer Ausprägung als Betätigungsfreiheit jedenfalls alle parteitypischen Tätigkeiten, wobei diese nicht auf hergebrachte Betätigungsformen beschränkt sind (vgl. Morlok, in: Dreier, GG , 3. Aufl. 2015, Art. 21 Rn. 56; Streinz, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG , 7. Aufl. 2018, Art. 21 Rn. 107; Ipsen/Koch, in: Sachs, GG , 9. Aufl. 2021, Art. 21 Rn. 32). Soweit in der Literatur unterschiedlich beurteilt wird, ob und wieweit die Betätigungsfreiheit auch erwerbswirtschaftliche Tätigkeiten politischer Parteien schützt (vgl. Morlok, in: Dreier, GG , 3. Aufl. 2015, Art. 21 Rn. 57; Streinz, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG , 7. Aufl. 2018, Art. 21 Rn. 107; Klein, in: Maunz/Dürig, GG , Art. 21 Rn. 283 f. <Okt. 2020>), bedarf diese Frage vorliegend keiner Entscheidung. Es ist nicht ersichtlich, dass die Beschwerdeführerin - zumal in ihrem Schwerpunkt - erwerbswirtschaftlich tätig wäre.

Eine solche Tätigkeit folgt insbesondere nicht daraus, dass ihr Vorsitzender vor dem Bundeswahlausschuss wiederholt auf seine unternehmerische Tätigkeit verwiesen hat. Denn dies führt nicht dazu, dass die unternehmerische Tätigkeit des Vorsitzenden der Beschwerdeführerin zurechenbar wäre. Weder findet sich auf der Internetseite der Beschwerdeführerin ein expliziter Hinweis auf die von ihren Vorstandsmitgliedern betriebenen Unternehmen beziehungsweise den von diesen vertriebenen Produkten, noch weisen die von dem Vorsitzenden mit Blick auf seinen Handel mit Naturprodukten betriebenen Internetseiten (vgl. https://...de) auf die Beschwerdeführerin hin. Die einzige Verknüpfung zwischen dem Vorsitzenden als Person und der Beschwerdeführerin findet über das Logo statt, welches der Vorsitzende für einen unter seinem Namen betriebenen YouTube-Kanal verwendet (vgl. https://...) und welches das Logo der Beschwerdeführerin in Kombination mit dem Namen des Vorsitzenden zeigt. Daraus allein kann auf eine unternehmerische Tätigkeit der Beschwerdeführerin nicht geschlossen werden.

b) Ungeachtet dessen lässt die Gesamtwürdigung der tatsächlichen Verhältnisse, insbesondere des Hervortretens in der Öffentlichkeit (aa) sowie des Umfangs und der Festigkeit der Organisation (bb), nicht erkennen, dass die Beschwerdeführerin in der Lage ist, ernsthaft an der politischen Willensbildung des Bundes oder eines Landes mitzuwirken. Bedenken gegen die angegebene Mitgliederzahl der Beschwerdeführerin können daher dahinstehen (cc).

aa) (1) Die Präsenz der Beschwerdeführerin im Internet ist nicht geeignet, die Ernsthaftigkeit ihrer politischen Zielsetzung zu belegen. Es ist nicht ersichtlich, dass die Beschwerdeführerin insoweit über eine für die politische Willensbildung relevante Reichweite verfügt (vgl. BVerfGE 146, 319 <327 Rn. 25>). Auf der von ihr betriebenen Internetseite finden sich neben einer allgemein gehaltenen Vorstellung der Beschwerdeführerin sowie Informationen zu ihren Vorstandsmitgliedern lediglich die Satzung und das Programm. Ein Hinweis auf bevorstehende oder eine Dokumentation vergangener Veranstaltungen - wie sie die Beschwerdeführerin nach eigenen Angaben durchgeführt haben will - fehlt ebenso wie jegliche Auseinandersetzung mit aktuellen politischen Ereignissen. Soweit die Beschwerdeführerin über den YouTube-Kanal ihres Vorsitzenden in Erscheinung tritt, der über 98.500 Abonnenten verfügt, beschränkt sich ihre Sichtbarkeit als Partei im Wesentlichen auf ein Video vom 13. Juni 2020, in dem der Vorsitzende das Programm vorstellt. Zwar wurde dieses Video über 33.000-mal aufgerufen. Dies allein vermag ein hinreichendes Hervortreten der Beschwerdeführerin in der Öffentlichkeit jedoch nicht zu belegen, zumal das Video ein Jahr alt ist. Darüber hinaus befasst sich ein weiteres Video vom 11. Juli 2021 explizit mit der Beschwerdeführerin. Dieses geht jedoch - neben Kritik an der Entscheidung des Bundeswahlausschusses - inhaltlich nicht über eine Vorstellung des Programms hinaus und vermag daher ebenfalls eine für die politische Willensbildung relevante Reichweite der Beschwerdeführerin in den sozialen Medien nicht zu belegen.

Andere digitale Aktivitäten der Beschwerdeführerin, insbesondere solche mit Blick auf die bevorstehende Bundestagswahl, sind nicht ausreichend dargelegt. Soweit die Beschwerdeführerin behauptet, sie habe seit ihrer Gründung regelmäßig Online-Veranstaltungen mit unterschiedlichen Themenschwerpunkten durchgeführt, hat sie zwar Werbematerial für diese Veranstaltungen präsentiert. Es fehlt aber an Informationen dazu, wie und wo dieses verteilt wurde und wie viele Anmeldungen beziehungsweise Teilnehmerinnen und Teilnehmer es bei den behaupteten Veranstaltungen jeweils gab. Zudem datiert die letzte derart beworbene Veranstaltung vom 8. Januar 2021.

(2) Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Beschwerdeführerin außerhalb der sozialen Medien in einer Weise auf ihre politischen Zielsetzungen aufmerksam gemacht hat, dass dies den Rückschluss auf die ernsthafte Beteiligung an der politischen Willensbildung rechtfertigen könnte. Dass die Beschwerdeführerin Veranstaltungen, Kundgebungen oder öffentliche Werbeaktionen in relevantem Umfang durchgeführt hätte, ist nicht dargetan. Solches ist jedoch auch von einer Partei in der Gründungsphase - wie der Beschwerdeführerin - zu erwarten, um auf die Ernsthaftigkeit ihrer politischen Zielsetzung schließen zu können (vgl. BVerfGE 146, 319 <323 Rn. 16>). Dies gilt erst recht vor einer anstehenden Bundestagswahl, bei der die Beschwerdeführerin nach eigenem Bekunden antreten möchte. Soweit die Beschwerdeführerin behauptet, sie habe bisher 40.000 Exemplare ihres Programms verteilt, wird dies in keiner Weise belegt.

Dem steht auch der Hinweis auf die für den 26. Juni 2020 angemeldete Versammlung zum Thema "Natürliche Gesundheit" - ungeachtet der Frage, wer deren Veranstalterin war - nicht entgegen. Denn diese Versammlung liegt mittlerweile über ein Jahr zurück. Gleiches gilt, soweit die Beschwerdeführerin auf die Teilnahme an einer Versammlung am 29. August 2020 zum Thema "Rettet die Kinder" verweist, zumal der vorgelegte Veranstaltungsplan zwar den Vorsitzenden der Beschwerdeführerin namentlich ankündigt, einen Bezug zur Beschwerdeführerin jedoch nicht erkennen lässt.

(3) Eine andere Bewertung folgt auch nicht daraus, dass die Durchführung von Veranstaltungen aufgrund der Corona-Pandemie und den damit einhergehenden Beschränkungen im vergangenen Jahr erschwert war. Dies gilt schon vor dem Hintergrund, dass die Beschwerdeführerin seit Januar 2021 keine Online-Veranstaltungen mehr durchgeführt hat. Soweit die Beschwerdeführerin darauf verweist, dass sie zur Durchführung einer Präsenzversammlung die Anmietung des Flugfeldes des Flugplatzes Würzburg beabsichtige, dürfte die Durchführung einer einzigen Mitgliederversammlung kaum geeignet sein, ein für die Mitwirkung an der politischen Willensbildung ausreichendes Hervortreten in der Öffentlichkeit zu belegen, zumal eine Konkretisierung dieser Planungen durch nichts belegt ist. Gleiches gilt, soweit die Beschwerdeführerin pauschal auf die Verteilung von Werbematerial verweist. Sofern sie schließlich die Motive zweier Wahlplakate zur kommenden Bundestagswahl vorlegt, ist dies von vornherein lediglich dazu geeignet, die Absicht eines Hervortretens darzutun, die allein nach § 2 Abs. 2 PartG jedoch gerade nicht ausreichend ist.

bb) Auch Umfang und Festigkeit der Organisation der Beschwerdeführerin lassen nicht auf die Ernsthaftigkeit ihrer politischen Zielsetzung schließen. Sie verfügt neben dem Bundesverband über keine weiteren organisatorischen Strukturen, die auf eine hinreichende Verfestigung schließen ließen. Gebietsverbände bestehen trotz der von der Beschwerdeführerin angegebenen beachtlichen Mitgliederanzahl bislang nicht. Die Beschwerdeführerin hat auch keinerlei Aktivitäten oder Initiativen nachgewiesen, die auf den - behaupteten - Aufbau von Gebietsverbänden schließen ließen.

cc) Vor diesem Hintergrund kommt es auf die Frage, ob die von dem Bundeswahlausschuss mehrheitlich gehegten Zweifel an der tatsächlichen Mitgliederzahl der Beschwerdeführerin berechtigt sind, nicht an. Die Mitgliederzahl fließt zwar als ein regelmäßig mit großem Gewicht versehener Faktor in die erforderliche Gesamtbeurteilung der politischen Zielsetzung ein (vgl. BVerfGE 89, 291 <306>; 134, 124 <130 f. Rn. 20>). Die augenfälligen Defizite der Beschwerdeführerin im Bereich des Hervortretens in der Öffentlichkeit sowie bei Umfang und Festigkeit der Organisation können jedoch allein durch die Mitgliederzahl nicht ausgeglichen werden, zumal eine Aktivität dieser Mitglieder bei der politischen Willensbildung in keiner Weise dargetan ist.