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Verwertungskündigung bei einfachem Wohnraum

Eine vom Vermieter wegen eines geplanten Abrisses und Neubaus ausgesprochene
Kündigung genügt dem Begründungserfordernis des § 573 Abs. 3 BGB, wenn dem Mieter
mitgeteilt wird, aus welchen Gründen der Vermieter die vorhandene Bausubstanz nicht für
erhaltenswert hält und welche baulichen Maßnahmen er stattdessen plant.

Darum geht es:

Die Beklagte hatte im Jahr 1995 bei der Stadt Hamburg als Rechtsvorgängerin eine Wohnung in einer Siedlung angemietet. Die Wohnungen der Siedlung befanden sich in einem sehr schlechten baulichen Zustand. Da sich diese Nachteile nicht durch eine Sanierung beseitigen ließen, erteilte die Stadt Hamburg für die meisten Wohnblocks – in denen sich auch die Wohnung des Beklagten befand - eine Zweckentfremdungsgenehmigung zum Abriss und zur Neuerrichtung der Wohnungen in einem auch für Familien geeigneten, zeitgemäßen Zustand.

Nachdem die Vermieterin diese Siedlung 1996 erworben hatte, beabsichtigte sie, den Wohnblock des beklagten Mieters abzureißen und durch moderne Wohnungen zu ersetzen. Mit der Begründung, dass der Abriss u.a. wegen der unzulässig niedrigen Raumhöhe und gravierender Schäden an der Bausubstanz erforderlich ist, kündigte sie den Mietvertrag.

Der Mieter war mit der Kündigung nicht einverstanden. Er war der Ansicht, dass die Vermieterin diese nicht ausreichend begründet und insbesondere keine Wirtschaftlichkeitsberechnung vorgelegt habe. Darüber hinaus sei es für die Vermieterin wirtschaftlich tragbar, wenn sie den Wohnblock des Mieters instandsetzen und dabei seine Wohnung erhalten würde.

Das Amtsgericht Hamburg St. Georg wies die Räumungsklage der Vermieterin ab. Aufgrund der eingelegten Berufung der Vermieterin gab das Landgericht Hamburg ihrer Räumungsklage statt. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebte der Mieter die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Die Revision hat keinen Erfolg.

Wesentliche Entscheidungsgründe:

Nach Ansicht des BGH sind an die Begründung einer Kündigung keine überzogenen Anforderungen zu stellen. Gem. § 573 Abs. 3 BGB muss der Vermieter die Gründe für seine berechtigten Interessen darlegen. Hierzu reicht es, dass die Mieter erfahren, weshalb die vorhandene Bausubstanz nicht erhalten werden kann und welche baulichen Maßnahmen durchgeführt werden müssen. Der Vermieter ist dagegen nicht verpflichtet, eine Wirtschaftlichkeitsberechnung vorzulegen.

Eine Verwertungskündigung darf ausgesprochen werden, wenn der Vermieter bei Fortbestand des Mietverhältnisses an der wirtschaftlichen Verwertung gehindert ist und ihm dadurch ein erheblicher Nachteil entsteht. Ob ein solcher besteht, ist durch eine Abwägung des Bestandsinteresses des Mieters mit dem Verwertungsinteresse des Vermieters zu ermitteln. Im vorliegenden Fall geht der BGH von einem erheblichen Nachteil für den Vermieter aus.

Maßgeblich ist hier, dass der Vermieter die Wohnungen mit Sanierungsmaßnahmen nicht in einen Zustand versetzen kann, der den heutigen Ansprüchen gerecht wird. Der betroffene Mieter kann nicht verlangen, dass der Vermieter aus Rücksicht auf ihn auf die Umsetzung seines Konzepts verzichtet. Der Vermieter ist dem Mieter gegenüber nicht verpflichtet darzulegen, ob sich der Neubau für ihn wirtschaftlich rentiert. In diesem Zusammenhang ist unerheblich, ob der Zustand der Wohnung darauf zurückzuführen ist, dass der Vermieter zu wenig für den Erhalt getan hat. Ein diesbezüglicher Einwand des Mieters gegen die Kündigung ist daher nicht zu berücksichtigen.

Folgerungen aus der Entscheidung:

Aus der Entscheidung ergibt sich, dass eine Verwertungskündigung nur dann in Betracht kommt, wenn ein hinreichendes Interesse des Vermieters an der Verwertung besteht. Nicht ausreichend ist dabei der Umstand, dass mit Neubauwohnungen eine höhere Miete eingenommen werden kann. Darüber hinaus müssen Sanierungsmaßnahmen ungeeignet sein. Der Vermieter muss jedoch keinen Nachweis darüber erbringen, ob sich ein Neubau für ihn wirtschaftlich rechnet. Inwieweit das Verwertungsinteresse des Vermieters gegenüber dem Bestandsinteresse des Mieters überwiegt, hängt von den genauen Umständen des jeweiligen Einzelfalls ab.

Praxishinweis:

Der beratende Rechtsanwalt sollte Vermieter darauf hinweisen, dass die Durchführung von Sanierungsmaßnahmen in der Regel auf geringere Widerstände stoßen wird als ein Abriss alter und die Errichtung von neuen Wohnungen. Der Vermieter sollte daher im eigenen Interesse darauf achten, dass er die Wohnungen seiner Mieter durch rechtzeitige Sanierung in einem ordnungsgemäßen Zustand hält. Das gilt vor allem dann, wenn Mieter sehr lange in einer Wohnung gelebt haben. Keinesfalls sollten vorhandene Mängel beim Auszug einfach durch Überstreichen kaschiert werden. Wenn die Durchführung einer Sanierung aufgrund des schlechten baulichen Zustands nicht mehr möglich ist, sollte der Vermieter dies nachweisen können.

BGH, Urt. v. 09.02.2011 – VIII ZR 155/10