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BGH - Entscheidung vom 24.11.2021

XI ZR 310/20

Normen:
BGB § 133
BGB § 271 Abs. 2

BGH, Urteil vom 24.11.2021 - Aktenzeichen XI ZR 310/20

DRsp Nr. 2022/1921

Feststellungen zu den Voraussetzungen für das Bestehen von Ansprüchen von Verbrauchern auf weitere Zinsbeträge aus Prämiensparverträgen i.R.d. Musterfeststellungsklage; Wirksamkeit von Zinsänderungsklauseln in Sparverträgen; Wahrung des Verhältnisses des konkret vereinbarten Zinssatzes zum Referenzzinssatz bei der Vornahme der Zinsanpassungen

Tenor

Auf die Revision des Musterklägers wird das Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 17. Juni 2020 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die zu dem Feststellungsziel 1 getroffene Feststellung den Zusatz enthält "sofern keine weiteren Regelungen zur Zinsanpassung getroffen worden sind". Ferner wird das vorbezeichnete Urteil auf die Revision des Musterklägers hinsichtlich der Abweisung des Hauptantrags (2.1.) und des ersten Hilfsantrags (2.2.) zum Feststellungsziel 2 aufgehoben und hinsichtlich der zu dem Feststellungsziel 3 getroffenen Feststellung teilweise abgeändert.

Soweit die Revision des Musterklägers die nachträglich im Wege der objektiven Klagehäufung geltend gemachten Hilfsanträge zu 2 und zu 3 weiterverfolgt, wird die Revision als unzulässig verworfen.

Auf die Revision der Musterbeklagten wird das vorbezeichnete Urteil hinsichtlich der zum zweiten Hilfsantrag (2.3.) des Feststellungsziels 2 getroffenen Feststellung aufgehoben.

Es werden - teilweise zur Klarstellung - folgende Feststellungen getroffen:

1.

Die Musterbeklagte hat mit ihren Kunden, die Verbraucher sind, bei Abschluss der Sparverträge "S-Prämiensparen flexibel" durch die Formulierungen "Die Sparkasse zahlt neben dem jeweils gültigen Zinssatz, z.Zt. ..%" oder "Die Spareinlage wird variabel, z.Zt. mit ..% verzinst" keine wirksamen Zinsänderungsregelungen getroffen (Feststellungsziel 1).

2.

Die Musterbeklagte ist verpflichtet, die Zinsänderung in den in Ziffer 1 genannten Sparverträgen monatlich vorzunehmen und dabei das im Zeitpunkt des Vertragsschlusses bestehende relative Verhältnis zwischen dem bei Vertragsschluss vereinbarten variablen Zinssatz und dem Referenzzinssatz im Sinne des Feststellungsziels 2 zu wahren (Feststellungsziel 3).

Hinsichtlich des Feststellungsziels 2 wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.

Die weitergehende Revision der Musterbeklagten wird zurückgewiesen.

Normenkette:

BGB § 133 ; BGB § 271 Abs. 2 ;

Tatbestand

Der Musterkläger, ein seit über vier Jahren als qualifizierte Einrichtung in die Liste nach § 4 UKlaG eingetragener Verbraucherschutzverband, begehrt im Wege der Musterfeststellungsklage Feststellungen zu den Voraussetzungen für das Bestehen von Ansprüchen von Verbrauchern auf weitere Zinsbeträge aus Prämiensparverträgen (sog. "S-Prämiensparen flexibel", nachfolgend: Sparverträge) gegen die Musterbeklagte.

Die Musterbeklagte bzw. deren Rechtsvorgänger (nachfolgend einheitlich: Musterbeklagte) schloss seit dem Jahr 1993 mit Verbrauchern Sparverträge ab, die eine variable Verzinsung der Spareinlage und ab dem dritten Sparjahr eine der Höhe nach - bis zu 50% der jährlichen Spareinlage ab dem 15. Sparjahr - gestaffelte verzinsliche Prämie vorsahen. Die Vertragsformulare enthielten bis zum 17. Februar 2005 keine konkreten Bestimmungen zur Änderung des variablen Zinssatzes. In ihnen heißt es u.a.:

"Die Spareinlage wird variabel, z.Zt. mit ..% p.a. verzinst."

oder

"Die Sparkasse zahlt neben dem jeweils gültigen Zinssatz, z.Zt. ..%".

In den in die Sparverträge einbezogenen "Bedingungen für den Sparverkehr" der Musterbeklagten heißt es u.a.:

"3. Verzinsung 3.1 Zinshöhe Soweit nichts anderes vereinbart ist, vergütet die Sparkasse dem Kunden den von ihr jeweils durch Aushang im Kassenraum bekannt gegebenen Zinssatz. Für bestehende Spareinlagen tritt eine Änderung des Zinssatzes, unabhängig von einer Kündigungsfrist, mit der Änderung des Aushangs in Kraft, sofern nichts anderes vereinbart ist....

3.3 Zinskapitalisierung Soweit nichts anderes vereinbart ist, werden die aufgelaufenen Zinsen zum Schluss des Geschäftsjahres gutgeschrieben, dem Kapital hinzugerechnet und mit diesem vom Beginn des neuen Geschäftsjahres an verzinst. Wird über die gutgeschriebenen Zinsen nicht innerhalb von 2 Monaten nach Gutschrift verfügt, unterliegen sie der im Übrigen vereinbarten Kündigungsregelung. Bei Auflösen des Sparkontos werden die Zinsen sofort gutgeschrieben.

4. Kündigung

Die Kündigungsfrist beträgt mindestens drei Monate. ..."

In den "Sonderbedingungen für S-Prämiensparen flexibel" der Musterbeklagten heißt es u.a.:

"8. Abweichend von Ziffer 3.3 der Bedingungen für den Sparverkehr wird eine Verfügungsmöglichkeit über die Zinsen und S-Prämien innerhalb von 2 Monaten nach Kapitalisierung ausgeschlossen."

Der Musterkläger hält die Regelungen zur Änderung des variablen Zinssatzes für unwirksam und die während der Laufzeit der Sparverträge von der Musterbeklagten vorgenommene Verzinsung für zu niedrig.

Mit der Musterfeststellungsklage hat er die Feststellungen begehrt, dass die Sparverträge keine wirksame Zinsänderungsklausel enthalten, insbesondere nicht durch die Formulierungen "Die Spareinlage wird variabel, z.Zt. mit ..% verzinst" oder "Die Sparkasse zahlt neben dem jeweils gültigen Zinssatz, z.Zt. ..%" (Feststellungsziel 1), dass die Musterbeklagte verpflichtet ist, die Zinsänderung für die Sparverträge auf der Grundlage des gleitenden Durchschnittswertes der letzten zehn Jahre der Umlaufrenditen inländischer Inhaberschuldverschreibungen/Hypothekenpfandbriefe mit einer mittleren Restlaufzeit von zehn Jahren (Zeitreihe WX4260 der Deutschen Bundesbank), hilfsweise auf der Grundlage eines von der Deutschen Bundesbank für inländische Banken erhobenen Referenzzinssatzes, welcher dem konkreten Geschäft möglichst nahekommt und der in das gerichtliche Ermessen gestellt wird, hilfsweise auf der Grundlage eines angemessenen in öffentlich zugänglichen Medien abgebildeten Referenzzinssatzes, der dem konkreten Geschäft möglichst nahekommt und der in das gerichtliche Ermessen gestellt wird, vorzunehmen (Feststellungsziel 2), dass die Musterbeklagte verpflichtet ist, die Zinsänderung monatlich unter Beibehaltung des relativen Verhältnisses zwischen dem anfänglich vereinbarten Zinssatz und dem Referenzzinssatz im Sinne des Feststellungsziels 2 vorzunehmen, hilfsweise die Zinsänderung nach in das Ermessen des Gerichts gestellten Anpassungsparametern hinsichtlich Anpassungsintervall, Anpassungsschwelle und Zinsabstand vorzunehmen (Feststellungsziel 3), dass die tatsächliche Zinsänderung der Musterbeklagten weder nach dem Referenzzinssatz im Sinne des Feststellungsziels 2 noch nach den Anpassungsparametern im Sinne des Feststellungsziels 3 erfolgte (Feststellungsziel 4), dass der vertragliche Anspruch von Kunden der Musterbeklagten, die Verbraucher sind, in Bezug auf das Guthaben aus den Sparverträgen einschließlich der im Sinne der Feststellungsziele 2 und 3 zu berechnenden Zinsen frühestens ab der wirksamen Beendigung des Sparvertrags fällig wird (Feststellungsziel 5), dass allein durch die Kenntnis der Höhe der tatsächlich vorgenommenen Zinsgutschrift im Sparbuch keine grob fahrlässige Unkenntnis oder Kenntnis der tatsächlichen Grundlagen, anhand derer die Höhe des tatsächlich zu kapitalisierenden Zinsbetrags zu ermitteln war, begründet wurde (Feststellungsziel 6) und dass allein die widerspruchslose Zinsgutschrift im Sparbuch nicht dazu führt, dass das Umstandsmoment für eine Verwirkung gegeben ist (Feststellungsziel 7).

Hinsichtlich der Feststellungsziele 1, 2 und 3 hat der Musterkläger im Laufe des Musterfeststellungsverfahrens hilfsweise weiter geltend gemacht, dass die zu diesen Feststellungszielen begehrten Feststellungen mit dem Zusatz zu treffen sind, "soweit individualvertraglich nicht etwas anderes vereinbart worden ist". Hinsichtlich des Feststellungsziels 7 hat er im Laufe des Musterfeststellungsverfahrens hilfsweise geltend gemacht, dass allein die widerspruchslose Zinsgutschrift im Sparbuch nicht dazu führt, dass das Zeitmoment für eine Verwirkung gegeben ist.

Das Oberlandesgericht hat der Musterfeststellungsklage hinsichtlich des Feststellungsziels 1, ergänzt um den Zusatz "sofern keine weiteren Regelungen zur Zinsanpassung getroffen worden sind", hinsichtlich des zweiten Hilfsantrags zum Feststellungsziel 2, hinsichtlich des Hauptantrags zum Feststellungsziel 3 bezüglich der Vornahme einer monatlichen Zinsänderung und hinsichtlich des Feststellungsziels 5 stattgegeben. Im Übrigen hat es die Musterfeststellungsklage hinsichtlich der Feststellungsziele 2, 3, 6 und 7 als unbegründet und hinsichtlich des Feststellungsziels 4 als unzulässig abgewiesen.

Die mit den im Laufe des Musterfeststellungsverfahrens zu den Feststellungszielen 2, 3 und 7 nachträglich geltend gemachten Hilfsanträgen verbundene Erweiterung des Streitstoffes hat es als unzulässige Klageänderung angesehen.

Mit der Revision hat der Musterkläger sein Feststellungsbegehren zunächst weiterverfolgt, soweit das Oberlandesgericht zu seinem Nachteil erkannt hat. Mit Schriftsatz vom 9. November 2021 hat er sein Rechtsmittel vor der mündlichen Verhandlung teilweise zurückgenommen. Nunmehr verfolgt er sein Feststellungsbegehren nur noch hinsichtlich der Feststellungsziele 1, 2 und 3 weiter, soweit das Oberlandesgericht zu seinem Nachteil erkannt hat. Die Musterbeklagte verfolgt mit der Revision ihren Antrag auf vollständige Abweisung der Musterfeststellungsklage weiter.

Entscheidungsgründe

Die Revision der Musterbeklagten hat nur insoweit Erfolg, als sie sich gegen die Feststellung zum zweiten Hilfsantrag des Feststellungsziels 2 wendet; im Übrigen bleibt sie erfolglos. Die Revision des Musterklägers ist unzulässig, soweit der Musterkläger mit ihr die von ihm im Laufe des Musterfeststellungsverfahrens nachträglich geltend gemachten Hilfsanträge zu den Feststellungszielen 2 und 3 weiterverfolgt. Sie hat Erfolg, soweit das Oberlandesgericht die Feststellung zum Feststellungsziel 1 um den Zusatz "sofern keine weiteren Regelungen zur Zinsanpassung getroffen worden sind" ergänzt und das Feststellungsziel 2 in seinem Hauptantrag und ersten Hilfsantrag als unbegründet sowie das Feststellungsziel 3 in seinem Hauptantrag teilweise als unbegründet angesehen hat.

A.

Die Musterfeststellungsklage ist zulässig. Das Oberlandesgericht hat das Vorliegen der Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 606 ZPO zu Recht bejaht. Bedenken hiergegen bringt die Revision der Musterbeklagten nicht vor.

B. Revision der Musterbeklagten

Die Revision der Musterbeklagten hat nur insoweit Erfolg, als sie sich gegen die Feststellung des Oberlandesgerichts zum zweiten Hilfsantrag des Feststellungsziels 2 wendet. Im Übrigen bleibt sie erfolglos.

I.

Das Oberlandesgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung - soweit für die Revision der Musterbeklagten von Bedeutung - im Wesentlichen ausgeführt:

Das Feststellungsziel 1 sei zulässig. Die Frage, ob die Klauseln "Die Spareinlage wird variabel, z.Zt. mit ..% p.a. verzinst" und "Die Sparkasse zahlt neben dem jeweils gültigen Zinssatz, z.Zt. ..%" wirksame Zinsänderungsklauseln seien, sei eine Rechtsfrage, die alle von der Klage erfassten Sparverträge gleichermaßen betreffe und die zulässiges Ziel einer Musterfeststellungsklage im Sinne der § 256 Abs. 1 , § 606 Abs. 1 ZPO sei. Die Wirksamkeit solcher Zinsänderungsklauseln habe nichts mit deren Vereinbarung im Einzelfall zu tun, sondern sei generalisierbar, ohne dass der Musterkläger vorrangig nach dem Unterlassungsklagengesetz hätte vorgehen müssen. Das Feststellungsziel 1 sei auch begründet, da die in den streitgegenständlichen Sparverträgen enthaltenen formularmäßigen Vereinbarungen eines einseitigen Bestimmungsrechts der Musterbeklagten über die Höhe des vereinbarten variablen Zinssatzes gemäß § 308 Nr. 4 BGB unwirksam seien. Die nicht näher eingegrenzte Befugnis der Musterbeklagten, dem Sparer jeweils Zinsen auf der Grundlage eines durch einen Aushang bekannt gemachten Zinssatzes zu zahlen, weise nicht das erforderliche Mindestmaß an Kalkulierbarkeit auf. Außerdem könne der Verbraucher die Zinsänderungen nicht mit der gebotenen Sicherheit kontrollieren.

Auch das Feststellungsziel 2 sei zulässig. Es sei darauf gerichtet, dass der Referenzzinssatz für die im Streit stehenden Sparverträge zu bestimmen sei. Betroffen seien allein die Sparverträge, die die genannten Zinsänderungsklauseln enthielten. Die Feststellung, dass die Musterbeklagte verpflichtet sei, die Zinsänderung für die genannten Sparverträge auf der Grundlage eines angemessenen in öffentlich zugänglichen Medien abgebildeten Referenzzinssatzes vorzunehmen, der dem konkreten Geschäft möglichst nahekomme, sei hinreichend generalisierbar und gelte für alle denkbaren Vertragsgestaltungen.

Das Feststellungsziel 3 sei ebenfalls zulässig und hinsichtlich des Hauptantrags teilweise begründet. Die Musterbeklagte habe die Zinsänderungen monatlich vorzunehmen. Der Bestimmung des Anpassungsintervalls im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung könne zugrunde gelegt werden, dass verständige Vertragsparteien, die eine indexabhängige Zinsanpassung begehrten, ein Anpassungsintervall gewählt hätten, das ihnen eine möglichst genaue Anpassung ohne zeitliche Verzögerungen ermögliche. Es sei davon auszugehen, dass die Parteien, wenn sie das Problem der erforderlichen Anpassungsintervalle bedacht hätten, das "Modell" mit der größten Genauigkeit gewählt hätten, das im Verwaltungsaufwand noch beherrschbar sei. Das sei bei einem monatlichen Anpassungsintervall der Fall.

Das Feststellungsziel 5 sei zulässig und begründet. Es stelle auf den Zeitpunkt der Entstehung der Zinsansprüche ab. Gegenstand der Musterfeststellungsklage könnten auch Tatsachen und rechtliche Voraussetzungen für das Nichtbestehen von Rechtsverhältnissen sein, wozu die Verjährung als rechtsvernichtende Einwendung gehöre. Die Zinsansprüche der Verbraucher seien - wie die auf Rückzahlung des Kapitals gerichteten Ansprüche - erst mit wirksamer Beendigung der Sparverträge fällig. Eine künstliche Aufspaltung des vereinbarten einheitlichen Rückzahlungsanspruchs (bestehend aus Kapital und kapitalisierten Zinsen), die zu unterschiedlichen Fälligkeitszeitpunkten führe, sei nicht gerechtfertigt. Die Verbraucher hätten mit der Musterbeklagten keinen separaten Anspruch auf Auszahlung der Guthabenzinsen vereinbart.

II.

Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung mit Ausnahme der zum zweiten Hilfsantrag des Feststellungsziels 2 getroffenen Feststellung im Ergebnis stand.

1. Wie der Senat mit Urteil vom 6. Oktober 2021 ( XI ZR 234/20, WM 2021, 2234 Rn. 20 ff., zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen) bereits erkannt hat, ist das Feststellungsziel 1 zulässig und begründet. Das gilt auch für die ebenfalls zum Gegenstand des Feststellungsziels 1 gemachte weitere Klausel "Die Sparkasse zahlt neben dem jeweils gültigen Zinssatz, z.Zt. ..%". Auch sie enthält bei der gebotenen objektiven Auslegung im Zusammenhang mit Ziffer 3.1 der Bedingungen für den Sparverkehr ein Zinsänderungsrecht der Musterbeklagten, nach dem diese den Zinssatz durch die Änderung eines Aushangs in ihrem Kassenraum ändern kann. Insoweit die Klausel danach die Variabilität der Verzinsung ausgestaltet, ist sie einer AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle unterworfen (vgl. Senatsurteil vom 21. April 2009 - XI ZR 78/08, BGHZ 180, 257 Rn. 17) und hält dieser wegen eines Verstoßes gegen den nach Art. 229 § 5 Satz 2 EGBGB anwendbaren § 308 Nr. 4 BGB nicht stand, weil sie nicht das erforderliche Mindestmaß an Kalkulierbarkeit möglicher Zinsänderungen aufweist (vgl. Senatsurteil vom 6. Oktober 2021, aaO Rn. 29 mwN).

2. a) Zu Recht ist das Oberlandesgericht weiter von der Zulässigkeit des Hauptantrags und des ersten Hilfsantrags zum Feststellungsziel 2 ausgegangen. Wie der Senat in seinem Urteil vom 6. Oktober 2021 ( XI ZR 234/20, WM 2021, 2234 Rn. 32) erkannt hat, hat das Feststellungsziel weder ausdrücklich noch verdeckt die Feststellung eines Leistungsanspruchs der Verbraucher gegen die Musterbeklagte zum Gegenstand.

b) Rechtsfehlerhaft hat das Oberlandesgericht allerdings auf den zweiten Hilfsantrag zum Feststellungsziel 2 festgestellt, dass die Musterbeklagte verpflichtet sei, die Zinsanpassung auf der Grundlage eines angemessenen in öffentlich zugänglichen Medien abgebildeten Referenzzinssatzes, der dem konkreten Geschäft möglichst nahekomme, vorzunehmen. Wie der Senat nach Verkündung des Urteils des Oberlandesgerichts entschieden hat, ist diese Feststellung nicht klärungsbedürftig und verkennt den Kern des Rechtsschutzbegehrens des Musterklägers (Senatsurteil vom 6. Oktober 2021 - XI ZR 234/20, WM 2021, 2234 Rn. 36 f.).

3. Zu Recht ist das Oberlandesgericht hinsichtlich des Hauptantrags zum Feststellungsziel 3 im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung (§§ 133 , 157 BGB ) davon ausgegangen, dass die Zinsanpassungen in den Sparverträgen von der Musterbeklagten monatlich vorzunehmen und jährlich gutzuschreiben sind (Senatsurteil vom 6. Oktober 2021 - XI ZR 234/20, WM 2021, 2234 Rn. 38 ff.). Unionsrechtliche Erwägungen stehen der Vornahme einer ergänzenden Vertragsauslegung nicht entgegen (Senatsurteil aaO Rn. 47 ff.). Wie der Senat bereits erkannt hat, ist es sachgerecht, die Vereinbarung monatlicher Zinsanpassungen anzunehmen, weil der für langfristige Spareinlagen der vorliegenden Art geeignete Referenzzinssatz für vergleichbare Produkte in der von der Deutschen Bundesbank erhobenen Zinsstatistik monatlich veröffentlicht wird (Senatsurteil aaO Rn. 57). Dabei führt jede Veränderung des Referenzzinssatzes ohne Erreichen einer bestimmten Anpassungsschwelle zu einer Veränderung des Vertragszinses (Senatsurteil aaO Rn. 59 mwN).

4. Rechtsfehlerfrei ist das Oberlandesgericht weiter davon ausgegangen, dass die Ansprüche der Verbraucher auf das Sparguthaben einschließlich der weiteren Zinsbeträge frühestens ab dem Zeitpunkt der Beendigung der Sparverträge fällig werden (Feststellungsziel 5).

Aus Ziffer 3.3 der Bedingungen für den Sparverkehr und Ziffer 8 der Sonderbedingungen für "S-Prämiensparen flexibel" folgt bei der gebotenen objektiven Auslegung, dass der Kunde erst mit der Beendigung des Sparvertrags die Auszahlung des Sparguthabens einschließlich der zum Ende eines jeden Geschäftsjahres gutgeschriebenen kapitalisierten Zinsen verlangen kann. Erst zu diesem Zeitpunkt wird daher der aus dem Sparguthaben und den Zinsen bestehende Anspruch des Kunden auf Zahlung fällig (§ 271 Abs. 2 BGB ), was Voraussetzung für die Ingangsetzung des Verjährungslaufs ist (Senatsurteil vom 6. Oktober 2021 - XI ZR 234/20, WM 2021, 2234 Rn. 65). Entgegen der Rechtsansicht der Musterbeklagten ist hinsichtlich der Fälligkeit des Zinsanspruchs nicht zwischen den bereits tatsächlich gutgeschriebenen Zinsen einerseits und den weiteren aufgrund der ergänzenden Vertragsauslegung noch gutzuschreibenden Zinsen andererseits zu differenzieren. Wie der Senat bereits entschieden hat, unterliegen die in einem Sparguthaben enthaltenen Zinsen derselben Verjährung wie das übrige angesparte Kapital, was auch für die Ansprüche der Kunden auf weitere Zinsbeträge aus den Sparverträgen gilt, die die Musterbeklagte den Kunden bislang nicht gutgeschrieben hat (Senatsurteil aaO Rn. 66 ff.).

C. Revision des Musterklägers

Die Revision des Musterklägers hat teilweise Erfolg.

I.

Sie ist allerdings insoweit unzulässig, als der Musterkläger mit ihr die von ihm im Laufe des Musterfeststellungsverfahrens nachträglich geltend gemachten Hilfsanträge zu den Feststellungszielen 2 und 3 weiterverfolgt.

Das Oberlandesgericht hat die mit diesen Hilfsanträgen verbundene Erweiterung des Streitstoffs als objektive Klagehäufung eingestuft, auf welche die Vorschriften über die Klageänderung entsprechend anzuwenden seien. Die Klageänderung hat es als unzulässig angesehen, weil die Musterbeklagte ihr nicht zugestimmt hat und die Erweiterung des Streitstoffs nicht sachdienlich im Sinne des § 263 ZPO sei. Mit dieser Beurteilung setzt sich die Revision des Musterklägers nicht auseinander, so dass es an der notwendigen Begründung gemäß § 552 Abs. 1 , § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ZPO fehlt.

Soweit der Musterkläger mit seinem Revisionsantrag, der auf die vor dem Oberlandesgericht gestellten "Schlussanträge" Bezug nimmt, auch die nachträglich geltend gemachten Hilfsanträge zu den Feststellungszielen 2 und 3 weiterverfolgt, liegt darin eine Klageerweiterung. Denn nach der vom Oberlandesgericht vorgenommenen und von der Revision des Musterklägers nicht angegriffenen Beurteilung ist die vom Musterkläger in der Vorinstanz beabsichtigte Klageänderung unzulässig gewesen, so dass die Rechtshängigkeit der mit den nachträglich geltend gemachten Hilfsanträgen verbundenen Streitgegenstände mit rechtskräftiger Verneinung der Zulässigkeit der Klageänderung rückwirkend endete (vgl. OLG Bamberg, NJW-RR 2013, 636 ; Stein/Jonas/Roth, ZPO , 23. Aufl., § 263 Rn. 36). Die Klageerweiterung in der Revisionsinstanz ist unzulässig (BGH, Urteil vom 10. Juli 2013 - VIII ZR 300/12, juris Rn. 22; Senatsurteil vom 29. April 2014 - XI ZR 477/12, juris Rn. 15).

II.

Im Übrigen ist die Revision des Musterklägers begründet.

1. Das Oberlandesgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung - soweit für die Revision des Musterklägers von Bedeutung - im Wesentlichen ausgeführt:

Das Feststellungsziel 1 sei zwar zulässig und begründet. Im Tenor sei aber ohne inhaltliche Änderung zur Klarstellung im Hinblick auf die konkret erfassten Vertragsgestaltungen der Zusatz aufzunehmen "sofern keine weiteren Regelungen zur Zinsanpassung getroffen worden sind".

Das Feststellungsziel 2 sei hinsichtlich des Hauptantrags und des ersten Hilfsantrags unbegründet. Da die Zinsänderungsklauseln unwirksam seien und dispositives Recht insoweit fehle, sei die entstehende Lücke im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung zu schließen, die durch das Gericht vorzunehmen sei. Ausgangspunkt der ergänzenden Vertragsauslegung sei der konkret abgeschlossene Vertrag, welcher vom Ausgangspunkt des "wirklich Gewollten her weitergedacht" werden müsse. Eine solche ergänzende Vertragsauslegung könne nicht im Zuge einer Musterfeststellungsklage generalisierend für alle Verträge vorgenommen werden, weil sich die Sparverträge hinsichtlich des Abschlussdatums und der konkreten Umstände unterschieden, die zum Vertragsschluss geführt hätten. Das Oberlandesgericht könne nicht überprüfen, ob sämtliche Verbraucher, die ihre Ansprüche zum Klageregister angemeldet hätten, im gesamten Zeitraum wortgleiche Verträge abgeschlossen hätten. Da der konkrete Vertragsinhalt nicht in jedem Einzelfall sicher feststehe, könne kein für alle Sparverträge gültiger Referenzzinssatz bestimmt werden.

Das Feststellungsziel 3 sei hinsichtlich des Hauptantrags insoweit unbegründet, als der Musterkläger mit ihm die Feststellung begehre, dass bei den von der Musterbeklagten monatlich vorzunehmenden Zinsanpassungen das relative Verhältnis zwischen dem bei Vertragsabschluss vereinbarten variablen Zinssatz und dem zu bestimmenden Referenzzinssatz gewahrt bleibe. Dem Oberlandesgericht sei eine Feststellung hierzu im Rahmen einer Musterfeststellungsklage nicht möglich, weil sie Teil der ergänzenden Vertragsauslegung sei, die "nicht generalisierbar" sei.

2. Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung in wesentlichen Punkten nicht stand.

a) Wie der Senat bereits ausgeführt hat (siehe oben, B. II. 1.), ist das Oberlandesgericht zwar zu Recht von der Unwirksamkeit der im Streit stehenden Zinsänderungsklauseln ausgegangen (Feststellungsziel 1). Mit Erfolg wendet sich der Musterkläger aber gegen den vom Oberlandesgericht in den Feststellungsausspruch aufgenommenen Zusatz "sofern keine weiteren Regelungen zur Zinsanpassung getroffen worden sind".

Durch die rechtsfehlerfreie Auslegung des vom Musterkläger formulierten Feststellungsziels 1 hat das Oberlandesgericht das Feststellungsziel und damit dessen Streitgegenstand zutreffend auf die wörtlich wiedergegebenen Klauseln "Die Sparkasse zahlt neben dem jeweils gültigen Zinssatz, z.Zt. ..%" und "Die Spareinlage wird variabel, z.Zt. mit ..% verzinst" begrenzt, die bei der gebotenen objektiven Auslegung jeweils im Zusammenhang mit der in Ziffer 3.1 der Bedingungen für den Sparverkehr bestimmten Regelung zu verstehen sind (siehe oben, B. II. 1.). Damit hat es insoweit auch die Reichweite der Bindungswirkung des Musterfeststellungsurteils für die Gerichte bestimmt, die über die zwischen den angemeldeten Verbrauchern und der Musterbeklagten bestehenden Individualverfahren zu entscheiden haben (§ 613 Abs. 1 ZPO ). Erst diese Gerichte (und nicht das Oberlandesgericht) untersuchen und entscheiden darüber, ob ihre Entscheidungen die Feststellungsziele und den Lebenssachverhalt der Musterfeststellungsklage betreffen. Das Bestehen von Individualvereinbarungen zwischen einzelnen Verbrauchern und der Musterbeklagten über Regelungen der Zinsanpassung führt nicht dazu, dass die generalisierbaren Zinsänderungsklauseln, die Gegenstand des Feststellungsziels 1 sind, wirksam werden. Derartige Individualvereinbarungen haben vielmehr gemäß § 305b BGB Vorrang und schließen daher die Bindungswirkung des Musterfeststellungsurteils nach § 613 Abs. 1 ZPO für das betreffende Individualverfahren aus (Senatsurteil vom 6. Oktober 2021 - XI ZR 234/20, WM 2021, 2234 Rn. 80).

b) Rechtsfehlerhaft hat das Oberlandesgericht weiter den Hauptantrag und den ersten Hilfsantrag zum Feststellungsziel 2 zurückgewiesen.

Wie der Senat nach Verkündung des Urteils des Oberlandesgerichts erkannt und eingehend begründet hat, hätte das Oberlandesgericht einen Referenzzinssatz für die variable Verzinsung des Sparguthabens im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung bestimmen müssen (Senatsurteil vom 6. Oktober 2021 - XI ZR 234/20, WM 2021, 2234 Rn. 81 ff.). Nach dem Konzept der Sparverträge der vorliegenden Art ist es dabei allein interessengerecht, einen Referenzzinssatz für langfristige Spareinlagen heranzuziehen (Senatsurteil aaO Rn. 85).

Das Oberlandesgericht hat bislang keine Feststellungen dazu getroffen, ob der vom Musterkläger in seinem Hauptantrag zum Feststellungsziel 2 genannte Zinssatz der Zinsreihe WX4260 der Zinsstatistik der Deutschen Bundesbank als Referenzzinsatz den Interessen der Parteien eines Sparvertrags mit den typischen Merkmalen gerecht wird. Es wird dies daher mit sachverständiger Hilfe nachzuholen haben. Sollte das Oberlandesgericht zu dem Ergebnis kommen, dass dieser Zinssatz den an ihn als Referenzzinssatz zu stellenden Anforderungen nicht genügt, wird es - ebenfalls sachverständig beraten - über den ersten Hilfsantrag zum Feststellungsziel 2 zu entscheiden haben und dabei klären müssen, welcher konkrete, in den Zinsstatistiken der Deutschen Bundesbank veröffentlichte Zinssatz als Referenzzinssatz heranzuziehen ist (Senatsurteil vom 6. Oktober 2021 - XI ZR 234/20, WM 2021, 2234 Rn. 86).

c) Mit Erfolg wendet sich der Musterkläger weiter gegen die teilweise Abweisung des Hauptantrags zum Feststellungsziel 3.

Wie der Senat nach Verkündung des Urteils des Oberlandesgerichts für vergleichbare Sparverträge erkannt hat, muss bei den von der Musterbeklagten vorzunehmenden Zinsanpassungen das Verhältnis des konkret vereinbarten Zinssatzes zum Referenzzinssatz gewahrt bleiben und nicht eine gleich bleibende absolute Gewinnmarge (Senatsurteil vom 6. Oktober 2021 - XI ZR 234/20, WM 2021, 2234 Rn. 95 ff.). Die Anwendung der Verhältnismethode entspricht bei der maßgebenden objektiv-generalisierenden Sicht den typischen Vorstellungen der Vertragsparteien bei Vertragsschluss. Sie wahrt das Äquivalenzprinzip, indem sie gewährleistet, dass günstige Zinskonditionen günstig bleiben und ungünstige auch ungünstig bleiben dürfen (Senatsurteil aaO Rn. 96 mwN). Wie der Senat ebenfalls bereits eingehend begründet hat, stehen bankaufsichtsrechtliche Gesichtspunkte der Anwendung der Verhältnismethode nicht entgegen (Senatsurteil aaO Rn. 100 ff.).

D.

Nach alledem ist das Urteil des Oberlandesgerichts hinsichtlich der Feststellungsziele 1 und 3 teilweise und hinsichtlich des Feststellungsziels 2 insgesamt aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO ). Über die Feststellungsziele 1 und 3 kann der Senat in der Sache selbst entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO ), da es insoweit keiner weiteren tatsächlichen Feststellungen bedarf. Dies führt hinsichtlich der Feststellungsziele 1 und 3 zu den vom Musterkläger beantragten Feststellungen.

Hinsichtlich des Feststellungsziels 2 ist die Sache zur weiteren Sachaufklärung an das Oberlandesgericht zurückzuverweisen, da die Sache insoweit nicht zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO ). Das Oberlandesgericht wird erneut über die in einem Eventualverhältnis stehenden Anträge desMusterklägers zum Feststellungsziel 2 zu entscheiden und dabei mit sachverständiger Hilfe im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung einen Referenzzinssatz gemäß den Ausführungen unter C. II. 2. b) zu bestimmen haben (vgl. Senatsurteil vom 14. März 2017 - XI ZR 508/15, WM 2017, 808 Rn. 27 ff.).

Von Rechts wegen

Verkündet am: 24. November 2021

Vorinstanz: OLG Dresden, vom 17.06.2020 - Vorinstanzaktenzeichen 5 MK 1/20