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Mietverträge: Kündigung nach Streit mit Vermieter

Rechtfertigt ein eskalierter Streit mit dem Vermieter eine Kündigung? Das Amtsgericht München hat nach einer Auseinandersetzung im Hausflur zwischen Mietern und ihrem Vermieter eine außerordentliche Kündigung bestätigt – u.a. wertete das Gericht eine Äußerung eines Mieters als Beleidigung. Dessen schuldhafte Pflichtverletzung ist demnach den übrigen drei Mitbewohnern zuzurechnen.

Darum geht es

Die Beklagten lebten bereits seit 2006 in der Fünfzimmerwohnung in München. Die Wohnung liegt in einem Haus, das in Wohneinheiten aufgeteilt ist. In der Hausordnung war unter Anderem geregelt:

„Das Abstellen von Gegenständen, insbesondere von Krafträdern, Mopeds, Fahrrädern und Kinderwagen auf dem Hof, in der Garagenauffahrt, in den Gängen des Kellers oder des Speichers und im Treppenhaus ist ohne Einwilligung des Vermieters nicht gestattet.“

Trotzdem stellten zwei der Bewohner ihre Fahrräder im Eingangsbereich ab. Das behinderte die in der darunter gelegenen Wohnung wohnende Familie.

Sie konnten den Durchgang nun mit ihrem Kinderwagen nicht mehr passieren. Die Familie sprach ihre Nachbarn an, trotzdem entfernten diese die Räder nicht.

Daher baten sie den Vermieter, die Nachbarn auf die Einhaltung der Hausordnung hinzuweisen. Gemeinsam begab man sich zu der Wohnung der Beklagten. In dem darauffolgenden Gespräch eskalierte die Situation.

Einer der Bewohner beleidigte schließlich den Vermieter mit den Worten „Wer bist Du? Halt die Fresse“ und berührte diesen am Oberkörper, so dass er ausweichen musste. Dieser erstattete daraufhin Strafanzeige und kündigte das Mietverhältnis außerordentlich und fristlos.

Die Beklagten sind der Ansicht, es gehe darum, sie schlecht zu machen, um sie aus dem Mietverhältnis heraus zu mobben. Die Kläger meinen, durch die schwere Beleidigung sei das für die Vertragserfüllung unerlässliche Vertrauen zerstört worden, daher habe man kündigen dürfen.

Wesentliche Entscheidungsgründe

Das Amtsgericht München gab den Klägern Recht und verurteilte die vier Mieter dazu, ihre gemeinsame Wohnung zu räumen. Die Bewohner haben nun bis Ende Juli Zeit, auszuziehen und diese an ihre Vermieter zurück zu zugeben.

Die erklärte Kündigung sei wirksam. Die Zurechtweisung des Vermieters im Beisein anderer Hausbewohner und Mieter durch die Wendung „Halt die Fresse“ stelle eine Kundgabe der Nichtachtung und Missachtung dar, da sie den Vermieter auf eine unmenschliche Ebene herabwürdige.

Erschwerend kommt nach dem Gericht hinzu, dass der Beklagte diese Herabwürdigung im Beisein anderer Hausbewohner getätigt hat, was der Missachtung ein noch stärkeres Gewicht verleiht, da Beleidigungen umso stärker wirke, je mehr Menschen diese vernehmen können.

Noch schwerwiegender trete hinzu, dass die Beleidigung von einer Tätlichkeit flankiert war, welche zugleich zumindest nötigenden Charakter hatte.

Eine Abmahnung vor der Kündigung sei nicht erforderlich gewesen. Es gelte der Grundsatz, dass durch eine schwere Beleidigung das für die Vertragserfüllung unerlässliche Vertrauen zerstört wird.

In diesem Fall sei eine Abmahnung entbehrlich, weil zerstörtes Vertrauen durch eine Abmahnung nicht wiederhergestellt werden kann.

Auch wenn nur einer der Mieter ausfällig wurde, müssen nach der Entscheidung des Gerichts alle ausziehen. Das Verschulden werde den anderen Bewohnern zugerechnet, da die Leistungen unteilbar seien.

Die Gebrauchsgewährung, zu der sich der Vermieter verpflichtet könne nur gegenüber allen erbracht oder beendet werden. Deshalb ist nach Auffassung des Gerichts eine Teilkündigung gegenüber einem von mehreren Mietern unzulässig.

Wenn für eine verschuldensabhängige Kündigung jeder Mieter eine schuldhafte Pflichtverletzung begangen haben müsste, dann würde das Kündigungsrecht des Vermieters unvertretbar erschwert werden, da ihm schon das Fehlverhalten eines Mieters die Fortsetzung des Vertrags unzumutbar machen kann.

Deshalb ergebe sich in diesen Fällen aus einer Abwägung der Interessen der Vertragsbeteiligten, dass schuldhafte Pflichtverletzungen nur eines Mieters Gesamtwirkung haben, also auch zu Lasten der anderen Mieter wirken.

Der zuständige Richter gewährte eine Räumungsfrist bis Ende Juli. Grundsätzlich wäre angesichts des massiven Vorfalls trotz der Dauer des Mietverhältnisses keine oder nur eine sehr knappe Räumungsfrist zu gewähren gewesen.

Lediglich auf Grund der aktuellen Pandemie-Situation und des gesundheitlich schlechten Zustandes des Beklagten war nach dem Gericht eine längere Räumungsfrist von gut sechs Monaten zu gewähren.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

Amtsgericht München, Urt. v. 13.01.2022 – 473 C 9473/21