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BSG - Entscheidung vom 18.01.2024

B 8 SO 51/23 BH

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1

BSG, Beschluss vom 18.01.2024 - Aktenzeichen B 8 SO 51/23 BH

DRsp Nr. 2024/4729

Verwerfung der Nichtzulassungsbeschwerde

1. Der Rechtssache kommt nach Aktenlage keine grundsätzliche Bedeutung zu, da sich weder klärungsbedürftige Rechtsfragen im Hinblick auf die Voraussetzungen eines Unterlassungsanspruchs noch im Hinblick auf § 56a SGG stellen. 2. Eine Verletzung der Amtsermittlungspflicht nach dem § 103 SGG kann nicht geltend gemacht werden, wenn der Kläger keinen Beweisantrag gestellt hat.

Tenor

Der Antrag des Klägers, ihm für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 29. August 2023 Prozesskostenhilfe zu bewilligen und Rechtsanwältin S, K, beizuordnen, wird abgelehnt.

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem bezeichneten Urteil wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1 ;

Gründe

I

Die Beteiligten streiten um Unterlassungsansprüche des Klägers gegenüber dem Beklagten sowie die Feststellung, dass bestimmte Handlungen des Beklagten rechtswidrig gewesen seien. Die Klage hat keinen Erfolg gehabt (Gerichtsbescheid des Sozialgerichts <SG> Berlin vom 17.2.2021; Urteil des Landessozialgerichts <LSG> Berlin-Brandenburg vom 29.8.2023). Zur Begründung haben die Vorinstanzen ausgeführt, das auf die Verpflichtung des Beklagten gerichtete Klagebegehren, künftig ohne eine Bestallung der mitarbeitenden Ärzte und Ärztinnen medizinisch tätig zu werden, sei im Hinblick auf § 56a Sozialgerichtsgesetz ( SGG ) unzulässig, weil der dem Kläger während eines der Ermittlung des Eingliederungshilfebedarfs dienenden Gesprächs erteilte medizinische Ratschlag keine selbständig vollstreckbare Verfahrenshandlung sei. Auch die begehrte Unterlassungserklärung, nicht weitere Aussagen und Behauptungen über religiöse und politische Anschauungen, der Rasse, der Herkunft, der Abstammung des Klägers zu verbreiten, könne nicht zulässig mit der Leistungsklage geltend gemacht werden, weil dafür kein Rechtsschutzbedürfnis bestehe. Die konkrete Äußerung einer Mitarbeiterin des Beklagten in einer E-Mail sei bereits Gegenstand eines anderen Verfahrens und könne daher wegen anderweitig bestehender Rechtshängigkeit nicht zulässig erneut Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens sein; nach Erlass des betreffenden Urteils des LSG stehe die Rechtskraft dieser Entscheidung der Zulässigkeit der Klage auf Unterlassung bestimmter Äußerungen der Mitarbeiterin entgegen 141 Abs 1 SGG ). Dies könne auch nicht im Wege einer Folgenbeseitigung geltend gemacht werden, weil sämtliche den Beklagten vorgeworfenen Handlungen in Zusammenhang mit dem Verwaltungsverfahren stünden und mit einer Sachentscheidung abgeschlossen werden könnten. Eine Fortsetzungsfeststellungsklage sei bereits nicht statthaft, weil vorliegend kein erledigter Verwaltungsakt klagegegenständlich sei.

Gegen die Nichtzulassung der Revision in dem bezeichneten Urteil wendet sich der Kläger mit seiner Beschwerde vom 22.9.2023 und beantragt zugleich die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung einer Rechtsanwältin.

II

PKH kann dem Kläger nicht bewilligt werden. PKH ist nur zu bewilligen, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint 73a Abs 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz <SGG> i.V.m. § 114 Zivilprozessordnung <ZPO>); daran fehlt es hier. Hinreichende Aussicht auf Erfolg wäre nur zu bejahen, wenn einer der drei in § 160 Abs 2 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe durch einen zugelassenen Prozessbevollmächtigten 73 Abs 4 SGG ) mit Erfolg geltend gemacht werden könnte, denn nur diese Gründe können zur Zulassung der Revision führen. Dies ist vorliegend nicht der Fall.

Der Rechtssache kommt nach Aktenlage keine grundsätzliche Bedeutung zu 160 Abs 2 Nr 1 SGG ). Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Klärungsbedürftige Rechtsfragen stellen sich weder im Hinblick auf die Voraussetzungen eines Unterlassungsanspruchs (vgl nur Bundessozialgericht <BSG> vom 30.7.2019 - B 1 KR 34/18 R - BSGE 129, 10 = SozR 4-2500 § 53 Nr 3, RdNr 11 ff) noch im Hinblick auf § 56a SGG (dazu etwa BSG vom 30.6.2022 - B 5 R 15/22 B - RdNr 11; BSG vom 10.9.2020 - B 3 KR 11/19 R - SozR 4-2500 § 35a Nr 6 RdNr 48 unter Hinweis auf BT-Drucks 17/12297 S 39). Nach dem Vorstehenden ist auch nicht erkennbar, dass eine Divergenzrüge 160 Abs 2 Nr 2 SGG ) mit Aussicht auf Erfolg geltend gemacht werden könnte.

Es ist schließlich auch nicht erkennbar, dass ein Verfahrensmangel 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 1 SGG ) mit Aussicht auf Erfolg zulässig begründet werden könnte. Das LSG durfte in Abwesenheit des Klägers aufgrund mündlicher Verhandlung entscheiden, weil er ordnungsgemäß in der Terminsmitteilung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden war. Zulässigerweise hat das LSG auch durch die Vorsitzende mit ehrenamtlichen Richtern gemäß § 153 Abs 5 SGG entschieden. Gesetzliche Richter für die Entscheidung von Verfahren vor dem LSG ist grundsätzlich ein Senat in der Besetzung mit dem Vorsitzenden, zwei weiteren Berufsrichtern und zwei ehrenamtlichen Richtern 33 Abs 1 Satz 1 SGG ). Hiervon macht ua § 153 Abs 5 SGG (eingefügt durch das Gesetz zur Änderung des SGG und des Arbeitsgerichtsgesetzes vom 26.3.2008, BGBl I 444) eine Ausnahme. Danach kann das LSG nach seinem Ermessen in den Fällen einer Entscheidung des SG durch Gerichtsbescheid 105 SGG ) durch Beschluss der berufsrichterlichen Mitglieder des Senats die Berufung dem Berichterstatter übertragen, der zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entscheidet. Hiervon hat das LSG durch Beschluss vom 4.10.2021 Gebrauch gemacht und hat den Kläger zuvor ordnungsgemäß Gelegenheit gegeben, zur beabsichtigten Vorgehensweise Stellung zu nehmen (zur Anhörungspflicht BSG vom 21.9.2017 - B 8 SO 3/16 R - SozR 4-1500 § 153 Nr 16 RdNr 16). Soweit der Kläger eine Verletzung der Amtsermittlungspflicht nach § 103 SGG behauptet, ist nicht ersichtlich, welche Tatsachen dem LSG - ausgehend von seiner Rechtsauffassung - als klärungsbedürftig hätten erscheinen müssen. Ohnehin hat er keinen Beweisantrag gestellt, den das LSG ohne hinreichende Begründung übergangen haben könnte. Dem Schriftsatz vom 21.7.2021 fehlt bereits die Angabe eines Beweismittels, sodass nicht erkennbar ist, dass ein zugelassener Prozessbevollmächtigter einen Verstoß gegen die Amtsermittlungspflicht mit Erfolg rügen könnte (vgl § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ).

Mit der Ablehnung von PKH entfällt auch die Beiordnung eines Prozessbevollmächtigten im Rahmen der PKH 73a Abs 1 SGG i.V.m. § 121 Abs 1 ZPO ).

Die vom Kläger selbst eingelegte Beschwerde entspricht nicht den zwingenden gesetzlichen Vorschriften. Der Kläger muss sich vor dem BSG gemäß § 73 Abs 4 SGG durch einen zugelassenen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Er kann eine Prozesshandlung rechtswirksam nicht vornehmen, folglich auch nicht selbst Beschwerde einlegen. Schon die Beschwerdeschrift muss von einem nach § 73 Abs 4 SGG zugelassenen Prozessbevollmächtigten unterzeichnet sein. Hierauf wurde der Kläger ausdrücklich hingewiesen. Die nicht formgerecht eingelegte Beschwerde ist schon deshalb nach § 160a Abs 4 Satz 1 i.V.m. § 169 Satz 3 SGG ohne Beteiligung der ehrenamtlichen Richter als unzulässig zu verwerfen.

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 SGG .

Vorinstanz: SG Berlin, vom 17.02.2021 - Vorinstanzaktenzeichen S 212 SO 1569/19
Vorinstanz: LSG Berlin-Brandenburg, vom 29.08.2023 - Vorinstanzaktenzeichen L 15 SO 55/21