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BSG - Entscheidung vom 19.02.2024

B 3 P 9/23 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2
SGB X § 82 Abs. 1 Nr. 1

BSG, Beschluss vom 19.02.2024 - Aktenzeichen B 3 P 9/23 B

DRsp Nr. 2024/3614

Zustimmung des Landes zur gesonderten Berechnung von höheren betriebsnotwendigen Investitionsaufwendungen gegenüber den Bewohnern einer vollstationären Pflegeeinrichtung; Verwerfung der Nichtzulassungsbeschwerde

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 9. Februar 2023 - L 5 P 92/19 - wird als unzulässig verworfen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 6604,91 Euro festgesetzt.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 ; SGB X § 82 Abs. 1 Nr. 1 ;

Gründe

I

Das LSG hat den von der Klägerin verfolgten Anspruch auf Zustimmung des beklagten Landes zur gesonderten Berechnung von höheren betriebsnotwendigen Investitionsaufwendungen gegenüber den Bewohnern einer von ihr betriebenen vollstationären Pflegeeinrichtung für den Zeitraum vom 1.10.2014 bis 30.9.2015 weit überwiegend abgelehnt.

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG. Sie macht eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, eine Divergenz und einen Verfahrensmangel geltend.

II

Die Beschwerde der Klägerin ist als unzulässig zu verwerfen 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 i.V.m. § 169 Satz 2 SGG ).

Nach § 160 Abs 2 SGG ist die Revision nur zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1), die Entscheidung des LSG von einer Entscheidung des BSG , des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr 2) oder wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (Nr ). Keinen der in § 160 Abs 2 SGG geltend gemachten Zulassungsgründe hat die Klägerin in der Begründung der Beschwerde schlüssig dargelegt oder bezeichnet 160a Abs 2 Satz 3 SGG ; vgl auch bereits den zwischen den Beteiligten ergangenen Beschluss BSG vom 14.12.2020 - B 3 P 11/20 B - juris).

1. Die Darlegung einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache erfordert die Formulierung einer bestimmten abstrakten Rechtsfrage, der in dem Rechtsstreit eine grundsätzliche, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung beigemessen wird (vgl BSG vom 22.8.1975 - 11 BA 8/75 - BSGE 40, 158 = SozR 1500 § 160a Nr 11). Die abstrakte Rechtsfrage ist klar zu formulieren, um an ihr die weiteren Voraussetzungen für die Revisionszulassung nach § 160 Abs 2 Nr 1 SGG prüfen zu können (vgl Meßling in Krasney/Udsching/Groth/Meßling, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 8. Aufl 2022, IX. Kap RdNr 284 mwN). Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist gegeben, wenn zu erwarten ist, dass die Revisionsentscheidung die Rechtseinheit in ihrem Bestand erhalten oder die Weiterentwicklung des Rechts fördern wird. Daher ist aufzuzeigen, ob und inwieweit zu der aufgeworfenen Frage bereits Rechtsgrundsätze herausgearbeitet worden sind und in welchem Rahmen noch eine weitere Ausgestaltung, Erweiterung oder Änderung derselben durch das Revisionsgericht zur Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits erforderlich erscheint (vgl Meßling, aaO, RdNr 286 f). Es ist aufzuzeigen, dass die Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und die Klärung durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (vgl BSG vom 16.12.1993 - 7 BAr 126/93 - SozR 3-1500 § Nr 16). Hierfür ist eine substantielle Auseinandersetzung mit den einschlägigen oberstgerichtlichen Entscheidungen ebenso erforderlich wie die Darlegung, dass sich aus diesen keine ausreichenden Anhaltspunkte für die Beantwortung der aufgeworfenen Rechtsfrage ergeben (vgl BSG vom 21.1.1993 - 13 BJ 207/92 - SozR 3-1500 § Nr 8).

Diesen Darlegungsanforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. Als grundsätzlich klärungsbedürftig erachtet sie folgende Fragen:

"1. Ist eine landesrechtliche, ausschließliche Bezugnahme auf den Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank 'zur näheren Ausgestaltung' der Umlage nach § 82 Abs. 3 , 2. HS SGB XI 'im Hinblick auf Art, Höhe und Laufzeit sowie die Verteilung der gesondert berechenbaren Aufwendungen auf die Pflegebedürftigen' rechtmäßig, nachdem der Gesetzgeber § 82 Abs. 1 Nr. 1 SGB XI in der ab dem 28.12.2012 geltenden Fassung um die Formulierung 'einschließlich Kapitalkosten' ergänzt hat?

2. Ist eine landesrechtliche Verwaltungspraxis, zur Ermittlung der Umlagefähigkeit einer Eigenkapitalverzinsung auf den Basiszinssatz der EZB abzustellen mit den Vorgaben der Art. 2 , 3 , 12 , 14 des Grundgesetzes vereinbar?

3. Ist es iS § 82 Absatz 3 SGB XI rechtmäßig, ausschließlich auf Zins- und Tilgungspläne abzustellen, die Leistungen aus Eigenkapital einschließen ohne diese per Eigenkapitalverzinsung zu berücksichtigen?

4. Sind iS § 82 Absatz 3 SGB XI die sich aus der Differenz von Restbuchwert und Restdarlehensschuld ergebenden Beträge als Eigenkapitalverzinsung zustimmungsfähig?"

Mit den zu 1. und 2. aufgeworfenen Fragen werden schon keine abstrakt-generellen Rechtsfragen zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer konkreten revisiblen Norm des Bundesrechts (vgl § 162 SGG ) mit höherrangigem Recht formuliert, weil sich die Klägerin auf landesrechtliche Regelungen bzw eine landesrechtliche Verwaltungspraxis bezieht. Zwar können landesrechtliche Vorschriften auch dann vom Revisionsgericht eigenständig ausgelegt werden, wenn es sich um Normen handelt, die inhaltsgleich in den Bezirken verschiedener LSG gelten, soweit die Übereinstimmung im Interesse der Rechtsvereinheitlichung bewusst und gewollt ist. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen muss aber vom Beschwerdeführer dargelegt werden (vgl nur BSG vom 18.8.2022 - B 6 KA 25/21 B - juris RdNr 9 mwN), was hier nicht erfolgt ist. Soweit die Klägerin mit den Fragestellungen zu 3. und 4. formal das Bundesrecht 82 Abs 3 SGB XI ) betreffende Fragen formuliert hat, fehlt es an Darlegungen, wieso die Antworten hierauf aus § 82 Abs 3 SGB XI abgeleitet werden können, obgleich die Regelung auf Landesrecht verweist. Zudem enthält die Beschwerdebegründung keine hinreichenden Darlegungen zur Klärungsbedürftigkeit unter Berücksichtigung von einschlägiger Rechtsprechung und ggf Literatur. Nur hinzu kommt, dass es bei den die Vereinbarkeit mit dem GG betreffenden Fragen an einer Aufbereitung der Rechtsprechung des BVerfG fehlt. Wer sich auf die Verfassungswidrigkeit einer Regelung beruft, darf sich nicht auf die Benennung angeblich verletzter Rechtsgrundsätze beschränken, sondern muss unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BVerfG und des BSG darlegen, woraus sich im konkreten Fall die Verfassungswidrigkeit ergeben soll (vgl nur BSG vom 7.10.2020 - B 14 AS 418/19 B - juris RdNr 6 mwN).

2. Für die Bezeichnung einer Abweichung (Divergenz) ist aufzuzeigen, mit welchem genau bezeichneten entscheidungserheblichen abstrakten Rechtssatz die angefochtene Entscheidung des LSG von welchem ebenfalls genau bezeichneten entscheidungserheblichen abstrakten Rechtssatz des BSG im Grundsätzlichen abweicht. Eine Abweichung liegt nicht schon vor, wenn die angefochtene Entscheidung nicht den Kriterien entsprechen sollte, die das BSG aufgestellt hat, weil die Unrichtigkeit einer Entscheidung im Einzelfall nicht die Zulassung einer Revision wegen Abweichung rechtfertigt. Erforderlich ist vielmehr, dass das LSG diesen Kriterien widersprochen und über den Einzelfall hinausgehende andere rechtliche Maßstäbe entwickelt hat. Nicht die - behauptete - Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die fehlende Übereinstimmung im Grundsätzlichen vermag die Zulassung der Revision wegen Abweichung zu begründen. Die Beschwerdebegründung muss deshalb erkennen lassen, dass das LSG dem BSG im Grundsätzlichen widersprochen und von den bezeichneten rechtlichen Aussagen des BSG abweichende, dh mit diesen unvereinbare eigene rechtliche Maßstäbe entwickelt hat (vgl zB BSG vom 25.9.2002 - B 7 AL 142/02 B - SozR 3-1500 § 160a Nr 34; Meßling in Krasney/Udsching/Groth/Meßling, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 8. Aufl 2022, IX. Kap RdNr 300 ff mwN).

Auch diese Voraussetzungen liegen nicht vor, weil die Klägerin keine Rechtssätze bezeichnet, sondern nur vorträgt, dass vom LSG getroffene Rechtssätze die in den Urteilen des BSG vom 8.9.2011 ( B 3 P 4/10 R, B 3 P 2/11 R, B 3 P 3/11 R und B 3 P 6/10 R), 29.6.2017 ( B 3 P 7/17 B) sowie vom 13.7.2017 (B 8 SO 11/15 R) aufgestellten Grundsätze zu Art und Umfang der Refinanzierung geförderter Einrichtungen im Rahmen von Investitionskosten unterliefen. Sie kritisiert die "Lesart" dieser Entscheidungen durch die Vorinstanzen, ohne jedoch das Bundesrecht betreffende Rechtssätze des LSG oder des BSG herauszuarbeiten und gegenüberzustellen. Dem Vortrag der Klägerin lässt sich jedenfalls ein Widerspruch des LSG zum BSG im Grundsätzlichen nicht entnehmen. Ob das LSG die Rechtsprechung des BSG in ihrem Einzelfall zutreffend berücksichtigt hat, ist im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde vom BSG nicht zu überprüfen.

3. Die Bezeichnung eines Verfahrensmangels erfordert, dass ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem iS des § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 1 SGG die angefochtene Entscheidung des LSG beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der § 109 SGG (Anhörung eines bestimmten Arztes) und § 128 Abs 1 Satz 1 SGG (freie richterliche Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des § 103 SGG (Aufklärung des Sachverhalts von Amts wegen) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG ).

Dem wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. Soweit die Klägerin als Verletzung des Amtsermittlungsgrundsatzes nach § 103 SGG rügt, das LSG habe die notwendige Sachaufklärung insbesondere zur Ermittlung des zutreffenden Zinssatzes unterlassen, fehlt es an der Bezeichnung eines bis zuletzt aufrechterhaltenen Beweisantrags, dem das LSG nicht gefolgt sein soll.

Die Verwerfung der unzulässigen Beschwerde erfolgt in entsprechender Anwendung des § 169 Satz 3 SGG ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG i.V.m. § 154 Abs 2 VwGO . Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 1 SGG i.V.m. § 63 Abs 2 Satz 1, § 47 Abs 1 und 3 , § 52 Abs 1 und 3 Satz 1 GKG und bemisst sich nach dem geringfügig stattgebenden Berufungsurteil nach dem noch streitigen Differenzbetrag.

Vorinstanz: SG Dortmund, vom 28.05.2019 - Vorinstanzaktenzeichen S 54 P 378/15
Vorinstanz: LSG Nordrhein-Westfalen, vom 09.02.2023 - Vorinstanzaktenzeichen L 5 P 92/19