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Sondereigentum ohne tatsächliche Abgrenzung des Raumes

Urteilsbesprechung mit Praxishinweis: Bei der vertraglichen Einräumung von Sondereigentum (§ 3 WEG) oder bei der Teilung nach § 8 WEG kommt es immer wieder zu Problemen, die dazu führen, dass kein Sondereigentum oder nicht in dem beabsichtigten Umfang entsteht.

Inhalt der Grundbucheintragung ist bei der Teilung eines Grundstücks in Wohnungseigentum die Teilungserklärung als Eintragungsbewilligung (§ 8 Abs. 1 WEG) und der Aufteilungsplan als Anlage dazu (§ 8 Abs. 2 i.V.m. § 7 Abs. 4 Nr. 1 WEG).

BGH - Urt. vom 18.07.2008 (V ZR 97/07)

1. Fall Widerspruch Teilungserklärung und Aufteilungsplan
Widerspricht der schriftliche Teil der Teilungsklärung hinsichtlich der Zuordnung einzelner Räume zum Sonder- oder Gemeinschaftseigentum dem Aufteilungsplan, so entsteht bei Bezugnahme (auf Teilungserklärung und Aufteilungsplan) im Grundbuch an diesen Räumen kein Sonder-, sondern Gemeinschaftseigentum.

2. Fall Abweichende Bauausführung
Bei der Ausführung von Bauvorhaben kommt es in der Praxis dazu, dass abweichend von den Plänen gebaut wurde. Ist die Begrenzung des Sondereigentums nach dem Aufteilungsplan und der Bauausführung eindeutig, kann nach der Grundsatzentscheidung des BGH Sondereigentum an einem Raum auch dann entstehen, wenn es an einer tatsächlichen Abgrenzung des Raums gegen fremdes Sondereigentum fehlt.

Darum geht es:

Der Kläger ist Eigentümer der Wohnung Nr. 3, die er vom Bauträger B zum Eigentum erworben hat. Die Teilungserklärung nimmt Bezug auf den Aufteilungsplan. Nach dem Aufteilungsplan besteht die Wohnung Nr. 3 aus einem Hobbyraum im Dachgeschoss sowie aus Küche, Diele, Bad, Schlafzimmer, Wohnzimmer und Balkon im Obergeschoss des Hauses.

Der Beklagte ist Eigentümer der Wohnung Nr. 2. Die Wohnung Nr. 2 besteht aus Räumen im Erdgeschoss und einem an den Wohnraum der Wohnung Nr. 3 angrenzenden, etwa 24 qm großen Wohnraum im Obergeschoss.

Die Abgeschlossenheit der Wohnungen wurde von der zuständigen Behörde bestätigt. Die Wohnung Nr. 2 wurde von B veräußert, zunächst an F, schließlich an den Vater der F und dann an den Beklagten. Die Ausführung des Gebäudes weicht im Obergeschoss von dem Aufteilungsplan ab. Die in dem Plan verzeichnete Türöffnung zwischen der Diele und dem Wohnzimmer der Wohnung Nr. 3 besteht nicht. Das Zimmer ist nicht gegen den angrenzenden Wohnraum der Wohnung Nr. 2 abgeschlossen, sondern bildet mit diesem zusammen einen etwa 49 qm großen Raum, der allein von der Wohnung Nr. 2 aus zugänglich ist.

Der Kläger begehrt Räumung und Herausgabe des Raums und weiter, den Beklagten zu verurteilen, die Abtrennung der nach seiner Auffassung der zu seiner Wohnung gehörenden Fläche aus dem von der Beklagten genutzten Wohnraum zu dulden.

Wesentliche Entscheidungsgründe:

Der Anspruch aus §§ 985, 1004 Abs. 1 BGB, 15 Abs. 3 WEG besteht grundsätzlich. An dem streitigen Teil des Wohnraums ist nach der überzeugenden Ansicht des BGH Sondereigentum entstanden.

Wird ein noch nicht bebautes Grundstück nach § 8 WEG geteilt, entsteht Sondereigentum mit der Herstellung der jeweiligen Wohnung bzw. Teileigentumseinheit (BGH, Urt. v. 22.12.1989 - V ZR 339/87, BGHZ 110, 36, 38) spätestens mit der Herstellung des Gebäudes. Abweichungen der Bauausführung von dem Aufteilungsplan berühren das Entstehen des Sondereigentums solange nicht, wie die Abgrenzung des Sondereigentums gegen das Gemeinschaftseigentum und das weitere Sondereigentum in dem Gebäude nicht unmöglich ist.

Zur Entstehung von Sondereigentum reicht es aus, dass dieses gegen sonstiges Sondereigentum und gegen das Gemeinschaftseigentum eindeutig abgrenzbar ist (OLG Celle, Urt. v. 15.06.1979 - 4 U 30/79, OLGZ 1981, 106, 108; OLG Zweibrücken FGPrax 2006, 103, 104). Danach kann unterschiedliches Sondereigentum an Teilen eines Raumes bestehen. Die Außengrenzen der im Aufteilungsplan vorgesehenen Trennwand begrenzen das Sondereigentum gegen das Gemeinschaftseigentum bzw. das Mitsondereigentum an der nicht errichteten Trennwand (dazu BGH, Beschl. v. 21.12.2000 - V ZB 45/00, BGHZ 146, 241, 248). Das Erfordernis der Abgeschlossenheit bedeutet nach § 3 Abs. 2 Satz 1 WEG ebenso wenig eine notwendige Voraussetzung für das Entstehen von Sondereigentum (BayObLG, Beschl. v. 30.04.1980 - 2 Z 12/79, Rpfleger 1980, 295) wie die zum Vollzug der Teilung im Grundbuch notwendige Bescheinigung der Abgeschlossenheit des Sondereigentums durch die Baubehörde.

Praxishinweis:

Für die anwaltliche Beratungspraxis ist zunächst wichtig zu prüfen, wer überhaupt Eigentümer des Raumes ist. In dem vom BGH entschiedenen Fall war streitig, ob aufgelassen wurde

1. das im Wohnungsgrundbuch der Wohnung Nr. 3 unter Bezugnahme auf den Aufteilungsplan eingetragene Wohnungseigentum (mit Wohnzimmer) oder
2. das bei Abgabe der Auflassungserklärung übereinstimmend Gewollte (nach den tatsächlichen Gegebenheiten), nämlich das Miteigentum nebst Sondereigentum (ohne Wohnzimmer) mit der Folge, dass Eigentum am Wohnzimmer nicht übergegangen ist.

Weiter muss auch gutgläubiger Erwerb ausgeschlossen sein.

Zusätzlich ist auch zu prüfen, ob Verwirkung des Beseitigungsanspruchs eingetreten ist. Die der Duldung der Teilungserklärung widersprechende Nutzung durch andere Miteigentümer bindet künftige Erwerber mangels einer Eintragung im Grundbuch allerdings nicht (OLG Celle OLGR Celle 2007, 756).

Der Störungsbeseitigungsanspruch nach § 1004 BGB und der Herausgabeanspruch nach § 985 BGB unterliegen der 30jährigen Verjährung (BGH, Urt. v. 01.02.1994 - VI ZR 229/92, NJW 1994, 999; KG WuM 2001, 452).

Ein Rechtsanwalt hat zu prüfen, wen er in Anspruch nimmt.

Der Anspruch auf ordnungsgemäße Erstherstellung des im Grundbuch verzeichneten Sondereigentums gemäß § 21 Abs. 4 i.V.m. Abs. 5 Nr. 2 WEG erwächst aus dem Wohnungseigentum und steht dem jeweiligen Wohnungseigentümer zu. Ein etwaiger Anspruch auf Beseitigung unter dem Gesichtspunkt der Herstellung eines ordnungsgemäßen, den Plänen entsprechenden Zustands richtet sich nicht gegen einen einzelnen Wohnungseigentümer, sondern nur gegen die Wohnungseigentümer in ihrer Gesamtheit (OLG Hamm, Beschl. v. 21.07.1997 - 15 W 482/96, NJW-RR 1998, 371). Insbesondere sind auch die anfallenden Kosten der Beseitigung der teilrechtsfähigen Wohnungseigentümergemeinschaft zu tragen (zur früheren Rechtslage von allen Wohnungseigentümern OLG Hamm NJW-RR 1998, 371; BayObLG NJW-RR 1986, 954, 955 und BayObLG, Beschl. v. 14.05.1996 - 2Z BR 30/96, WuM1997, 189 = NJW-RR 1994, 276).

Bei abweichender Errichtung eines Gebäudes von den ursprünglichen Plänen besteht ein Beseitigungsanspruch gegen den Käufer, auch wenn er die geänderte Bauausführung beim Kauf des Wohnungseigentums durch entsprechende Abreden mit dem Bauträger veranlasst hat, wenn zur Zeit der baulichen Ausgestaltung eine werdende Eigentümergemeinschaft im vorgenannten Sinne noch nicht besteht (OLG Hamm NJW-RR 1998, 371). Gegen den Käufer, der nicht werdender Wohnungseigentümer ist, besteht nur ein Anspruch auf Duldung der Maßnahme (KG, Beschl. v. 18.07.2001 - 24 W 7365/00, NZM 2001, 1127 = WuM 2001, 452).

Weiterführende Informationen zu diesem Thema in rechtsportal.de:

• Arbeitshilfen, Checklisten, Checklisten WEG-Recht, "Sondereigentum-Gemeinschaftseigentum"